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Veröffentlicht am 15.08.2018

Solider, etwas spannungsarmer Italienkrimi mit tollem mediterranen Flair

In Schönheit sterben
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INHALT
Der Münchner Rechtsanwalt Robert Lichtenwald hat seine Kanzlei endgültig verkauft, um in seinem renovierten Bauernhaus bei Morcone im Süden der Toskana endlich zur Ruhe zu kommen und das Leben zu ...

INHALT
Der Münchner Rechtsanwalt Robert Lichtenwald hat seine Kanzlei endgültig verkauft, um in seinem renovierten Bauernhaus bei Morcone im Süden der Toskana endlich zur Ruhe zu kommen und das Leben zu genießen. Doch dann wird in Rom die Leiche des reichen, exzentrischen Kunstsammlers Annibale Colasanti in seiner Wohnung aufgefunden und aus einer Vitrine soll ein antiker Kunstgegenstand von unschätzbarem Wert gestohlen worden sein. Parallel zu den Ermittlungen der Kultur-Carabinieri versucht die temperamentvolle Journalistin Giada Bianchi dem mysteriösen Verbrechen auf die Spur zu kommen und wittert hinter dem Raubmord eine Bombenstory. Für ihre Recherchen bittet sie ihren Freund Lichtenwald um tatkräftige Unterstützung bei den Nachforschungen. Hierbei stoßen sie auf die üblen Machenschaften der Kunstszene in Rom, erfahren einiges über die morbiden Geheimnisse der schönheitsverliebten Stadt und bringen sich schon bald in große Gefahr …

MEINE MEINUNG
„In Schönheit sterben“ von dem deutschen Autor Stefan Ulrich ist bereits der zweiten Band der Italien-Krimireihe mit dem etwas außergewöhnlichen Ermittlerpaar, dem ehemaligen deutschen Strafverteidiger Robert Lichtenwald und der quirligen italienischen Lokalreporterin Giada Bianchi. Ein Quereinstieg in die Krimireihe ist problemlos möglich, da jeder Band einen in sich abgeschlossenen Kriminalfall darstellt. Sehr schön stimmt bereits das hübsche Cover mit einem typischen Postkartenmotiv auf den Handlungsort ein und so führen die Nachforschungen im neuesten Fall die beiden Freunde diesmal in die pittoreske toskanische Maremma sowie ins glühend heiße Rom.
Lebendig und sehr anschaulich beschreibt Ulrich in vielen Szenen die toskanische Landschaft, die kleinen Orte, köstliche Speisen und südländische Lebensart und fängt so gekonnt das herrlich mediterrane Flair der malerischen Gegend ein. Recht schnell fühlt man sich in eine schöne Urlaubsstimmung hinein versetzt und merkt an vielen Details, dass der Autor als früherer Rom-Korrespondent der SZ die Schauplätze gut kennt.
Mit einem packenden Einstieg im Prolog wird recht schnell Spannung aufgebaut, die nachfolgende Handlung, in der das sympathische Laien-Ermittlerduo beginnt, den Hintergründen für den Raubmord am exzentrischen Kunstsammler Colasanti und dem verschwundenen, mysteriösen Kunstwerk auf die Spur zu kommen, entwickelt sich dann allerdings in einem eher gemächlichen Tempo. Oftmals tritt die Recherchearbeit der beiden und Aufklärung des Falls aber auch zugunsten von Roberts Privatleben und seinem interessanten, vielschichtigen Charakter in den Hintergrund, wodurch die Spannung leider etwas leidet. Sehr unterhaltsam und humorvoll sind einige Episoden beschrieben und bringen den Leser zum Schmunzeln - insbesondere Roberts Zitate-Schlagabtausch mit dem Philosophen oder sein außergewöhnliches Haustier.
Geschickt präsentiert uns der Autor im Rahmen der Nachforschungen, zahlreiche Hinweise auf mögliche Verdächtige in dem komplizierten Fall, die uns in verschiedenste Richtungen spekulieren lassen. Was hat es mit der seltsamen Partei der Schönheit oder der Bande von Grabräubern in der Maremma auf sich? Zugleich thematisiert Ulrich in seinem Kriminalfall die unterschiedlichen Spielarten um die Motive „Schein und Sein“ und absolute Schönheit. Im letzten Drittel zieht die Spannung dann aber enorm an und gewinnt immer mehr an Tempo. Schließlich laufen alle Fäden zusammen und die nicht mehr ganz überraschende, aber in sich schlüssige Auflösung des Falls gipfelt in einem packenden Showdown.
FAZIT
Insgesamt ein unterhaltsamer, aber etwas spannungsarmer Italienkrimi mit tollem mediterranen Flair und viel authentischem Lokalkolorit, der solide, kurzweilige Unterhaltung bietet!

