Wie eine Insel einen digitalen Stadtmenschen verändert
Mein wunderbarer Buchladen am InselwegFrieke ist freie Journalistin beim Wochenmagazin „Komet“ in Hamburg. Mit ihrem Kollegen Harald ist sie seit 3 Jahren zusammen. Gemeinsam wollen sie in den USA eine Firma gründen. Ihr letzter Auftrag führt ...
Frieke ist freie Journalistin beim Wochenmagazin „Komet“ in Hamburg. Mit ihrem Kollegen Harald ist sie seit 3 Jahren zusammen. Gemeinsam wollen sie in den USA eine Firma gründen. Ihr letzter Auftrag führt sie 3 Tage vor dem Abflug nach Spikeroog. Dort soll sie einen kauzigen Ornithologen interviewen.
Doch die Tage in Spikeroog lösen einiges in ihr aus. Zum einen lebt ihr totkranker leiblicher Vater dort, den sie seit dem 4. Geburtstag nicht gesehen hat. Zum anderen liegt ihre angemietete Ferienwohnung oberhalb einer Buchhandlung, die von Edda betrieben wird, einer kurz vor der Rente stehenden leicht wunderlichen Frau, die die Gabe hat, jedem Kunden das richtige Buch zu empfehlen. Sie bemerkt in Frieke die gleiche Gabe und möchte ihr die Buchhandlung gerne übergeben. Zu allem Überfluss entpuppt sich der komplett analog lebende Ornithologe als schwierig, aber attraktiv.
In dem Buch werden viele Themen angeschnitten. Es geht um Bücherliebe, die digitale vs. analoge Welt, um Rastlosigkeit vs. Angekommensein, Stadt- vs. Landleben. Die Geschichte hat ein bißchen was geheimnisvoll märchenhaftes. Über ihr hängt eine gewisse Melancholie.
Nebenbei wird eine Liebesgeschichte erzählt, die meines Erachtens zu kurz kommt, vor allem am Ende. Frieke wird dermaßen mit Eindrücken beschossen, daß sie für eine neue Beziehung überhaupt keinen Platz im Gefühlschaos hat. Doch sie sickert durch, die Liebesgeschichte, in Sehnsüchten, Liebesbeweisen und zarten Küssen. Doch sie funktioniert nicht wie in den meisten Liebesromanen, wo die Protagonistin nach 3 Tagen auf der bislang völlig fremden Insel weiß, was sie will und wo sie hingehört und sich in den Protagonisten schockverliebt, der sich als die große Liebe erweist. Die Geschichte von Frieke wird viel realitätsnäher erzählt.
Frieke tut sich schwer. Ihr Zerrissensein wird sehr gut transportiert. Sie denkt viel nach, wägt ab, redet mit Freunden, geht den alten Weg erstmal weiter und hat wartet ab. Das alles ist in meinen Augen viel authentischer. Allerdings, und da kann ich die kritischen Stimmen absolut verstehen, erwartet man bei einem leichten Sommerroman eben weniger Melancholie und schwere Gedankenarbeit. Man erwartet und möchte Heiterkeit und große positive Gefühle.
Dennoch hat mir das Buch gut gefallen, weil es gut ausgearbeitet und rund ist, weil ich alle Personen gut verstehen kann und weil ich einiges gut nachfühlen kann.
Ich finde, daß die Autorin einen gut verständlichen originellen Schreibstil hat. Besonders haben mir Wortschöpfungen wie „kalter Internetentzug“, „digitale Komfortzone“ oder besonders „Weltverbindungskästchen“ und „Bücherduft“ gefallen. Auch gab es einige Sätze, die ich sehr schön fand: „Es war gerade still genug hier für einen allein.“ oder „Lesen ist gefährlich, weil es zum Lesen anregt.“ „Hier noch nicht ganz entwurzelt, dort drüben längst nicht angekommen.“
Das Buch lehrt uns sanft, ohne belehrend zu wirken: lest doch mal wieder ein Buch, geht in eine Buchhandlung, wo ihr noch persönlich beraten werdet, wo der Mensch noch zählt, schränkt Euer digitales Erleben ein und lasst mehr Gedanken zu,
Mitten in den Lektüre habe ich gemerkt, daß es der 1. Teil einer Reihe ist. Und da sich die Entscheidung am Ende ganz schön gezogen hat, war ich mir eines happy ends nicht sicher oder habe eine cliffhanger befürchtet, aber beides hat sich nicht bewahrheitet.
Das Buch ist realistisch, weil der Weg der Personen nicht so geradlinig und von Vorneherein klar war. Es ist ein klein bißchen geheimnisvoll und märchenhaft. Es ist liebevoll und klug erzählt. Es hat traurige Elemente, aber drückt nicht bewußt auf die Tränendrüse. Leider kommt die Liebesgeschichte zu kurz.