Beklemmendes Portrait einer "Wahnsinnigen"
Die WahnsinnigeINHALT
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land ...
INHALT
Spanien, 1503: In der Festung La Mota soll Johanna von Kastilien endlich zur Vernunft kommen. Zu viel steht für ihre Mutter, Isabella die Katholische, auf dem Spiel. Die Königin regiert das Land mit unerbittlicher Härte, sie hat die Mauren vertrieben und lässt Tausende als Ungläubige auf den Scheiterhaufen der Inquisition verbrennen. Sie kann ihr Reich nicht in die Hände einer Tochter geben, die nicht betet, nicht beichtet und der Macht nichts bedeutet. Johanna will nicht über andere herrschen. Alles, was sie will, ist, über sich selbst zu bestimmen. Aber das scheint eine Freiheit zu sein, die nur Männern vorbehalten ist. Als sie mit Philipp dem Schönen ins ferne Flandern verheiratet wird, sieht es für einen Moment so aus, als sei das Unwahrscheinliche möglich: ein Leben in Liebe in einer Welt aus Verrat. Doch auch als sich diese Hoffnung nicht erfüllt, hält Johanna unbeirrbar an dem fest, was alle um sie herum für Wahnsinn halten – dem unerhörten Wunsch, dass die Welt anders sein könnte als sie ist.
(Quelle: DuMont Buchverlag - Erscheinungsdatum: 18.08.2020 - ISBN: 978-3-8321-8127-7)
MEINE MEINUNG
In „Die Wahnsinnige“, dem neuesten Werk der deutschen Autorin Alexa Hennig von Lange, steht mit Johanna I. Königin von Kastilien (1497-1555) eine faszinierend-ambivalente historische Persönlichkeit im Mittelpunkt. Eine starke Frau und eine mächtige Herrscherin hätte sie werden können, aber im gnadenlosen Spiel um die Liebe und Macht wurde sie zur tragischen Verliererin. Denn im Kampf um die Herrschaft in Kastilien wurde sie von ihrem Vater König Ferdinand II., und Ehemann verraten, stürzte nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns in tiefe Trauer, unfähig sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern und verbrachte schließlich die letzten 45 Jahre ihres Lebens in Tordesillas weggesperrt als Gefangene – veranlasst zunächst von ihrem Vater und später von ihrem eigenen Sohn Karl V.. Schon der Auftakt des Romans mit dem fiktiven Brief, den Johanna aus ihrer langjährigen Gefangenschaft an ihre Tochter verfasst hat, lässt erahnen, wie übel dieser Frau mitgespielt wurde und welch unvorstellbares Leid sie über sich ergehen lassen musste.
Inspiriert von der überaus beklemmenden wie berührenden Lebensgeschichte hat die Autorin jedoch keinen klassischen historischen Roman oder historische Biographie verfasst, sondern präsentiert uns ein facettenreiches Portrait und einfühlsames Psychogramm dieser außergewöhnlichen Königin, die mit dem wenig schmeichelhaften Beinamen „Die Wahnsinnige“ in die Geschichtsschreibung einging. Mit 16 wurde sie aus machtpolitischem Kalkül mit Philipp dem Schönen verheiratet, mit dem sie sechs Kinder hatte. Für sie war es die große Liebe, doch Philipp nahm es wie damals unter Herrschern üblich mit der ehelichen Treue nicht allzu ernst. Überliefert sind Johannas dramatische Wutausbrüche und Eifersuchtsszenen. Schon früh galt sie als psychisch labil, wobei es unklar ist, um welche Art Erkrankung es sich handelte, da sich viele Legenden um das Ausmaß ihres 'Wahnsinns' ranken.
Vor dem historischen Hintergrund beleuchtet die Autorin durchaus aktuell gebliebene, feministische Themen, die in damaligen wie heutigen Zeiten gesellschaftlich Bestand haben. Gekonnt zeigt sie uns das Schicksal einer um Selbstbestimmung und Anerkennung ringenden jungen Frau auf, die in starren patriarchalen Machtverhältnissen gefangen ist, und deren verzweifelte Versuche aus der ihr zugedachten Rolle auszubrechen und sich Freiheiten herauszunehmen, von ihrem Umfeld vehement unterbunden werden. Geschickt lässt die Autorin viele sorgsam recherchierte, historisch verbürgte Details aus Johannas Leben in Handlung ihres Romans einfließen und gibt uns aufschlussreiche Einblicke in höfische Leben insbesondere die zahlreichen Intrigen rund um die spanische Krone, die soziale Stellung der Frau und die große Macht der Religion Anfang des 16. Jahrhunderts.
FAZIT
Ein einfühlsam erzählter, berührender Roman über eine außergewöhnliche Frau und ihren verzweifelten Kampf um Selbstbestimmung.
Ein starker Roman über ein bewundernswerte Frau - sehr lesenswert!