Profilbild von black_snapper

black_snapper

Lesejury Star
offline

black_snapper ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit black_snapper über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.07.2020

Kein Reiseführer, aber eine Möglichkeit, einen umfangreichen Einblick in die kanadische Landschaft, das Klima, die Kulinarik und die Menschen zu erlangen.

Toronto
0

In „Toronto“ hat der Autor Marc Degens seine Aufzeichnungen aus Toronto und Kanada verarbeitet. Anfangs irritierte mich der stichwortartige Schreibstil, weil ich mich an ein Notizbuch erinnert fühlte, ...

In „Toronto“ hat der Autor Marc Degens seine Aufzeichnungen aus Toronto und Kanada verarbeitet. Anfangs irritierte mich der stichwortartige Schreibstil, weil ich mich an ein Notizbuch erinnert fühlte, ich konnte mich im Verlauf aber gut einlesen.
Marc Degens nimmt den Leser nicht einfach nur mit nach Kanada, sondern in seine neue Wohnung, in Buchhandlungen, auf Konzerte, auf zahlreiche Lesungen, zum Essen, sprich, der Leser ist stets dabei. Seine Interessen liegen auf Verlagsprodukten und kulturellen Veranstaltungen.
Mehrmals unternimmt er mit seiner Ehefrau Kurzreisen durch Kanada, einmal auch eine mehrwöchige. Diese hat mir am besten gefallen. Ich konnte sie gut in Gedanken mitverfolgen. Er berichtet eindrücklich von faszinierenden Tierbegegnungen wie Stinktieren, Bibern, Waschbären, Walen und Rehen, aber auch von Marihuana-Plantagen bewachenden Schwarzbären. Er erwähnt mit einem Augenzwinkern einen Buchhändler, der seinen Laden wegen eines Paul Simon-Konzerts geschlossen hat und lustige koreanische Touristen mit Selfiesticks bei einer Bootstour. Er bezieht teils außergewöhnlichen Unterkünfte und entdeckt tolle Restaurants, Cafes und Kneipen.
Die Besonderheit der kanadischen Landschaft wird gut transportiert. Ich habe ein Gefühl für das Land, das Klima und die Menschen bekommen.
Der Autor webt immer wieder interessante Beobachtungen und bildliche Vergleiche in den Text ein und erzählt nette Anekdoten. Die eingeflochtenen Nachrichten zu aktuellen, meist politischen Themen, lassen das Buch lebendig wirken.
Allerdings habe ich mich bei der Lektüre nicht immer mitgenommen gefühlt. Oft erwähnt der Autor Personen, auf die er dann nicht näher eingeht. Immer wieder haben mir eingehendere Beschreibungen und Hintergrundinformationen gefehlt. Dabei wäre ich mit „Vic, ein Freund“ oder „Monika, eine befreundete Lyrikerin“ vollkommen zufrieden gewesen. So bleibt für mich offen, wer u.a. Patrick, Christine, Peter und Bridget sind. Dies ist aber mein einziger Kritikpunkt, weshalb ich bei der Bewertung einen Punkt abziehe.
„Toronto“ ist ein sehr buntes Buch, das dem Leser einen umfangreichen Einblick in die kanadische Landschaft, das Klima, die Kulinarik und die Menschen ermöglicht, ohne sich Reiseführer zu nennen. Es ist sehr persönlich geschrieben und ermöglicht auch Einblicke in das Privatleben des Autors.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.07.2020

Hoffnung, Zweifel, Erkenntnis und Liebe auf dem Jakobsweg

Das Glück wartet am Wegesrand
0

Diana Lilienfeld hadert mit ihrem Leben, seit ihr Freund Marc sie vor die Tür gesetzt hat. Zunächst kommt sie lebensunlustig bei ihrer Mutter im Berliner Plattenbau unter. Auch die Beziehung zu ihrer besten ...

