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Veröffentlicht am 08.05.2021

Fesselndes Portrait einer beeindruckenden Frau

Die Rebellion der Alfonsina Strada
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MEINE MEINUNG
Mit "Die Rebellion der Alfonsina Strada" hat die italienische Autorin Simona Baldelli einen äußerst interessanten historischen Roman vorgelegt, der sich dem faszinierenden Leben der heutzutage ...

MEINE MEINUNG
Mit "Die Rebellion der Alfonsina Strada" hat die italienische Autorin Simona Baldelli einen äußerst interessanten historischen Roman vorgelegt, der sich dem faszinierenden Leben der heutzutage weitgehend unbekannten italienischen Radsportlerin Alfonsina Strada (1891 -1959) widmet. In ihrer auf wahren Begebenheiten beruhenden Geschichte zeichnet die Autorin das vielschichtige und sehr fesselnde Portrait einer herrlich unkonventionellen Frau, die es tatsächlich geschafft hat, sehr erfolgreich im Radrennsport- einer absoluten Männerdomäne - zu bestehen. Einst als “Königin der Tretkurbel” gefeiert gelang es dieser Ausnahmeathletin als einziger Frau überhaupt am legendären, lediglich Männern vorbehaltenen Giro d’Italia teilzunehmen – und doch habe ich über sie zuvor noch nie etwas gehört.
Der lebendige, mitreißende und sehr bildhafte Schreibstil der Autorin liest sich sehr angenehm. Die sehr lehrreiche Romanbiografie wird aus unterschiedlichen Zeitebenen und Perspektiven erzählt und lässt uns Alfonsina zu verschiedenen Etappen ihres bewegten Lebens kennen lernen – so tauchen wir zum einen ein ins Norditalien der Nachkriegszeit von 1959, in der wir die “Königin der Tretkurbel” als alte, aber immer noch fitte Frau erleben, die etwas wehmütig auf die vergangenen Zeiten zurückblickt. In Rückblenden erfahren wir zudem mehr über Fonsinas äußerst kinderreiche Familie aus ärmlichen Verhältnissen und nehmen Anteil an ihrer harten, entbehrungsreichen Kindheit und Jugend in einem kleinen norditalienischen Dörfchen. In einer weiteren Perspektive, die in Mailand im Jahr 2017 angesiedelt ist, lässt uns die Autorin noch Anteil nehmen an den Vorbereitungen für eine Strassenbenennung zu Ehren von Alfonsina.
Man merkt deutlich, dass sich die Autorin intensiv mit der Lebensgeschichte dieser sympathischen, sportbegeisterten Frau beschäftigt und sorgsam viele Details aus ihrem Leben recherchiert hat. Geschickt hat sie bedeutsame Stationen im bewegten Leben dieser mutigen Frau voller Ambitionen, Willensstärke und Leidenschaft zu einer fesselnden und unterhaltsamen Geschichte verwoben und zudem in ihren Roman auch einige fiktive Geschehnisse und Figuren einfließen lassen. Auch den damaligen Zeitgeist, das unsägliche Frauenbild und die politischen Hintergründe sind sehr anschaulich eingebaut.
Die Autorin hat Alfonsinas Charakter sehr facettenreich herausgearbeitet. Hervorragend ist es ihr gelungen, sich in ihre Protagonistin hineinzuversetzen und uns Alfonsinas interessante Persönlichkeit näher zu bringen, so dass diese einen großen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Die Autorin zeichnet eine höchst beeindruckende Frau, die mit einer Menge Gewitztheit, unglaublichen Ausdauer, Kampfgeist und Unerschrockenheit für ihre Leidenschaft und ihren großen Traum vom Rennradfahren gegen viele Widerstände hart kämpfen musste. Eine wirkliche Anerkennung ihrer Leistungen und ihrer Vorreiterrolle blieben ihr weitgehend verwehrt. Die vielen Tiefpunkte und wenigen Höhepunkte ihres Lebens hat die Autorin sehr anschaulich in verschiedenen eindrucksvollen Episoden herausgearbeitet. So hat Alfonsina beispielsweise mit Beschimpfungen wie “Teufel im Rock, Irre, Nutte” zeitlebens leben müssen.
Die recht bedrückenden Schilderungen von den vielen Schicksalsschlägen, der finanziellen Not, aber auch Demütigungen, der Verachtung und Ignoranz der anderen, die diese tolle Frau in ihrem Leben wegstecken musste, haben mich sehr nachdenklich gestimmt und teilweise auch empört und aufgewühlt. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich bis heute im Frauensport teilweise immer noch die althergebrachten Vorurteile halten und selbst Profiveranstaltungen oft kaum öffentliches Interesse finden im Vergleich zu Männern.
Ein echtes Highlight in diesem Roman waren für mich die lebendigen Schilderungen rund um den Giro d’Italia 1924 sowie einigen sehr unterhaltsamen Anekdoten am Rande. Hier wird zum einen deutlich wie ignorant das Verhalten ihrer männlichen “Team”-Kollegen war, wie herausfordernd die Herausforderungen der Etappen waren und zugleich wie hart diese Frau gekämpft hat! Hut ab vor ihrer Leistung und ihrem Durchhaltewillen!
Insgesamt schwingt aber bei diesem Roman stets eine etwas beklemmende Stimmung zwischen den Zeilen mit und so stimmt einen auch der Ausklang etwas traurig.
Dennoch ein tolles und sehr lesenswertes Buch über eine sehr beeindruckende Frau - schön, dass Simona Baldelli ihr nun mit diesem Roman ein würdiges Denkmal gesetzt hat.

