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Veröffentlicht am 30.03.2023

Alle neune...

Fiese Brise in St. Peter-(M)Ording (St. Peter-Mording-Reihe 2)
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Moin!

Bis zu den Osterferien sind es nur noch wenige Tage. Verbringt ihr euren Urlaub an der Nordsee? Womöglich in St. Peter-Ording, der kleinen Gemeinde im Kreis Nordfriesland in Schleswig-Holstein? ...

Moin!

Bis zu den Osterferien sind es nur noch wenige Tage. Verbringt ihr euren Urlaub an der Nordsee? Womöglich in St. Peter-Ording, der kleinen Gemeinde im Kreis Nordfriesland in Schleswig-Holstein? Sucht ihr nach einer passenden Urlaubslektüre? Dann möchte ich euch das Buch "Fiese Brise in St. Peter-(M)ording" von Tanja Janz empfehlen, das sich perfekt für eine literarische Auszeit im Strandkorb am schönsten Strand der Welt eignet:

"Willkommen zurück im mordsmäßig schönen St. Peter-Ording ...
Ein Kegelturnier mischt ganz St. Peter-Ording auf, und auch Ilva Feddersen ist bei der Organisation des Wettbewerbs eingespannt. Doch schon kurz nachdem die konkurrierenden Kegelvereine Quartier bezogen haben, liegt der Favorit des Turniers tot in seinem Campingwagen. Alles sieht zunächst nach einem tragischen Unfall aus. Aber Ilvas Spürnase juckt, und sie kann sich nicht ganz aus den Ermittlungen heraushalten. Als ein zweiter Toter geborgen wird, steht für Ilva und ihre Freunde fest: Das war Fowl Play. Doch wer killt die Kegler?

Dank des gelungenen Wortspiels bleibt der humorvolle Titel im Gedächtnis haften; das fröhlich-frische Cover ist ein echtes Highlight. Man sieht ein Schaf mitten in den Dünen grasen, geschmückt mit Gleitschirm und Kegelwimpel. Im Hintergrund sind hohe Pfahlbauten zu erkennen, die sich längst zum klassischen Wahrzeichen von St. Peter-Ording entwickelt haben.

Das Setting ist uns aus den Bestsellern von Tanja Janz bestens vertraut; mit Hilfe einer Karte kann man alle Schauplätze mühelos wiederfinden. Dank ihrer anschaulichen Schilderungen fühlt man sich gleich an den schönsten Strand der Welt versetzt; man schlendert durch das malerische St. Peter-Ording und feiert ein Wiedersehen mit vielen lieb gewonnenen Figuren, die man aus den den bereits erschienen Büchern von Tanja Janz kennt.

Das Geschehen wird aus mehreren Perspektiven vermittelt; einige Passagen werden aus der Ich-Perspektive des Täters geschildert, der trotz gewisser Verdachtsmomente bis zum Schluss im Dunkel bleibt; die anderen Kapitel werden aus der Sicht von Bewohnern der kleinen Gemeinde erzählt. Im Mittelpunkt steht Ilva Feddersen, Lehrerin am Nordsee-Internat, die sich nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat längst in die harmonische Gemeinschaft integriert hat und ihren Bruder, Hauptkommissar Ernie Feddersen, tatkräftig unterstützt, indem sie sich heimlich als Hobby-Detektivin betätigt. Als Kind des Ruhrgebietes hat mir der gekonnte Bogen sehr gefallen, den Tanja Janz von ihrer Heimatstadt Gelsenkirchen zu ihrem Sehnsuchtsort St. Peter-Ording schlägt; ich habe mich in diesen zwei Welten wiederfinden können.

Für mein persönliches Empfinden ist Tanja Janz cosy crime vom Feinsten gelungen. Denn ihr zweiter Küsten-Krimi ist wiederum leicht und locker geschrieben und bietet eine gelungene Kombination aus Humor und Spannung, verbunden mit viel Nordsee-Flair. Auf temporeiche Action-Szenen wird bewusst verzichtet; stattdessen sind Ruhe und Gemütlichkeit angesagt. Ganz entspannt mit Kater Kuschel auf dem Schoß, lässt sich miträtseln, wer hinter allen Verbrechen in dem beliebten Ferienort steckt. Alles in allem hat dieses Buch mich umgehauen. Eine mordsmäßig unterhaltsame Lektüre!

