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Veröffentlicht am 11.01.2024

Raues Mittelalter

Der Silberbaum. Die siebente Tugend
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Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, muss früh erwachsen werden. Sein Vater stirbt, als er erst drei Jahre alt ist, Onkel Ludwig von Thüringen übernimmt Heinrichs Vormundschaft. ...

Heinrich der Erlauchte, Markgraf von Meißen und Landgraf von Thüringen, muss früh erwachsen werden. Sein Vater stirbt, als er erst drei Jahre alt ist, Onkel Ludwig von Thüringen übernimmt Heinrichs Vormundschaft. Gleichzeitig schickt seine Mutter Jutta nach Lukas aus Freiberg, um das Erbe ihres Sohnes abzusichern. Wird der Knabe einst zum Herrscher im Lande werden?

Ein großartiger Schreibstil ganz im Zeichen von Burgen, Ländereien, Kreuzzügen und Fehden auch innerhalb der einzelnen Herrscherfamilien, mit in die Zeit passenden Ausdrücken (Truchsess, Schwertleite, Surkot, die Heimlichkeit aufsuchen,…) lässt Geschichte lebendig werden. Üppige Speisen am Hofe, bitterste Armut bei den Bauern, prunkvolle Gewänder und klirrende Schwerter legen Zeugnis ab von historischen Gegebenheiten, welche bestens recherchiert worden sind und Eingang gefunden haben in diesen fesselnden Roman. Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern darf der Leser kennenlernen, die Figuren sind trotz der Fülle an Charakteren gut einprägsam beschrieben und zeigen klar, wie unterschiedlich man mit verschiedensten Herausforderungen umgehen kann. Sabine Ebert gelingt es auf hervorragende Weise, das zumeist raue Leben im Mittelalter plastisch darzustellen und die Veränderungen im 13. Jahrhundert aufzuzeigen: so ist es nun nicht mehr ausschließlich der Kampf, den Männer beherrschen müssen, nein, auch Lesen und Schreiben, sowie die hohe Kunst der Minne sind zunehmend gefragt. Die Chronologie ist bestens gewählt: wesentliche Ereignisse rücken in den Vordergrund, dann kann auch schon einmal ein wenig Zeit vergehen bis zur nächsten Szene, sodass das Buch trotz seiner etwa fünfhundert Seiten stets kurzweilig bleibt.

Kurzum: Der Silberbaum basiert auf fundierten Nachforschungen und einer gekonnten fiktiven Vervollständigung der Geschichte, sodass dieses Buch ein überaus empfehlenswerter Auftakt der gleichnamigen Reihe ist.

Veröffentlicht am 08.01.2024

Im Schatten der Nacht

In meines Vaters Haus
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Immer mehr Juden und Kriegsgefangene flüchten sich im September 1943 in die Vatikanstadt, da Gestapo-Chef Paul Hauptmann in Rom mit eiserner Hand die Lager führt, Essensrationen knapp hält und psychische ...

Immer mehr Juden und Kriegsgefangene flüchten sich im September 1943 in die Vatikanstadt, da Gestapo-Chef Paul Hauptmann in Rom mit eiserner Hand die Lager führt, Essensrationen knapp hält und psychische Verletzungen und Demütigungen auf der Tagesordnung stehen. Gleichzeitig formiert sich ein Chor, angeführt von Pater Hugh O’Flaherty, hinter dem sich in Wahrheit eine Gruppe mutiger Helfer verbirgt, welche die Flüchtlinge aus Italien schmuggeln wollen.

Stilistisch beeindruckend beschreibt Joseph O’Connor, was sich rund um den Heiligen Abend im Jahre 1943 in Rom zugetragen hat. Die Hilfsbereitschaft auf der einen Seite, die Machtgelüste auf der anderen sind gut vorstellbar in Worte gefasst. Die Idee, einander zum Chorsingen zu treffen, ist brillant und basiert auf wahren Vorlagen, so wie etliche andere Details auch. Allerdings darf man sich von diesem Buch keinen Roman im klassischen Sinne erwarten, vielmehr handelt es sich um eine Collage aus romanhaften Elementen, Interviews und Niederschriften, welche zum Teil viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden sind. So bekommt der Leser natürlich verschiedenste Blickwinkel auf die einzelnen Szenen, andererseits wirkt das Ganze dadurch aber auch irgendwie zerrissen und von der zeitlichen Abfolge entkoppelt. Mir fehlt es leider trotz der vorherrschenden Tragik an Spannung und Kurzweil, obwohl das gewählte Format interessant und ganz besonders ist.