FAZIT
Eine hochinteressante Geschichte über eine außergewöhnliche, hartnäckige und sehr faszinierende Frau, die ihrer Zeit weit voraus war - spannend, atmosphärisch dicht und lebendig erzählt!


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Veröffentlicht am 01.05.2021

Sehr gelungenes, inspirierendes Buch zum Homefarming

Homefarming
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~"Wenn ich es schaffe, dann schafft ihr es erst recht."~ Zitat: Judith Rakers
(Herausgeber: GU Verlag )
MEINE MEINUNG
„Home Farming – Selbstversorung ohne grünen Daumen“ so heißt das gelungene Buch der ...

~"Wenn ich es schaffe, dann schafft ihr es erst recht."~ Zitat: Judith Rakers
(Herausgeber: GU Verlag )
MEINE MEINUNG
„Home Farming – Selbstversorung ohne grünen Daumen“ so heißt das gelungene Buch der bekannten deutschen Autorin Tagesschau-Sprecherin und Talkshow-Moderatorin Judith Rakers, die vor zwei Jahren ihren Traum vom Home Farming, vom erfüllten Leben auf dem Land mit eigenem Garten sowie als glückliche Selbstversorgerin verwirklicht hat und dies erstaunlicher Weise als absoluter Gartenneuling. Inspiriert vom Ethnobotaniker, Kultautor und ehemaligen Talkshow-Gast Wolf-Dieter Storl begann Judith Rakers sich für die Thematik Selbstversorgung zu interessieren und wagte sich schließlich an die Umsetzung ihrer Vision von einem nachhaltigeren Leben. Inzwischen hat sie ihr ganz persönliches Glück im Homefarming gefunden, baut ihr eigenes Gemüse an und hält sogar eine kleine Hühnerschar.
Dieses sehr informative, hochmotivierende und äußerst unterhaltsam geschriebene Buch richtet sich an alle Neulinge ohne grünen Daumen und alle Interessierten ohne großes Knowhow, die sich nach einem nachhaltigerem, naturnahen Leben, nach gesundem Essen mit eigenem Gemüse sehnen oder sich vielleicht sogar an der Hühnerhaltung versuchen wollen.
Sehr anschaulich und mit viel Enthusiasmus erzählt uns die äußerst sympathische Autorin in ihrem Buch, wie sie als absolute Anfängerin zum Gärtnern und Homefarming kam und wie sie die Verwirklichung ihres Traums angegangen ist. Zudem zeigt sie uns auf, wie man schrittweise loslegen kann und sich Gartenleidenschaft und Beruf unter einen Hut bringen lassen. Sehr inspirierend und abwechslungsreich sind die verschiedenen mit „Meine kleine Farm“ betitelten Kapitel geschrieben, in denen uns die Autorin spannende Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen als Selbstversorgerin, ihre Erfolgserlebnisse und so manche herbe Rückschläge gewährt. Es gelingt ihr hervorragend, uns ihre Freude am Homefarming zu vermitteln, so dass man am liebsten selbst gleich loslegen möchte.
Dieses Buch versteht sich allerdings weniger als ein Praxisratgeber für Selbstversorger mit ausführlichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen, sondern bietet dem interessierten Leser vielmehr viele tolle Anregungen, interessantes Hintergrundwissen und nützliche Hinweise rund um Obst- und Gemüseanbau oder die Hühnerhaltung sowie natürlich auch Tipps für leckere Rezepte.
Das ausführliche, ansprechend gestaltete Inhaltsverzeichnis gibt einen Überblick über die drei großen Hauptthemengebiete „Ein Garten voller Obst und Gemüse“, „Ein Garten mit Hühnern“ und „Ein Garten zum Genießen“ sowie den darin behandelten Unterthemen.
Dieses Buch kann, muss aber nicht der Reihenfolge nach gelesen werden, denn problemlos lassen sich auch einzelne Kapitel je nach Interesse herausgreifen. Äußerst lesenswert und aufschlussreich sind beispielsweise auch ihre Interviews mit den ausgesprochenen Fachleuten Wolf-Dieter Sporl, Hühnerzüchter Bernd Eggers und Gartenexperten im Benediktinerkloster Beuron, die Rakers jeweils am Ende der Themengebiete eingefügt hat.
Egal ob man sich für Tipps zur Fruchtfolge, den richtigen Obstbaumschnitt, Lagerung von Obst und Gemüse oder die wichtigsten Fakten rund ums Huhn und artgerechte Hühnerhaltung interessiert– man findet in diesem Buch viele anfängergerechte Anregungen, Tipps für ein erfolgreiches Gärtnern auch mit nur wenig Platz zur Verfügung und jede Menge Praxiswissen, so dass man direkt hochmotiviert und gut gerüstet ans Nachmachen und Selberpflanzen gehen möchte. Zudem erfahren wir, wie man leckere Gerichte aus dem Obst und Gemüse aus eigenem Anbau zubereiten kann und wie man die Ernte lagern oder haltbar machen kann.
Ansprechende, gut verständliche, flott und sehr unterhaltsam verfasste Texte und vor allem die vielen, stimmungsvollen Farbfotos und gelungenen Schnappschüsse von Sebastian Fuchs, die mit schönen Impressionen und ungewöhnlichen Perspektiven sehr gelungen den Text illustrieren, sorgen dafür, dass man das Buch immer wieder gerne zur Hand nimmt. So lässt man sich beim Durchblättern gerne inspirieren und geht aufgrund der hilfreichen Ratschläge optimistisch ans Werk. Abgerundet wird das Buch mit einem alphabetischen Register und einem Extra Rezepte-Register sowie einigen weiterführenden Adressen und einer kurzen Danksagung.
Auch die ansprechende optische Gestaltung des gebundenen Buchs mit farbigen Info-Kästen ist sehr gelungen. Auf dem matten, griffigen Papier kommen die farbigen Fotos und verschiedenen Illustrationen sehr gut zur Geltung. Die Verarbeitungsqualität ist einwandfrei und unterstreicht den rundum positiven Gesamteindruck.
FAZIT
Ein sehr unterhaltsames, motivierendes und inspirierendes Buch zum Homefarming mit Herz und Huhn!

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Unterhaltsamer und nachdenklich stimmender Roman

Sprich mit mir
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MEINE MEINUNG

„Sprich mit mir“ ist das neueste Werk des US-amerikanischen Schriftstellers T. C. Boyle, der sich im deutschsprachigen Raum einer großen Fan-Gemeinde erfreut und von vielen als „Rockstar ...

