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Veröffentlicht am 06.07.2021

Russischer Ermittler auf Bärenjagd

Die Spur des Bären
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"Gib einem Bär Honig, und du wirst deinen Arm einbüßen, wenn das Vieh Hunger hat!" (Bertolt Brecht)
Moskaus bester Ermittler Arkadi Renko macht sich Sorgen um seine ehemalige Geliebte Tatjana Petrowna, ...

"Gib einem Bär Honig, und du wirst deinen Arm einbüßen, wenn das Vieh Hunger hat!" (Bertolt Brecht)
Moskaus bester Ermittler Arkadi Renko macht sich Sorgen um seine ehemalige Geliebte Tatjana Petrowna, die nicht in dem Zug war, den sie angekündigt hatte. Als Journalistin ist sie hinter einer großen Story her und deshalb nach Sibirien gereist, um den Opponenten Michail Kusnezow zu interviewen. Dieser gilt als skrupelloser Mensch und größter Gegenspieler Putins. Rasend vor Eifersucht und Angst begibt sich Renko auf die Reise in das eisige Sibirien. Auf dem Flug lernt er Rintschin Bolot kennen, seines Zeichens Faktotum, der Renko seine Dienste in Sibirien anbietet. Gefährlich wird es, als er auf den Unternehmer Boris Benz trifft und sie zusammen mit Bolot und Tatjana auf Bärenjagd gehen, bei der er sich wichtige Informationen erhofft hat.

Meine Meinung:
Der neunte Thriller von Ermittler Arkadi Renko war für mich das erste Buch von Autor Martin Cruz Smith, der 1981 durch "Gorki Park" populär wurde. Hätte ich geahnt, dass mich dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite nur langweilt, hätte ich die Finger davon gelassen. Wieder einmal hat mich der Klappentext fasziniert, doch leider wurde ich enttäuscht, weil dieser mehr versprach, als er halten konnte. Der Schreibstil selbst ist langweilig, die Handlung unglaubwürdig und das Ende einfach nur eine Beleidigung für den Leser. Dazu noch die vielen Leerstellen zwischen den Kapiteln, bei dem man das Buch unnötig verlängert hat. So besteht das Buch im Grunde selbst eigentlich nur aus 200 Seiten. Die erwähnte Bärenjagd war so schnell abgehandelt und nahm nicht einmal 30 Seiten Raum ein. Alles andere empfand ich eher verwirrend und als großes Durcheinander. Am Schluss könnte ich nicht einmal mehr wiedergeben, was der Autor mir hier erzählen wollte. Ungewöhnlich und irritierend ist für mich außerdem das Faktotum Bolot, der einfach mal so dem Ermittler seine Dienste anbietet. Wer bitte tut das jemand Fremden, den man gerade erst im Flugzeug kennenlernt, seine unentgeltlichen Dienste anbieten? Der Ausdruck Faktotum wird in dem Zusammenhang dann noch viele Male im Buch erwähnt, sodass mich dieses Wort am Ende nur noch genervt hat. Der Bär, mit dem sie es bei der Jagd aufnehmen müssen, soll eine Länge von neun Meter haben. Schon alleine dies erstaunte mich doch sehr und fand ich total übertrieben. Noch nie habe ich von so einem monströsen Bären gehört. Leider fehlte mir beim Plot selbst der rote Faden und vieles empfand ich eher nichtssagend und kompliziert. Dagegen wird das Nebensächliches oft zu ausführlich behandelt und aufgebauscht. Als sich sein Faktotum Bolot später dann noch als Schamane herausstellt, fand ich das einfach nur noch unpassend und lächerlich. Die Protagonisten selbst blieben allesamt für mich blass und unscheinbar. Arkadi Renko selbst verwandelt sich in eine Art russischer James Bond mit unglaubwürdigem Wagemut dadurch man bekommt den Eindruck, das er alles überlebt und unsterblich ist. Ich weiß ehrlich nicht, was die Fans an dieser Reihe Lieben. Vielleicht liegt es daran, dass der inzwischen 78-jährige Autor seit 1995 an Parkinson erkrankt ist und seine Bücher gar nicht mehr selbst schreibt, sondern sie seiner Frau diktiert. Da kann es schon mal passieren, dass ein verwirrter Kopf vielleicht nicht alles wiedergeben kann oder Szenen einfach schnell abgehandelt werden. Vielleicht wäre es besser, man würde diese Reihe nach dem Buch einfach beenden, bevor es noch schlechter wird. Mich jedenfalls konnte es nicht fesseln, für mich war der Reinfall des Jahres. Ich hätte es am liebsten abgebrochen, wenn es nicht eine Leserunde gewesen wäre. Deshalb werde ich es auch nicht weiterempfehlen und bekommt nur 1 von 5 Sterne von mir.