Lesenswert ist diese Geschichte des Widerstands, beruhend auf wahren Begebenheit, aber auf jeden Fall.

Veröffentlicht am 05.01.2024

Überraschungen

Was damals geschah
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London, Chelsea, 1988: In einer herrschaftlichen Villa werden drei tote Erwachsene aufgefunden und ein vergnügtes Baby in seinem Bettchen. Vieles deutet auf einen kollektiven Selbstmord hin, aber niemand ...

London, Chelsea, 1988: In einer herrschaftlichen Villa werden drei tote Erwachsene aufgefunden und ein vergnügtes Baby in seinem Bettchen. Vieles deutet auf einen kollektiven Selbstmord hin, aber niemand weiß etwas Näheres über die zahlreichen Personen, die in diesem Haus gemeinsam gewohnt haben. Fünfundzwanzig Jahre später erbt Libby dieses Anwesen und muss sich erst langsam an den Gedanken gewöhnen, hier die Besitzerin zu sein, zumal sie bei der ersten Besichtigung sonderbare Geräusche vom Obergeschoss vernimmt.

In zwei Zeitebenen spielt sich das Geschehen ab, zum Teil spricht ein Erzähler zum Leser, manche Kapitel jedoch werden auch in der Ich-Form einer Person geschildert. Anfangs herrscht Verwirrung, da etliche Figuren auftauchen und verschiedene Orte Schauplatz der Handlung sind. So dauert es doch geraume Zeit, bis man sich in die Geschichte richtig hineinversetzen kann. Erschwert wird dies zusätzlich dadurch, dass die einzelnen Personen nie richtig greifbar werden, sondern in der Menge der Leute untergehen. Dennoch ist die Handlung selbst außergewöhnlich und speziell. Trotz einiger Längen ist man neugierig, wie alles zusammenhängen mag und was fünfundzwanzig Jahre davor tatsächlich passiert ist und welche Überraschungen noch offenbar werden.

Ein interessantes Buch, das durch die häufigen Wechsel von Zeit und Blickwinkel manches Mal für Verwirrung sorgt, aber eine solide Basis bildet für den Folgeband „Was nicht vergessen wurde“.

Veröffentlicht am 02.01.2024

Kommissar Monster

Schmerz und kein Trost
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Kommissar Erik Donner aus Chemnitz, auch Kommissar Monster genannt, hat eine schreckliche Vergangenheit hinter sich. Gerade als er sich in psychologische Behandlung begibt, verschwindet das Kind seiner ...

Kommissar Erik Donner aus Chemnitz, auch Kommissar Monster genannt, hat eine schreckliche Vergangenheit hinter sich. Gerade als er sich in psychologische Behandlung begibt, verschwindet das Kind seiner Therapeutin spurlos am Schulweg und schließlich meldet sich Donners Schwester Marit auch nicht mehr von ihrem Wohnort in Berlin. Was braut sich da zusammen und soll er, Erik Donner, persönlich getroffen werden? Spannende Ermittlungstage und brutale Taten füllen die Seiten zum bereits achten Fall.