Diana Lilienfeld hadert mit ihrem Leben, seit ihr Freund Marc sie vor die Tür gesetzt hat. Zunächst kommt sie lebensunlustig bei ihrer Mutter im Berliner Plattenbau unter. Auch die Beziehung zu ihrer besten Freundin liegt auf Eis, seit sie sich wegen Marc nicht mehr bei ihr gemeldet hat. Dann rafft sie sich auf und beginnt, den Jakobsweg zu laufen.
Zunächst zweifelt sie an der Idee, doch dann findet sie allmählich Gefallen an der Anstrengung des Weges. Sie begegnet Männern, Frauen, Paaren und Gruppen, die ihr jeweils etwas mit auf den Weg gehen. Und so beginnt sie, mich sich selbst in Reine zu kommen. Es ist spannend zu beobachten, wie Diana sich zum positiven verändert. Auf einem Pilgerweg hat man Zeit für Gedanken, was im hektischen Alltag oft nicht mehr möglich ist, weil der Input ohnehin schon so groß ist. Jede Begegnung öffnet Diana ein Stück weit die Augen und bringt sie ihren Ziel ein Stück näher.
Diana erkennt dadurch, daß die Beziehung zu ihrem Ex-Freund auf Faszination, Neugier und Lust auf ein wildes, glitzerndes Leben basierte. Bleibt nur noch die Frage, was sie mit ihrer Zukunft anfangen soll.
Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Diana erzählt. Zwischendurch gibt es Rückblenden in ihre Vergangenheit, die Aufschluss über ihre Ängste geben.
Die Autorin versteht es, den Camino Frances plastisch zu beschreiben. Ich hatte stets das Gefühl, tatsächlich mit Diana und ihren Weggefährten unterwegs zu sein. Ich konnte mir die Herbergen gut vorstellen, habe das Aroma des einfachen Essens nach einem anstrengenden Wandertag auf der Zunge gespürt und habe mit den neu gewonnenen Freunden gehofft und gebangt.
Trotz einiger trauriger Stellen ist das Buch sehr positiv. Die Muskelschmerzen stehen nicht im Vordergrund, sondern die „Seelenselbstbeschau“ im positiven Sinne. Dabei ist es unerlässlich, daß spirituelle Elemente eine Rolle spielen. Die finde ich sehr gut eingewebt. Insgesamt habe ich das Gefühl, daß das Buch jeden ansprechen könnte, weil Diana eben eine ganz normale Frau aus einer deutschen Großstadt ist, die ihre eigenen Erfahrungen auf dem Weg sammelt. Es geht ihr nicht um religiöse Spiritualität. So oder so ähnlich würde es wohl den meisten von uns gehen.
Die Geschichte ist so abwechslungsreich, ja man kann sie als abenteuerlich bezeichnen, daß ich mich kein einziges Mal gelangweilt habe. Auch wenn das Seelenleben der Beteiligten eine große Rolle spielt, ist das Buch nicht wie ein psychologisches Essay geschrieben.
Was für ein tolles Buch! Ich bin dankbar für die vielen Geschichten, die erzählt wurden. Es war lehrreich, spannend, herzlich, schön und traurig zugleich...einfach wunderbar!

Ein wunderbares Buch über die Suche nach sich selbst auf dem Jakobsweg mit einer wunderbaren Liebesgeschichte gewürzt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.07.2020

Texel, Blumen, Kuchenkreationen und 3 Männer zur Auswahl

Der Sommer der Inselblumen
0

Zunächst mal hört sich der Klappentext an, wie der klassische Verlauf in Liebesromanen: Freund weg, Job weg, Erbschaft und Umzug in ein anderes Land/Stadt/Insel, neue Liebesbeziehung mit Nachbar/Arzt/Handwerker, ...

Zunächst mal hört sich der Klappentext an, wie der klassische Verlauf in Liebesromanen: Freund weg, Job weg, Erbschaft und Umzug in ein anderes Land/Stadt/Insel, neue Liebesbeziehung mit Nachbar/Arzt/Handwerker, Aufarbeitung der Vergangenheit und sie lebten bis ans Lebensende gemeinsam und glücklich.
Einige der Elemente finden sich auch hier, aber der Verlauf ist eher untypisch. Zum einen ist das Buch viel länger. Es wird daher auch mehr Information vermittelt. Stellenweise war mir das zu viel, und ich hätte es mir kompakter gewünscht, vor allem am Anfang. Teilweise plätschert die Erzählung eher dahin. Weglegen wollte ich das Buch allerdings nie. Im Laufe der Lektüre bin ich immer mehr in die Geschichte eingetaucht.
Zum anderen kamen einige Krimi-und Thriller-Elemente auf. Das hatte ich in dem Genre nicht erwartet, fand es aber geschickt eingebaut und nicht zu viel. So gab es einige spannende und auch einige sehr gruselige Szenen.
Wenn es um Prinz Harry, Annas Dackel ging, war es zuweilen richtig humorig und brachte mich desöfteren zum Schmunzeln.
Die Liebesgeschichte an sich hätte nach meinem Geschmack etwas leidenschaftlicher und umfangreicher sein können. Sie stand nicht wirklich im Vordergrund. Die eigentliche Geschichte dreht sich um Anna, die einen Blumenladen auf Texel, der Insel ihrer Großeltern, eröffnet. Die Widerstände, gegen die sie ankämpfen muss, die Leidenschaft und Geschicklichkeit, die sie dank ihres gelernten Berufs mitbringt, die Bekanntschaften, die sie rund um ihren Laden macht, sind der eigentliche Kern der Handlung und sehr schön zu verfolgen.
Dabei konnte ich mich sowohl in die Protagonistin einfühlen, als auch in die Nebendarsteller um sie herum. Alle sind so authentisch gezeichnet.
Die Lektüre hat einige Emotionen in mir hervorgerufen: Freude, Empörung, Angst, Nervenkitzel, Wohlfühlmomente.
Bei Rooses Kuchenkreationen ist mir regelmäßig das Wasser im Mund zusammengelaufen.
Die Insel ist ebenfalls ganz wunderbar und bildgewaltig beschrieben. Obwohl ich noch nie auf einer Nordseeinsel war, wurde mir Texel dank der Beschreibungen sehr vertraut.
Ganz herzerweichend finde ich, daß die Rezepte aus dem original Backbuch der Großmutter der Autorin stammen.
Ich vergebe 4 von 5 Punkten und eine Leseempfehlung für dieses tolle Buch.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.07.2020

Guter Ben böser Ben und das Prinzip von Hygge

Das kleine Café in Kopenhagen
0

Kate hat die schwierige Aufgabe, für ihre PR-Agentur mit 6 Journalisten eine 5-Tages-Tour durch Kopenhagen zu machen, was sich angesichts der teils schwierigen Charaktere als nicht so einfach herausstellt. ...