MEINE MEINUNG

„Sprich mit mir“ ist das neueste Werk des US-amerikanischen Schriftstellers T. C. Boyle, der sich im deutschsprachigen Raum einer großen Fan-Gemeinde erfreut und von vielen als „Rockstar amerikanischer Literatur“ gefeiert wird.
Es ist ein vielschichtiger und sehr nachdenklich stimmender Roman mit einer komplexen Handlung, die vor dem Hintergrund der aus heutiger Sicht recht fragwürdigen Primatenforschung Ende der 1970ger bis Anfang der 1980ger Jahre angesiedelt ist – jenen Zeiten also, in denen es sehr populär war, als Mensch verkleidete Schimpansen in Fernsehshows zu präsentieren, um damit Quote zu machen. Zweifellos ist Boyle erneut ein unterhaltsamer und spannender Page Turner gelungen, den man bald nicht mehr aus der Hand legen kann.
Im Mittelpunkt der sehr fesselnden Geschichte steht ein interessantes Forschungsprojekt, bei dem die sprachliche Kommunikationsfähigkeit von Schimpansen untersucht werden soll. So tauchen wir allmählich in das ehrgeizige Fremdpflegeexperiment des Verhaltensforschers Professor Schemerhorn ein, das auf einer entlegenen Farm mit abwechselnden wissenschaftlichen Assistenten durchgeführt wird. Dort dreht sich alles um den 2jährigen Schimpansen Sam, der in seiner „Pflegefamilie“ lernen soll, sich mittels Gebärdensprache zu verständigen. Vor allem der schüchternen Studentin Aimee gelingt es bald, eine ganz besonders innige, mütterlich liebevolle Beziehung zu Sam aufzubauen und sich mit ihm zu verständigen.

Geschickt hat Boyle seine Geschichte in drei verschiedenen Erzählperspektiven, nämlich die von Guy, Aimee und schließlich auch von Sam, angelegt, so dass wir unterschiedliche, hochinteressante Sichtweisen von den Geschehnissen er- und durchleben können. Mit einem raffinierten erzählerischen Trick lässt Boyle uns schrittweise auch in die überraschende Erlebnis- und Gedankenwelt von Sam eintauchen. In Versalien hervorgehobene Schlüsselworte wie ESSEN, RAUS, BETT oder ANGST kennzeichnen Sams recht beschränkten Wortschatz aus der Gebärdensprache. Auch wenn diese Perspektive wenig authentisch und wissenschaftlich nicht belegbar ist, ist es doch äußerst faszinierend mehr über Sams Wahrnehmungen, sein außerordentliches Abstraktionsvermögen und seine Emotionen mit einer großen Bandbreite von Angst, Eifersucht, Liebe, Hass und Zuneigung zu erfahren. Äußerst bestürzend ist es mitzuerleben, unter welchen grausamen Bedingungen diese hochintelligenten Tiere ihr Leben als Versuchstiere hinter Gittern fristen müssen.

Insbesondere die mitreißende Handlung um den jungen, cleveren Schimpansen Sam, der nie Kontakt zu seinen Artgenossen hatte, wie ein menschliches Kleinkind aufgezogen wird und sich entsprechend verzogen auch gebärden kann, ist äußerst lebendig geschildert und amüsant zu lesen. Rasch schließt man Sam in sein Herz und folgt voller Mitgefühl sowie mit unguten Vorahnungen in Bezug auf sein Schicksal der aufwühlenden und immer tragischer werdenden Geschichte. Trotz vieler humorvoller Passagen, die immer wieder zwischendurch aufblitzen und mich schmunzeln ließen, hat mich der Roman sehr betroffen und nachdenklich zurückgelassen.

Boyle ist es sehr anschaulich und eindrücklich gelungen, seinen Protagonisten Sam sehr vielschichtig und empathisch, wenn auch aus einer menschlichen Betrachtungsebene darzustellen. Als etwas enttäuschend empfand ich es allerdings, wie eindimensional und vorhersehbar die übrigen Charaktere angelegt wurden. Bei einigen von ihnen hätte ich mir doch etwas mehr Nuancen und Tiefe sowie vielleicht eine überraschende, charakterliche Weiterentwicklung gewünscht.

FAZIT
Ein mitreißend und humorvoll erzählter Roman mit einer unterhaltsamen und zu zugleich bedrückenden Geschichte, die von der Verhaltensforschung mit Primaten in der 1980ger Jahren inspiriert ist. Eine bemerkenswerte Lektüre trotz kleinerer Schwachstellen, mit seinen ethischen Fragestellungen noch lange nachhallt und nachdenklich stimmt!

