Profilbild von buechermango

buechermango

Lesejury Profi
offline

buechermango ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit buechermango über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.09.2022

Einzigartiges Buch

Der Duft der Dunkelheit
0

“Wer die Bewegungsabläufe beim Abernten der Blüten nicht perfekt koordinieren kann, nimmt nicht mehr als die Menge für den Eigenbedarf mit nach Hause. Bei uns in der Gegend beherrscht das niemand außer ...

“Wer die Bewegungsabläufe beim Abernten der Blüten nicht perfekt koordinieren kann, nimmt nicht mehr als die Menge für den Eigenbedarf mit nach Hause. Bei uns in der Gegend beherrscht das niemand außer mir, und das freut mich. Die Linden hier gehören mir.”

Anna weiß genau, was sie tut, mit Pflanzen kennt sie sich aus. In der Natur und auf ihrem Dachboden, wo sie die Pflanzen trocknet, fühlt sie sich am wohlsten. Im Sommer wird gesammelt, alles andere ist nebensächlich. Die eigene Gesundheit, das soziale Umfeld und immer mehr die Realität, werden ausgeblendet.

Gelernt hat sie alles von ihrer Oma, von der sie auch das Haus in einer südböhmischen Kleinstadt geerbt hat, in dem sie jetzt für ihre Heilkräuter lebt. Nebenan die neugierige Cousine, die den Dorfklatsch antreibt und sich in Dinge einmischt, mit denen Anna sich nicht beschäftigen möchte.

So idyllisch Annas Leben in und mit der Natur wirken kann, ist es natürlich nicht. Ihr Körper birgt viele Geheimnisse, die Vergangenheit lässt sie nicht los. Der Duft der Dunkelheit ist ein düsteres Buch. Ungewöhnlich, teils phantastisch und einfach fesselnd.

Anna ist eine wirklich außergewöhnliche Protagonistin. Ihre Leidenschaft hat mich unglaublich gepackt. Ich habe absolut keine Ahnung von Heilkräutern, konnte mich aber wirklich gut drauf einlassen und war unheimlich schnell in der Geschichte gefangen, wollte das Buch kaum weglegen.

“Außer dem Sammeln interessierte mich im Leben nichts mehr. Das Sammeln, das mir alle möglichen Situationen, Menschen und Ereignisse beschert hat und dann alles so kompliziert gemacht hat.”

Gleichzeitig ist es erschreckend zu beobachten, wie Anna immer weiter abrutscht, sich verrennt und verliert. Ihre Handlungen sind nicht immer nachvollziehbar, ihr ganzes Wesen ist außergewöhnlich und bietet viel Interpretationsspielraum. Mich hat ihre Geschichte total fasziniert und bewegt.

Wir erleben Anna wirklich viel beim Sammeln, Trocknen und Verkaufen, aber natürlich nicht nur. Ich wusste überhaupt nicht richtig, was mich erwartet und muss im Nachhinein sagen, dass der Verlag mit “Schnell entfaltet der Roman einen ungewöhnlichen Sog, dem sich die Leser*innen nicht mehr entziehen können” absolut recht hat. Über den weiteren Inhalt möchte ich gar nicht viel verraten, ihr müsst das einfach erleben.

Besonders hervorzuheben ist auch der Schreibstil. Anna Bolavá hat die perfekte Mischung aus Natur-und Charakterbeschreibungen gefunden und hat es geschafft einige Bilder in meinem Kopf zu zeichnen. Der teils poetische Schreibstil lädt zum Träumen ein, während sich die Geschichte immer weiter auf ihren düsteren Höhepunkt zubewegt.

“Alle Menschen haben mich verraten und verlassen, jetzt verlassen mich auch noch meine Kräfte, aber solange etwas blüht, werde ich sammeln.”

Der Duft der Dunkelheit ist ein einzigartiges Buch, das mich absolut überraschen und überzeugen konnte. Wenn ihr Lust auf eine ruhige Geschichte und eine besondere Protagonistin habt, schaut es euch unbedingt an.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.09.2022

Thematisch mega, Umsetzung okay

Clit
0

Clit hat mich auf den ersten Blick angesprochen und brennend interessiert. Endlich habe ich es auch gelesen und dass es mir gefallen hat, ist wohl keine große Überraschung.

Louisa Lorenz hat sich sehr ...

Clit hat mich auf den ersten Blick angesprochen und brennend interessiert. Endlich habe ich es auch gelesen und dass es mir gefallen hat, ist wohl keine große Überraschung.

Louisa Lorenz hat sich sehr ausgiebig mit de Klitoris beschäftigt. Die Informationen, die sie in Clit zusammenträgt, haben mich teilweise wirklich überrascht und schockiert. Ich bin überzeugt davon, dass es den meisten Leuten so gehen wird und dass dieses Wissen unheimlich wertvoll ist.

Zu Beginn widmet Louisa Lorenz sich der Anatomie und wird hier schon viel zu viele Menschen überraschen. Dass die Klitoris gar nicht so klein ist, wie viele denken und aus viel mehr besteht, als der Perle, die auch in Schulbüchern noch zu häufig allein abgebildet wird, ist noch lange nicht verbreitet genug. Hier wird auch mit schönen Illustrationen gearbeitet, die alles noch mal deutlicher machen.

Im ersten Abschnitt wird sich der Klitoris ganz allgemein gewidmet und auch Themen wie Geschlecht, Orgasmen und die Suche nach richtigen Bezeichnungen bekommen Raum. Dieser Abschnitt hat mir eigentlich am besten gefallen und genau das geboten, was ich erwartet hatte.

Danach begeben wir uns mit der Autorin auf eine Zeitreise, die in meinen Augen etwas ausgeartet ist. Wir beginnen in der Antike und arbeiten uns ins Jetzt vor. An sich ist das alles unheimlich interessant. Es gab schon immer unheimlich komische Ansichten und lange sehr wenig Ahnung. Auch heute ist natürlich noch einiges zu tun.
Leider empfand ich einige Stellen als zäh und musste immer wieder Pausen machen und etwas anderes lesen. Ich bin hier echt hin- und hergerissen. An sich fand ich vieles interessant und bin froh, dass ich so viel dazugelernt habe. Gleichzeitig finde ich aber, dass einiges in die Länge gezogen wird und die Autorin manchmal einfach nicht auf den Punkt kommt. Hier sollte aber wirklich viel Interesse vorhanden sein, sonst wirds schnell trocken und langweilig.

Es gibt immer wieder kleine Exkurse in bestimmte Themen, unteranderem Hysterie, die Romantisierung der Ehe, Besitzansprüche in Beziehungen. Diese Kapitel haben mir wieder besonders gut gefallen und haben die doch eher trockene Reise etwas auflockern können. Gerade um Lust und Orgasmen ging es immer wieder.

Am Ende, als sie dann noch mal allgemein über Sex spricht, findet sie großartige Worte. Ihr Appell, beim Sex offener über eigene Bedürfnisse zu sprechen und ihre Worte über Orgasmen und das Vormachen von Befriedigung, ist unheimlich wertvoll, zu gerne würde ich diese Worte allen zu lesen geben.

Besonders schön finde ich die Triggerwarnungen, die vor einigen Kapiteln stehen. So kann jede*r selbst entscheiden, ob er sich gerade mit einem bestimmten Thema konfrontieren möchte, ohne gleich aufs ganze Buch zu verzichten. Schade, dass es nicht immer so ist.

Auch wenn ich von der Umsetzung nicht durchgängig begeistert war, ist Clit ein sehr lesenswertes Buch. Es braucht zwischendurch vielleicht ein wenig Durchhaltevermögen, hat aber auch wirklich stark geschriebene Kapitel und bietet unheimlich viel neues Wissen und neue Perspektiven.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.09.2022

Über private Entscheidungen, zu denen jede*r eine Meinung hat

Nichtmuttersein
0

Nichtmuttersein von Nadine Pungs. Ich denke an die Freundin, die immer wieder betont, wie toll ich mit ihrem Sohn umgehe und dass ich mal eine großartige Mutter sein werde, obwohl sie genau weiß, dass ...

Nichtmuttersein von Nadine Pungs. Ich denke an die Freundin, die immer wieder betont, wie toll ich mit ihrem Sohn umgehe und dass ich mal eine großartige Mutter sein werde, obwohl sie genau weiß, dass Kinder nicht zu meiner Lebensplanung gehören. An die Verwandte, mit der ich eigentlich gar nichts zutun habe, die Bilder von mir und der Tochter einer Freundin mit ‚Steht dir gut‘ kommentiert. An die andere Frau, die irgendwie zu meiner Familie gehört, für die Frausein und Muttersein das gleiche ist - ihre Kinder haben Gründe, warum der Kontakt zu ihr eher sporadisch ist.

An eine Bekannte, die seit Jahren unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch leidet, weil Mutter sein der einzige Sinn in ihrem Leben ist. An Bekannte, die immer wieder nachfragen, ob ich denn wirklich sicher bin.

Und wahrscheinlich lesen das hier genug Leute, die das Problem nicht verstehen, schon ein ‚Naja, warte mal ab‘ oder ein ‚Aber Kinder sind doch das schönste der Welt‘ auf den Lippen haben. In eurer Welt sind sie das vielleicht.

Nadine Pungs Lebensrealität ist eine andere. Mit Kindern kann sie nichts anfangen, sie liebt das Reisen und ihre eigene Unabhängigkeit, sieht sich selbst nicht in der Mutterrolle. Die Entscheidung gegen Kinder könnte ganz einfach sein, wäre da nicht unsere Gesellschaft.

„Dieses Buch ist deshalb ein Versuch, mein Nichtmuttersein als vollends gleichrangig neben dem Muttersein aufzustellen und das Bewusstsein für diese Form der Selbstermächtigung im sozialen Diskurs zu etablieren. Und ja, meine Methoden sind radikal. Denn Nichtmutterschaft ist politisch“

Schon früh lernen wir, was für eine Bereicherung Kinder für das eigene Leben sind, in den Medien sehen wir hauptsächlich glückliche, entspannte Familien. Wer sich dagegen entscheidet, wird bemitleidet oder verurteilt. Einsamkeit und Reue im Alter werden prognostiziert, das Klischee der alten, verbitterten Jungfer kennen wir alle. Entscheidungen über den eigenen Körper sind plötzlich egoistisch und falsch.

Dass das alles nicht immer so war und überhaupt nicht so sein muss, wird ein immer größeres Thema und auch Nadine Pungs hat einige interessante Erkenntnisse und Hintergründe geliefert.

„Im Kindergarten haben wir oft »Mutter, Vater, Kind« gespielt. Ich wollte nie die Mutter sein. Lieber der Vater, der auf dem Klo Zeitung las oder gar nicht erst nach Hause kam.“

Ein Kind bestimmt das ganze Leben, stellt alles auf den Kopf. Eine Entscheidung, die Menschen (oft) problemlos fällen können. Die Entscheidung dagegen ist auf unterschiedlichen Ebenen schwierig für Frauen, wie Nadine Pungs in Nichtmuttersein ausführlich aufdeckt. Sie nennt dabei auch interessante Fakten über Abtreibungen und erzählt von einem eigenen Erlebnis. Deutlich wird, dass das Bild der ewig traumatisierten Frau, das bei den Bildern gern gezeichnet wird, ein Mythos ist.

Natürlich bekommt auch das Thema Verhütung Raum, am Ende widmet sie sich noch der Sterilisation. Durchgängig bekommen wir hier neue Fakten und Erkenntnisse geboten. Mir hat dieser Mix aus persönlicher Erfahrung und wissenschaftlicher Recherche sehr gut gefallen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.09.2022

Ruhiger, tiefgründiger Thriller

Das Haus der stummen Toten
0

Jeden Sonntag fährt Eleanor zu ihrer Großmutter Vivianne. Eine Tradition, die das Verhältnis der beiden verbessert hat. Auch wenn es für Eleanor manchmal eine lastige Verpflichtung ist, hält sie sich zuverlässig ...

Jeden Sonntag fährt Eleanor zu ihrer Großmutter Vivianne. Eine Tradition, die das Verhältnis der beiden verbessert hat. Auch wenn es für Eleanor manchmal eine lastige Verpflichtung ist, hält sie sich zuverlässig an die Absprache. Bis sie ihre Großmutter bei einem Besuch plötzlich tot auffindet.

Vivianne wurde ermordet und Eleanor sieht den Mörder noch bei der Flucht durch die Tür. Leider ist sie durch ihre Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) keine große Hilfe bei den Ermittlungen. Sie erbt einen Hof, von dem sie noch nie gehört hat. Solhöga soll er heißen und mitten in der schwedischen Wildnis liegen.

