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Veröffentlicht am 07.06.2018

Eins, zwei, drei, vier

The Woman in the Window - Was hat sie wirklich gesehen?
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Dr. Anna Fox lebt allein in einem schönen großen Haus in New York. Die eigentliche Kinderpsychologin hat ihr Zuhause seit rund zehn Monaten nicht mehr verlassen, da sie unter Agoraphobie leidet. Ihr Ehemann ...

Dr. Anna Fox lebt allein in einem schönen großen Haus in New York. Die eigentliche Kinderpsychologin hat ihr Zuhause seit rund zehn Monaten nicht mehr verlassen, da sie unter Agoraphobie leidet. Ihr Ehemann und ihre Tochter haben sie vor einem knappen Jahr verlassen, doch sie halten den Kontakt. Ihren Alltag verbringt Anna mit literweise Alkohol, schwarzweiß Filmen und dem Internet, wo sie Schach spielt und oft in einem Selbsthilfeforum für Menschen mit Angststörungen aktiv ist.
Außerdem fotografiert sie gerne - ihre Nachbarn durch das Fenster.
Eines Tages zieht eine neue Familie gegenüber ein, die Russells. Mutter, Vater, jugendlicher Sohn. Die neue Familie weckt Annas Interesse sofort, immerhin kennt sie die Leben ihrer anderen Nachbarn bereits in und auswendig.
Kurz nach dem Einzug beobachtet Anna einen vermeintlich blutigen, tödlichen Anschlag auf Mrs. Russell.
Panisch versucht sie trotz ihrer Krankheit das Haus zu verlassen und ihrer Nachbarin zu helfen, doch sie fällt in Ohnmacht. Und als sie erwacht und den Mord melden will, scheint dieser gar nicht geschehen zu sein. Anna wird sogar für verrückt gehalten. Doch Anna weiß, was sie gesehen hat..... oder!?

A. J. Finn hat mit "The Woman in the Window" einen phänomenalen Thriller geschaffen. Sicherlich ist dieses Buch mit weit über 500 Seiten kein schlankes Buch und es gibt zahlreiche Aufs und Abs im Spannungsbogen, worüber sich manche Crimethrill-Fans beschweren könnten. Aber der Autor hat lediglich gründlich gearbeitet, denn für mich ist dieses Buch einfach rundum perfekt!
Bis zum Ende bleibt Anna dem Leser ein Rätsel; immer wieder werden höchst interessante oder gar schockierende Details über sie bekannt.
Auch die weiteren Charaktere beeindrucken nachhaltig, sind im einen Moment greifbar und verständlich, im nächsten unnahbar und verwirrend.
A. J. Finn spielt mit dem Leser, lässt ihn sich gerade seiner Sache sicher fühlen und plötzlich kommt die böse Überraschung. Genial!

Das Thema "Agoraphobie" gefiel mir übrigens besonders gut. Da ich erst letztens die (bisher) komplette Serie "Shameless" schaute, durch die ich mich erstmals wirklich mit dieser Krankheit auseinander setzte.
Auch sprachlich gefiel mir der Roman sehr. Eine tolle Ausdrucksweise, so künstlerisch bildhaft und klug - mit teilweise beinahe poetischen Sätzen. Geschrieben ist das Buch in recht kurzen und knackigen Kapiteln.
Heißt: Für mich hat der Autor in jeglicher Hinsicht alles richtig gemacht. Seine Story, seine Protagonisten haben mich absolut fasziniert, von Seite Eins an.

Ich kann bereits ganz klar sagen: Dieses Buch ist eins meiner Jahres-Highlights!
Bitte mehr davon, Mr. Finn!

Veröffentlicht am 07.06.2018

Das Spiel mit dem Schmerz

Zu nah
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Frankie Sheehan, Detective im Dubliner Police Department, kehrt nach einer schweren Verletzung im Dienst zurück zur Arbeit.
Die renommierte Wissenschaftlerin Eleanor Costello hat sich erhängt, Frankie ...

Frankie Sheehan, Detective im Dubliner Police Department, kehrt nach einer schweren Verletzung im Dienst zurück zur Arbeit.
Die renommierte Wissenschaftlerin Eleanor Costello hat sich erhängt, Frankie soll ihren Selbstmord untersuchen. Doch die Polizistin findet Ungereimtheiten. Bevor sie tiefer in die Ermittlungen eintauchen kann, gibt es eine weitere Frauenleiche. Scheinbar handelt es sich bei der jungen Frau um die Geliebte von Peter Costello, Eleanors Ehemann. Auf der Suche nach dem potentiellen Mörder Peter befinden sich Frankie und ihr Team plötzlich im Darknet. Und inmitten eines Pulks schmerzhafter, sexueller Vorlieben...