Kate hat die schwierige Aufgabe, für ihre PR-Agentur mit 6 Journalisten eine 5-Tages-Tour durch Kopenhagen zu machen, was sich angesichts der teils schwierigen Charaktere als nicht so einfach herausstellt. Der Auftraggeber ihrer Agentur ist ein Dänischer Kaufmann, der eine Filiale seines Kaufhauses in London eröffnen möchte. Mir kam es so vor, als müsse sie einen Flohzirkus bändigen und nicht erwachsenen Menschen ein Konzept vorstellen, nämlich das dänische Lebensgefühl „Hygge“. Es kommt erwartungsgemäß zu einigen Konflikten zwischen den Teilnehmern. Kate hat alle Hände voll zu tun, genießt aber auch den Aufenthalt, nicht zuletzt weil sich bei ihr eine Romanze anbahnt.

Die Teilnehmer der Tour tragen alle ihre seelischen Päckchen mit sich herum. Allen voran der Journalist der örtlichen Tageszeitung Ben Johnson.

Es klafft ein tiefer Graben zwischen dem netten und dem unfreundlichen, aber erotischen Ben. Teilweise ging er mir ziemlich auf die Nerven mit seiner genervten Art.

Allmählich erkennen nicht nur die Teilnehmer das Prizip von Hygge.

Ich mochte die niedlichen Gesten, die nette Kate, den sexy Ben, das Drama der Teilnehmer, die Zeit des Werbens und den Aufbau der Geschichte, auch wenn dieses Buch wie so viele andere dieses Genres nicht ohne künstliches Drama, das auf einem Mißverständnis beruht, auskommt. Dafür gibt es von mir einen Punkt Abzug. Aber insgesamt habe ich es genossen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.07.2020

Bukowski in Reinkultur

Notes on a Dirty Old Man.
0

„Notes on a Dirty Old Man“ ist keine gewöhnliche Biographie. Ich habe mich anfangs gewundert, wo denn die Eckdaten bleiben, habe die Chronologie vermisst. Beginnt das Buch nicht mit Bukowskis Geburt und ...

„Notes on a Dirty Old Man“ ist keine gewöhnliche Biographie. Ich habe mich anfangs gewundert, wo denn die Eckdaten bleiben, habe die Chronologie vermisst. Beginnt das Buch nicht mit Bukowskis Geburt und endet mit seinem Tod? Nein, und das ist gut so, denn so huldigt es dem Querulanten, Quertreiber, dem unberechenbaren Suffkopf, dem bunten Hund, dem Literaturstricher, dem Oppositionsgeist, dem Lyriker, Briefschreiber, Erzähler und Romancier am besten.
Frank Schäfer biographiert Bukowski, indem er seine Literatur interpretiert. Das liefert mir zum einen nach und nach die gewünschten Eckdaten, macht mich aber auch vertraut mit einem Querschnitt seiner Werke, die ich nie gelesen habe. Zugegeben, ohne Vorkenntnisse habe ich mich anfangs mit der Lektüre schwer getan, weil u.a. Personen ohne Einführung genannt werden, aber bald störte mich das nicht mehr. Man muss sich drauf einlassen können. Aber es lohnt sich, mal aus seinen eingefahrenen Lesegewohnheiten auszubrechen. Ich habe einen umfassenden Eindruck über den Menschen Bukowski gewonnen, an den ich mich auch nach Monaten noch erinnern werde können.
Anteil daran hat sicherlich auch der Schreibstil von Frank Schäfer. Wörter wie satifaktionsfähig, splendide Isolation, verbale Libertinage, Spedieren oder defensive Insubordination lassen sich nicht so leicht überlesen, sie bleiben hängen. Aber keine Sorge, die Lektüre geht trotzdem gut von der Hand. Frank Schäfer schreibt auf keinen Fall geschwollen.
Ich habe verstanden, warum Bukowski seine Literatur als Therapie aufgefasst hat, warum er sich in Europa fremd gefühlt hat, warum er sich selbst als einen gebrochenen, desillusionierten, von sich selbst enttäuschten Romantiker bezeichnet hat und warum er kein professioneller Literaturkritiker sein konnte.
„Am besten ist Bukowski, wenn er nicht seine Gefühlswelt ausstellt, sondern einfach eine Situation einfängt, eine Atmosphäre beschreibt oder eine Person mit ein paar treffenden Strichen skizziert.“ Frank Schäfer hat mir diesen streitbaren Menschen näher gebracht. Dafür vergebe ich die volle Punktzahl und eine unbedingte Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere