Platzhalter für Profilbild

booklooker

Lesejury Star
offline

booklooker ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit booklooker über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.11.2020

Pfirsichblüte

Zeit der Pfirsichblüte
0

Wenn man nicht reisen darf, freut man sich über literarische Abenteuer. Geht es euch genauso? Wie wäre es mit einer aufregenden Städtereise, in der man nicht nur auf Sightseeing setzt, sondern auch auf ...

Wenn man nicht reisen darf, freut man sich über literarische Abenteuer. Geht es euch genauso? Wie wäre es mit einer aufregenden Städtereise, in der man nicht nur auf Sightseeing setzt, sondern auch auf den Spuren der Geschichte wandelt? Dann möchte ich euch den Roman "Zeit der Pfirsichblüte" ans Herz legen, in dem die Bestsellerautorin Anja Saskia Beyer ihre Leserinnen nach Spanien, genauer gesagt: nach Barcelona entführt. Sie erzählt eine emotionale Geschichte, in der ein dunkles Kapitel der spanischen Geschichte enthüllt wird.

Annas Beziehung ist etwas eingefahren. Da kommt ein Mädelsurlaub mit ihrer besten Freundin Carina gerade recht. Dass es ausgerechnet nach Barcelona gehen soll, in die Stadt, in der Anna vor zwanzig Jahren die große Liebe und den größten Schmerz erlebt hat, passt ihr allerdings überhaupt nicht. Aber dann stößt die junge Frau auf etwas Unfassbares und fährt mit ihrer Freundin nach Spanien, um ihrem Verdacht nachzugehen. Das mediterrane Lebensgefühl und die duftenden Pfirsichplantagen bei Barcelona verzaubern sie wieder sofort. Anna begibt sich gemeinsam mit dem attraktiven Pablo, mit dem sie früher eine tiefe Freundschaft verband, auf Spurensuche. Aber kann sie ihm vertrauen oder ist er der Grund dafür, dass ihr Glück damals ein jähes Ende nahm?

Als ich das wunderschöne Cover gesehen habe, war es um mich geschehen. Es ist nicht nur harmonisch auf alle bereits erschienenen Bücher von Anja Saskia Beyer abgestimmt worden, sondern lässt jeden Betrachter von einem unbeschwerten Urlaub in Spanien träumen. Zarte Blüten und reife Früchte sind dekorativ in Szene gesetzt worden, und die verlockende Torte reizt unsere Geschmacksnerven.

"Zeit der Pfirsichblüte" spielt auf zwei zeitlichen Ebenen, nämlich in der aktuellen Gegenwart (2019) und zwanzig Jahre zuvor (1999). Im Mittelpunkt steht Anna, eine wenig belastbar und zerbrechlich wirkende Frau in den besten Jahren, die an einem Wendepunkt in ihrem Leben angekommen ist. Glücklich ist sie nicht, ihr Lebensgefährte Viktor schätzt sie nicht als gleichberechtigte Partnerin, sondern behandelt sie lieblos und gönnerhaft, wie von oben herab. Auf ihrer Seele lastet ein düsteres Geheimnis, das sie keinem anderen Menschen anvertrauen mag, nicht einmal ihrer besten Freundin, die ihr den nötigen Halt im Leben gibt. Nach und nach erfahren wir von ihrem schweren Trauma, das sie als junge Studentin in Barcelona erlitten und nicht mehr losgelassen hat.

Nach der Lektüre dieses emotionalen Romans war ich fassungslos. Anja Saskia Beyer hat ein dunkles Kapitel der spanischen Geschichte aufgedeckt, das in den Massenmedien schamhaft verschwiegen und kaum thematisiert worden ist. Sie fühlt sich tief in die Seele von Anna ein, die nach zwanzig Jahren des Schweigens das Rätsel um ihre einzige Tochter lösen will. Jede Mutter auf der Welt wird sich mit Anna solidarisch erklären und ihre psychischen und physischen Schmerzen nachempfinden können, als sie sich mit ihren Vertrauten auf die Spurensuche begibt. Auch wenn das Happy-End für meinen persönlichen Geschmack etwas zu glatt und schnulzig ausgefallen ist, möchte ich dieses erschütternde Buch ausdrücklich allen Leserinnen empfehlen, die sich für Geschichte interessieren - nicht nur uns Müttern.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.11.2020

Silberstreif

Gut Greifenau - Silberstreif
0

Mit dem historischen Roman "Gut Greifenau - Silberstreif" legt die Bestseller-Autorin bereits den fünften Band ihrer erfolgreichen "Gut Greifenau"-Reihe vor, welche um die Familienmitglieder und Bediensteten ...

Mit dem historischen Roman "Gut Greifenau - Silberstreif" legt die Bestseller-Autorin bereits den fünften Band ihrer erfolgreichen "Gut Greifenau"-Reihe vor, welche um die Familienmitglieder und Bediensteten des gleichnamigen Gutes in Pommern kreist.

Herbst 1923. Deutschland befindet sich auf dem Höhepunkt der Hyperinflation. Das Geld verliert stündlich seinen Wert, Existenzen werden vernichtet, die Menschen sind verzweifelt. Auch an den Bewohnern von Gut Greifenau geht die Wirtschaftskrise nicht spurlos vorbei. Doch dann kommt ausgerechnet die Inflation Konstantin zu Hilfe, und er kann das bedrohte Familiengut retten. Als Konstantins geliebte Frau Rebecca ein Mädchen zur Welt bringt, scheint das Glück vollkommen. Doch immer noch schwelt in Rebecca die Angst vor Konstantins hinterhältigem Bruder Nikolaus, und auch das Gutspersonal taumelt von einer Krise in die andere. Währenddessen scheint Katharina endlich ihren Traum vom Medizinstudium verwirklichen zu können.

Das ansprechende Cover ist harmonisch auf alle bereits erschienenen Bände der beliebten "Gut Greifenau"-Reihe abgestimmt worden. Wie in diesem literarischen Genre üblich, ist eine attraktive junge Frau in den Mittelpunkt gerückt, die vor einem altehrwürdigen Gutshaus posiert. Die dunkelhaarige Schönheit trägt ein fein besticktes, silbern schimmerndes Kleid; sie ist sorgfältig frisiert und dezent geschminkt und nestelt mit der linken Hand an ihrer wertvollen Perlenkette, die auf ihre Zugehörigkeit zu einer wohlhabenden sozialen Schicht verweist.

Grundsätzlich möchte ich allen interessierten Lesern empfehlen, sich mit den bereits erschienenen Bänden der "Gut Greifenau"-Reihe vertraut zu machen und die einzelnen Protagonisten näher kennenzulernen. Dann fällt der Einstieg in diese Lektüre sehr leicht. Wenn man die ersten Seiten dieses historischen Romans gelesen hat, fühlt man sich gleich in eine längst vergangene Epoche der Zeitgeschichte zurückversetzt. Wir sind in der Mitte der Zwanziger Jahre angekommen, die wir aus der Sicht der einzelnen Familienmitglieder und der Bediensteten des Gutes Grafenaus in Pommern, also von "oben" und "unten", erleben. Das tägliche Leben in der jungen Weimarer Republik ist von tiefgreifenden Veränderungen geprägt. Nach der Hyperinflation wird die Rentenmarkt eingeführt, die für eine gewisse Stabilität sorgen soll. Das antidemokratische Denken ist weit verbreitet; nach dem Tod des Sozialdemokraten Friedrich Ebert wird der konservativ und monarchisch eingestellte, als Kriegsheld verehrte ehemalige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zum Reichspräsidenten gewählt. Einige Menschen mögen einen Silberstreif am Horizont erkennen, während andere kaum Hoffnung auf eine bessere Zukunft haben. Von Chancengleichheit kann keine Rede sein; weibliche Studenten sind nach wie vor in der Minderheit, werden von Kommilitonen und Professoren kritisch beäugt und nachdrücklich auf ihren angestammten Platz am heimischen Herd verwiesen. Politische Wirren erschüttern die ungeliebte Republik; die Verfolgung von Juden und Homosexuellen nimmt unaufhaltsam Fahrt auf.

Mein persönliches Fazit fällt positiv aus. Hanna Caspian hat eine gelungene Fortsetzung vorgelegt, die historisch belegte Fakten mit dem alltäglichen Leben von fiktiven Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten zu einer fesselnden Saga verwebt, die man nicht mehr aus seinen Händen legen kann. Sehr empfehlenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.11.2020

Milena und die Briefe der LIebe

Milena und die Briefe der Liebe
0

Mit dem biographisch angehauchten Roman "Milena und die Briefe der Liebe" legt Stephanie Schuster den dritten Band aus der Reihe "Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe" vor, die vom Aufbau ...

Mit dem biographisch angehauchten Roman "Milena und die Briefe der Liebe" legt Stephanie Schuster den dritten Band aus der Reihe "Außergewöhnliche Frauen zwischen Aufbruch und Liebe" vor, die vom Aufbau Verlag herausgegeben wird. Im Mittelpunkt steht Milena Jesenka (1896 - 1944), eine tschechische Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin, die zu dem engen Freundeskreis um Franz Kafka zählte und der Nachwelt durch die "Briefe an Milena" in Erinnerung geblieben ist.



Was nützt die Liebe in Gedanken?

Prag, 1916: Die junge Milena ist selbstbewusst und abenteuerlustig. Am liebsten verbringt sie ihre Tage in Kaffeehäusern, den Treffpunkten der Bohème. Dort begegnet sie dem geheimnisvollen Schriftsteller Franz Kafka. Sofort ist klar, dass die beiden mehr verbindet als nur die Literatur. Da verbannt sie ihr Vater aus ihrer Heimat. Sie heiratet den Literaturkritiker Ernst Pollak und lebt mit ihm in Wien, doch die Ehe scheitert und Milena verarmt. In ihrer Not schreibt sie Franz Kafka, schlägt ihm vor, seine Texte ins Tschechische zu übersetzen. Schon bald entspinnt sich eine Liebe, die ihresgleichen sucht …

Wie es in diesem literarischen Genre üblich ist, ist das Cover des historischen Romans in Sepia-Tönen gehalten. Man sieht eine zarte Frauengestalt vor der malerischen Kulisse von Prag, der goldenen Stadt, in der Milena Jesenska die meiste Zeit ihres viel zu kurzen Lebens verbracht hat. Der Titel ist in bewusster Anlehnung an das Buch von Franz Kafka gestaltet worden. Alle Leser sollen auf die zugrunde liegende Geschichte neugierig gemacht werden, was durch den (provokativen) Untertitel "Kafka ist ihr Leben, Schreiben ihre Leidenschaft" unterstrichen wird.

Tatsächlich ist es eine unmögliche Liebe zwischen zwei psychisch labilen Menschen, von der Stephanie Schuster erzählt. Milena Jesenska und Franz Kafka pflegten eine intensive Brieffreundschaft; sie entwickelten tiefe Gefühle füreinander und verliebten sich "zwischen den Zeilen". Im echten Leben hatten ihre Gefühle keinen Bestand. Während Milena durchaus in der Lage war, eine verbindliche Beziehung zu einem anderen Menschen einzugehen, war Franz Kafka ein beziehungsunfähiger Mann, der sich nicht von seinem Elternhaus lösen konnte. Er mochte Frauen, gewiss, aber er mochte sich nicht für eine entscheiden. .

Milena ist keineswegs eine strahlende Heldin, mit der man sich identifizieren kann. Stephanie Schuster fühlt sich tief in diese charmante, naive Frau ein, die in einer vermögenden Familie aufgewachsen und durch das schwierige Verhältnis ihrer Eltern zueinander und den frühen Tod ihrer Mutter schwer traumatisiert war. Aus der Retrospektive hatte sie alle Möglichkeiten, aber sie ließ ihre Chancen auf eine gute Ausbildung im Sande verlaufen. Nach dem Abitur hatte sie sich für mehrere Studiengänge (Medizin, Musik) an der Universität eingeschrieben, ohne einen einzigen Abschluss zu erlangen. Stattdessen feierte sie die Emanzipation, setzte sie sich über alle Konventionen hinweg, und stürzte sich in eine intime Beziehung mit Ernst Pollak, einem wesentlich älteren chronisch untreuen Mann, der ihre hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte und wollte. Nach einer ungewollten Schwangerschaft musste sie auf Druck ihres Vaters einen Abbruch über sich ergehen lassen und wurde für ihre Revolte mit einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Anstalt bestraft. Auf ihre Entlassung folgte eine überstürzte Hochzeit, von der sie sich ihre persönliche Freiheit erhoffte. Das bittere Erwachen ließ nicht lange auf sich warten. Mit ihrem (Traum-)Mann Ernst Pollak lebte sie in ärmlichen Verhältnissen in Wien; ihr Mann ließ sie links liegen und führte ein lockeres Leben mit vielen Affären, sie musste sich mit schlecht bezahlten Aushilfstätigkeiten durchbringen, bis sie zu ihrer eigentlichen Berufung (Journalismus) gefunden und dank ihrer Beiträge in Magazinen ein nennenswertes Einkommen hatte.

Was Männer betrifft, hatte Milena Jesenska zeitlebens ein glückliches Händchen für die falschen Partner. Nachdem ihre Ehe mit Ernst Pollak gescheitert war, stürzte sie sich in eine neue leidenschaftliche Affäre. Ihre intime Freundschaft zu Franz Kafka war von einem ewigen Auf und Ab geprägt. Beide schrieben sich zahllose Briefe, waren voneinander angetan, tauschten sich über ihre geheimen Empfindungen aus, glaubten, ihren idealen Lebensgefährten gefunden zu haben, und träumten von einer gemeinsamen Zukunft, die es tatsächlich niemals geben sollte.

Was bringt die Liebe in Gedanken? Darauf gibt es keine klare Antwort. Nichts - oder alles. Geblieben sind Briefe. Dokumente der Liebe, welche die Ewigkeit überdauern. Wirklich lesenswert!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2020

Die Mutter der Königin

Anne Boleyn (Die Tudor-Königinnen 2)
0

Mit ihrem historischen Roman "Anne Boleyn. Die Mutter der Königin" schenkt uns die britische Historikerin Alison Weir uns den zweiten Band aus ihrer erfolgreichen Reihe "Die Tudor-Königinnen". Im Mittelpunkt ...

Mit ihrem historischen Roman "Anne Boleyn. Die Mutter der Königin" schenkt uns die britische Historikerin Alison Weir uns den zweiten Band aus ihrer erfolgreichen Reihe "Die Tudor-Königinnen". Im Mittelpunkt steht Anne Boleyn, die faszinierende zweite Gemahlin des englischen Königs Heinrichs VIII, deren tragisches Schicksal die Welt nach wie vor in Atem hält.

England, Anfang des 16. Jahrhunderts: Als Anne Boleyn als Hofdame von Königin Katharina an den englischen Hof kommt, ist König Heinrich sofort hingerissen von ihr. Sie wird seine Obsession. Um mit Anne zusammen sein zu können, nimmt er Skandale in Kauf. Weil sie sich weigert, seine Mätresse zu sein, lässt sich Heinrich von seiner ersten Ehefrau Katharina scheiden und reformiert die religiöse und politische Tradition Englands. Was er nicht weiß: Anne wird seine Liebe niemals erwidern. Als auch sie ihm keinen männlichen Erben schenken kann, fällt sie in Ungnade.

Das Cover des zweiten Bandes aus der Reihe "Die Tudor-Königinnen" ist in Anlehnung an den bereits erschienenen ersten Band gestaltet worden. Es zeigt ein zeitgenössisches Portrait von Anne Boleyn, welche als anmutige dunkelhaarige Schönheit dargestellt wird.

Nach wie vor polarisiert Anne Boleyn. Man kann diese ehrgeizige, kluge und selbstbewusste Frau, die nicht nur eine austauschbare Maitresse, sondern eine englische Königin sein wollte, entweder lieben oder hassen. Eins ist klar: Kalt lassen wird sie keinen Menschen, der sich mit ihrer Biographie beschäftigt.

Alison Weir beleuchtet ihre Entwicklung von der jüngsten Tochter eines aufstiegsorientierten, machthungrigen englischen Adligen, welches dank der guten Beziehungen seines Vaters an zwei wichtigen europäischen Höfen erzogen wurde, zu einer schlagfertigen, selbstbewussten jungen Frau, welche nach ihrer Rückkehr nach England auf viele Männer eine magische Anziehungskraft ausübte. In dieser Phase ihres Lebens war sie eine klare Sympathieträgerin; sie ließ sich nicht auf flüchtige Affären ein, sondern wahrte die Contenance und strebte eine Beziehung an, die von Liebe bestimmt sein sollte. Durch das hartnäckige Werben des englischen Königs Heinrich VIII. wurde sich Anne Boleyn ihrer Macht bewusst; sie wollte nicht eine austauschbare Maitresse werden, sondern strebte eine rechtmäßige eheliche Verbindung an, was ihr wider Erwarten gelingen sollte. Bedingt durch die mangelnde Akzeptanz und den auf ihr lastenden Druck, einen männlichen Thronfolger gebären zu müssen, entwickelte sie im Laufe der folgenden Jahre gewisse Charakterzüge, die sie in einem negativen Licht erscheinen lassen. Vor allem ihr extremer Hass auf Maria, die einzige überlebende Tochter (und mögliche Thronerbin) Heinrichs VIII: und Katharina von Aragon, ist schwer zu ertragen, auch wenn man ihre allgegenwärtige Angst aufgrund ihrer eigenen angreifbaren, schwachen Position verstehen kann. Nach ihrem tiefen Sturz zeigte sie menschliche Größe, von der Königin zur Hure erklärt, darf man sie als Opfer in einem grausamen Spiel begreifen.

Für mich war dieser mitreißende historische Roman ein echtes Leseerlebnis, das ich allen Menschen, die sich für die wechselvolle englische Geschichte (und Frauengeschichte) interessieren, ans Herz legen möchte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.11.2020

Memories...

Teatime mit Lilibet
0

Es gibt viele Herrscher auf der Welt, aber nur eine englische Queen, die seit ihrer Thronbesteigung im Jahre 1952 ihr privates und öffentliches Leben in den Dienst der Krone gestellt hat. Wir kennen sie ...

Es gibt viele Herrscher auf der Welt, aber nur eine englische Queen, die seit ihrer Thronbesteigung im Jahre 1952 ihr privates und öffentliches Leben in den Dienst der Krone gestellt hat. Wir kennen sie aus den Massenmedien - und aus dem Buch "Die kleinen Prinzessinnen" von Marion Crawford (1909 - 1988), einer schottischen Erzieherin und Gouvernante, die seinerzeit für einen handfesten Skandal gesorgt und die Verfasserin über Nacht zu einer persona non grata gemacht im englischen Königshaus gemacht haben. Wer war diese Frau, die ihr Schweigen gebrochen und vertrauliche Begebenheiten ausgeplaudert hatte? In ihrem biografisch angehauchten Roman "Teatime mit Lilibet" erzählt die englische Journalistin Wendy Holden die wahre Geschichte der Gouvernante von Queen Elizabeth II.

England, 1932: Im Alter von 22 Jahren wird Marion Crawford die Lehrerin von Prinzessin Elisabeth und ihrer Schwester Margaret. Als Marion ihre Stelle im englischen Königshaus antritt, ist sie schockiert. Das Leben im Schloss hat nichts mit der Realität zu tun. Vor allem Lilibet, die zukünftige Königin, wächst Marion ans Herz. Als überzeugte Sozialistin macht Marion es sich zur Aufgabe, Lilibet das echte Leben zu zeigen. Sie fährt mit ihr U-Bahn und Bus, geht in öffentliche Schwimmbäder und macht Weihnachtseinkäufe bei Woolworth’s. Ihr Einfluss auf die zukünftige Queen ist gewaltig. Doch Marion ahnt nicht, wie sehr sich auch ihr eigenes Leben durch die Royals verändern wird.

Wendy Holden nimmt uns mit auf eine literarische Reise, die uns weit in das vergangene Jahrhundert zurückführt. Wer aufsehenerregende Enthüllungen erwartet, wird bitter enttäuscht sein. Tatsächlich erleben wir die adligen Protagonisten, wie wir sie aus den Klatschblättern (und aus der Serie The Crown) kennen . König George VI. erscheint als ein unter seinem Stottern leidender, kettenrauchender unsicherer Mann, der für den exzentrischen Thronfolger einspringen muss und die Last der Krone als eine schwere Bürde empfindet. Queen Mum verbirgt ihr elitäres Denken unter einem Mantel der Leutseligkeit und stellt nicht nur ihre legendäre Trinkfestigkeit, sondern auch ihr ausgeprägtes PR-Geschick unter Beweis, indem sie ihre zwei reizenden Töchter geschickt in den Medien vermarktet. Während Prinzessin Margaret als egozentrisches, selbstverliebtes enfant terrible in Erinnerung bleibt, das zeitlebens für einen Skandal gut ist, zeichnet sich Prinzessin Elizabeth durch eine eiserne Charakterstärke und vorbildliche Disziplin aus. Man sollte diese Anekdoten über das private Leben der Königlichen Familie nicht allzu ernst nehmen, sondern vielmehr mit einem Augenzwinkern betrachten.

Kommen wir zur Protagonistin selbst. Marion Crawford ist eine naive, sympathische, idealistisch eingestellte junge Frau, die auf ihr privates Glück verzichtet und ihr Engagement als eine einmalige Chance begreift, die verwöhnten Königskinder zu modernen Menschen zu erziehen. Ob ihre gut gemeinten Bemühungen von Erfolg gekrönt waren, mag ich nicht beurteilen. Mit der empfindsamen, labilen Diana Spencer, die aus einem privilegierten "broken home" in die gefühlskalte Welt der "Firma" einheiraten sollte, sind ihre Schützlinge nicht zurechtgekommen. Auch Marion Crawford ist auf der Strecke geblieben und hat für den begangenen Vertrauensbruch einen hohen Preis zahlen müssen.

Unterm Strich ist der biografisch angehauchte Roman "Teatime mit Lilibet" ein leicht und locker geschriebenes unterhaltsames Buch, das uns einen Blick durch das Schlüsselloch in den Palast von Elizabeth II gewährt. Mal unter uns: Wer möchte nicht Mäuschen spielen?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere