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Veröffentlicht am 18.03.2024

Lili auf Mörderjagd

Mord in der Wiener Werkstätte
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Im Jahre 1906 in Wien lebt Liliane, Lili, Feigl gemeinsam mit ihrem Vater am heruntergekommenen Magdalenengrund, auch Ratzengrund genannt, und erwirtschaftet ihr karges Leben mit gefälschten Dokumenten ...

Im Jahre 1906 in Wien lebt Liliane, Lili, Feigl gemeinsam mit ihrem Vater am heruntergekommenen Magdalenengrund, auch Ratzengrund genannt, und erwirtschaftet ihr karges Leben mit gefälschten Dokumenten und kleinen Diebstählen. Als sie von Kommissar Max von Krause am Naschmarkt erwischt wird, lässt dieser die im Grunde recht sympathische junge Dame laufen, unter der Bedingung, dass sie sich eine „anständige Arbeit“ sucht. So landet sie durch einen glücklichen Zufall als Putzfrau in der Wiener Werkstätte, wo sich allerdings nur wenige Tage später ein Mord ereignet. Und wieder taucht Max von Krause auf und wundert sich über Lilis Anwesenheit neben der Leiche.

Ein wunderbares Ambiente aus historischen Plätzen in Wien und der Kunst aus der bekannten Wiener Werkstäte liefert die Kulisse zu diesem phantastischen neuen Krimi aus Beate Malys Feder. Hinter dem wunderschönen Titelbild verbirgt sich ein ebenso fesselnder wie unterhaltsamer Ermittlungsfall mit exzellent ausgearbeiteten Figuren. Wie gewohnt, besticht Maly durch einen recht einnehmenden Schreibstil und bildhafte Szenen, wer lässt sich da nicht gerne an historische Schauplätze entführen, an den Naschmarkt mit seinen Düften und Marktstandlern, ins Café Griensteidl, das aktuell Reil heißt oder in die Wiener Werkstätte, wo auch zahlreiche Frauen Kunst entwerfen dürfen. Dass ausgerechnet eine Taschendiebin in einen Mordfall verwickelt wird und dann noch an dessen Aufklärung mitwirkt, passt perfekt ins Konzept. Die Dialoge gestalten sich spritzig und rücken auch die Polizei in ein etwas humorvolles Licht. Die Handlung ist gut durchdacht und lädt ein zum Miträtseln, die Aufklärung ist schlüssig und lässt keine Wünsche offen, außer, dass man vielleicht Spaß hätte an einer Fortsetzung mit Lili und Krause.

Hervorragende Unterhaltung bietet Beate Maly auch mit diesem Buch, lebendige Wien-Szenen und interessante Mordermittlungen sorgen für kurzweilige Lesestunden. Eine klare Empfehlung für Freunde des historischen Kriminalromans!

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Veröffentlicht am 18.03.2024

Die nächste Generation

Für immer, dein August (Mühlbach-Saga 2)
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Nach Ende des Ersten Weltkriegs heiraten die Freunde aus Kindertagen, Lotte und August, und gründen eine Familie. Obwohl sie beide Außenseiter in Mühlbach in der Pfalz sind, genießen sie ihr Glück, bis ...

Nach Ende des Ersten Weltkriegs heiraten die Freunde aus Kindertagen, Lotte und August, und gründen eine Familie. Obwohl sie beide Außenseiter in Mühlbach in der Pfalz sind, genießen sie ihr Glück, bis der nächste Weltkrieg seine Schatten vorauswirft. Ein grandioser zweiter Teil der Mühlbach-Saga nimmt seine Leser gefangen …

Mit dem achtzehnjährigen August, der 1918 in England als Musikant in Gefangenschaft gerät, knüpft Band Zwei direkt an seinen Vorgänger, „In Liebe, deine Lina“ an. Auch diesmal beeindruckt Autorin Barbara Leciejewski mit ihrer empathischen, warmherzigen Schreibweise und schildert einfühlsam die Erlebnisse ihrer Vorfahren. Teilweise werden Briefe und andere Quellen wörtlich in den Text übernommen, teils lehnt sich die Geschichte an an Erzählungen aus der Verwandtschaft - insbesondere von Mutter Martha, teils werden natürlich auch einige fiktive Szenen eingeflochten. So gelingt es Leciejewski, einen durchgehend hohen Spannungsbogen zu erzeugen und den Leser auch auf den letzten Seiten noch zu überraschen. Schreckliche Bilder aus den Kriegen, derer Lottes Vater Kurt drei erleben musste, finden ebenso Eingang in die Erinnerungen, wie auch schöne Details von Hochzeiten und Geburten und der steten Hoffnung auf eine friedvolle Welt, in der alle Menschen gleich und gleichberechtigt sind. Sehr fein arbeitet die Autorin ihre Figuren heraus und lässt Bilder aus längst vergangenen Jahrzehnten wieder wach werden, die zarte Liebe zwischen Lotte und August ebenso wie den immer weiter um sich greifenden Nationalsozialismus. Ohne Schönfärberei werden Tatsachen zu Papier gebracht, gefühlvoll, aber keineswegs klischeehaft werden Momente eingefangen, die es wert sind, nicht in Vergessenheit zu geraten.