"Zu Nah" ist das Thrillerdebüt der Autorin Olivia Kiernan - und hoffentlich nicht ihr letztes Buch.
Die Spannung baut sich von der ersten Seite an auf, strömt in Wellenbewegungen durch den Roman und endet phänomenal, ja fast unerträglich fesselnd.
Mit Frankie und ihren Kollegen führen uns starke Charaktere durch den Thriller. Die Wendungen und Verwirrungen der Autorin sind erstklassig, der Schreibstil ist sehr angenehm flüssig.
Auch bleibt es durchgehend realitätsnah; denn Polizeiarbeit funktioniert nicht immer auf Knopfdruck. Die Ermittlungen ziehen sich aufgrund weiterer Opfer, falscher Fährten und unglaublichen Fassaden....
Kurzum: Alles richtig gemacht!
Ich hätte allerdings nichts dagegen gehabt, ein bisschen mehr von Dublin zu lesen. Aber ich verstehe die alleinige Konzentration der Autorin auf die Handlung, deshalb; alles gut.

Besonders einige Kleinigkeiten im Buch runden die Story ganz wunderbar ab. Beispielsweise die "Verdrehung" typischer Probleme zwischen Mann und Frau, die ich des Spoilerns wegen nicht genau nennen möchte. Die künstlerischen Aspekte, oder auch die schmerzhaften Rückblicke von Frankies letztem Fall, die sie nicht loslassen wollen. Und überhaupt: jede Menge Überraschungen, die dem Leser immer wieder den Atem rauben. Dieses Buch ist wirklich alles andere als vorhersehbar!

Olivia Kiernan ist offensichtlich eine Meisterin der Verstrickungen, wie sie wahnsinnig mitreißend und intelligent verpackt in ihrem Erstling beweist.
Bitte, bitte mehr davon!

Veröffentlicht am 07.06.2018

Von miefenden Müllmonstern, pupsenden Posaunen und riesigen Rotzkugeln...

Die schlimmsten Kinder der Welt
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Schauspieler und Kinderbuchautor David Walliams ist bekannt für seine witzigen, überspitzten und einfach genialen Arbeiten.
Sein wirklich spezieller, teilweise schwarzer, Humor kratzt nicht selten an der ...

Schauspieler und Kinderbuchautor David Walliams ist bekannt für seine witzigen, überspitzten und einfach genialen Arbeiten.
Sein wirklich spezieller, teilweise schwarzer, Humor kratzt nicht selten an der Grenze des Unmöglichen.
So auch in seinem neuen Buch "Die schlimmsten Kinder der Welt".

In zehn Kapiteln werden zehn verschiedene, wirklich schlimme Kinder vorgestellt.
Zum Beispiel die fiese Heulsuse Heidi, deren kleiner Bruder sehr unter ihrem Egoismus leiden muss.
Oder die schmuddelige Schirin, die ihre überordentliche Mutter in den Wahnsinn treibt.
Besonders großartig fand ich die Geschichten um die pupsende Pia, deren Eltern nicht mehr ohne Nasenklammern leben können;
und den ernsten Ernst mit seiner Sinn-für-Humor-Störung.

Ich konnte herzlichen lachen, Kapitel für Kapitel.
David Walliams Sichtweise auf typische Probleme von Kindern ist fantastisch.
Die kindlichen Eigenarten sind sehr komplex und unglaublich kreativ dargestellt, jedes Kapitel hat seine Eigendynamik.
Und obwohl man als (erwachsener) Leser den eigentlich erhobenen Zeigefinger am Rande natürlich spürt, lässt man sich doch immer wieder überraschen.
Wie pädagogisch wertvoll es dabei ist, nun ja, das muss jeder selbst entscheiden.

Sehr detailverliebt in Schrift und Form wird das Kinderbuch perfekt abgerundet. Mit offensichtlichem Herzblut und vielen feinen Kleinigkeiten ist dieses Buch ein wahrer Schatz.
Mr Walliams hat ALLES richtig gemacht mit diesem Werk.
"Die schlimmsten Kinder der Welt" hat eindeutig Lieblings-Potential im Genre "Besonderes Kinderbuch" für mich.

Und die Moral von der Geschicht: Lest dieses Buch, auch wenn der Autor meint: Tut es nicht.

Veröffentlicht am 07.06.2018

Anwärter zum Jahreshighlight!

Krokodilwächter
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In einem dänischen Wohnhaus wird eine übel zugerichtete Frauenleiche gefunden.
Bei der blutüberströmten jungen Frau, die eine Art Scherenschnitt im Gesicht hat, handelt es sich um Studentin Julie Stender. ...

In einem dänischen Wohnhaus wird eine übel zugerichtete Frauenleiche gefunden.
Bei der blutüberströmten jungen Frau, die eine Art Scherenschnitt im Gesicht hat, handelt es sich um Studentin Julie Stender. Sie ist erst kürzlich für ihr Studium in die Hauptstadt gezogen und der Tod der Tochter aus scheinbar gutem, behüteten Hause wirft allerhand Fragen auf.
Anette und Jeppe von der Kopenhagener Mordkommission beginnen in dem Fall zu ermitteln und Julies ältere Vermieterin gerät in den Fokus. Denn Pensionärin Esther de Laurenti versucht sich gerade als Autorin und hat erst wenige Wochen zuvor einen sehr ähnlichen Mord niedergeschrieben.
Doch auch wenn die ältere Dame mit dem Opfer unter einem Dach gewohnt hat und ein infrage kommendes Motiv schnell gefunden wird; wäre Esther wirklich körperlich dazu in der Lage, einen solch brutalen Mord zu begehen?

"Krokodilwächter" ist der Auftakt einer sehr vielversprechenden Kopenhagen-Thriller-Reihe um das Ermittler-Duo Jeppe und Anette. Die beiden Dänen sind bereits seit acht Jahren ein eingespieltes Team, wobei in diesem Buch Jeppe die deutlich größere Rolle spielt.

Autorin Katrine Engberg hat mit ihrem literarisch angehauchten Spannungsroman einen absoluten Volltreffer gelandet. Ich selbst bin eigentlich kein Fan von skandinavischem Crimethrill, doch hin und wieder teste ich diese Richtung erneut. Und Gott sei Dank hatte ich beim "Krokodilwächter" den richtigen Riecher!
Die Story ist von vorne bis hinten perfekt durchdacht. Das ermordete nette, hübsche Mädchen hat wohl doch kein so braves Leben geführt, wie ihr Schein vermuten ließ. Neben Esther tauchen immer mehr potentielle Kandidaten auf, die ein Mordmotiv haben könnten.
... und Frau Engberg führt uns ruhig, doch in Halbkreisen und leichtem Zickzack durch den Thriller.

Mit ihrer leichtfüßigen, kreativen Art beschreibt die Autorin eine düstere, rätselhafte und leicht melancholischen Geschichte. Sprachlich eine wahre Freude, inhaltlich voller kluger Kniffs und sehr spannenden Wendungen. Auch die Protagonisten sind toll gezeichnete und vielschichtige Charaktere, mit denen man gerne Zeit verbringt. Teilweise, weil man sie fasziniert beobachten mag, teilweise weil es wahre Sympathieträger sind. Dank Engbergs fantastischer Art zu schreiben hatte ich Jeppe, Esther & Co auch stets lebhaft vor Augen.
Und für mich das alles ideal abrundende i-Tüpfelchen an der Story: Der Bezug zur Literaturwelt, der sich durch das ganze Buch zieht.

Bravo, Frau Engberg. Band Zwei kann ich kaum erwarten!

Veröffentlicht am 07.06.2018

Die Liebe und ihr Timing

Was bleibt, sind wir
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Es ist der 11. September 2001, als Lucy und Gabe sich in einem Uni-Shakespeare-Seminar in New York kennenlernen. Es ist in etwa derselbe Moment, in dem die Twin Tower des World Trade Centers einstürzen.
Die ...

Es ist der 11. September 2001, als Lucy und Gabe sich in einem Uni-Shakespeare-Seminar in New York kennenlernen. Es ist in etwa derselbe Moment, in dem die Twin Tower des World Trade Centers einstürzen.
Die Stadt ist beherrscht von Asche und Panik. Doch unter dem grauen Himmel sind es Lucy und Gabe, die einander Licht in diesen dunklen Tag bringen. Und in den Trümmern New Yorks entsteht eine neue Liebe.

Lucy macht Karriere beim Fernsehen, doch Gabe ist unglücklich im Big Apple. Er will das Ausland fotografieren, Missstände zeigen und die Welt verbessern.
Obwohl die Beiden einander unglaublich lieben, lieben sie den Gedanken an ihre eigene Selbstverwirklichung mehr.

In "Was bleibt sind wir" verfolgt der Leser Lucys Gedanken, ihre Gefühle und ihr Leben über ein ganzes Jahrzehnt. Das Buch ist in der Ich-Perspektive verfasst und Gabe ist der Angesprochene.
Mal leidet man mit Lucy - und Gabe - , mal will man sie loben, mal korrigieren. Manchmal will man sie auch packen und wachrütteln. Hin und wieder will man die Zeit anhalten oder gar die Uhr zurückdrehen. Denn das größte Problem dieser Liebesbeziehung ist das Timing.

Ständig hatte ich den Drang, über den Roman zu sprechen, wenn ich nicht gerade darin las. Und ich las schnell. Doch ich brauchte Lesepausen um zu begreifen. Um meine eigene Gefühlswelt zu beruhigen, den gelesenen Schmerz zu verdauen und um wieder Hoffnung aufkeimen zu lassen.
Denn Lektorin und Autorin Jill Santopolo hat eine wahnsinnig intensive Liebesgeschichte geschrieben. So berührend und gewaltig.

Eine schmerzhafte und zugleich wundervolle Geschichte einer ersten großen Liebe. DER großen Liebe.

Kann das Buch bitte verfilmt werden? Ich habe das Gefühl, noch mehr Zeit mit Lucy und Gabe verbringen zu müssen.