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Veröffentlicht am 30.11.2018

Tragisches Schicksal einer russischen Familie – meisterhaft erzählt!

Der Geiger
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Moskau im Jahre 1948: Nach einem Konzert im Tschaikowsky-Konservatorium wird der gefeierte Geiger Ilja Wassiljewitsch Grenko heimlich festgenommen und in das berüchtigte Moskauer Gefängnis Lubjanka gebracht. ...

Moskau im Jahre 1948: Nach einem Konzert im Tschaikowsky-Konservatorium wird der gefeierte Geiger Ilja Wassiljewitsch Grenko heimlich festgenommen und in das berüchtigte Moskauer Gefängnis Lubjanka gebracht. Man beschuldigt ihn zu Unrecht des Staatsverrats und presst ihm ein falsches Geständnis ab, was für den Musiker katastrophale Folgen hat: Er verliert seine Freiheit, die geliebte Familie und seinen großen Schatz: die kostbare Stradivari-Geige, die einst ein Geschenk des Zaren an Iljas Ururgroßvater war.
Viele Jahre später versucht der in Deutschland lebende Enkel des Geigers Sascha den heimtückischen Mord an seiner Schwester aufzuklären. Er findet heraus, dass sie sich vor ihrer Ermordung mit der Geschichte der Grenko-Familie beschäftigt und nach dem Verbleib der berühmten Geige gesucht hat. Die Spuren führen nach Kasachstan und nach Moskau und Sascha macht sich auf den gefährlichen Weg, ohne zu ahnen, dass die Wahrheit, die er dort erfahren wird, seine ohnehin schlimmen Befürchtungen bei weitem übertrifft...

In ihrem Roman erzählt Mechtild Borrmann von dem erschütternden Schicksal einer russischen Familie, die ohne eigenes Verschulden zum Opfer des politischen Regimes und der menschlichen Grausamkeit und Habgier wird und an diesen zugrunde geht. Ihr Leiden und die Ungerechtigkeit dessen, was den Grenkos zustößt, sind in dem Buch so präsent, dass es dem Leser förmlich die Kehle zuschnürt. Durch die wechselnde Perspektive und ihre sehr einfühlsame, ohne jeglichen Pathos und doch sehr berührende Schreibart öffnet uns die Autorin den Zugang zu der Gedankenwelt der Protagonisten und bewirkt, dass man sich problemlos in sie hineinversetzt, mit ihnen leidet, hofft und bangt. Vor allem mit Ilja und Galina werden hier beeindruckende Charaktere gezeichnet; Menschen, die geradlinig und liebenswürdig sind und einem richtig ans Herz wachsen. Es ist dadurch schon fast schmerzhaft, ihre Lebenswege zu verfolgen und Zeuge ihres Unglücks zu sein.

Wie das auch in ihren anderen Romanen der Fall ist, so flechtet Mechtild Borrmann auch in diesem Buch äußerst geschickt mehrere Handlungsstränge zusammen und erzählt abwechselnd aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart. Dabei wird jedes Mal ein weiteres Puzzlestück aufgedeckt und die Spannung steigt immer weiter bis schließlich das gesamte Ausmaß der Tragödie sichtbar und das Rätsel, das im Mittelpunkt des Romans steht, aufgelöst wird. Was am Ende bleibt ist die Fassungslosigkeit angesichts dessen, was Menschen in der Lage sind, anderen Menschen anzutun. Und doch gibt es da auch Hoffnung, dass die Gerechtigkeit früher oder später ans Licht kommt und dass das Böse nicht endgültig gewinnt.

Fazit: Ein spannender und sehr bewegender Roman, mit dem sich Mechtild Borrmann meines Erachtens erneut in die oberste Liga der deutschen Schriftsteller schreibt – klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 27.11.2018

Liebe und Verrat im Dritten Reich

Wer das Schweigen bricht
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Deutschland im Jahre 1939: Kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs versprechen sich sechs junge Menschen, die schon länger eine enge Freundschaft verbindet, dass sie sich nicht aus den Augen verlieren ...

Deutschland im Jahre 1939: Kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkriegs versprechen sich sechs junge Menschen, die schon länger eine enge Freundschaft verbindet, dass sie sich nicht aus den Augen verlieren und füreinander da sein werden. Doch der Krieg bringt drastische Veränderungen mit sich, die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen und Freunde von einst zuweilen zu Feinden werden lassen...
Fast 60 Jahre später findet der Arzt Robert Lubisch im Nachlass seines Vaters das Foto einer jungen Frau und einen SS-Ausweis, in dem ein ihm unbekannter Name steht. Lubisch vermutet, dass es sich bei der Frau um eine Geliebte des Vaters handelt. Der Gedanke, dass der Letztere doch nicht so perfekt war, wie er sich immer nach außen gegeben und wohl doch eine kleine Schwäche hatte, gefällt Lubisch und er versucht die Identität der schönen Unbekannten herauszufinden. Er ahnt nicht, dass die Geschichte, die dadurch ans Tageslicht kommt, ihn zutiefst erschüttern und seine Welt ins Wanken bringen wird...

Wie bereits im Roman „Trümmerkind“ erzählt Mechtild Borrmann auch in diesem Buch eine Geschichte, die sich in einem der düstersten Kapitel der deutschen Vergangenheit abspielt, in der Zeit der Nazi-Diktatur. Es ist eine Geschichte von Liebe, von Freundschaft, vom Zusammenhalt und vom Mut, aber sie handelt auch von menschlichen Abgründen und davon, wozu Eifersucht und Hass fähig sind. In ihrer wunderbar unaufdringlichen, ruhigen Art schildert die Autorin dramatische Schicksale ihrer Protagonisten vor der Kulisse des Zweiten Weltkrieges und vermag es gekonnt, den Leser in ihren Bann zu ziehen. Hier fällt kein Wort zu viel, aber gerade diese gewisse Kargheit ist eines der Merkmale des Schreibstils von Mechtild Borrmann und macht ihre Romane aus meiner Sicht umso bewegender. Es muss nicht alles erzählt werden. Sie lässt uns oft zwischen den Zeilen lesen, fördert unsere Vorstellungskraft und regt zum Nachdenken an. Ich jedenfalls hatte bei der Lektüre das Grauen des Krieges und das menschliche Leiden lebhaft vor Augen. Auch die Figuren scheinen zu leben und zu atmen, man fühlt mit ihnen und man kann sich oft in sie hineinversetzen. Die grausamen Verbrechen, die im Mittelpunkt der Handlung stehen und der Umgang mit der Schuld bzw. generell mit der schwierigen Vergangenheit werden mit großer Beobachtungsgabe und sehr einfühlsam thematisiert. Auch Spannung kommt nicht zu kurz: Sie steigt kontinuierlich, bis man irgendwann die Lösung des Rätsels kaum noch abwarten kann. All das macht „Wer das Schweigen bricht“ zu einem außergewöhnlichen Kriminalroman, den man mit einem Gefühl wachsender Beklemmung liest und der einem unter die Haut geht. Es ist absolut nachvollziehbar, dass er 2012 mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet wurde.

Fazit: Ein packender und bewegender Roman und ein wichtiges Stück deutscher Geschichte – bitte unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 27.11.2018

Gänsehaut pur!

Die perfekte Gefährtin
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Luc Callanach, vor kurzem noch als Agent beim Interpol in Lyon tätig, übernimmt den Posten eines Detective Inspectors bei der Police Scotland in Edinburgh. Kaum seinen neuen Dienst angetreten, bekommt ...

Luc Callanach, vor kurzem noch als Agent beim Interpol in Lyon tätig, übernimmt den Posten eines Detective Inspectors bei der Police Scotland in Edinburgh. Kaum seinen neuen Dienst angetreten, bekommt er es schon mit einem besonders kniffligen Fall zu tun: In einem kurzen Zeitabstand werden zwei Frauen entführt, beide angesehene Mitglieder der Gesellschaft und alleinstehend. Die Leichen, die nach der jeweiligen Entführung auftauchen, sind nur bedingt zu identifizieren, die wenigen Spuren weisen jedoch darauf hin, dass es sich um vermisste Frauen handelt. Und doch hat Callanach das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Seine Vorahnung täuscht ihn nicht: Der Mörder ist äußerst raffiniert und schafft es perfekt, mit falschen Fährten seine Mitmenschen in die Irre zu führen. Ein nervenaufreibendes Katz- und Mausspiel beginnt und Callanach muss alles geben, denn schon bald geschieht eine weitere Entführung. Und diesmal handelt sich um jemanden, der dem Inspector mehr bedeutet, als er sich selbst eingestehen mag...

Es war für mich das erste Buch von Helen Fields und ich muss zugeben, ich bin sehr beeindruckt. Ein origineller Plot, interessante und gut gezeichnete Charaktere und jede Menge Spannung, der die Tatsache, dass der Leser von Anfang an weiß, wer der Mörder ist, keinen Abbruch tut. Im Gegenteil: Dadurch, dass uns die Autorin abwechselnd Zugang zur Gedankenwelt von Callanach und von Dr. King gewährt, wird das Eintauchen in die Geschichte noch intensiver und der Perspektivenwechsel macht den Schreibstil interessant und abwechslungsreich. Das Buch hat mich bis zum Schluss perfekt unterhalten und ich freue mich schon auf weitere Titel von Helen Fields. Und darauf, vielleicht in absehbarer Zukunft Edinburgh zu besuchen – man merkt bei der Lektüre deutlich, dass die Autorin die Stadt mag; dies wirkte zumindest auf mich ansteckend und ich wurde richtig neugierig

Fazit: Ein teuflisch guter Psychothriller, aber Achtung: Nichts für schwache Nerven!

Veröffentlicht am 07.11.2018

Zwischen Liebe und Krieg: Ein einfühlsames Porträt einer außergewöhnlichen Frau

Hemingway und ich
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Im Jahre 1936 begegnet die junge Schriftstellerin Martha Gellhorn während einer Urlaubsreise nach Florida Ernest Hemingway. Er gilt zu diesem Zeitpunkt bereits als einer der bedeutendsten amerikanischen ...

Im Jahre 1936 begegnet die junge Schriftstellerin Martha Gellhorn während einer Urlaubsreise nach Florida Ernest Hemingway. Er gilt zu diesem Zeitpunkt bereits als einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller und wird auch von Martha heimlich verehrt. Diese Begegnung hat weitreichende Folgen: Gellhorn erfährt von Hemingways Absicht, nach Madrid zu reisen, von wo er als Zeitungsreporter über wachsende Unruhen in Spanien berichten will. Seine Mitteilung weckt in der ehrgeizigen jungen Frau, die aufmerksam die politische Lage in Europa beobachtet und gerade ohnehin auf der Suche nach einer sie erfüllenden Aufgabe ist, großes Interesse und den Wunsch, es ihm gleichzutun. Hemingway unterstützt sie und es gelingt ihr tatsächlich, das Vorhaben zu verwirklichen. Martha erlebt in Spanien hautnah die Grausamkeit des Bürgerkrieges und das Leiden des spanischen Volkes und berichtet darüber für eine amerikanische Zeitung. Diese Erlebnisse prägen sie und ihre weitere berufliche Laufbahn nachhaltig. Auch ihr Privatleben bekommt dort eine Wende: Sie und Hemingway werden zum Liebespaar. Doch diese Beziehung ist alles andere als unkompliziert und wird für Martha mit der Zeit zu einer wahren Zerreißprobe...

In ihrem gut recherchierten Roman schildert Paula McLain die Liebesgeschichte zweier herausragender Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts vor dem Hintergrund dramatischer Ereignisse der 30er und 40er Jahre und beweist dabei ein enormes erzählerisches Talent. Zu betonen sind die stimmungsvolle, stellenweise fast schon poetisch anmutende Sprache und die Fähigkeit der Autorin, ihre Protagonisten wunderbar lebendig zu zeichnen. Man hat sie bei der Lektüre förmlich vor Augen. Dadurch, dass die Geschehnisse im Buch fast durchgehend aus Marthas Sicht dargestellt werden, vergisst man zuweilen, dass es sich um einen Roman handelt und hat das Gefühl, Gellhorns Autobiographie zu lesen und die Welt durch ihre Augen zu sehen. Auch Orte und Begebenheiten, wie etwa Straßenkämpfe in Spanien oder die Invasion in der Normandie, werden sehr plastisch beschrieben und riefen zumindest bei mir den „Kopfkino – Effekt“ hervor.

Besonders interessant finde ich den psychologischen Aspekt der Beziehung zwischen Gellhorn und Hemingway, der von der Autorin äußerst einfühlsam behandelt wird. Sie zeigt sehr anschaulich auf, wie schwierig es ist, wenn zwei so starke Individuen und schöpferische Geister aufeinander treffen und ein Zusammenleben versuchen. Der Leser wird Zeuge von Marthas Bemühen, aus Hemingways Schatten hervorzutreten und sich beruflich zu behaupten. Sie versucht einen Spagat zwischen Liebe, die von ihr Zugeständnisse fordert, und dem Bedürfnis nach Eigenständigkeit hinzubekommen. Dass sie sich letztendlich nicht verbiegen lässt, nicht mal für den großen Hemingway, der schon zu Lebzeiten den Status einer Legende genießt, sondern sich selbst treu bleibt und den eigenen Weg geht, macht sie in meinen Augen zu einer beeindruckenden Frau. Besonders großen Respekt verdient sie aus meiner Sicht für ihren Mut, sich trotz drohender Gefahren in Kriegsgebiete zu begeben, um von dort zu berichten. Der Martha, die von Paula McLain im Roman zum Leben erweckt wird, geht es nicht um Nervenkitzel, sondern darum, ihren Lesern die Augen für das Leid der Menschen zu öffnen, ihre Geschichten zu erzählen und sie dadurch zumindest für einen kurzen Moment dem Tod und dem Vergessen zu entreißen. Sie tut dies mit Leidenschaft und Hingabe und ich persönlich finde das bewundernswert.

Unbedingt erwähnen möchte ich noch die sehr gelungene Aufmachung des Buches, die mit dem schönen Bild eines offenbar verliebten Paares die Aufmerksamkeit des Lesers weckt und ihn auf die Handlung einstimmt.

Fazit: Ein toll geschriebener Roman mit spannenden Figuren, einer starken Protagonistin und einem Stück wichtiger Zeitgeschichte dazu – sehr lesenswert, auch wenn man kein Fan von Hemingway ist.

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Veröffentlicht am 24.10.2018

Wenn Liebe zum Verhängnis wird

Die Frau, die zu sehr liebte
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Linda ist Mitte vierzig, nach außen eine glücklich verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern. Zusammen mit ihrem gut verdienenden Mann Jochen lebt sie ein ruhiges, beschauliches Leben, das ihr aber ...

Linda ist Mitte vierzig, nach außen eine glücklich verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern. Zusammen mit ihrem gut verdienenden Mann Jochen lebt sie ein ruhiges, beschauliches Leben, das ihr aber nicht mehr ausreicht. Sie vermisst in ihrer Ehe die Leidenschaft und das Gefühl, als attraktive, begehrenswerte Frau wahrgenommen zu werden. Als sie eines Tages dem smarten Bankdirektor Frank begegnet, ist dieses Gefühl plötzlich wieder da und Linda verliebt sich Hals über Kopf. Frank scheint ihre Gefühle zu erwidern, mehr noch: Er behauptet, sie sei seine Traumfrau. Linda lässt sich daraufhin nur noch von ihrer Liebe leiten und setzt dabei alles aufs Spiel: ihre Ehe, ihre Kinder und Freunde. Frank und sie werden tatsächlich ein Paar, doch der Preis ist sehr hoch und das Glück ist leider nur von kurzer Dauer...

Ich muss gestehen, der Roman hat mich positiv überrascht. Ich kannte bisher keine Bücher von Hera Lind und erwartete einen heiteren Frauenoman und angenehme, aber seichte Unterhaltung. Diesen Eindruck hatte ich noch nach den ersten Seiten des Buches. Doch die Geschichte, die von der Autorin mit Humor und spannend erzählt wird, entwickelt sich nach und nach zu einem Drama und schließlich sogar zu einer Tragödie. Mit viel Empathie schildert Hera Lind das Schicksal einer Frau, die für ihre Liebe kämpft, alles auf eine Karte setzt und den Kampf letztendlich auch verliert. Die Protagonistin Linda wirkt trotz ihrer Verfehlungen sehr sympathisch. Man schüttelt als Leser den Kopf angesichts ihrer Naivität und möchte sie schon fast schütteln, damit sie endlich erwacht und merkt, dass sie ins Unglück rennt. Aber Liebe kann bekanntlich blind machen und Hera Lind gelingt es meisterhaft, dies in ihrem Roman glaubwürdig darzustellen.
Eins ist klar: Nach diesem Buch weiß man seinen eigenen Ehemann mehr zu schätzen

Fazit: Spannende und bewegende Lektüre, heiter und ernst zugleich, sehr zu empfehlen!