Eddie Flynns 1. Fall: Tödlicher Zeitdruck, knifflige Widersprüche und seine Tochter als Druckmittel – raffiniert, spannungsgeladen und verblüffend!
Zu wenig Zeit zum SterbenAls Eddie Flynn vor einem Jahr einen folgenschweren Fehler vor Gericht begann, gab er seinen Beruf auf. Bis er von der New Yorker Russenmafia bedroht wird, den Kopf der Mafia vor Gericht zu vertreten. ...
Als Eddie Flynn vor einem Jahr einen folgenschweren Fehler vor Gericht begann, gab er seinen Beruf auf. Bis er von der New Yorker Russenmafia bedroht wird, den Kopf der Mafia vor Gericht zu vertreten. Das Problem: Sie haben seine Tochter entführt und somit hat Eddie nur 48 Stunden Zeit, um die Jury zu überzeugen, dass sein schuldiger Klient unschuldig ist.
Der Start in die Geschichte legt ein rasantes Tempo vor: Kaum beginnt man, wird unser vertrauter Anwalt schon gekidnappt und vor dem Gerichtsgebäude erpresst. Was diese Reihe besonders macht, ist die Schlagfertigkeit von Eddie, die ihn so unglaublich sympathisch macht. Es macht einfach Spass, aus seiner Sicht zu lesen, denn er macht sich über andere lustig und nimmt sich selbst nicht allzu ernst. Aber natürlich ist es auch sein schnelles und logisches Denken, das ihn als Protagonisten attraktiv macht. Wenn er scheinbar aus dem Nichts die Herleitung eines ganzen Falls vor dem Richter oder der Richterin präsentiert, sitze ich erstaunt da und blättere so schnell wie möglich um.
Wie man also unschwer erkennen kann, liebe ich diese Reihe, deshalb freut es mich, endlich den ersten Band auf Deutsch lesen zu können. Eddie steht in allen seinen Fällen unter Zeitdruck, aber bei diesem hier spürt er wortwörtlich den Druck der Zeit, weil er erzwungenermassen eine Bombe mit sich herumträgt – sowohl metaphorisch als auch buchstäblich. Der Stress, den er empfindet, sickert durch die Zeilen und man möchte einfach zusammen mit ihm möglichst schnell zur Auflösung gelangen. Gepackt hat mich die Handlung also definitiv.
Dementsprechend gibt es wenige Pausen, was bedeutet, dass nicht viele Stunden vergehen, in denen wir als Leser:innen nicht mitverfolgen, was Eddie gerade tut. Wir sind immer dabei, vom Moment an, in dem er erpresst wird, bis zur letzten Seite. Es gibt eine Kleinigkeit, die mich irritiert: Die Kapitel sind sehr kurz, was ich grundsätzlich mag. In diesem Fall aber endet ein Kapitel mit einem Cliffhanger und wenn man umblättert, geht es ohne Unterbruch weiter. (Ich weiss, ich habe gerade die Grundfunktion von Kapiteln beschrieben.) Da das Buch davon lebt, dass jede Szene nahtlos in die Folgende übergeht, wirken diese Kapitelunterbrüche nicht natürlich. Vielleicht wäre es besser, wenn man bei vereinzelten einen Abschnitt, statt ein neues Kapitel beginnt, denn dann haben diese Cliffhanger auch mehr Wirkung, wenn sie in ihrer Anzahl runtergehen. Mich hat es eben leider aus meinem Leseflow gerissen.
Ich habe Eddies Fähigkeit, logisch zu denken, gelobt – jedoch nur, wenn es um den Prozess eines Falls geht. Wenn er willkürlich an eine Situation mit einem alten Freund denkt, die in Verbindung zu dem Ort steht, an dem er gerade vorbeiläuft, während er angespannt alle zehn Schritte über seine Schulter blickt, da er Angst hat, dass er verfolgt oder getötet wird, zweifle ich an der Natürlichkeit dieses Gedankengangs. Klar, die Leser:innen müssen mehr über Eddies Leben erfahren, über seine Fehler, seine Freundinnen und Freunde, seine Kontakte, seine Familie. Aber die mehrseitige Erklärung, wie ein Richter ihm sein Jurastudium ermöglicht hat, während er an einem Gebäude runterklettert, fügt sich nicht so organisch in den Verlauf der Geschichte ein, wie Cavanagh es am liebsten gehabt hätte. Es gibt ruhige Momente im Buch, die man besser fürs Aufzeigen von Eddies Leben hätte nutzen können.
Wie auch schon die vorherigen Bände, überzeugt das Buch mit Spannung, Druck und Nervenkitzel, die einen nicht loslassen wollen. Und nicht jeder Schritt, den unser Anwalt tätigt, wird niedergeschrieben, sondern man wird als Leser:in hingehalten, bis man erfährt, was Eddie im Stillen herausgefunden hat. (Ausser man kommt vorher schon selbst drauf.) Ein toller erster Band, der jedoch nicht an die bereits erschienenen herankommt. Zumindest weiss ich jetzt schon, dass die Reihe mit der ersten Geschichte erst langsam anfährt.
Und: Mein Vorwissen aus dem vierten und fünften Band hat der Spannung überhaupt nicht geschadet.
Fazit
So, wie die Geschichte startet, verläuft sie bis zum Schluss: Rasant, spannend und überraschend. Eddie Flynn überzeugt mit seiner Schlagfertigkeit in brenzligen Situationen und seinen schlüssigen Folgerungen, die einen verblüfft zurücklassen. Einzig die vielen Unterbrechungen in einem sich zeitlich durchziehenden Strang und die unnatürlich eingeworfenen Hintergrundinformationen haben mich beim Lesen etwas gestört. Dennoch ein zufriedenstellender Auftakt der Reihe.