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.07.2021

Wer auf Rache aus ist, der schaufelt sich meist sein eigenes Grab

SCHULD! SEID! IHR!
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"Solange Du glaubst, dass an allem immer nur die anderen Schuld sind, wirst Du viel leiden." (Dalai Lama)
In der Lüneburger Heide werden kurz nacheinander ein Obdachlose Martin Selter und der ehemalige ...

"Solange Du glaubst, dass an allem immer nur die anderen Schuld sind, wirst Du viel leiden." (Dalai Lama)
In der Lüneburger Heide werden kurz nacheinander ein Obdachlose Martin Selter und der ehemalige Kommissar Jürgen Grossmann qualvoll mit Strychnin getötet. Leider wird erst zu spät entdeckt, dass es zwischen den Opfern eine Verbindung gibt und das Grossmann nicht an einem Herzinfarkt gestorben ist. Unter mühsamer Arbeit sucht das Team unter Kommissar Rolf Degenhardt nach den Hintergründen zur Tat. Auffällig ist, dass man bei jedem Opfer die gleiche Tarotkarte "Der Gehängten" findet. Wo ist die Verbindung der Opfer und was haben sie dem Täter getan, das er sie so qualvoll hat sterben lassen?

Meine Meinung:
Leseprobe und der Klappentext habe mich neugierig auf dieses Buch gemacht, das als Leserunde unter "Neuer blutiger Stern am deutschen Spannungshimmel" angepriesen wurde. Daher wusste ich nicht, dass dies der zweite Band einer Reihe war. Zwar sind die Fälle ineinander abgeschlossen, doch was das Privatleben der Ermittler betrifft, da merkte ich sehr wohl, dass mir Wissen fehlte. In diesem Buch geht es um Schuld, eine verlorene Liebe und um Rache. Als Zeichen hinterlegt der Täter jedes Mal die Tarotkarte "Der Gehängte", die ja eigentlich eher für Orientierungskrise, Verwirrung, Stillstand, Hilflosigkeit, Opfer erbringen, Überdenken und neue Perspektiven steht. Doch hier steht es für ihn, der sich ebenfalls als Gehängter tituliert wird. Der Autor nimmt mich mit in verschiedene Handlungsstränge, die aus Ermittlungen, dem Privatleben des Kommissars und dem Gehängten besteht. Leider verfängt er sich dabei mitunter in Nichtigkeiten, die mir im Buch viel zu ausführlich dargestellt werden. Während dagegen die Ermittlungen und Hintergründe der Tat darunter leiden. So werden die ersten beiden Tathergänge noch recht ausführlich beschrieben, doch danach geht mir alles viel zu schnell. Was den Spannungsbogen anbelangt, bleibt dieser kontinuierlich gleich und das Erpressen seiner Opfer wirkt für mich zusehends zur Farce und dadurch unglaubwürdig. In der Mitte des Buchs werden die Handlung und die Ermittlungen dann immer offensichtlicher und oberflächlicher, was sehr schade finde. Dadurch fehlt auch am Schluss ein opulenter Showdown, was hier sehr gut gepasst hätte. Mich ärgerte außerdem, dass manche Handlungen nicht mehr zu Ende geführt werden. Zum Beispiel verspricht er einem Jungen seinen Rucksack zu bringen, was dann jedoch nicht weitergeführt wird. Ich finde, wenn man solche Nebensächlichkeiten einbringt, dann sollte man sie auch beenden. Selbst am Schluss blieben bei mir noch einige Fragen offen. Leider ist das Setting der Lüneburger Heide hier ebenfalls nicht groß vertreten und so könnte dieses Verbrechen eigentlich überall spielen. Lediglich einmal ist eine Passage mit Plattdeutsch, dessen Dialekt für Leser nicht gerade einfach ist. Hier wäre eine Übersetzung am Ende des Buchs von Vorteil gewesen. Selbst die neue eingeführte Kollegin Jana Liebisch ging unter, obwohl sie meistens die entscheidenden Hinweise geliefert hat. Vielleicht sollte beim nächsten Buch der Plot nicht ganz so flach ausfallen, sondern lieber etwas intensiver. Trotz allem ließen mich die kurzen Kapitel und der interessante Plot nur so durch das Buch fliegen. Dennoch bleibt er mir für ein Thriller zu flach und zu oberflächlich. Wer jedoch gerne vorhersehbare Krimis liebt, für den ist das Buch sicher richtig. Trotzdem habe ich mich gut unterhalten und glaube, dass der Autor durchaus Potenzial hat. Vielleicht sollte er sich noch mehr Rat bei erfahrenen Ermittlern suchen? Von mir jedenfalls gibt es 3 1/2 von 5 Sterne mit Tendenz nach oben.