Auch dieser Teil der Mühlbach-Saga überzeugt auf ganzer Linie, sprachgewandt, detailgetreu, traurig und hoffnungsvoll schildert Barbara Leciejewski, wie es damals war, wie es ihrer Großmutter als „Bankert“ ergangen ist, wie ihre Mutter als Städterin aus Bremen ihre Schwierigkeiten hatte, im kleinen Mühlbach wieder Fuß zu fassen. Ich empfehle dieses Buch von Herzen gerne weiter, nach Möglichkeit sollte man „In Liebe, deine Lina“ noch davor lesen.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Falsches Spiel

Der Wald
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Mira Bunting gehört einer Gruppe von Umweltaktivisten an, welche Pflanzen auf öffentlichem Grund aussät und erntet, aber durchaus auch auf ungenutzten privaten Flächen - die Ernte ist für gute Zwecke vorgesehen. ...

Mira Bunting gehört einer Gruppe von Umweltaktivisten an, welche Pflanzen auf öffentlichem Grund aussät und erntet, aber durchaus auch auf ungenutzten privaten Flächen - die Ernte ist für gute Zwecke vorgesehen. In völligem Gegensatz zu diesen Idealisten steht Robert Lemoine, ein Milliardär, der ein wertvolles Grundstück in einem Erdbebengebiet erwerben möchte. Ob seiner lauteren Beweggründe dürfen Zweifel bestehen. Und genau dieses Grundstück hat Mira kürzlich als großartige Anbaufläche auserkoren. Was wird passieren, wenn Mira und Lemoine aufeinandertreffen?

Ein phantastisches, sehr dynamisches Titelbild in Schwarz-Weiß lässt, ebenso wie der Klappentext, auf eine spannende Geschichte hoffen. Auch die Leseprobe wirkt überzeugend auf mich – der Schreibstil ist gekennzeichnet von strukturierten, teils recht langen Sätzen, welche das Geschehen gut widerspiegeln. Leider kommt es dann über weite Strecken zu langatmigen Szenen, es dauert (zu) sehr, bis Spannung aufkommt und die Handlung mich als Leser endlich abholt. Trotz der vielen Seiten, welche den einzelnen Personen gewidmet werden, bleiben diese eher oberflächlich und austauschbar, berühren konnte mich keine von ihnen, was ich doch recht schade finde. So ist das Lesen trotz der überaus interessanten Themenkonstellation bis zum letzten Drittel hin eher mühsam und beschwerlich, Umweltschutz, Prepper, Hacken von Handys oder Überwachung per Drohne hätten möglicherweise mehr hergeben können.

Der Wald, Birnam Wood, ein Buch, das mich auf der Stelle angelacht hat, letztendlich aber nicht meine Erwartungen getroffen hat. Aufgrund der vielen sehr positiven Rezensionen empfehle ich aber durchaus, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Grundthema ist in dieser Art und Weise nicht bereits in zahllosen anderen Büchern vertreten und der Schreibstil spricht für sich.

Veröffentlicht am 14.03.2024

Wurzeln im Süden

Nostalgia Siciliana
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Titas Vater Gianni stammt aus Sizilien, ist aber in jungen Jahren als Gastarbeiter nach Berlin gezogen, um dort sein Glück zu versuchen. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Carla eröffnet er italienische Restaurants ...