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Außergewöhnliche Lektüre

Krass
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INHALT
Ralph Krass – so heißt ein verschwenderisch großzügiger Geschäftsmann, der Menschen mit kannibalischem Appetit verbraucht. Ist er unendlich reich oder nur ein Hochstapler, kalt berechnend, oder ...

INHALT
Ralph Krass – so heißt ein verschwenderisch großzügiger Geschäftsmann, der Menschen mit kannibalischem Appetit verbraucht. Ist er unendlich reich oder nur ein Hochstapler, kalt berechnend, oder träumt er hemmungslos? Er will sich seine Gesellschaft kaufen, immer nur selbst der Schenkende sein. Als in Neapel Lidewine in seinen Kreis tritt – eben noch die Assistentin eines Zauberers, eine junge Abenteurerin –, bietet er ihr einen ungewöhnlichen Pakt an. Beobachtet wird das Ganze von seinem Sekretär, dem Pechvogel Dr. Jüngel, mit einem Blick voll Neid und Eifersucht. Aber erst nachdem die Gesellschaft von Herrn Krass durch einen Eklat auseinandergeflogen ist, gelingt es ihm, an seinem Zufluchtsort in der französischen Provinz, die Mosaiksteine des Geschehenen zu einem Bild zu ordnen – während Menschen wie der stumme Kuhhirte Toussaint, der Schuster Desfosses und Madame Lemoine mit ihren Wellensittichen ihm eine Ahnung davon vermitteln, wie alles mit allem rätselhaft zusammenhängt

(Quelle: Rowohlt Verlag – Erscheinungstermin: 26.01.2021 - ISBN: 9783498045418)


MEINE MEINUNG
Mit „Krass“ hat der deutsche Autor und Georg-Büchner-Preisträger Martin Mosebach einen äußerst opulenten und sprachgewaltigen Roman vorgelegt, in dessen Mittelpunkt der titelgebende, sehr ambivalente Protagonist „Ralph Krass“ steht. Sehr versiert und mit erstaunlich aktuellen Bezügen entwirft Mosebach in seinem dreiteilig angelegten Roman ein faszinierendes Portrait eines für seine Zeit typischen machtgierigen Patriarchen und Vertreter des Stereotyps „Alter Weißer Mann“ und lässt uns schließlich an seinem Niedergang teilhaben.
Die drei unterschiedlichen Teile spielen auf drei Zeitebenen in den Jahren 1988, 1989 und 2008 und sind angesiedelt in drei Ländern, so dass wir den Figuren von Neapel über ein Provinzkaff in Frankreich bis nach Kairo folgen, wo schließlich das etwas surreal anmutende Finale mit Krass sowie Lidewine und Jüngel stattfindet. Dem Aufbau einer klassischen Sonate folgend sind die drei stimmungsmäßig sehr verschieden gelagerte Teile entsprechend mit Allegro imbarazzante, Andante pensieroso und Marcia funebre betitelt.
Anfangs musste ich mich erst in Mosebachs eleganten, etwas altmodisch wirkenden Erzählstil und seine sehr differenzierte, anschauliche Sprache hineinfinden, doch schon bald war ich von der Lebendigkeit und Vielfältigkeit seiner Bilder und Beschreibungen sowie der sehr prägnanten Schilderung seiner Charaktere fasziniert. Es ist eine vielschichtige, recht undurchsichtige Geschichte mit vielen Nebenfiguren, Verweisen und Verflechtungen, die mich zunehmend in ihren Bann gezogen hat. Zuweilen aus Sicht eines allwissenden Erzählers, meist aber auch der Perspektive von Krass` devoten Adlatus und rechter Hand Dr. Jüngel lernen wir den verschwenderischen, skrupellosen Machtmenschen und dubiosen Geschäftemacher Ralph Krass mit seinem großkotzigen Hang zur Dekadenz zu seiner „Blütezeit“ inmitten seiner illustren Entourage kennen, deren Gesellschaft er sich gönnerhaft erkauft hat.
Facettenreich und mit vielen spannenden Leerstellen skizziert Mosebach seine sehr unsympathische, aber hochinteressante Hauptfigur, von der man recht schnell ein lebendiges Bild vor Augen hat und unwillkürlich auch Parallelen in lebenden Vertretern seiner Spezies findet. Sehr gelungen sind auch die Einsichten in die Gefühls- und Gedankenwelt der verschiedenen Figuren, die Krass umkreisen, ihre ambivalenten Beziehungen zueinander und die aufschlussreichen Schilderungen der sich allmählich einstellenden Machtverhältnisse – ein äußerst faszinierendes und sehr entlarvendes Panoptikum hat Mosebach hier sehr prägnant eingefangen. Gefesselt verfolgt man im ersten Teil die sich zunehmend verselbstständigende Dynamik und amüsiert sich über die junge selbstbewusste und unerschrockene Lidewine, die sich ihre ganz eigenen Spielregeln im Umgang mit Krass herausnimmt. Im zweiten Teil lernen wir nun den mittlerweile abgestürzten Unglücksvogel Dr. Jüngel in einer tiefen Sinnkrise und mit all seinem Selbstmitleid über seine ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen kennen, doch zugleich bekommt die Geschichte durch sehr überraschende wie rätselhafte Enthüllungen über Krass auch einen ganz neuen Dreh und liefert sehr aufschlussreiche neue Zusammenhänge.
Im letzten Teil, dem Trauermarsch, spitzt sich die Handlung im morbid-apokalyptischen Setting des flirrenden Kairo, wo sich die drei Schlüsselfiguren -Lidewine als Galeristin, Dr. Jüngel als Professor für Urbanistik und Krass - in veränderter Rollenkonstellation zufällig wieder begegnen, immer mehr zu und lässt uns schließlich den kläglichen Untergang des einst so mächtigen Titelhelden miterleben.