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Veröffentlicht am 29.06.2021

Erotische Verfolgungsjagd durch Deutschland

BikerLiebe | Erotischer Roman
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"Meine Hände wollen immer diesen Körper sanft berühren, ich könnte ewig streicheln, diesen Traum von einer Frau" (Buchauszug)
Prostituierte Candy hat sich aus dem Hamburger Rotlichtmilieu abgesetzt und ...

"Meine Hände wollen immer diesen Körper sanft berühren, ich könnte ewig streicheln, diesen Traum von einer Frau" (Buchauszug)
Prostituierte Candy hat sich aus dem Hamburger Rotlichtmilieu abgesetzt und ist zu ihrem Onkel in den Thüringer Wald geflüchtet. Dort in der Einsamkeit arbeitet sie nun in einem Kiosk und hofft, dass ihr Boss sie niemals finden wird. Den sonst würde es ihr schlecht ergehen, da sie einige seiner Papiere und Geld unterschlagen hat. Dadurch kommt der Boss nun immer mehr in Bedrängnis den, wenn er Candy und die Papiere nicht findet, geht es ihm an den Kragen. So engagiert er Ricky und seine Rockergruppe, um Candy zu suchen. Candy dagegen lernt während der Arbeit im Kiosk den heißen gut aussehenden Motorradfahrer Clark kennen. Dieser ist auf dem Weg zum Motorradtreffen ganz in der Nähe, wo sie demnächst arbeiten wird. Als Clark bei diesem Treffen mitbekommt, das Candy in Gefahr ist, flieht er kurzerhand mit ihr. Bei leidenschaftlichen, erotischen Nächten kommen sich die beiden immer näher. Allerdings bleibt die Rockergang ihnen weiter auf den Fersen.