Erinnerungen stehen am Beginn dieses Bandes, sodass auch Neueinsteiger gut gewappnet diesem Alptraum für Donner folgen können. Und auch später noch kommen ausreichend Hinweise auf Vergangenes, sofern fürs Verständnis nötig. Überhaupt wechseln Jetzt und frühere Episoden immer wieder ab, da die aktuellen Geschehnisse eng verknüpft sind mit alten Akten, welche in irgendeinem Kommissariat 77 vor sich hin stauben. Stilistisch gewandt und mit ausreichend Wortwitz und Donners ganz eigenem Galgenhumor gespickt, rauschen die Szenen nur so dahin. Geschickt sind Gebrüder Grimms grausigste Märchen ansatzweise in die Handlung verpackt und man darf staunen, wie Donner von Rotkäppchens Wolf auf Schweine zu schließen vermag. Grausige Details, denen ich an dieser Stelle keinesfalls vorgreifen möchte, finden sich auch in diesem Teil der Serie wieder, was eine Warnung sein soll an all jene, die nicht von Blutlacken und Misshandlungen (insbesondere an Kindern) lesen wollen. Denn solche Szenen kehren in der Tat immer wieder, auch wenn sie nicht immer real sind, sondern Alpträumen und Gedanken entspringen. Nichtsdestotrotz ist auch „Schmerz und kein Trost“ ein ausgesprochen gut gelungener Thriller mit allem, was dazu gehört: Donners bisherige Erlebnisse, welche ihn zu dem werden haben lassen, der er ist, Angst um Angehörige, kryptisch verschlüsselte Informationen und Respekt vor einem Täter, der mehr weiß, als man glauben möchte. Das Buch vermittelt Spannung vom Anfang bis zum Ende, Erik Donner als hervorragend erschaffener Kommissar stellt selbst eine Zielscheibe dar und unternimmt im wahrsten Sinne des Wortes einen Wettlauf gegen die Zeit.

Blutig, brutal, nervenaufreibend – wer sich dem stellen möchte, der sollte hier unbedingt zugreifen. Von mir kommt jedenfalls eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 01.01.2024

Nordische Mythen und Mysterien

Im Eis
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Amelie Fischer schreibt eine Arbeit über die Polarexpedition 1878 und stößt dabei auf Informationen, dass nicht nur zwei, sondern drei Schiffe daran beteiligt waren. Alsbald ist ihre eigene Expedition ...

Amelie Fischer schreibt eine Arbeit über die Polarexpedition 1878 und stößt dabei auf Informationen, dass nicht nur zwei, sondern drei Schiffe daran beteiligt waren. Alsbald ist ihre eigene Expedition geplant, um den verschollenen Handelsfahrer „Sirene“ aufzuspüren. Als sie eindringlich davor gewarnt wird, die Reise anzutreten, wird Amelie nur noch neugieriger, was es mit den unheimlichen Beschreibungen voller Mythen und Mysterien aus Kapitän Werkmeisters Tagebuch auf sich hat.

Nach dem Prolog lernt man sogleich Amelie kennen, mit ihrem fast starren Ehrgeiz und der akribischen Durchsicht alter Tagebücher, welche die schwierige und mit dem zusätzlichen Schiff "Sirene" fast unheimliche Lage im Jahre 1878 verdeutlichen. Über längere Strecken übernehmen die Zeilen aus Werkmeisters Aufzeichnungen die Handlung und versetzen den Leser um 150 Jahre zurück, lassen Packeis drohend auf einen zukommen, Nebel und steifgefrorene Glieder den Alltag am Schiff wie am eigenen Leib spüren. Nicht zuletzt sorgen sorgfältig recherchierte Seemannsausdrücke für die passende Atmosphäre an Bord. Allerdings hat Amelie nur Teile dieser Schriften zur Hand, so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie höchstselbst herausfinden möchte, was sich im hohen Norden Grönlands damals tatsächlich abgespielt hat. Damit wechselt die Handlung ins Jetzt, Amelie besteigt mit einer klug ausgewählten Mannschaft die „Frost“, um auf den Spuren Kapitän Werkmeisters gen Norden zu steuern. Während die frühere Zeitebene den Leser fesselt, wird es hier ein wenig verworren und ist die Handlung nicht immer gut nachvollziehbar, samt dem nicht ganz überzeugenden Ende. Leider finden sich auch einige Logikfehler im Text: so werden die Eskimos bereits im Jahre 1878 manchmal als Inuit bezeichnet in Werkmeisters Tagebuch oder fährt die „Frost“ erst mit Schweröl, später mit Diesel. Dennoch ist das Thema im Buch durchaus spannend, sodass ein großteils stimmiges Ganzes daraus entstanden ist und – wie man den letzten Zeilen entnehmen kann, Amelie durchaus noch in einem anderen Buch eine Rolle spielen wird. Auch das könnte noch interessant werden, hoffentlich ohne QR-Codes mitten im Text, welche auf weitere Informationen bezüglich Klimawandel & Co. hinweisen.

Fazit: gut recherchierte Details, nordische Mythen und eine ehrgeizige Frau, welche mehr Nachforschungen anstellt, als anderen lieb ist. Trotz einiger Makel gerne vier Sterne!