Profilbild von bootedkat

bootedkat

Lesejury Profi
offline

bootedkat ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit bootedkat über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.06.2018

Bilderwandel

Die Unruhigen
0

Eine Lebensgeschichte. Aber nicht vollständig. Dafür viele kleine detaillierte Momente. Vater – Mutter, Vater – Tochter, Mutter – Tochter, allerdings nie alle drei auf einmal. Das hat das Erzählen mit ...

Eine Lebensgeschichte. Aber nicht vollständig. Dafür viele kleine detaillierte Momente. Vater – Mutter, Vater – Tochter, Mutter – Tochter, allerdings nie alle drei auf einmal. Das hat das Erzählen mit dem Fotografieren gemeinsam. Einer muss immer das Bild machen bzw. die Geschichte erzählen. Und so sind Fotos mit der ganzen Familie selten. Zumal die Eltern der Erzählerin getrennt leben und sich die Momente vor allem in Mutter – Tochter und Vater – Tochter unterteilen lassen. Im Mittelpunkt stehen Gespräche und zwischenmenschliche Interaktionen, die den roten Faden der Erzählung bilden.

Autobiographie? Fiktion? Vielleicht biographische Fakten fiktiv in Szene gesetzt? „Die Unruhigen“ verweigert sich einer genauen Einordnung. Fakt ist, dass Linn Ullmanns Vater tatsächlich Drehbuchautor und Regisseur war und ihre Mutter auch tatsächlich Schauspielerin ist. Ihre Erzählweise, sowie der Verzicht auf Namen, entziehen den Roman ein Stück weit der Realität. Ebenso der Umstand, dass die Erzählerin von sich mitunter in der dritten Person spricht. Hinzu kommt der filmische Aspekt. Die Erzählerin schafft Momentaufnahmen. Der Titel „Die Unruhigen“ bezieht sich dabei ebenso auf die Charaktere, wie auch auf die Bilder, die in diesen Momentaufnahmen geschaffen werden. Denn unruhige, womöglich laufende, Bilder ergeben einen Film und genau das ist es, was Linn Ullmann mit ihrem Detailreichtum schafft.
Aber auch die Personen sind Unruhige. Immer in Bewegung und immer auf der Suche.

Der Erzählton ist dagegen eher weniger unruhig, sondern ruhig und bedächtig. Zusammen mit den vielen kleinen Details entsteht Atmosphäre und es fällt leicht, in die erzählte Welt einzutauchen. Wenn man sich darauf einlässt. Der Roman verlangt Aufmerksamkeit. So werden immer wieder Dialogausschnitte, Briefe und Tagebucheinträge in die Erzählung mit eingebunden. Diese bilden die Ausgangspunkte für verschiedene Episoden aus der Vergangenheit, in denen vieles ungesagt bleibt und trotzdem keine Lücken entstehen.

Veröffentlicht am 04.06.2018

Spiel mit dem Schicksal

Legendary
0

-die Rezension bezieht sich auf die englische Originalausgabe-

Nur ein paar Tage, nachdem Donatellas Schwester Scarlett Caraval gewonnen hat, geht es für die beiden Schwestern und die Caraval Darsteller ...

-die Rezension bezieht sich auf die englische Originalausgabe-

Nur ein paar Tage, nachdem Donatellas Schwester Scarlett Caraval gewonnen hat, geht es für die beiden Schwestern und die Caraval Darsteller nach Valenda. Anlässlich des 75. Geburtstags von Kaiserin Elantine soll dort, in der Hauptstadt des Meridianreiches, die nächste Spielrunde Caraval stattfinden. Donatella und Scarlett beschließen erneut zu spielen. Allerdings muss Donatella schon nach kurzer Zeit feststellen, dass es um weit mehr geht als nur um das Spiel. Aber da fangen die Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit bereits zu verschwimmen an.

Im Gegensatz zum ersten Band „Caraval“, in dem Scarlett im Vordergrund steht, wird „Legendary“ aus der Sicht ihrer jüngeren Schwester Donatella erzählt. Allerdings steht für Donatella genauso viel auf dem Spiel wie in der ersten Spielrunde für Scarlett und es ist spannend, die Handlungsmotive der Schwestern zu vergleichen und herauszufinden wie und wofür sie jeweils kämpfen. „Legendary“ funktioniert aber auch ohne den Vorgängerband, da sich einerseits vorangegangene Ereignisse aus dem Kontext erschließen lassen, andererseits eine eigenständige Handlung vorliegt. Und über allem steht die Frage nach Legends Identität.

Stephanie Garbers Schreibstil schafft es wieder einmal, den Leser erneut für eine Runde Caraval zu begeistern. Zwischendurch werden immer wieder subtile Hinweise gegeben, die zur Lösung des Rätsels beitragen. Da die Handlung allerdings aus Donatellas Sicht erzählt wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit nicht nur für die Protagonistin, sondern ebenso für den Leser. Dinge, die zwei Seiten zuvor noch eindeutig schienen, sind so auf einmal gar nicht mehr haltbar. Hinzu kommen verschiedene Bedrohungen, die Donatellas Wunsch diese Runde Caraval für sich zu entscheiden, immer wieder dem Scheitern nah bringen. Das sorgt allerdings dafür, dass die Geschichte nicht vorzeitig an Spannung verliert.

Im Nachwort erwähnt Stephanie Garber selbst, dass das zweite Buch schwerer zu schreiben ist, als das Erste. Mit „Legendary“ hat die Autorin aber eine sehr gelungene Fortsetzung vorgelegt.

Veröffentlicht am 24.05.2018

Wenn der Wind erzählen könnte...

Das Fehlen des Flüsterns im Wind … und andere phantastische Kurzgeschichten aus dem Halbdunkel
0

Wichtel, Geister, Engel, sie alle haben ihre eigene Geschichte. Mal ist ein kleines Mädchen, das sich mit ihrem Wunsch an eine Wichtelfrau wendet, mal sind es Geister, die keinen Frieden finden und mal ...

Wichtel, Geister, Engel, sie alle haben ihre eigene Geschichte. Mal ist ein kleines Mädchen, das sich mit ihrem Wunsch an eine Wichtelfrau wendet, mal sind es Geister, die keinen Frieden finden und mal ist es ein Engel, der gebeten wird, einen Wunsch zu erfüllen. Aber es gibt auch die anderen Geschichten, in denen der Schauer vorherrscht. Ein altes Bild, das nicht das ist, das es zu sein scheint, ein Geist, der nichts Gutes im Schilde führt.

Miriam Schäfers Kurzgeschichten könnten nicht unterschiedlicher sein und sind doch im Phantastischen vereint. Ob es Elemente aus Feenmärchen oder aus Tausend-und-einer-Nacht sind, ob Science Fiction oder High Fantasy, ob Urban Legends oder Schauerliteratur, „Das Fehlen des Flüsterns im Wind und andere phantastische Kurzgeschichten aus dem Halbdunkel“ lässt nahezu kein Genre außen vor. Gut so, denn so kommt bei den 21 Kurzgeschichten jeder auf seine Kosten. Themen wie Freundschaft, Liebe, Angst, Tod, Neugier und Ehrgeiz finden alle ihren Platz und jede Geschichte hat immer auch ein bisschen was mit Hoffnung zu tun. Der Erzählton wechselt zwischen den Geschichten, ist allerdings immer der Handlung angemessen. Eine Wanderung durch den Schnee hat eher einen poetischen Ton, während eine zum Scheitern verurteilte Expedition eher mit einem deutlich düsteren, melancholischeren Ton versehen ist. Unabhängig vom Erzählton ist der Erzählstil allerdings bei jeder Geschichte fesselnd, egal ob bedächtig oder eher spannend.

Darüber hinaus haben alle Geschichten die typischen Merkmale der Kurzgeschichte, so märchenhaft und phantastisch sie auch sein mögen. Das heißt: unvermittelter Einstieg, komprimierter, verdichteter Inhalt und ein meistens offenes Ende. Das regt einerseits dazu an, die Geschichte selber weiterzuspinnen, allerdings muss man andererseits auch bereit sein, etwas eigene Phantasie ins Lesen zu investieren. Längenmäßig bewegen sich die Texte zwischen 2 und 20 Seiten, was jedoch nicht heißt, dass die kürzeren einfacher sind oder die längeren eindeutigerer. „Das Fehlen des Flüsterns im Wind“ lässt den Leser gedanklich in seine phantastischen Welten abtauchen und lässt ihn auch nach der Lektüre nicht sofort wieder in die Realität zurück. Und selbst nach mehrmaligem Lesen halten die Texte immer noch etwas Neues bereit.

Veröffentlicht am 03.05.2018

Vom Auf und Ab

Barbarentage
0

William Finnegan ist elf, als er anfängt zu Surfen. Mit vierzehn wird für ihn ein großer Traum wahrscheinlich vieler Surfer wahr. Er zieht mit seiner Familie nach Hawaii. Aber abgesehen davon, im Paradies ...

William Finnegan ist elf, als er anfängt zu Surfen. Mit vierzehn wird für ihn ein großer Traum wahrscheinlich vieler Surfer wahr. Er zieht mit seiner Familie nach Hawaii. Aber abgesehen davon, im Paradies für Wellenreiter zu leben, beginnt für ihn erst einmal keine leichte Zeit. Als Weißer ist er unter seinen hawaiianischen, samoanischen und filipinischen Klassenkameraden nicht besonders angesehen, was ihn dazu bringt, sich aufs Wasser zu flüchten. Der Anfang ist gemacht.

Surfen, das macht der Autor deutlich, ist mehr als ein Sport. Surfen ist Ausdruck eines bestimmten Lebensgefühls und auch Lebensstils. Surfer sind eine feste Gemeinschaft mit klaren Regeln, die auch dann gelten, wenn sie sich untereinander fremd sind. Hinzu kommt, dass Surfer Suchende sind. Nach der perfekten Welle, nach neuen Herausforderungen und vielleicht auch ein bisschen nach Gefahr und Nervenkitzel. Die Suche nach der perfekten Welle ist es, die ihn an die verschiedensten Strände weltweit treibt, die Suche nach Herausforderungen bringt ihn letztendlich dazu Kriegsreporter zu werden. Und noch während William Finnegan seine Geschichte erzählt wird deutlich, dass sich sein Hobby und sein Beruf gar nicht so unähnlich sind.

William Finnegans „Barbarentage“ ist nicht nur eine Liebeserklärung an das Surfen, bei der weder Höhen noch Tiefen ausgelassen werden, sondern vor allem die Geschichte seines Werdegangs. Sowohl sportlich als auch beruflich. Der Blick zurück, ist dabei ein äußerst reflektierter. Das alles verpackt der Autor geschickt und spannend in eine Erzählung, die auch diejenigen, die bisher nichts mit Surfen zu tun hatten, erreicht. Trotz zahlreicher Fachbegriffe verliert man auch als Surf-Laie nicht den Faden. Der Erzählton nimmt den Leser genug gefangen, um ihn nicht über die Fachwörter stolpern zu lassen. „Babarentage“ ist mehr als nur ein Surferbuch und auch mehr als nur eine Autobiographie. Der Text lässt sich vielmehr zwischen diesen beiden Kategorien ansiedeln und besticht zudem durch den fesselnden Schreibstil des Autors.

Veröffentlicht am 25.04.2018

Die Schönheit der Details

Die Schönheit der Nacht
0

Claire Costeau ist Mitte vierzig, steht mitten im Leben und ist Madame le Professeur für Verhaltensbiologie. Julie Beauchamp ist Anfang zwanzig, hätte gerne den Mut vor Publikum zu singen und arbeitet ...

Claire Costeau ist Mitte vierzig, steht mitten im Leben und ist Madame le Professeur für Verhaltensbiologie. Julie Beauchamp ist Anfang zwanzig, hätte gerne den Mut vor Publikum zu singen und arbeitet in einem Hotel, bis sie weiß welche Richtung ihr Leben nehmen soll. Beide Frauen sind auf der Suche. Nach Selbstverwirklichung und Freiheit. Als sie sich begegnen, löst das in Beiden die unterschiedlichsten Emotionen, Wünsche und Sehnsüchte aus.

Eigentlich ist Claire angekommen. Sie hat ihren Kindheitswunsch, sich mit Menschen und ihrem Verhalten zu beschäftigen, verwirklicht und hat eine Familie, zu der sie eigentlich gerne nach Hause kommt. Eigentlich, denn hinter der Fassade bröckelt es an den verschiedensten Stellen. Claire und ihr Mann Gilles, ein Komponist, sind sich nicht wirklich treu und eigentlich wollte Claire sowieso nie Kinder haben. Ihr Sohn Nicolas ist mittlerweile erwachsen und als er seine Freundin Julie seinen Eltern vorstellt, beginnt die Handlung sich zu entwickeln.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Claire und Julie erzählt, wobei auch Wechsel im Erzählton vollzogen werden. Claire neigt dazu, das Verhalten ihrer Mitmenschen zu analysieren oder in Gedanken, die entsprechenden Stellen aus ihren Vorlesungen zu rezitieren. Entgegen der möglichen Erwartung, wirkt dies jedoch nicht altklug, sondern eher so, als würde sie sich in die Wissenschaft flüchten, um sich mit bestimmten Alltagssituationen nicht auseinandersetzen zu müssen. Julie ist eher auf sich selbst bezogen. Nicht aus Egoismus, sondern weil sie dabei ist, sich selbst zu finden.

Nina George spickt ihren Roman mit unglaublich vielen Details, ohne jemals die Geschichte zu überladen. Stattdessen entsteht Atmosphäre und man hat das Gefühl sich mitten in der entsprechenden Szenerie zu befinden. Die Sprache wirkt durch den Detailreichtum und die Satzkonstruktion mitunter fast poetisch. Würde man „Die Schönheit der Nacht“ auf das Wesentliche reduzieren wollen, so könnte man davon sprechen, dass sich der Text aus einer Essenz von Begehren, Selbstzweifeln und Salz zusammensetzt. Definitiv ein Buch, das gekostet und nicht verschlungen werden will.