Gemeinsam mit ihrem Freund Sebastian und einem Notar fährt sie hin, um sich ihren neuen Besitz anzuschauen. Dort trifft sie auch auf ihre Tante Veronika. Schnell merken alle, dass irgendwas nicht stimmt. Komische Situationen häufen sich und niemand fühlt sich mehr sicher. Ein plötzlicher Wetterumschwung verhindert aber eine vorzeitige Abreise und so wird der kleine Ausflug plötzlich zu einem Kampf ums Überleben und niemand weißt, wem er noch trauen kann.

Ein zweiter Handlungsstrang erzählt die Geschichte von Annoushka im Jahr 1965. Das junge Hausmädchen arbeitete für Eleanors Familie. Hier entwickelt sich ein furchtbares Familiendrama, auf das ich gar nicht groß eingehen möchte. Geschickt werden diese beiden Handlungsstränge zu einem spannenden Ende verknüpft.

Das Haus der stummen Toten klang für mich wirklich spannend, aber wie sehr es mich dann gefesselt hat, hat mich doch überrascht Vor allem, weil wir hier eine sehr sanfte Spannung geboten bekommen. Die Spannung baut sich langsam auf, brodelt vor sich hin, am Ende gibts einen großen Knall.

„Solche Dinge sind unfassbar, bis sie tatsächlich geschehen.“

Eleanor ist eine besondere Protagonistin. Ihr Umfeld hat gute Gründe dafür, ihrer Aussagen anzuzweifeln. Natürlich ist sie aber diejenige, der als erstes auffällt, das etwas nicht stimmt. Ihr Freund Sebastian ist ein sehr rationaler Typ, der sich Dinge gern logisch erklärt, auch wenn er dafür mal ein paar Fakten verdrehen muss. Dass er keine große Hilfe ist, ist keine große Überraschung.

Auch Annoushka gibt spannende Einblicke und deckt eine furchtbare Tragödie auf. Ihre Geschichte hat mich sehr berührt und ich war am Ende echt beeindruckt von der gut konstruierten Auflösung der Geschehnisse.
Ein tolles Setting, das die Spannung vorantreibt. Charaktere, die alle Geheimnisse mit sich rumtragen und verdächtig wirken und ein Mord, der nicht aufgeklärt wurde. Großartige Vorraussetzungen für eine Thriller

Das Haus der stummen Toten erfindet das Genre natürlich nicht neu, oder bleibt ewig im Kopf. Aber er unterhält und nach ein wenig Aufbauzeit kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Eine Empfehlung, für alle Thriller Fans, die es auch ein bisschen ruhiger mögen und gut ausgearbeitete Plots wichtiger finden als blutige, brutale Beschreibungen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.09.2022

Tennis und so viel mehr

Carrie Soto is Back
0

Carrie Soto hat eigentlich alles erreicht, von dem sie seit ihrer Kindheit geträumt hat. Sie ist die größte Tennisspielerin aller Zeiten und hat sich zur Ruhe gesetzt. 6 Jahre später erlebt sie live mit ...

Carrie Soto hat eigentlich alles erreicht, von dem sie seit ihrer Kindheit geträumt hat. Sie ist die größte Tennisspielerin aller Zeiten und hat sich zur Ruhe gesetzt. 6 Jahre später erlebt sie live mit wie Nicki Chan ihr ihren beeindruckenden Rekord (20 Grand-Slam-Titeln im Einzel) einstellt. Die Kampfmaschine, wie Carrie genannt wird, kann das nicht so hinnehmen und beschließt, zum Profitennis zurück zu kehren.

Schnell wird klar, wofür dieser Rekord steht. Carrie arbeitet verbissen an ihrem Ziel, keine Gefühle sollen ihr im Weg stehen. Doch dieser Weg ist steiniger als ihr lieb ist und Tennis ist nicht der einzige Grund dafür.

Die Medien sind weniger begeistert über ihre Rückkehr. Carrie hatte nie einen guten Ruf, was sie nie groß beachtet hat. Für sie ging es immer nur um das Spiel und den Sieg. Freundinnen hat sie sich auf diesem Weg nicht gemacht, sie verlässt sich lieber auf ihre Rekorde. So wird sie erstmal belächelt, nur wenige glauben, dass eine 37 jährige Frau eine Chance hat. Durch Einblicke in Interviews und Zeitungen sehen wir, wie Carrie In der Öffentlichkeit als Schlampe bezeichnet wird und andere darüber diskutieren, ob es für sie nicht eigentlich an der Zeit wäre, endlich Familie zu gründen.

