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Veröffentlicht am 19.09.2024

Raven und Flyte in ihrem dritten Fall

Tote klagen an
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Zu Beginn des dritten Bandes um die unkonventionelle Sektionsassistentin der Leichenhalle Camden geht es Cassie Raven nicht gut. Seit Monaten hat sie keinen Hinweis der Toten auf ihre letzten Empfindungen ...

Zu Beginn des dritten Bandes um die unkonventionelle Sektionsassistentin der Leichenhalle Camden geht es Cassie Raven nicht gut. Seit Monaten hat sie keinen Hinweis der Toten auf ihre letzten Empfindungen mehr erhalten, so hat ihre Arbeit ihren Sinn für sie verloren. Außerdem gestaltet sich das Verhältnis zu ihrem vor kurzem wieder aufgetauchten Vater schwierig, Cassies Gefühle sind ambivalent, was ihn angeht.
Eine nicht identifizierte Wasserleiche führt zu einem Wiedersehen mit DS Phyllida Flyte, die es schwer hat, sich in ihren neuen Team bei der Major Crime Unit zu behaupten. Sie nimmt Ermittlungen zu dem Toten auf, dessen Gesicht ihr vage bekannt vorkommt.

Neben dem gut recherchierten, genau und sachlich beschriebenen medizinischen Hintergrund von Cassies Arbeit überzeugt auch die psychologisch glaubhaft dargestellte Entwicklung der beiden Protagonistinnen. Cassies in der Kindheit begründete Verlustangst prägt ihre Beziehungen, und Phyllida kann inzwischen ohne Selbstzweifel um ihre tot geborene Tochter trauern, schreckt aber davor zurück, sich mit ihrer sexuellen Orientierung auseinander zu setzen. Den so unterschiedlichen Frauen gemeinsam ist der unbeirrbare Willen, die Wahrheit heraus zu finden. Die Figurenzeichnung ist gelungen, auch andere Charaktere sind authentisch, wobei insbesondere Cassies Großmutter ein richtiger Schatz ist, um den ich Cassie beneide. Eingestreutes Hintergrundwissen aus den Vorgängerbüchern ermöglicht auch Neueinsteigern in die Reihe, sich zurecht zu finden.
Erzählt wird wechselnd aus Cassies und Phyllidas Perspektive.

Der Fall, den es aufzuklären gilt, erweist sich als komplex und mit gesellschaftlich aktuellem Bezug, es gibt spannende Ermittlungen, überraschende Wendungen und eine unerwartete Auflösung.
A. K. Turners Schreibstil ist bildhaft, sprachgewandt und angenehm zu lesen. Sie thematisiert in 'Tote klagen an' polizeiliches Fehlverhalten und kritisiert das Polizeisystem, immer noch sind intolerante, homophobe, sexistische weiße Männer vorherrschend, für die Diversität alles andere als erstrebenswert ist.
Mir hat die dritte Geschichte um Cassie Raven mit ihrem Gothic Look und der spröden Phyllida Flyte wieder sehr gut gefallen und ich freue mich, besonders nach dem Cliffhanger am Ende, auf den vierten Band.

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Veröffentlicht am 15.09.2024

Ungewöhnlicher Krimi um ein altes Geheimnis vor dem Hintergrund einer zerstörerischen Flutkatastrophe

Das Haus in dem Gudelia stirbt
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Als im fiktiven Unterlingen durch ein Hochwasser große Zerstörung droht und die Menschen sich in Sicherheit bringen, harrt die 81jährige Gudelia im ersten Stock ihres Hauses aus. Auf keinen Fall wird sie ...

Als im fiktiven Unterlingen durch ein Hochwasser große Zerstörung droht und die Menschen sich in Sicherheit bringen, harrt die 81jährige Gudelia im ersten Stock ihres Hauses aus. Auf keinen Fall wird sie das Haus verlassen.

Neben den Ereignissen der Jetztzeit gibt es Handlungsstränge aus den Jahren 1984, als Gudelia ihren Sohn Nico verlor und 1998, als ihr Mann Heinz ihr das Haus überschrieb und mit einer Alkohol-Entziehungskur einverstanden war.
Bis auf den Prolog wird ausschließlich aus der Ich-Perspektive der Protagonistin erzählt, es entsteht praktisch eine Persönlichkeitsstudie, Gudelia entpuppt sich als eine selbstreflektierende, willensstarke und konsequente Frau ohne Selbstmitleid, die Schuld auf sich geladen hat.

Die Figurenzeichnung ist gelungen, die Charaktere sind authentisch und glaubhaft, Gudelias Schmerz, Trauer und ihre Wut nach Nicos Tod berühren mich. Auch die Beziehungen zueinander im Dorf finde ich treffend beschrieben.
Die Darstellung der Flut mit an Gudelias Haus vorbeitreibenden Kadavern und Gegenständen, sogar zwei Tote sieht sie aus dem Fenster, der zurückbleibende Schlamm und Dreck, das unglaubliche Ausmaß der Zerstörung, erinnert mich an die Ahrtalkatastrophe vor drei Jahren und ist beklemmend realistisch.

Thomas Knüwers Schreibstil ist Gudelias oft nüchternen Überlegungen angepasst, manchmal abgehackt und mit Gedankensprüngen, aber immer gut lesbar und gut zu verstehen.
Spannung ist zuerst latent vorhanden und steigert sich, je mehr ich aus der Vergangenheit erfahre und Vermutungen über das Geheimnis in Gudelias Haus anstellen kann. Mir hat dieser ungewöhnliche, atmosphärische Krimi um Gudelias durchaus tragische Geschichte sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 14.09.2024

Nervenaufreibend spannend und unvorhersehbar

Tränengrab
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Evelyn hat ihren krebskranken Mann monatelang gepflegt und besucht einige Wochen nach seinem Tod die Familie ihrer Tochter, um zur Ruhe zu kommen. In der eigentlich verschlafenen Kleinstadt herrscht Aufregung, ...

Evelyn hat ihren krebskranken Mann monatelang gepflegt und besucht einige Wochen nach seinem Tod die Familie ihrer Tochter, um zur Ruhe zu kommen. In der eigentlich verschlafenen Kleinstadt herrscht Aufregung, da ein junges Mädchen verschwunden ist und eine zweite Schülerin vor wenigen Wochen ermordet aufgefunden wurde. Auch Evelyns Familie hat sich verändert, sie erkennt ihren Schwiegersohn Hendrik kaum wieder, ihre Tochter Manuela scheint in ihrem Job und mit der pubertierenden Anja überlastet und aus der fröhlichen kindlichen Enkelin ist in den anderthalb Jahren, die Evelyn sie nicht gesehen hat, ein gelangweilter desinteressierter Teenager im Gothic-Look geworden, der jede Kommunikation abblockt.
Evelyn fragt sich, was da los ist, sie fühlt sich bei ihrer Familie nicht wohl. In einer schlaflosen Nacht wird ihr Verdacht geweckt und widerstrebend, aber auch hartnäckig, versucht Evelyn, mehr herauszufinden.

Der Leser erfährt durch zwei weitere, einmalig auftretende Perspektiven und Anjas Tagebucheinträge mehr als Evelyn, wodurch jedoch nichts klarer wird, sondern noch mehr Fragen und Befürchtungen entstehen.

Roman Klementovic gelingt es, Evelyns Überlegungen und Gefühle, ihre Zweifel und Ängste, die zunehmende körperliche und psychische Erschöpfung glaubhaft zu beschreiben, ich habe mit ihr gelitten. Andere Charaktere sind undurchschaubar und werfen Fragen auf, hier blieb ich lieber auf Distanz.
Auch die düstere Atmosphäre im Wald, dem Wasserpark oder die lähmende sommerliche Hitze werden anschaulich vermittelt. Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen und kurze Kapitel verlocken dazu, schnell noch eins zu lesen. Mir war es nicht möglich, eine Lesepause einzulegen, ich fand die Geschichte so spannend, dass ich das Buch in einem Rutsch zu Ende gelesen habe. Klementovic hat einen überzeugenden, fesselnden Psychothriller geschrieben, der mir ausgesprochen gut gefallen hat.

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Veröffentlicht am 13.09.2024

Einfühlsam geschriebener und authentisch erzählter Krimi

Den Tod belauscht man nicht
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Die ehemalige Polizistin Ingrid Wolt lässt sich nach drei Jahren im Gefängnis weit weg von Stockholm in einem kleinen Ort in Dalarna nieder, um neu anzufangen. Da sie keine Arbeit findet, macht sie sich ...

Die ehemalige Polizistin Ingrid Wolt lässt sich nach drei Jahren im Gefängnis weit weg von Stockholm in einem kleinen Ort in Dalarna nieder, um neu anzufangen. Da sie keine Arbeit findet, macht sie sich als Privatermittlerin selbstständig. Ihr erster Auftrag kommt von Solveig, deren 12jähriger Sohn Mattias vor einem Jahr spurlos verschwunden ist. Ingrid beginnt in der kleinen Gemeinde, in der jeder jeden kennt und komplexe Beziehungen zueinander bestehen, zu ermitteln.

Eine zweite Zeitebene erzählt vom Sommer des letzten Jahres, schildert, wie Mattias und sein bester Freund Kaj die Ferien verbringen, und zeigt auch, wie Mattias öfter ausgeschlossen wird, da er noch kindlicher ist als Gleichaltrige, die bereits in die Pubertät kommen. Da die Geschichte sich Anfang der 1980er Jahre ereignet, sind die technischen Möglichkeiten andere als heute, was eine nicht unwichtige Rolle spielt.
Neben Mattias Sicht wird auch aus Ingrids und Solveigs personaler Perspektive erzählt.

Beeindruckend finde ich Ninni Schulmans einfühlsame Figurenzeichnung, ohne Ausnahme sind die Charaktere authentisch und glaubhaft, ob es sich um die Jugendlichen handelt, um die verzweifelte Solveig oder die Ermittlerin Ingrid. Die Gedanken, die sich beide Frauen machen, sind tiefgründig und berührend.
Nach der eher ruhigen Einführung der Protagonistin in ihrem neuen Leben werden nicht nur Ingrids Ermittlungen immer spannender, sondern auch das schrittweise Aufdecken ihres Hintergrunds, der betroffen macht.
Ninni Schulmans Schreibstil ist klar, fesselnd und angenehm zu lesen, die Autorin beobachtet genau und schreibt psychologisch glaubhaft.

Da Buch endet mit einem bösem Cliffhanger, der den für Juli 2025 angekündigten zweiten Band der neuen Serie, 'Das Paradies verrät man nicht' für mich zur Pflichtlektüre macht.

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Veröffentlicht am 10.09.2024

Subtil spannend, atmosphärisch und erschütternd

Darwyne
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Der zehnjährige Darwyne lebt mit seiner Mutter Yolanda und dem inzwischen achten Stiefvater im Slum Bois Sec einer Stadt in Französisch-Guayana direkt am Amazonas-Regenwald. Der Junge ist ein Außenseiter, ...

Der zehnjährige Darwyne lebt mit seiner Mutter Yolanda und dem inzwischen achten Stiefvater im Slum Bois Sec einer Stadt in Französisch-Guayana direkt am Amazonas-Regenwald. Der Junge ist ein Außenseiter, leicht gehbehindert und er liebt seine Mutter abgöttisch. Yolanda ist schön und klug, die Beziehung zu ihrem Sohn ist jedoch geprägt von Beschimpfungen und fragwürdigen Erziehungsmethoden.
Alarmiert durch einen anonymen Hinweis nimmt die Sozialarbeiterin Mathurine Kontakt zu Darwyne und seiner Mutter auf. Genau wie Darwyne liebt Mathurine den Dschungel und bei einem gemeinsamen Ausflug in den Wald erkennt die Pädagogin, wie besonders der Junge ist, er ist im Dschungel zu Hause und wird dort zu einem ganz Anderen.

Colin Niel ist Evolutionsbiologe und Ökologe, hat in Französisch-Guayana gelebt und weiß den Regenwald bildhaft und eindrücklich mit Flora, Fauna und Geräuschen ganz faszinierend zu beschreiben, auch das Leben im Slum schildert er glaubhaft. Die Charaktere sind authentisch und wecken Emotionen verschiedenster Art. Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, bleibt bei der Handlung eher distanziert und fesselt, wenn es um den Regenwald geht.
Erzählt wird aus den Perspektiven Darwynes, Mathurines und des Stiefvaters und eine subtile Spannung verdichtet sich zu einer erschütternden Schlussphase der Geschichte.
Niel schreibt sozialkritisch, was das aussichtslose Leben der migrantischen Slumbewohner angeht, macht auch den achtlosen umweltzerstörerischen Raubbau an der Natur und die Entfremdung der Menschen von der Natur zum Thema und selbst Mathurines unbedingter Kinderwunsch passt in die Geschichte.
Das düstere Cover des Buchs mit den mächtigen, auch fühlbaren Wurzeln eines Regenwaldbaums ist passend gewählt. 'Darwyne' hat mich beeindruckt und mir sehr gut gefallen.

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