Veröffentlicht am 12.08.2018

Spannende Ermittlungen im Münsterland

Totenbauer
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INHALT
Auf einer Parkbank im Münsterland bricht ein Mann zusammen. An seiner Schläfe klafft eine blutige Wunde. Der Frau, die ihm helfen möchte, flüstert er die Worte "toter Bauer" zu - und stirbt. Oberkommissar ...

INHALT
Auf einer Parkbank im Münsterland bricht ein Mann zusammen. An seiner Schläfe klafft eine blutige Wunde. Der Frau, die ihm helfen möchte, flüstert er die Worte "toter Bauer" zu - und stirbt. Oberkommissar Maik Bertram hat einen Verdacht: Ist der Mann das Opfer eines tödlichen Liebes- oder Eifersuchtsdramas geworden? Aber ohne die Hilfe Heinrich Tenbrinks, der sich von einem Schädelbasisbruch erholt und mit immer stärkeren Erinnerungslücken zu kämpfen hat, tritt er bald auf der Stelle. Also wendet er sich an seinen ehemaligen Partner und sofort meldet sich Tenbrinks untrügerisches Bauchgefühl: Was haben die letzten Worte des Toten zu bedeuten? Bertram und Tenbrink arbeiten wieder als Team und schon bald führen sie ihre Ermittlungen zu alten Familiengeheimnissen und zu einer ehemaligen Knochenmühle. Gleichzeitig kämpfen die Kommissare mit ihrer eigenen Vergangenheit und stoßen auf Dinge, die besser für immer unentdeckt geblieben wären ...
(Quelle: Klappentext von beTHRILLED)
MEINE MEINUNG
Nach dem rundum überzeugenden Regionalkrimi-Auftakt „Galgenhügel" von Tom Finnek war ich sehr gespannt auf den zweiten Band der neuen Reihe mit dem Titel „Totenbauer“, der ebenfalls im westlichen Münsterland nahe der holländischen Grenze angesiedelt ist. Insgesamt ist Finnek erneut ein fesselnder Kriminalroman mit viel Lokalkolorit und einem hochinteressanter Fall gelungen, der mich wieder bestens unterhalten konnte.
Geschickt startet der neue Fall mit einem fesselnden Auftakt, der uns sogleich eine Leiche präsentiert und uns gespannt weiterlesen lässt. Während die Ermittlungen im Mordfall Peter Gausling allmählich in Gang kommen, geben die Rückblenden zu den Ereignissen während eines etliche Jahre zurückliegenden Familienurlaubs auf Kreta große Rätsel auf. Lange Zeit ist unklar, wie die beiden Handlungsstränge auf den unterschiedlichen Zeitebenen zusammenhängen könnten. Erst nach und nach enthüllen sich durch die verschiedenen, geschickt platzierten Hinweise einige Verdachtsmomente und liefern schließlich eine heiße Spur. Insgesamt ist die Handlung des raffiniert konstruierten, spannenden Kriminalfalls sehr undurchschaubar und mit einigen Überraschungseffekten angelegt, so dass man wieder hervorragend miträtseln und spekulieren kann. Der Krimi gipfelt schließlich in einem äußerst packenden, nervenaufreibenden Showdown und endet mit einer sehr nachvollziehbaren und stimmigen Auflösung. Zum krönenden Abschluss hält der Autor für uns noch einen etwas unheilvollen Ausblick auf den nächsten Band bereit, der mich schon mit großer Spannung und gemischten Gefühlen auf die Fortsetzung warten lässt, den über die Vergangenheit von Tenbrink und Bertram gibt s noch so manches finstere Geheimnis zu entdecken.
Vor allem habe ich mich bei diesem Band wieder auf das eigenwillige Ermittlerpaar Tenbrink und Bertram und ihre unkonventionelle Zusammenarbeit gefreut. Tenbrink, der wegen seiner schweren Kopfverletzung nach seinem letzten Fall noch vom Dienst suspendiert ist, mischt als typischer Münsterländer Dickschädel mit den richtigen Connections vor Ort natürlich wieder kräftig mit und liefert Bertram mit seinen „in cognito“-Nachforschungen äußerst wichtige Hinweise, die die Aufklärung des Falls maßgeblich vorantreiben. Glücklicherweise ist er nun auch bereit sich von ärztlicher Seite wegen seiner bedenklichen Erinnerungslücken helfen zu lassen, auch wenn er nun gezwungen ist, sich mit einigen offenbar verdrängten Begebenheiten aus seiner Vergangenheit auseinander zu setzen. Für so manchen Schmunzler sorgt auch die nicht besonders harmonische Zusammenarbeit zwischen Bertram und seinem neuen Vorgesetzten Arno Bremer.
Finnek sind mit seinen Protagonisten zwei lebendige, sehr facettenreiche Charaktere mit allerlei Ecken und Kanten gelungen, die mir sehr sympathisch sind und über deren Eigenheiten und Geheimnisse ich gerne noch mehr erfahren möchte. Sehr spannend und unterhaltsam sind die interessanten Einblicke in ihr Privatleben, die geschickt in die Ermittlungen eingeflochten sind. Trotz aller Gegensätze harmonieren Tenbrink und sein junger, strafversetzter Kollege aus Magdeburg, Maik Bertram, hervorragend miteinander und mittlerweile verbindet sie eine enge, kollegiale Freundschaft.
Sehr glaubwürdig und lebensnah werden auch die anderen Nebenfiguren beschrieben und sorgen für reichlich Abwechslung in diesem sehr gelungener Regionalkrimi, bei dem auch der Humor wieder nicht zu kurz kommt.
FAZIT
Ein spannender, unterhaltsamer Regionalkrimi aus dem Münsterland mit liebenswerten Charakteren, viel Lokalkolorit, der richtigen Prise Humor und einem gut durchdachten, fesselnden Fall!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Figuren
  • Spannung
  • Handlung
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 29.07.2018