FAZIT
Ein opulenter, tiefgründiger und beeindruckender Roman über einen überaus unsympathischen Machtmenschen und seinen unabwendbaren Untergang.
Raffiniert und sehr atmosphärisch erzählt, mit faszinierenden Charakteren und bildgewaltigen Beschreibungen – allerdings recht anspruchsvoll und etwas überladen geschrieben!

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Veröffentlicht am 11.04.2021

Vergnügliche Ermittlungen mit der Queen of Crime

Das Windsor-Komplott
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INHALT
Wer hätte das geahnt:
Queen Elizabeth hat eine heimliche Passion – sie löst für ihr Leben gern Kriminalfälle! Unerkannt, versteht sich, den Ruhm müssen andere ernten.
Als während einer Feier auf ...

INHALT
Wer hätte das geahnt:
Queen Elizabeth hat eine heimliche Passion – sie löst für ihr Leben gern Kriminalfälle! Unerkannt, versteht sich, den Ruhm müssen andere ernten.
Als während einer Feier auf Schloss Windsor ein russischer Pianist unter ausgesprochen peinlichen Umständen ums Leben kommt, wittert der MI5 sofort ein Komplott Wladimir Putins.
Die Queen ist not amused über so viel politisch brisanten Übereifer. Da muss eingegriffen werden, aber diskret, versteht sich.
Queen Elizabeth zieht ihre neue nigerianische Privatsekretärin Rozie ins Vertrauen, die bald ebenso diskret wie beherzt ihre Kompetenzen überschreiten muss. Wird es den beiden Frauen gemeinsam gelingen, dem wahren Mörder auf die Spur zu kommen, bevor der MI5 größere diplomatische Verwicklungen auslöst?
(Quelle: Knaur)