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Veröffentlicht am 29.03.2023

Homo homini lupus est

Stranded - Die Insel
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Aus dem deutschen Fernsehen sind wir Reality-Shows auf außergewöhnlichen Schauplätzen gewohnt, in denen mehr oder minder prominente Zeitgenossen an ihre Grenzen geführt werden. In ihrem Buch "Stranded ...

Aus dem deutschen Fernsehen sind wir Reality-Shows auf außergewöhnlichen Schauplätzen gewohnt, in denen mehr oder minder prominente Zeitgenossen an ihre Grenzen geführt werden. In ihrem Buch "Stranded - Die Insel: Acht Fremde. Ein Mörder. Kein Ausweg. Thriller" erzählt die englische Schriftstellerin Sarah Goodwin von einem auf ein ganzes Jahr angelegtem Low Budget Projekt mit charakterlich konträren, auf Konfrontation gecasteten Teilnehmerinnen auf einer von der Außenwelt abgeschotteten, unwirtlichen schottischen Insel, das im Laufe der Zeit völlig aus dem Ruder gerät und zu einem wahren Trip in die Hölle entwickelt:


Auf dieser Insel ist nicht nur die Natur mörderisch. Für Maddy wird ein Traum wahr: Sie nimmt an einem neuartigen Fernsehexperiment teil, in dem acht Fremde auf einer einsamen schottischen Insel überleben müssen, ein Jahr lang, mit nur minimaler Ausrüstung und ohne Kontakt zur Außenwelt. 18 Monate später ist Maddys Traum zum Albtraum geworden. Die Behörden greifen die junge Frau in einem Fischerdorf auf dem Festland auf. Verzweifelt berichtet sie, wie das Boot, das die Teilnehmer nach einem Jahr abholen sollte, nicht kam. Und davon, wie in den folgenden Wochen einer nach dem anderen starb, nicht durch Hunger oder Krankheit, sondern durch menschliche Hand. Doch was verschweigt Maddy? Und wie schaffte sie es, die Insel lebend zu verlassen?


Das Cover überzeugt durch seine schlichte Gestaltung. Man blickt auf eine unbewohnt wirkende Insel, irgendwo im Nirgendwo, von der eine schwer zu deutende, düster und gespenstisch anmutende Wirkung ausgeht. Der Titel ist auf das Wesentliche reduziert; die Interpretation liegt im Auge des Betrachters.


Das Geschehen wird aus der Ich-Perspektive von Maddy, einer an einer starken sozialen Phobie leidenden jungen Frau geschildert, einer klassischen Außenseiterin, die sich schlecht in eine Gruppe einfügen kann und ihren Ängsten im Rahmen dieses TV-Experimentes stellen will. Ihre Gedanken- und Gefühlswelt steht im Mittelpunkt der Handlung, während die anderen literarischen Figuren in den Hintergrund rücken, grob skizziert werden, alle gängigen Stereotypen abdecken und relativ blass bleiben. Die Handlung lässt sich in mehrere Erzählstränge differenzieren, die kunstvoll miteinander verwoben werden. Durchbrochen von einzelnen Rückblenden, welche die Vergangenheit von Maddy näher beleuchten, und öffentlichen Interviews, die Maddy nach ihrer Flucht von der Insel gibt, werden die dramatischen Ereignisse auf der Insel vermittelt. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz gehalten; sie umfassen wenige Seiten, sind in einer leicht verständlichen Sprache geschrieben und enden mit dramatischen Cliffhangern, welche zur Aufrechterhaltung und Steigerung der Spannung dienen und zum atemlosen Weiterlesen bewegen.


