Profilbild von buecher_heldin

buecher_heldin

Lesejury Profi
offline

buecher_heldin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit buecher_heldin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.04.2019

Rheinisches Intrigenspiel

Rheinblick
0

Brigitte Glaser gelingt es meiner Meinung nach hervorragend die politischen Ränkespiele und Ereignisse nur wenige Tage nach der Bundestagswahl von 1972 mitreißend, spannend und persönlich zu erzählen. ...

Brigitte Glaser gelingt es meiner Meinung nach hervorragend die politischen Ränkespiele und Ereignisse nur wenige Tage nach der Bundestagswahl von 1972 mitreißend, spannend und persönlich zu erzählen. Für mich eines meiner persönlichen Lesehighlights in diesem Frühjahr.
Der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der „Rheinblick“ – ein Bonner Politlokal, in dem Politiker und Mitarbeiter der Ministerien, aber auch Taxifahrer ein und ausgehen. Hilde Kessel kennt als Wirtin des Rheinblicks alle. Ihr Credo: Was im Rheinblick passiert, bleibt auch im Rheinblick. Da kann sich so mancher Politiker auf ihre Diskretion verlassen. Doch auch Hilde hat als Frau ihre Geheimnisse und nicht zuletzt wird sie durch eine vergangene Unachtsamkeit erpressbar. Dies droht ihr zum Verhängnis zu werden, als es in den Tagen nach der Bundestagswahl und des Sieges von Willy Brandt so manches Intrigenspiel um Ministerposten auch nicht vor dem Rheinblick halt zu machen scheint. Zur gleichen Zeit steht die junge Logopädin Sonja Engel vor der Chance ihres Lebens. Sie soll dem frisch operierten Willy Brandt helfen, seine Stimme wieder zu erlangen. Ein schwieriges Unterfangen, zumal sich während der schwierigen Koalitionsverhandlungen nur schwer Ruhe für die Behandlung einstellt. Doch Sonja kämpft – auch um ihre Schwester Reni, die unerwartet spurlos verschwindet. Ob ihr Cousin Erwin Tibulski, ein ergeiziger, junger Politiker helfen kann? …
Es sind nur zwei Wochen und zwei Frauen, die Brigitte Glaser zum Zentrum ihrer faszinierenden Geschichte macht. Aber es gelingt Brigitte Glaser die damaligen Ereignisse, Menschen und Situationen hervorragend miteinander zu verweben, anschaulich und lebendig zu beschreiben und einen unterhaltsamen kleinen Thriller zu schaffen. Mit „klein“ meine ich, dass er durchaus ohne gewaltsame Intrigen à la House of Cards auskommt. Es sind eher die leisen Töne, die den Roman bestimmen. Es sind die zwischenmenschlichen Beziehungen von Hilde und Sonja zu ihren Familien und Freunden/Bekannten, die den Hauptteil der Geschichte ausmachen. Beide werden in den Strudel der Ereignisse hineingezogen, obwohl sie stets Beobachter der politischen Ereignisse der damaligen Zeit bleiben. Dennoch hat es mir sehr gut gefallen, wie Brigitte Glaser beide Frauenfiguren und ihre Lebensumstände schildert und damit auch das Frauenbild der damaligen Zeit in unterschiedlichen Situationen beschreibt. Beide Frauen waren mir auf Anhieb sympathisch. Beide sind Kämpferinnen, die auf unterschiedlichen Wegen ihren Platz im Leben suchen, und für ihre Träume bereit sind Opfer zu bringen. Aber beide ringen auch mit ihren Entscheidungen, lassen sich von Gefühlen und familiären Verpflichtungen beeinflussen. Und obwohl hier durch die eingebaute zusätzliche Kriminalgeschichte der Roman leicht überladen scheint, so gibt diese der ganzen Handlung zusätzlich ein klein wenig politisches Pfeffer im Bonner Intrigenspiel bei der Machtvergabe von Ämtern und Positionen. Mein Fazit: Brigitte Glaser ist aus meiner Sicht ein sehr unterhaltsames, literarisches Stück Zeitgeschichte gelungen, das ich sehr lesenswert finde und gleichzeitig eine spannende Zeitreise, die mit einem kleinen Augenzwinkern in die Gegenwart auch aktuelle Bezüge zulässt.

Veröffentlicht am 13.04.2019

Tödlicher Piemont

Lago Mortale
0

In seinem ersten Krimi-Abenteuer entführt uns die Autorin Giulia Conti in den Piemont an den Lago D'Orta. Hier lebt der ehemalige Wirtschaftsjournalist und Polizeireporter Simon Strasser seit Jahren ein ...

In seinem ersten Krimi-Abenteuer entführt uns die Autorin Giulia Conti in den Piemont an den Lago D'Orta. Hier lebt der ehemalige Wirtschaftsjournalist und Polizeireporter Simon Strasser seit Jahren ein beschauliches Leben. Eigentlich könnte alles wunderbar im italienischen Hochsommer sein, wenn Simon nicht eines Tages bei einem Bad im See die Leiche des jungen Industriellen-Sohn Marco Zanetti auf dessen Yacht findet. Simon wird schnell klar, bei diesem Fall stimmt etwas nicht. Mit Hilfe seiner Bekannten der Polizistin Carla Moretti und einem befreundeten Boulevard-Journalisten macht sich Simon auf die Suche und entwirrt langsam einen Fall, der in der Vergangenheit liegt und eine familiäre Tragödie enthüllt.

Mit ihrem ersten Krimi aus dem wunderschönen Piement ist es der Autorin aus meiner Sicht gut gelungen, mich als Leserin in die Gegend um den Lago D'Orta zu entführen. Gerade die Beschreibungen der Gegend um den See und einige geschichtliche Hintergründe führen mir sehr anschaulich die Schönheit dieser Region vor Augen, die sicherlich etwas weniger Beachtung als der bekanntere See Lago Maggiore findet.

Während das Cover durchaus Urlaubsgefühle weckt, muss ich gestehen, konnte mich die Handlung nur wenig begeistern. Denn die richtige Spannung kam nur mäßig in Gang. Viele Beschreibungen waren mir manchmal etwas zu langatmig. Ich verstehe, wenn man gerade bei einem Auftakt zu einer Krimireihe durchaus etwas tiefer auf die Beziehungen zwischen den Menschen eingeht oder der Hauptperson mit ihren Beweggründen und Motiven mehr Raum gibt, aber hier glaube ich wurde Potenzial durchaus verschenkt. Irgendwie erschien mir der Plot teilweise zu konstruiert, zu verhersehbar. Das Tatmotiv erschien mir sogar etwas zu klischeehaft. Eigentlich schade, denn als Charakter war mir Simon Strasser durchaus sympathisch, auch mit seinen Ecken und Kanten.

Dennoch war für mich der Erzählstil sehr angenehm und locker. Die Handlungsstränge gut nachvollziehbar. Die Charakter sehr anschaulich und charmant beschrieben. Für einen ersten Auftaktroman ist Lago Mortale durchaus solide und ein angenehmer Urlaubskrimi, wenn auch mit angezogener Handbremse.

Veröffentlicht am 09.02.2019

Das Unbeschreibliche berührend erzählt

Stella
0

"Diese Frau trug so viele Rollen in sich, das Aktmodell, die Sängerin mit der dünnen Stimme, die Schönheit in meiner Badewanne, die Büßerin, die Lügnerin, das Opfer, die Täterin. Stella Goldberg, die Greiferin, ...

"Diese Frau trug so viele Rollen in sich, das Aktmodell, die Sängerin mit der dünnen Stimme, die Schönheit in meiner Badewanne, die Büßerin, die Lügnerin, das Opfer, die Täterin. Stella Goldberg, die Greiferin, meine Frau. Ich weiß nicht, ob es falsch ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten. Ich wollte mich irgendwo verkriechen, weil ich wusste, dass ich dem Schicksal nicht gewachsen war, aber es mischte sich ein anderes Gefühl dazu. Ich spürte eine Verbundenheit mit Stella.[...]"