MEINE MEINUNG
”Das Windsor-Komplott” von der britischen Autorin S J Bennett ist der vielversprechende Auftakt zu einen neuen humorvollen Cosy-Crime-Reihe „Die Fälle Ihrer Majestät“, in der die Autorin eine sehr außergewöhnliche Ermittlerin ins Rennen schickt. Es ist eine wahrhaftige Queen of Crime, die sich mit ihrem literarischen Vorbild – Agatha Christies Miss Marple- durchaus in puncto Cleverness und untrüglicher Spürnase messen kann.
Die fast 90-jährige Queen Elizabeth II. höchstpersönlich geht in diesem sehr unterhaltsamen Wohlfühlkrimi ihrer geheimen Leidenschaft als Hobby-Ermittlerin nach. Höchst royal und sehr distinguiert, aber gar nicht so gemütlich geht es hier zu, denn der höchst verzwickte Todesfall des jungen russischen Pianisten Maxim Brodsky, der auf Schloss Windsor nach einer Abendgesellschaft mit etlichen Übernachtungsgästen unter sehr pikanten Umständen aufgefunden wurde, gibt schon bald viele Rätsel auf. Da der Fall sich durch den übereifrigen MI5 zu einer Geheimdienstaffäre auszuwachsen droht, sieht sich die Queen genötigt gemeinsam mit tatkräftiger Unterstützung ihrer nigerianischen Privatsekretärin Rozie auf eigene Faust zu ermitteln…und ein durchaus amüsantes, unterhaltsames Lesevergnügen mit tollem royalem Flair auf Schloss Windsor und feinem britischen Humor nimmt seinen Lauf.
Es bereitet großen Spass, der Queen bei ihren naturgemäß äußerst subtilen Nachforschungen über die Schulter zu blicken und mitzuerleben, wie bemüht sie ist, hierbei nie offiziell in Erscheinung zu treten. Sehr dezent streut sie wichtige Informationen und spielt den Ermittlern Hinweise zu, um die Ermittlungen in die richtige Richtung zu lenken, so dass man allerdings auch als Leser höchst aufmerksam ihre Nebenbemerkungen im Kopf behalten muss, um dem immer verwickelter werdenden Fall halbwegs folgen zu können. Schade, dass man schon bald den Eindruck hat, dass die Queen uns allen um einige Nasenlängen voraus ist und ein Mitraten kaum noch möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Autorin zwischendurch zahlreiche Nebenschauplätze in den Mittelpunkt der Handlung rückt, so dass der eigentliche Fall zeitweise völlig in den Hintergrund gerät.
Der Krimi lebt vor allem von dem lebendig eingefangenen, aristokratischen Setting und natürlich von seinen liebenswerten sehr unterschiedlichen Protagonistinnen, der Queen und ihrer Assistentin Rozie, aus deren beider Perspektiven wir die Handlung erleben.
Die Autorin hat ihre Hauptfiguren sehr lebendig und lebensnah gezeichnet, so dass sie sehr glaubwürdig wirken. Insbesondere Ihre Majestät die Queen ist ihr außerordentlich gut gelungen – eine clevere, distinguierte und sehr empathische alte Dame, die stets den Überblick über alle Belange behält, äußerst weise und besonnen agiert und sich auch um ihre Untergebenen kümmert. Geschickt hat die Autorin zahlreiche real stattgefundene Ereignisse wie die Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag der Queen oder den Besuch von Präsident Obama in die Handlung mit eingeflochten. Zudem gewährt sie uns viele interessante Einblicke ins Leben der Monarchin, so dass die Geschichte sehr authentisch wirkt. Sehr unterhalten konnten mich insbesondere die wenigen Szenen, bei denen wir die köstlichen Unterhaltungen zwischen der Queen und ihrem Ehemann Prinz Philip miterleben, der für seinen eher herben Charme sowie seinen unverblümten, etwas rüden Umgangston bekannt ist. und
Auch viele der Nebenfiguren mit ihren interessanten Hintergrundgeschichten sind gelungen ausgearbeitet und tragen zum besonderen Flair dieser Geschichte bei.
Obwohl der Fall eher gemächlich voranschreitet und im Mittelteil beinahe in den Hintergrund tritt, nimmt er nach einigen etwas verworrenen Wendungen wieder an Fahrt auf und gipfelt schließlich in einer sehr unerwarteten, aber schlüssigen Auflösung.
Der erste Fall für die Queen hat mich bestens unterhalten können, auch wenn der eigentliche Kriminalfall mich nicht vollkommen überzeugen konnte. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung der Cosy-Crime-Reihe mit einem hoffentlich weniger verwickelten Fall und auf ein Wiedersehen mit einigen liebgewonnenen Charakteren!

FAZIT
Ein unterhaltsamer Wohlfühlkrimi - mit viel britischem Humor und Understatement, tollem royalem Flair und sehr lebendig gezeichneten Charakteren.

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