Für mich ist dieses literarische Debüt ein absolutes Highlight, das mich gleich in seinen Bann geschlagen hat. Die detaillierte Schilderung der gruppendynamischen Prozesse auf der verlassenen Insel hat mir mehr als eine Gänsehaut über den Rücken gejagt. Bei der Lektüre fühlte ich mich tief mit Maddy verbunden, die von den anderen Teilnehmer
innen bewusst ausgegrenzt und zur persona non grata erklärt worden war. Angesichts der begrenzten Ressourcen entwickelte sich das Survival-Experiment im Handumdrehen zum Kampf ums nackte Überleben. Im Laufe des Jahres musste Maddy physische und psychische Gewalt erleiden; sie musste die gemeinsame komfortable Unterkunft verlassen und ein eigenes notdürftiges Lager am Strand aufschlagen, ausgeschlossen von allen gemeinsamen Vorräten und der relativen Sicherheit in einer Gemeinschaft. Auf sich allein gestellt, wurden ihr lebensnotwendige Nahrungsmittel und Gebrauchsgegenstände gestohlen oder vernichtet; die anderen Teilnehmer*innen des TV-Experimentes haben den Tod von Maddy billigend in Kauf genommen, wenn nicht gar ihr nach dem Leben getrachtet. Bei der Lektüre habe ich mehr als einmal um Maddy gebangt; der unerwartete Ausgang hat mich mit den eskalierenden, grenzwertigen Geschehnissen auf der von der Außenwelt abgeschnittenen Insel versöhnt und befriedigt zurückgelassen.


Homo homini lupus est... Für diese erschütternde Lektion gibt es von mir eine klare Lese-Empfehlung!

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  • Spannung
Veröffentlicht am 27.03.2023

Queen Consort

Königsgemahlin Camilla
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Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Am 6. Mai 2023 werden König Charles III. und Königsgemahlin Camilla in der Westminster Abbey gekrönt. Für viele Menschen sind sie ein Traumpaar auf Augenhöhe, ...

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Am 6. Mai 2023 werden König Charles III. und Königsgemahlin Camilla in der Westminster Abbey gekrönt. Für viele Menschen sind sie ein Traumpaar auf Augenhöhe, weil sie eine moderne Liebesgeschichte verbindet, die sich in guten und schlechten Zeiten bewährt hat. Aus den Massenmedien meinen wir die zwei Protagonisten zu kennen. Doch was wissen wir wirklich über sie? In ihrer Biographie "Königsgemahlin Camilla" richtet Angela Levin den Fokus auf die Queen Consort, die sich stets dezent im Hintergrund gehalten hat: :

Das Cover zeigt ein aktuelles Portrait der Queen Consort. Für mein persönliches Empfinden wirkt sie natürlich und ungekünstelt. Sie ist dezent geschminkt, verleugnet aber die sichtbaren Zeichen des Alters nicht. Die feinen Fältchen in ihrem Gesicht lassen sie authentisch, nahbar und sympathisch erscheinen. Ihre dichten, hellen Haare trägt sie offen; sie hat sich für eine stufig geschnittene, schwungvoll aus dem Gesicht geföhnte Frisur entschieden, die sie seit den späten 1970er Jahren beibehalten hat. Ihr "Markenzeichen" hat einen hohen Wiedererkennungswert; sie hat ihren eigenen Stil gefunden und ist ihm treu geblieben.

Der Titel rekurriert auf den offiziellen Titel; der Untertitel subsummiert wichtige Lebensstationen, die in dieser Biographie ausführlich geschildert werden.

Wenn man so will, hat die Queen Consort einen langen, steinigen Weg zurückgelegt, von der mit beleidigenden Spitznamen geschmähten (weil: mit einem anderen Mann verheirateten) Mätresse über eine wider Willen akzeptierte (weil: offiziell geschiedene) Lebensgefährtin bis hin zur (mit dem Titel Herzogin von Cornwall ausgezeichneten) legitim angetrauten Ehefrau von Prince Charles, seit dem 8. September 2022 König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sowie von 14 weiteren, als Commonwealth Realms bezeichneten souveränen Staaten einschließlich ihrer Territorien und abhängigen Gebiete.