Skurriler, amüsanter Coming of Age-Roman

Familie und andere Trostpreise
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INHALT
Sonny hat eine Menge Neurosen, und es erscheint ihm völlig normal, die Flucht zu ergreifen, wenn Menschen in seiner Gegenwart diese seltsamen Knutsch- und Sauge-Geräusche mit ihren Mündern machen. ...

INHALT
Sonny hat eine Menge Neurosen, und es erscheint ihm völlig normal, die Flucht zu ergreifen, wenn Menschen in seiner Gegenwart diese seltsamen Knutsch- und Sauge-Geräusche mit ihren Mündern machen. Und dann ist da noch seine Umschlagphobie, die Riesenangst vor Briefumschlägen! Leider erbt Sonny an seinem 21. Geburtstag nicht nur ein Vermögen, sondern bekommt auch fünf geheimnisvolle Briefe. Nur sie können ihm helfen, endlich mehr über sich und seine merkwürdige Familie herauszufinden. Doch wie soll er anfangen, wenn er sich noch nicht einmal traut, die Umschläge zu öffnen?
(Quelle HarperCollins Germany)
MEINE MEINUNG
„Familie und andere Trostpreise" ist bereits der dritte Roman der Engländerin Martine McDonagh, die lange Zeit als Bandmanagerin und Lektorin arbeitete. Ihr neustes Buch ist ein sehr witziger, erfrischender Coming of Age-Roman über die Schwierigkeiten Groß zu werden, eine Spurensuche nach der eigenen Identität, den familiären Wurzeln und dem Aufdecken von unbequemen Wahrheiten zwischen vielfältigen Täuschungen, Selbstbetrug und Lügen.
Die schon von Beginn an sympathische Hauptfigur Sonny begibt sich auf einen skurrilen und abenteuerlichen Roadtrip nach Großbritannien, nachdem er zu seinem 21. Geburtstag erfahren hat, dass er dank seines verstorbenen Vaters auf einen Schlag ein reicher Mann ist. Dort besucht er Leute, die seine Eltern kannten, um so mehr über seine Eltern und über den Verbleib seiner verschwundenen Mutter zu erfahren. Im Laufe der Handlung begegnen wir einer Menge sehr exzentrischer, aber auch einigen liebenswerten Figuren, die so manches schockierende Geheimnis offenlegen. Sonnys biographischer Trip führt uns kreuz und quer durch Großbritannien - von Brighton, London, nach Schottland bis Keswick im Lake Distrikt. Sehr fesselnd ist es mit zu verfolgen, wie sich die vielen Hintergrundinformationen über seine Vergangenheit schließlich wie Puzzlestücke schrittweise zusammenfügen und zusammen mit den in den Briefen seines Vormunds Thomas enthaltenen Geständnissen ein immer schärferes Bild über seine Kindheit und Jugend ergibt. Zugleich wird eine unerwartet erschreckende Familiengeschichte enthüllt, die einen mit seiner ungeheuerlichen Tragweite sprachlos zurücklässt. Die Autorin zeigt sehr anschaulich auf, welche Macht extrem narzistische Charaktere wie Sonnys Vater, der Scharlatan und selbsternannte Guru Bim, auf ihr Umfeld haben. Durch gezielte Manipulation und Lügen sowie grenzenlosen Egoismus benutzen sie Menschen skrupellos für ihren eigenen Vorteil.
Die Autorin zeichnet ein sehr eindringliches Bild von Sonnys vielschichtiger Persönlichkeit und präsentiert uns einen sehr zynischen, verbitterten und recht abgeklärten Antihelden, der dennoch in seiner großen Verletzlichkeit sehr liebenswert ist. Sie hat ihrem Protagonisten und Ex-Junkie mit etlichen neurotischer Störungen sehr treffsicher eine einzigartige Stimme verliehen. Der frische, jugendliche Schreibstil wirkt mit den verwendeten umgangssprachlichen Ausdrücken sehr authentisch und lässt sich gut lesen. Geschickt lässt die Autorin Sonny seine Geschichte aus seiner Perspektive mit viel Selbstironie im Präsens erzählen, so dass man das Gefühl hat, eine Art Reisetagebuch von ihm zu lesen und hautnah seine ungefilterten Emotionen miterleben kann. Gestaltet ist das Ganze als eine Art Brief an seine unauffindbare Mutter, an die er kaum noch Erinnerungen hat, und gewürzt mit einem wundervoll lakonischen Tonfall, netten warmherzigen Einsichten und einer Menge geistreicher und spitzfindiger Kommentare. Hervorragend gelungen ist schließlich auch Sonnys Schlussfolgerungen, die auf einen Reifungsprozeß des jungen Manns schließen lassen und zum Ausklang hoffnungsvoll stimmen. Nicht die echten Familienbande sind bedeutsam für seine Entwicklung, sondern die besonderen Menschen die ihn auf seinem Lebensweg begleitet, ihn geliebt und mit ihren einzigartigen Persönlichkeiten wesentlich geprägt haben.
Eine ganz besondere Note bekommt die Geschichte durch die ständigen Querverweise zu dem Kultfilm „Shawn of the dead“, den ich leider nicht kannte. Für die Hauptfigur Sonny, der während seines Trips immer wieder Drehorte aufsucht und zu bestimmten Szenen Bezug nimmt, ist dieser Film eine Art essentieller Bezugspunkt, um seinem ganzen Leben einen gewissen Sinn zu geben. Es macht Spaß, Sonny auf seiner abenteuerlichen, ereignisreichen Reise zu begleiten und mit ihm über einige britische Eigenheiten zu schmunzeln.
FAZIT
Ein eigenwilliger, skurriler Coming of Age-Roman mit einem liebenswerten Antihelden und jeder Menge abgedrehter, schrulliger Figuren! Ein amüsantes, unterhaltsames und zugleich bewegendes Lesevergnügen!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Wunderbar poetisch

Die Schönheit der Nacht
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INHALT
„Wie viele Geheimnisse verschweigt jede Frau?“
Die angesehene Pariser Verhaltensbiologin Claire sehnt sich immer rastloser danach, zu spüren, dass sie lebt und nicht nur funktioniert. Die junge ...