Meine Meinung:
Die leichtbekleidete erotische Frau an einem Motorrad lehnend passt sehr gut zum Inhalt dieses Buches. Leider konnte mich auch das zweite Buch des Autors nicht ganz überzeugen. Was mir im ersten Band an Hintergrundgeschichte fehlte, war mir in diesem Buch fast zu viel gewesen. Eigentlich hatte ich ein erotisches Buch erwartet, stattdessen bekam ich eine Abenteuergeschichte mit erotischen Anteilen. Dazu noch die vielen Gedichte, die so gar nicht mein Geschmack waren und die ich im fortlaufenden Buch immer mehr als lästig empfand. Ich finde, so was passt einfach nicht zu erotisches Buch und schon gar nicht, wenn es um harte Rocker und Motorradgangs geht. Und besonders nicht in dem Ausmaße an Gedichten, wie es hier der Fall war. Das war einfach zu viel des Guten und ich habe sie dann einfach nur noch überflogen, was ja nicht der Sinn der Sache sein sollte. Ein Buch mit so wenig erotischen Anteilen kenne ich sonst aus diesem Verlag eigentlich gar nicht. Gerade die erotischen Szenen waren mir meist zu kurz und einseitig, sodass mich diese nicht überzeugen konnten. Ich hätte da wesentlich mehr Abwechslung und Variationen erwartet. Also für mich hat der Autor noch nicht die richtige Balance zwischen Hintergrundgeschichte und Erotik gefunden. Vermutlich werden einige Leser, die einen erotischen Roman erwartet haben, enttäuscht sein. Besonders bei den langen Abständen zwischen den erotischen Szenen empfand ich diese als viel zu kurz und recht einfallslos. Schade dabei hatte ich so gehofft, dass ein Mann endlich mal in die doch eher frauendominierende erotische Bücherwelt etwas neuen Wind reinbringt, doch bisher war das leider für mich nicht der Fall. Zudem verstehe ich nicht, warum er viele Nebensächlichkeiten wie den Gesundheitszustand von Candys Onkel, das Motorradtreffen hier viel zu ausführlich darstellt, während dagegen die Sexszenen zu einfach abhandelt werden. Eine Lehrerin würde bei dieser Geschichte sagen Thema verfehlt Note sechs von mir dagegen bekommt das Buch immerhin noch 2 1/2 von 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 18.06.2021

Mord, Entführung und Mittelalter wie hängen sie zusammen

Tödliches Cannstatter Zuckerle
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"Das Volk im Mittelalter hat immer, wenn es irgendwo große Geistesmacht sah, dergleichen einem Teufelsbündnis zugeschrieben ..." (Heinrich Heine)
Vor den Steilhängen des Weinbergs Cannstatter Zuckerle ...

"Das Volk im Mittelalter hat immer, wenn es irgendwo große Geistesmacht sah, dergleichen einem Teufelsbündnis zugeschrieben ..." (Heinrich Heine)
Vor den Steilhängen des Weinbergs Cannstatter Zuckerle an einem Weinberghäusle wird eine unbekannte Leiche gefunden. Kommissar Jens Hurlebaus und Bianca Walter von der Kripo Stuttgart ermitteln in diesem Fall. Kurze Zeit später die 13-jährige Schülerin Kiara als vermisst gemeldet. Keiner weiß, ob sie es mit einer Entführung von Kinderschändern zu tun haben oder ob sie einfach weggelaufen ist. Doch als sie später erfahren, dass der Tote ein Lehrer der Naturis Schule in Feuerbach ist und Kiara ihn kannte, werden die Kommissare hellhörig. Hat Kiaras Entführung etwas mit dem Tod von Stephen Siegel zu tun? In viele Richtungen wird ermittelt, doch vom Täter fehlt jede Spur. Erst ein Hinweis auf eine Gruppe von Mittelalter-Freaks, die an Wiedergeburt glauben und mystische Lagerfeuerbeschwörungen abhalten, bringt weitere Erkenntnisse. Auf der Suche nach Kiara und dem Täter tauchen Hurlebaus und Walter in eine sonderbare Welt voller eigenartiger Mythen und Rituale ein.

Meine Meinung:
Mein erster Kriminalfall von Jochen Bender führt mich vor die Tore meiner Heimat Cannstatt. Mit viel psychologischer Raffinesse wird dieser Kriminalfall begleitet von Fans aus dem Mittelalter, die wirklich eigenwillige Rituale abhalten. Doch haben sie wirklich etwas mit dem Tod des Lehrers und dem Verschwinden der 13-jährigen Kiara zu tun? Der Schreibstil ist sehr anspruchsvoll, da der Autor immer wieder abwechselt mit seinen verschiedenen Handlungssträngen. Dabei merkt man natürlich Benders Hintergrund als Psychologe bei der Kripo und seine Erfahrung als Autor. Dadurch hat diese Geschichte immer wieder eine andere Richtung bekommen, was mir überaus gut gefallen hat. Allerdings ist dadurch der Spannungsbogen relativ flach gehalten worden und erst gegen Ende wurde es so richtig interessant. Doch realistisch gesehen, glaube ich nicht, dass jeder Mord immer so spannend ist, wie oft in den Krimis beschrieben wird. Von daher scheinen mir Benders Krimis doch sehr wahrheitsgemäß zu sein. Viel Spaß haben mit auf jeden Fall die Ermittlungen und das Mitraten gefallen. Ebenso die Ermittler Hurlebaus und Walter, die beide ihre Ecken und Kanten haben und hier mit ihren Vorlieben, was besonders Hurlebaus anbelangt, aufwarten. Wobei Walter hier schon ein bisschen wenig Raum einnahm und meiner Ansicht nach fast ein wenig zu kurz kam. Gut gefallen hat mir außerdem der schwäbische Dialekt, den er hier hat einfließen lassen und der meiner Ansicht nach gerne hätte etwas mehr sein können. Seine vielen Wirrungen und Wendungen, die er mit eingebaut hat und natürlich das Lokalkolorit rund um Stuttgart. Ich finde, das gehört einfach zu einem Regionalkrimi dazu, das man den Dialekt in den Plot integriert. Das Cannstatter Zuckerle kannte ich bisher nur als leckeren Wein, dass die Hanglage des Weinbergs allerdings ebenso heißt wusste ich bisher noch nicht. Viel erfuhr ich dabei nicht nur über Wein, Weinberge, sondern ebenso über Mittelalter und ihre eigenartigen Mythen und Rituale. Schön, dass er zum besseren Verständnis diese Handlungsstränge hier in kursiver Schriftform dargestellt hat. Gefreut hat mich, dass er sogar das Waiblinger Staufer Spektakel erwähnt hat, ein Mittelaltermarkt, der immer zum Altstadtfest dort stattfindet. Durch die vielen historischen Städte Waiblingen, Esslingen und die Altstadt Stuttgarts passt die Historie in dieser Geschichte sehr gut. Klar ist mir allerdings nicht, ob ich diesen Titel wirklich gewählt hätte für den Krimi, den dazu kam zu wenig Cannstatter Zuckerle darin vor. Mit dem überraschenden Ende hatte ich so gar nicht gerechnet und auch hier merkt man wieder seine psychologische Erfahrung. Dennoch ein Krimi empfehlenswert für alle, die gerne etwas anspruchsvollere Regionalkrimis lieben und dem ich 4 von 5 Sterne gebe.

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Veröffentlicht am 18.06.2021

Monolog zwischen Leben, Entbehrung, Hoffnung und Verzweiflung

Die Beichte einer Nacht
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"Nein, ich bin nicht verrückt - mir ist jetzt klar, dass dies hier nicht die Hölle ist - bis auf die wenigen Male, die ich wieder vergesse, dass ich in einer Nervenklinik in der normalen Welt bin." (Buchauszug)
Während ...

"Nein, ich bin nicht verrückt - mir ist jetzt klar, dass dies hier nicht die Hölle ist - bis auf die wenigen Male, die ich wieder vergesse, dass ich in einer Nervenklinik in der normalen Welt bin." (Buchauszug)
Während zwei Nächten in einer Nervenklinik vertraut Heleen der Nachtschwester vom Dienst ihre Lebensgeschichte an. Dabei erzählt sie von ihrer Kindheit in einer protestantischen Großfamilie. Als Älteste der Kinder muss sie schon früh im Haushalt mithelfen und ihre anderen acht Geschwister versorgen. Als dann der Vater einen Unfall erleidet und fortan bettlägerig ist, erhält sie noch mehr Verantwortung. Unverhofft kommt dann noch ihre jüngste Schwester Lientje zur Welt, für die Heleen fast wie eine Art Mutterersatz wird. Eine viel zu frühe Anstellung lässt sie dann aus ihrem Elternhaus entfliehen. Durch ihre Schönheit findet sie später einen reichen Mann, den sie heiratet und mit dem sie nie glücklich wird. Erst nach der Trennung von ihm lernt sie ihre wahre Liebe kennen, die sie durch ihre Eifersucht und Zweifel selbst zerstört.