Als freie Journalistin hat Angela Levin nicht nur für verschiedene renommierte Medien gearbeitet, sondern auch mehrere Bücher verfasst, die wichtigen Vertreter*innen des britischen Königshauses gewidmet sind. Ihr Anliegen ist es, den wahren Menschen hinter dem öffentlichen Image sichtbar zu machen und ins rechte Licht zu rücken. Inhaltlich hat sie Ihre einfühlsame Biographie "Königsgemahlin Camilla" in 27 Kapitel gegliedert, die wichtige Etappen im Leben der Queen Consort nachzeichnen. Zu diesem Zwecke hat sie viele Gespräche mit Menschen geführt, die sie persönlich kennen und ihr nahestehen und fundierte (subjektive) Auskünfte über ihre wesentlichen charakterlichen Eigenschaften erteilen und ihre Stärken und Schwächen benennen können.

Alles in allem hat mir meine Lektüre sehr gefallen. Abseits von Klatsch und Tratsch gibt es viel Neues zu entdecken. Die Queen Consort ist eine in sich selbst ruhende, humorvolle, optimistische, selbstbewusste starke Frau, pflichtbewusst, diskret und zuverlässig, aus gutsituierten Verhältnissen stammend, realistisch und mitten im Leben stehend, eine wichtige verlässliche Stütze für ihren Mann King Charles III, die sich mit ihrer absoluten Loyalität und ihrem unermüdlichen Einsatz für das britische Königshaus Respekt und Wertschätzung mehr als verdient hat. Ich freue mich auf die Krönung dieser großen Liebesgeschichte!

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Veröffentlicht am 23.03.2023

Kampf gegen die Zeit

Etage 13 - Es gibt kein Entkommen, und deine Zeit läuft ab
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Nach dem SPIEGEL-Bestseller »Das Ferienhaus« präsentiert der britische Autor C. M. Ewan sein neues Buch "Etage 13 - Es gibt kein Entkommen, und deine Zeit läuft ab." Hier wird ein Vorstellungsgespräch ...

Nach dem SPIEGEL-Bestseller »Das Ferienhaus« präsentiert der britische Autor C. M. Ewan sein neues Buch "Etage 13 - Es gibt kein Entkommen, und deine Zeit läuft ab." Hier wird ein Vorstellungsgespräch zum Albtraum, ein leeres Büro zum Gefängnis und ein seriöser Mann zur tödlichen Gefahr:

Kate Harding bekommt den Job ihres Lebens angeboten. Nach dem Tod ihres Mannes vor fünfzehn Monaten, ist das ihre Chance auf einen Neubeginn. Doch das vermeintliche Vorstellungsgespräch entwickelt sich zu einem Albtraum. Eingesperrt in einem Glaskastenbüro in einem leeren Bürogebäude, ist Kate allein mit ihrem Entführer. Einem gefährlichen Mann, der Informationen über ihre Vergangenheit will. Informationen, die sie ihm nicht geben kann. Doch er schreckt vor nichts zurück, um diese zu bekommen ...


Das Cover fängt die bedrohliche Atmosphäre perfekt ein. Es zeigt ein modernes Bürogebäude mit einer futuristisch anmutenden Architektur. Verglaste Fassaden sorgen für lichtdurchflutete Arbeitsplätze, die mit allem denkbaren Komfort ausgestattet worden sind. Draußen ist es dunkel; alle Mitarbeiterinnen scheinen das Bürogebäude verlassen zu haben. In einer einzigen Etage brennt Licht. Hinter der breiten Glasfront kann man die Umrisse einer Frau mit langen Haaren ausmachen; auf der Fensterscheibe ist in Druckbuchstaben das Wort "Help" geschrieben worden. Diese Botschaft ist eindeutig: Hier wird ein Mensch gegen seinen Willen gefangen gehalten; er schwebt in Lebensgefahr. Der Titel ist auf das Wesentliche reduziert; er rekurriert auf den Schauplatz des Geschehens. Der Untertitel fasst alle wesentlichen Informationen zusammen und sorgt für zusätzliches Nervenkitzeln.

C. M. Ewan hat sich für ein außergewöhnliches Setting entschieden. Das Buch spielt mitten in der britischen Metropole London, die Handlung ist extrem komprimiert; sie vollzieht sich an einem einzigen Tag. Das Geschehen wird aus mehreren Perspektiven geschildert. Der Fokus liegt auf der Protagonistin Kate Harding, die zu einem Vorstellungsgespräch für eine hoch dotierte Position eingeladen worden ist. Ihre Eindrücke werden aus der Ich-Perspektive vermittelt, so dass man tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen kann. Aufgrund ihrer (aus ihrem geschönten Lebenslauf ersichtlichen) Lebenslügen ist sie nicht zwingend eine Protagonistin, mit der man sich selbst identifizieren kann, aber man kann für sie eine gewisse Sympathie empfinden. Dagegen bleibt Joel White, der sich im Laufe des Gesprächs von einem höflichen Interviewer zu einem eiskalten (über Leichen gehenden) Entführer wandelt, weitgehend im Dunkel; er lässt sich nicht fassen, sondern bleibt lange ein Rätsel - für Kate und alle Leser
innen.

Ehrlich gestanden, hatte ich das Gefühl, einen Film vor meinen Augen abrollen zu sehen, als ich dieses Buch aufgeschlagen und meine Lektüre begonnen habe. Mein Kopfkino ist gleich auf den ersten Seiten angesprungen - und ich habe angesichts der dramatischen Ereignisse an keiner einzigen Stelle die "Aus"-Taste drücken wollen. C. M. Ewan hat einen action- und temporeichen Krimi geschaffen, der für atemlose Spannung sorgt, mit unerwarteten Wendungen punktet und in einem blutigen Show-Down gipfelt. Angesichts dieses faszinierenden Lese-Erlebnisses kann man über leichte inhaltliche Schwächen hinwegsehen. Gefangen in einem hermetisch abgeriegelten Raum, leidet Kate unter massiven Ängsten und Panikattacken, wie alle Klaustrophobiker. Zudem muss sie um ihr Leben fürchten; Joel White hat längst seine Maske fallen lassen und seine Aggressivität und Brutalität anderen Menschen gegenüber unter Beweis gestellt. Die Zeit rennt ihr im wahrsten Sinne des Wortes davon; jede einzige Minute zählt. Betrachtet man ihre verzweifelten Fluchtversuche, agiert sie nicht immer logisch, aber man darf nicht vergessen, dass sie sich in einer absoluten Ausnahmesituation befindet. Wer psychisch und physisch unter extremen Druck gesetzt wird, verlässt sich eben nicht immer auf seinen Verstand, sondern handelt instinktiv, aus dem Bauch heraus. Insoweit kann ich die Reaktionen von Kate gut verstehen, und C. M. Ewan sollte man etwas literarische Freiheit zubilligen, wenn es um die Schilderung von dramatischen Ereignissen geht. Immerhin handelt es sich hier um literarische Fiktion - nicht um einen nüchternen Tatsachen-Roman.

Für mich war dieses Buch ein herausragendes Leseerlebnis, das mich stundenlang in Atem gehalten hat; ich möchte es allen Menschen empfehlen, die sich für action- und temporeiche, spannende Krimis begeistern, die in geschlossenen Räumen spielen.

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Veröffentlicht am 30.12.2022

Davor und Danach

Das College
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Wer träumt nicht von Oxford, dem Sitz einer der ältesten und berühmtesten Universitäten der Welt ? Als Tourist flaniert man durch die Stadt der träumenden Türme und staunt über die malerisch angelegten ...

Wer träumt nicht von Oxford, dem Sitz einer der ältesten und berühmtesten Universitäten der Welt ? Als Tourist flaniert man durch die Stadt der träumenden Türme und staunt über die malerisch angelegten Colleges, die man (teilweise) gegen einen geringen Obulus besichtigen darf, als Student hat man das große Los gezogen, wenn man zu den Auswählten gehört, die dort leben und arbeiten dürfen. Hier spielt das neue Buch "Das College" von Ruth Ware, deren letztes Werk "Das Chalet" die Bestseller-Listen erobert hat:

Du kennst den Mörder. Aber es ist nicht, wer du denkst. Eine verschworene Clique in Oxford. Ein abscheuliches Verbrechen. Ein unschuldig Verurteilter. Und die Erschütterungen des Falls wirken noch heute nach ... Vor zehn Jahren hat Hannah die Leiche ihrer Freundin April gefunden. Es war das Ende ihrer sorglosen Zeit als Studentin in Oxford und das Ende ihres unbeschwerten Lebens. Damals schien klar, wer April ermordete. Aber jetzt erhält Hannah eine Nachricht von einem Journalisten, der über den Fall recherchiert, und bekommt furchtbare Zweifel: Hat ihre Aussage einen Unschuldigen hinter Gitter gebracht? Sie muss die Wahrheit herausfinden. Auch wenn dabei ihr eigenes Leben in Gefahr gerät.

Das Cover strahlt einen gewissen morbiden Charme aus, wenn man es so frei formulieren darf. Man sieht eine aufrechte Frauengestalt auf ein imposantes Gebäude zuschreiten, das für das fiktive Pelham College in Oxford stehen könnte. Allerdings habe ich es nicht mit dem Zentrum der geistigen Elite in Großbritannien identifizieren können. Der Titel wirkt distanziert und sachlich, während der Untertitel "In der Nacht kommt der Tod" grenzenloses Grauen heraufbeschwört.

Das Geschehen wird aus der Sicht von Hannah geschildert, einem gutgläubigen, naiven jungen Mädchen, das - aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen stammend- nach ihrem Schulabschluss für das Studium der englischen Literatur an dem elitären Pelham College in Oxford zugelassen worden ist. Man erhält einen intensiven Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Sie ist eine bodenständige, gewissenhafte Studentin, die sich selbst als Außenseiterin in einer Clique von jungen Menschen aus gutem Hause begreift, auch wenn sie alle offiziellen Voraussetzungen für das Studium in Oxford erfüllt, für ihren gewählten Studiengang brennt und die Erwartungen ihrer Dozentinnen erfüllt. Ihr Wesen kontrastiert mit ihren neuen Zimmergenossin, dem attraktiven, klugen, selbstsicheren IT-Girl April, einer in grenzenlosem Reichtum aufgewachsenen schillernden Persönlichkeit, die sich selbstbewusst über alle moralischen Grenzen hinwegsetzt, wenn sie ihren Mitmenschen bitterböse Streiche spielt. Zehn Jahre später erleben wir Hannah als Studienabbrecherin, die in ständiger Angst vor den Medien lebt und in einer Buchhandlung jobbt, in einer festen Verbindung mit einem Freund aus dem College, in Erwartung ihres ersten Babys. Als einen tiefen Schock erlebt sie die Meldung über den unerwartete Tod von John Neville, einem (extrem übergriffigen) Hausmeister des Pelham Colleges, der aufgrund ihrer Zeugenaussage zu einer langen Gefängnisstrafe wegen Mordes an April verurteilt worden ist. Hannah zweifelt an seiner Schuld, gerät in einen Gewissenskonflikt und zwingt sich, sich den traumatischen Erlebnissen im Pelham College in Oxford zu stellen, um den (angeblich gelösten) Fall neu aufrollen und bewerten zu können.

Die Perspektive wechselt in regelmäßigem Rhythmus zwischen "Davor" und "Danach"; die Zäsur zwischen dem "alten" und "neuen" Leben von Hannah bildet die brutale Ermordung von April, das sich im Laufe der Zeit von einer (arroganten) Mitbewohnerin zu einer (durchaus fordernden) Freundin entwickelt hatte.

Das Tempo ist betont langsam; Ruth Ware lässt sich viel Zeit, die besondere Atmosphäre eines englischen Colleges zu schildern, den einzelnen Protagonist
innen eine klare Kontur zu verleihen und ihre Leserinnen in eine fremde Welt eintauchen zu lassen. Ab der Mitte nimmt das literarische Werk an Fahrt auf; nach und nach gelingt es Hannah , alle losen Puzzlesteinchen zu einem ganzen Bild zusammenzusetzten und das letzte Drittel steht im Zeichen von dramatischen Ereignissen. Das Buch entfaltet eine regelrechte Sogwirkung, man kann es dank des angenehmen, flüssigen Schreibstils gar nicht mehr aus den Händen legen. Mir hat die verzweifelte Suche von Hannah nach der Wahrheit (und dem wahren Täter) sehr gefallen; ich möchte es allen Leserinnen empfehlen, die sich für fesselnde, subtile Psychothriller begeistern können.

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