INHALT
„Wie viele Geheimnisse verschweigt jede Frau?“
Die angesehene Pariser Verhaltensbiologin Claire sehnt sich immer rastloser danach, zu spüren, dass sie lebt und nicht nur funktioniert. Die junge Julie wartet auf etwas, das sie innerlich in Brand steckt – auf des Lebens Rausch, auf Farben, Mut und Leidenschaft. In der glühenden Sommerhitze der Bretagne entdecken die beiden unterschiedlichen Frauen, welche Geheimnisse sie so sorgfältig vor sich selbst gehütet haben. Und was sie wagen müssen, um die zu werden, die sie sein können.
(Quelle Klappentext Knaur Verlag)
MEINE MEINUNG
Mit ihrem neusten Werk „Die Schönheit der Nacht“ ist der deutschen Autorin Nina George erneut ein äußerst beeindruckender Roman gelungen, der mich sehr bewegt hat. Es ist eine unglaublich intensive, tiefgründige und sinnliche Geschichte über das Leben in all seinen Facetten, über unausgelebte Sehnsüchte und tief verborgene Geheimnisse. Zwei faszinierende Frauen stehen im Mittelpunkt der Handlung, die sich zunehmend zueinander hingezogen fühlen – beide auf der sehnsüchtigen Suche nach sich selbst, nach unstillbarer Leidenschaft und neuer Lebenslust. Clair, die selbstbewusste, lebenserfahrene, aber unglückliche Verhaltensbiologin, die sehr unnahbar wirkt und die Menschen wie keine andere zu lesen vermag. Julie auf der anderen Seite, die Freundin von Claires Sohn Nico, ein cleveres, aber recht unsicheren junges Mädchen und zugleich voller ungeduldiger Erwartungen. Wir erleben einen gemeinsamen Sommer an der bretonischen Küste, der mit großer, ungeahnter Wucht alles unwiderruflich in Gang setzt, und danach alle Beteiligten nie mehr dieselben sein lässt.
In geschickt gesetzten Rückblicken erfahren wir nach und nach viele Hintergründe zu Claires Lebensgeschichte, die ihre Unzufriedenheit mit ihrem derzeitigen, festgefahrenen Leben verdeutlichen und uns ihre Persönlichkeit und Motive schrittweise näher bringen. Auf eine sehr sinnliche Weise fließen Gedanken, Emotionen und Betrachtungen ineinander und entfalten vor unserem inneren Auge ein bewegendes, schillerndes Gesamtbild. Nina George versteht es meisterlich, Stimmungen und Bilder einfühlsam und mit viel Feingespür einzufangen und eine unnachahmlich dichte, zuweilen melancholische Stimmung heraufzubeschwören. Ihre äußerst bildhafte, poetische Sprache konnte mich rasch gefangen nehmen und mich begeistern. Mit emotionaler Eindringlichkeit und Leidenschaft schickt sie uns Leser auf eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle.
Einzigartig sind auch die sehr gelungenen, atmosphärisch dichten Beschreibungen des bretonischen Finistères, die das herbe Flair einfangen, die dort angesiedelte Handlung wundervoll treffend in Szene setzen und zudem neugierig auf diese einzigartige, ursprüngliche Küstenregion machen. Sehr gut gefallen hat mir auch das Spiel der Autorin mit dem Motiv des Meeres mit seiner Unendlichkeit, das immer wieder in den Mittelpunkt rückt und sehr schön die gewaltigen, aufwogenden Emotionen im Wandel der Geschichte widerspiegelt.
FAZIT
Ein außergewöhnlicher, aufwühlender und nachdenklich stimmender Roman mit einer wundervoll poetischen Sprache! Sehr lesenswert!

Veröffentlicht am 28.07.2018

Lesenswerter, gesellschaftskritischer Roman

Der Sprengmeister
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INHALT
Als junger Mann wird der Sprengmeister Oskar Johansson bei einer fehlgeleiteten Zündung schwer verletzt. Seine Freundin bricht ihm die Treue, und er heiratet ihre Schwester Elvira. Die beiden führen ...