Der junge Schweizer Friedrich kommt 1942 mitten in den Wirren des Krieges nach Berlin, um seine Ausbildung als Maler fortzusetzen. Dort begegnet er der jungen, aufgeweckten Kristin, die mit ihm zusammen durch die Clubs von Berlin zieht, Cognac trinkt und die Friedrich zunehmend in ihren Bann zieht. Sie werden ein Paar. Eines Tages jedoch muss er erfahren, dass "Kristin" nicht die ist, die sie vorgibt zu sein...

Über dieses Buch wurde schon viel gesagt und geschrieben. Auch ich kann mich buchstäblich nicht dem Bann entziehen und muss sagen, dass es sehr lange in mir gearbeitet hat. Mehr noch, ich habe angefangen, mich nicht nur mit den damaligen Umständen auseinanderzusetzen, sondern mich auch mit der echten Stella Goldberg zu beschäftigen. Das ist ohne Zweifel ein mutiges und auch schon lange überfälliges Buch. Ich wusste bis dato nichts von Stella. Es beschäftigt sich mit der Frage, wie weit ein Mensch in einer echten lebensbedrohlichen Situation gehen würde, um diejenigen vor dem sicheren Tod zu retten, die er liebt. Und dabei gleichzeitig ohne Skrupel - aber vielleicht aus einem echten Übelebensinstinkt heraus, mit einem verbrecherischen Regime zu sympathisieren. Ich finde, es gelingt Takis Würger wunderbar sich dem Charakter und der Person Stella aus Sicht des (vielleicht fiktiven) Charakters Friedrich zu nähern. Erzählt wird die kurze Zeit der stürmischen Beziehung zwischen Friedrich und Stella im Jahr 1942. Dabei wird die Handlung immer wieder durch echte Zeugenaussagen aus den damaligen Gerichtsakten des Prozesses gegen Stella unterbrochen. Gerade in diesen Momenten werde ich als Leser wieder daran erinnert, dass es eben nicht die liebevolle Romanze ist. Gut fand ich auch, wie der Autor jeden Monat mit geschichtlichen Fakten und Ereignissen des Jahres 1942 beginnt und den Leser damit buchstäblich in die "brutale" Realität zurückholt. Und das war auch gut so. Takis Würger überlässt es meiner Ansicht nach durchaus dem Leser ein Urteil über Stella zu fällen. Der Schreibstil ist darüber sehr angenehm. Die Covergestaltung mit dem Foto der echten Stella ist meiner Meinung nach dezent, zurückgenommen, aber auch sehr fokussiert und dadurch irgendwie packend. Aufgrund des Themas wird hier bewusst und auch genau richtig, auf viel Schnörkel verzichtet.
Mein Fazit: Für mich sicherlich eines der Lesehighlights in diesem Jahr. Packend, nachdenklich machend und auch berührend einfach. Takis Würger gelingt es hervoragend das menschlich Unbegreifliche mit einfacher Sprache zu erzählen. Wunderbar.

Veröffentlicht am 20.01.2019

Spannend bis zum Schluss

Flucht in die Schären
0

Im neunten Teil der Beststellerreihe widmet sich Viveca Sten einem oft tot geschwiegenen, aber doch sehr erschreckend realem Thema: häusliche Gewalt. Ein gesellschaftliches "Tabu-Thema", dem immer noch ...

Im neunten Teil der Beststellerreihe widmet sich Viveca Sten einem oft tot geschwiegenen, aber doch sehr erschreckend realem Thema: häusliche Gewalt. Ein gesellschaftliches "Tabu-Thema", dem immer noch viele Frauen und auch Männer ausgesetzt sind.

Nora Linda versucht Andreis Kovac als Kopf der Stockholmer Drogenszene wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche zu verhaften. Als dieser seine Frau Mina fast totprügelt, erscheint eine Aussage Minas als fast einzige Möglichkeit Andreis aus dem Verkehr zu ziehen. Die junge Frau flieht in ein Frauenhaus auf die Schären. Doch Andreis ist skrupellos und verfolgt seine Frau unerbittlich. Als ein Mord geschieht, trott Thomas Andreasson als Ermittler auf den Plan. Gemeinsam mit Nora versucht er alles, um Andreis aufzuhalten.

Da es mein erstes Buch der bekannten skandinavischen Autorin war, war ich sehr gespannt auf die Geschichte, die doch einen so aktuellen Bezug hat. Ich fand die Erzählweise der Autorin, den Aufbau der Handlung und auch die immer wieder neuen dramatischen Wendungen sehr packend. Ich habe die Geschichte fast in einem Rutsch durchgelesen. Gerade die Erzählabschnitte aus der Sicht von Mina, die verzweifelt versucht, sich vor ihrem Mann zu verstecken und im Kontrast dazu das fast rücksichtslose Verhalten von Andreis machen den Hauptteil der spannenden Geschichte aus. Beide Handlungsstränge fügen sich sehr gut ineinander und lassen die Ermittlungsversuche von Thomas und Nora fast in den Hintergrund treten. Aber das tut der Geschichte dennoch sehr gut. Denn dadurch gewinnt sie für mich an Dynamik, die mich beim Lesen fesseln konnte. Gerade als Mina ins Haus ihres Mannes zurückkehrt, um sich Kleidungsstücke zu holen und ihr Mann gerade wieder auf dem Rückweg ist... puh... wie habe ich da mit Mina mitgezittert. Viveca Sten versucht zudem, den gewaltätigen Andreis zum "Opfer" zu machen, als er als Kind vor dem Bürgerkrieg und der Gewalt aus dem umkämpften Kroatien fliehen musste. Gleichzeitig wird der Erklärungsversuch unternommen, warum Andreis so gewalttätig geworden ist. Freilich überlässt es die Autorin jedem Leser selbst zu entscheiden, über Andreis zu urteilen. Sicherlich ist sein Schicksal kein Pauschalfallbeispiel für die Entstehung häuslicher Gewalt. Ich bin sicher, das war auch nicht die Absicht der Autorin. Für mich ist die Geschichte dennoch ein echtes packendes Lesevergnügen gewesen, das jeden zum Nachdenken anregt.

Veröffentlicht am 20.01.2019

Atmosphärisch, anspruchsvoller Krimi

Der Mann am Grund
0

"Der Mann am Grund" der tschechischen Autorin Iva Prochazkova gehört für mich zu den Krimis, der es mir zu Beginn etwas schwer gemacht hat, aber dann doch durch eine vielschichtig gut aufgebaute und sehr ...

"Der Mann am Grund" der tschechischen Autorin Iva Prochazkova gehört für mich zu den Krimis, der es mir zu Beginn etwas schwer gemacht hat, aber dann doch durch eine vielschichtig gut aufgebaute und sehr spannende Handlung überzeugen konnte. Kommissar Molina muss in einem brisanten Mordfall ermitteln. Ein Polizist wird ermordet in einem Steinbruch aufgefunden, der alles andere als eine saubere Weste hatte. Zumindest werden im Verlauf der Geschichte immer mehr Details des sehr zwielichtig agierenden Polizisten und seine Familienverhältnisse offenbart. Molina und seine Kollegen ermitteln in einem Netz aus Liebe, Rache, tragische Familiengeheimnisse und Lügen. Während das Netz der möglichen Tatverdächtigen und deren Motive immer dichter wird, gelingt es der Autorin, sehr gut schlüssig und überzeugend die Tatverdächtigen zu präsentieren. Ich zumindest bin beim Lesen mehr als einmal auf der falschen Fährte gelockt worden. Interessant ist, dass sich Molina im Rahmen seiner Ermittlungen der Astrologie als Werkzeug bedient, um den Charakter des getöteten Polizisten genauer zu erforschen. Ob man daran glaubt, bleibt jedem selbst überlassen. Aber als mögliche psychologische Analyse erscheint es im Rahmen der Ermittlungen durchaus glaubwürdig und fundiert. Was es mir ein bisschen schwer beim Lesen gemacht hat, war allerdings die Vielzahl an tschechischen Namen, die man so nicht gewohnt ist. Einen Punkt Abzug gibt es für mich für das Cover, das nicht gut zur doch sehr spannenden Handlung passen will. Nichts desto trotz erhält der Krimi von mir eindeutig eine Leseempfehlung. Und ich hoffe sehr, noch ein paar mehr Kriminalfälle mit Kommissar Molina lesen zu dürfen.