Titas Vater Gianni stammt aus Sizilien, ist aber in jungen Jahren als Gastarbeiter nach Berlin gezogen, um dort sein Glück zu versuchen. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Carla eröffnet er italienische Restaurants im kalten Norden und bringt Tiefkühlpizza über die Firma Oetker in Umlauf. Während er mit seiner Familie anfangs noch jeden Sommer sein Heimatdorf in Sizilien besucht, hört man mit dieser Tradition nach seinem frühen Tod auf, zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an diese Tage. 26 Jahre später verstirbt Titas Onkel, auf einen Anruf des Notars hin besteigt sie nach langer Zeit wieder das Flugzeug und trifft auf ihre familiären Wurzeln im Süden.

Bitter und süß, so sagt man, sei Sizilien, und genau das vermag Patrizia Di Stefano in diesem Roman zu vermitteln. Ein Hauch von Melancholie und Wehmut schwingt stets zwischen den Zeilen mit, wenn man als Leser quer durch die Zeiten springt. Einerseits begleiten wir Tita nach dem Tod ihres Onkels nach Sizilien und atmen den frischen Duft vielerlei Zitronensorten ein, genießen das träge dahinplätschernde Leben im sizilianischen Sommer mit seiner typischen Gastfreundschaft, andererseits reisen wir immer wieder in die Vergangenheit und erleben, was Gianni nach Deutschland geführt hat und wie er sich dort langsam ein neues Leben aufgebaut hat.

Interessante Einblicke gewährt die Autorin in ein Stück ihrer persönlichen Familiengeschichte, welche sich in weiten Zügen so zugetragen hat. Einem Rösselsprung gleich, hüpft man hin und her zwischen Berlin und Sizilien, springt von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück. Die Atmosphäre in Sizilien, und ebenso in Berlin, ist jeweils gut spürbar dargestellt, trotz mancher Länge bietet dieses Buch unterhaltsame Lesestunden.

Veröffentlicht am 12.03.2024

Lied und Leid

Annas Lied
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Familie Koppelman ist von Polen nach Dänemark gezogen, die vier Söhne haben sich entgegen der jüdischen Tradition ihre Ehefrauen in der neuen Heimat selbst ausgesucht, lediglich Hannah, die jüngste im ...

Familie Koppelman ist von Polen nach Dänemark gezogen, die vier Söhne haben sich entgegen der jüdischen Tradition ihre Ehefrauen in der neuen Heimat selbst ausgesucht, lediglich Hannah, die jüngste im Hause, wird an eine gute Partie in Paris verheiratet, obwohl ihre große Liebe Aksel gilt. Wie wird es ihr nach einer glücklichen Kindheit in Kopenhagen und der Flucht nach Schweden in der Stadt der Liebe ergehen? Wird sie ihr Glück finden?

Beschwingt fädelt Schneidermeister Vater Koppelman den Zwirn in die Nadel, mit strengem Regiment führt die Mutter den Haushalt, talentiert musizieren die Kinder, das Leben scheint einen guten Verlauf zu nehmen. Aber dann, während der 1930er-Jahre, hält die Gesinnung der Nationalsozialisten auch in Dänemark Einzug, jüdische Bürger werden immer mehr in die Enge getrieben. Melancholisch und wehmütig klingen Koppels Worte, als er über das Leben seiner Tante Hannah schreibt, traurig und doch stets hoffnungsvoll nimmt sie ihr Schicksal an, wie es eben gerade daherkommt. Realität und Traum verschwimmen manchmal, genau so, wie Hannah es sich gewünscht hat, dass ihre Geschichte weitererzählt wird. Eine starke Frau, der im Laufe ihres langen Lebens immens viel abverlangt wird, eine Frau, die immer wieder ihre Zuflucht in der Musik sucht. Das Klavier ist ihr Halt, ihr Trost, mit den Melodien, die sie den weißen und schwarzen Tasten entlockt, kann sie sich auch in schwierigen Zeiten aufrichten und nach vorne blicken. Viel Leid ist ihr auferlegt, im Lied kann sie es ertragen.

Gut skizzierte Figuren, manche klarer, manche mehr verschwommen, ein Bogen über viele Jahrzehnte mit einigen Längen trotz der geschickten Raffung gegen Ende des Buches, lassen den Leser eintauchen in ein Leben voller Liebe, der Liebe Hannahs zu ihren Kindern und zum Mann ihrer Träume.

Gefühlvoll und empathisch erzählt Benjamin Koppel Dinge, die nicht vergessen werden sollten, Krieg, Judentum, Traditionen und Ansehen der Familie, Liebe und Sehnsucht – so viele Nuancen des Lebens schwingen zwischen den Zeilen wie ein leises Lied, das noch lange weiterklingen wird.