INHALT
Als junger Mann wird der Sprengmeister Oskar Johansson bei einer fehlgeleiteten Zündung schwer verletzt. Seine Freundin bricht ihm die Treue, und er heiratet ihre Schwester Elvira. Die beiden führen ein bescheidenes, entbehrungsreiches Leben, damit der knappe Lohn auch für drei Kinder reicht. Trotz seiner Verwundungen kehrt Oskar zurück in seinen Beruf. Er wird politisch aktiv und glaubt an eine Revolution, die nie kommt. Als sein Wohnblock abgerissen wird, kauft er auf einer Schäre ein Saunahäuschen, wo er im Sommer leben kann.
Henning Mankells erster Roman erzählt ein Arbeiterleben in der aufblühenden Industrie in Schweden und gibt den Benachteiligten eine unverwechselbare, eindrucksvolle Stimme.
(Quelle Zsolnay Verlag)
MEINE MEINUNG
Bei dem bereits 1973 veröffentlichte Debütroman „Der Sprengmeister“ des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell, der nun endlich auch in deutscher Übersetzung vorliegt, handelt es sich um einen meisterlich komponierten, sehr stimmungsvollen und leisen Roman voller subtiler Gesellschaftskritik. Mankell ist in seinem Roman ein gelungenes, einfühlsames Portrait eines bewegten, harten Arbeiterlebens im Schweden des letzten Jahrhunderts gelungen am Beispiel des bescheidenen Sprengmeisters Oskar Johansson, der nach einem tragischen Arbeitsunfall als Invalide sein Schicksal meistern muss. Zugleich zeichnet er behutsam und anschaulich das spannende Bild einer sich schleichend wandelnden Gesellschaft im Laufe der politisch unruhigen Zeiten.
Sehr außergewöhnlich ist der verwendete Erzählstil der Geschichte, die oftmals einen unfertigen, fragmentarischen Eindruck hinterlässt. Ein nicht näher benannter Erzähler widmet sich aus Sicht eines unbeteiligten Dritten Oskars interessanter, ereignisreicher Lebensgeschichte und gibt aus seiner neutralen Außenansicht immer mehr Details über diesen Menschen preis. Mankell versteht es, mit viel Feingespür und einem warmherzigen Blick Oskars Leben mit all seinen Enttäuschungen und Entbehrungen aber auch faszinierender Zufriedenheit und innerem Frieden nachzuzeichnen. Bisweilen kommt die Geschichte ohne viele Worte und Beschreibungen aus – vieles wird mit Stichworten, Aufzählungen oder Gegenüberstellungen nur notizenhaft skizziert und szenisch angerissen, so dass dem Leser viel Raum zur Deutung bleibt. Während die einfache Sprache zum eher schlichten, wortkargen Protagonisten hervorragend passt, haben mich seine sinnschweren, poetischen Gedanken zum Leben schnell gefangen genommen. Sehr gelungen ist auch das Ineinanderfließen der scheinbar ungeordneten Rückblenden, der neutralen, prägnanten Beschreibungen und Oskars nüchternen Betrachtungen aus der Gegenwart zu einem stimmigen Gesamtbild eingebettet in einen politischen Kontext. In seinem Nachwort geht der Autor noch kurz auf die Entstehungsgeschichte seines Debütromans in damals politisch sehr bewegten Zeiten ein. Auch wenn sich in den zurückliegenden 25 Jahren viel ereignet hat, so hat sich die Situation für die Armen und Ausgebeuteten am Rande der Gesellschaft nicht wesentlich verbessert. Die Hoffnung auf ein Schweden mit einer modernen Industriegesellschaft ohne soziale Ungerechtigkeit ist leider ein Traum geblieben.
FAZIT
Mankells interessantes Debüt ist mit seinem gefühlvollen, berührenden Porträt eines Arbeiterlebens somit ein lesenswerter, gesellschaftskritischer Roman, der nichts an seiner Aussagekraft und Aktualität verloren hat. Einmal ein ganz anderer Mankell!