Meine Meinung:
Die Geschichte "Die Beichte einer Nacht", entstanden im Jahr 1930, ist in vielen Dingen eine Geschichte, die noch immer modern ist. Selbst heute noch können Ängste, Zweifel, Depression und Eifersucht oft zu Katastrophen führen. Aufgebaut ist sie einzig und allein auf Heleens Monolog in diesen beiden Nächten.Trotz allem ist dies kein einfacher Roman, den man mal so nebenbei liest, da er doch recht anspruchsvoll und deprimierend ist. Schon alleine die Kindheit von Heleen, die im Grunde gar keine hatte, da sie viel zu früh Erwachsen sein musste. Zudem heute völlig unverständlich, dass ein Ehepaar zehn Kinder in die Welt setzt, obwohl sie körperlich und von ihren Verhältnissen aus sich diese gar nicht leisten können. Doch sicher waren Kinder zur damaligen Zeit die Altersversorgung der Eltern. Sie mussten sich um die Eltern kümmern, ob materiell oder fürsorglich sie später oft noch pflegen. Von daher hatten gerade ärmliche Familien viele Kinder, um im Alter gut versorgt zu sein. Außerdem war zu dieser Zeit das Thema Verhütung natürlich nicht so weit wie heute und bei einer gläubigen Familie schon gar nicht. Waren doch für sie Kinder ein Geschenk Gottes. Doch zurück zu Heleen, die in zwei Nächten einer Krankenschwester ihr ganzes unglückliches Leben beichtet. Wenn man es liest, kann einem diese Frau wirklich leidtun. Hat sie doch in ihrem Leben nie richtig das Glück gefunden und als sie es hatte es sich selbst kaputtgemacht. Die Niederländerin Marianne Philips schildert hier ein Frauenbild, das zu jener Zeit, als das Buch entstand, sicherlich prägnant war. Kein Wunder, das ihr Buch zur damaligen Zeit viele Skeptiker hatte. Man muss sich vorstellen, dass zu jener Zeit Frauen oft noch gar nicht oder erst seit Kurzem wählen durften. Man musste die Ehemänner um Erlaubnis fragen, wenn man einen Beruf ausüben oder zur Schule gehen wollte und der Haushalt lag einzig und alleine in den Händen der Frau. Genauso erging es meist den Töchtern, die oft nie eine andere Wahl haben, sich ihr Leben selbst auszusuchen und stattdessen in eine Arbeitsstelle oder Heirat gedrängt wurden, wo sie vielleicht nie glücklich wurden. Kein Wunder, das diese Frauen oft mit Ängsten, Zweifel, Sehnsüchten und Depressionen behaftet waren wie Heleen. Jedoch sie versucht aus diesem Teufelskreis auszubrechen und heiratet einen reichen Mann. Leider entdeckt sie erst viel zu spät, dass sie ihn gar nicht liebt, sondern sogar abstoßend findet. Dass sie sich von ihm scheiden lässt, war damals sicherlich genauso selten gewesen. Die Autorin selbst, ebenfalls geprägt durch ihre schwere Kindheit und den viel zu frühen Tod ihrer Eltern, musste sich wie Heleen um ihre Geschwister kümmern, statt die Schule abzuschließen. Kein Wunder also, das sie versucht von der Familie weg zukommen, ihre Schule nachholt und eine leidenschaftliche Aktivistin wird, um für Verbesserungen und die Rechte von Frauen zu kämpfen. Diese Leidenschaft spiegelt sich selbst in diesem Buch wider. Zudem ist viel Biografisches enthalten, dass die Autorin eigens erlebt hat. Sie war sicherlich ihrer Zeit voraus, als sie hier diese Gedanken zu Papier brachte und sie wäre garantiert glücklich über das heutige Frauenbild. Selbst das ich mit Heleens persönlicher Sichtweise nicht immer klargekommen bin, was wahrscheinlich an ihrer psychischen Erkrankung lag, gebe ich dem Buch 4 von 5 Sterne.

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