“Die Kommentatoren wollten eine Frau sehen, die vor Dankbarkeit Tränen in den Augen hatte, als ob sie ihnen ihren Sieg verdankte, als ob sie ihnen alles verdankte, was sie war.”

Das kommende Jahr wird nicht nur für Carrie Soto eine emotionale Achterbahnfahrt. Ihre Ziele verliert sie nicht aus den Augen, sie brennt für Tennis. Und trotzdem wird deutlich, wie sehr die Umstände sie zerreißen.

Die frühsten Einblicke, die wir in Carries Leben bekommen, starten im Jahr 1955, wir enden im Jahr 1996. Auf etwas über 400 Seiten bekommen wir also gleich einige Jahrzehnte einer ziemlich eigenen Protagonistin geboten. Sowas kann schnell in die Hose gehen, ist es hier aber absolut nicht.

Taylor Jenkins Reid findet genau die richtige Menge an Details, um Verständnis für Carrie Soto aufzubauen, ohne sie durchgängig zu erklären. Es war beeindruckend für mich, von ihrer Zielstrebigkeit und der Willenskraft zu lesen, wenn auch manchmal einschüchternd. Die größte Sympathieträgerin ist Carrie nicht, keine Frage, aber am Ende hab ich sie dann doch ganz tief in mein Herz geschlossen und ihre Entwicklung mit Tränen in den Augen genossen.

“Wann ist mir das abhandengekommen? Die Freude am Erfolg? Wann wurde Siegen zu etwas, das ich brauchte, um zu überleben? Etwas, das ich nicht genoss, sondern ohne das ich in Panik geriet?”

Während all dieser Einblicke in ihr Leben, die hinter die Fassade blicken lassen, musste ich mich immer wieder daran erinnern, dass Carrie Soto gar keine echte Person ist. Sie ist so komplex und vielschichtig und ich habe jede Sekunde mit ihr genossen. Taylor Jenkins Reid weiß einfach, wie man realistische Frauen schreibt. Ich bin besonders froh, dass sie hier von einer Frau erzählt, die sich traut ungemütlich zu sein.

Beeindruckt hat mich außerdem die besondere Dynamik zwischen Carrie und ihrem Vater Javier, der gleichzeitig auch ihr Trainer ist. Ich möchte inhaltlich gar nicht auf mehr eingehen, um euch nicht den Spaß zu verderben, aber es gibt in diesem Buch so viele zwischenmenschliche Momente, die unheimlich faszinierend sind.

Den Klappentext finde ich hier leider etwas schwierig. Dass Bowe Huntley ihr das Herz gebrochen haben soll, sehe ich nicht so ganz. Trotzdem gefällt mir auch hier sehr gut, was sich bei den beiden entwickelt. Eine klassische Liebesgeschichte ist das Buch auf keinen Fall, das solltet ihr wissen.

Ein paar Worte noch zum Tennis: Ja, das Buch ist Tennis pur. Nein, ich habe keine Ahnung von Tennis. Trotzdem habe ich mich keine Sekunde gelangweilt. Zwischendurch gabs vielleicht ein paar Dinge, die ich nicht verstanden habe, da haben meine Mario Tennis Kenntnisse nicht ganz ausgereicht, aber das war gar nicht schlimm. Ich habe sogar mit jedem Spiel mehr mitgefiebert und total aufgeregt vor dem Buch gesessen. Meine Vorstellung der Schläge war bestimmt nicht immer richtig, aber darauf kommts ja auch nicht an. Dass mich Tennis mal so fesselt hätte ich auch nicht für möglich gehalten.

Natürlich gehts in der Geschichte die ganze Zeit um Tennis. Aber unter dieser Oberfläche steckt so viel mehr. Es geht um Ehrgeiz und wie die Angst, vor dem Versagen, das eigene Leben kontrolliert. Um stake Frauen im Sport und eine Gesellschaft, die dafür noch nicht breit zu sein scheint. Um Liebe und Vertrauen, die hier gar nicht im Vordergrund stehen, sondern sich sanft aufbauen und am Ende genau ins Herz gehen.
Ganz viele Gefühle, unheimlich viel Spaß und Herzklopfen, bei wichtigen Matches. Taylor Jenkins Reid hat mal wieder bewiesen, dass sie einfach Schreiben und Erfinden kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere