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Veröffentlicht am 01.01.2024

Nordische Mythen und Mysterien

Im Eis
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Amelie Fischer schreibt eine Arbeit über die Polarexpedition 1878 und stößt dabei auf Informationen, dass nicht nur zwei, sondern drei Schiffe daran beteiligt waren. Alsbald ist ihre eigene Expedition ...

Amelie Fischer schreibt eine Arbeit über die Polarexpedition 1878 und stößt dabei auf Informationen, dass nicht nur zwei, sondern drei Schiffe daran beteiligt waren. Alsbald ist ihre eigene Expedition geplant, um den verschollenen Handelsfahrer „Sirene“ aufzuspüren. Als sie eindringlich davor gewarnt wird, die Reise anzutreten, wird Amelie nur noch neugieriger, was es mit den unheimlichen Beschreibungen voller Mythen und Mysterien aus Kapitän Werkmeisters Tagebuch auf sich hat.

Nach dem Prolog lernt man sogleich Amelie kennen, mit ihrem fast starren Ehrgeiz und der akribischen Durchsicht alter Tagebücher, welche die schwierige und mit dem zusätzlichen Schiff "Sirene" fast unheimliche Lage im Jahre 1878 verdeutlichen. Über längere Strecken übernehmen die Zeilen aus Werkmeisters Aufzeichnungen die Handlung und versetzen den Leser um 150 Jahre zurück, lassen Packeis drohend auf einen zukommen, Nebel und steifgefrorene Glieder den Alltag am Schiff wie am eigenen Leib spüren. Nicht zuletzt sorgen sorgfältig recherchierte Seemannsausdrücke für die passende Atmosphäre an Bord. Allerdings hat Amelie nur Teile dieser Schriften zur Hand, so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie höchstselbst herausfinden möchte, was sich im hohen Norden Grönlands damals tatsächlich abgespielt hat. Damit wechselt die Handlung ins Jetzt, Amelie besteigt mit einer klug ausgewählten Mannschaft die „Frost“, um auf den Spuren Kapitän Werkmeisters gen Norden zu steuern. Während die frühere Zeitebene den Leser fesselt, wird es hier ein wenig verworren und ist die Handlung nicht immer gut nachvollziehbar, samt dem nicht ganz überzeugenden Ende. Leider finden sich auch einige Logikfehler im Text: so werden die Eskimos bereits im Jahre 1878 manchmal als Inuit bezeichnet in Werkmeisters Tagebuch oder fährt die „Frost“ erst mit Schweröl, später mit Diesel. Dennoch ist das Thema im Buch durchaus spannend, sodass ein großteils stimmiges Ganzes daraus entstanden ist und – wie man den letzten Zeilen entnehmen kann, Amelie durchaus noch in einem anderen Buch eine Rolle spielen wird. Auch das könnte noch interessant werden, hoffentlich ohne QR-Codes mitten im Text, welche auf weitere Informationen bezüglich Klimawandel & Co. hinweisen.

Fazit: gut recherchierte Details, nordische Mythen und eine ehrgeizige Frau, welche mehr Nachforschungen anstellt, als anderen lieb ist. Trotz einiger Makel gerne vier Sterne!

Veröffentlicht am 31.12.2023

Das wahre Leben

Verfehlungen und Verbrechen
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Das wahre Leben schreibt immer die besten Geschichten. Dass da etwas dran ist, zeigt Ursula März mit diesem faszinierenden Büchlein mit vierzehn Episoden aus dem Alltag des Gerichts.

Sachlich auf den ...

Das wahre Leben schreibt immer die besten Geschichten. Dass da etwas dran ist, zeigt Ursula März mit diesem faszinierenden Büchlein mit vierzehn Episoden aus dem Alltag des Gerichts.

Sachlich auf den Punkt gebracht, schildert Autorin Ursula März, welche selbst Gerichtsreporterin ist, ganz unterschiedliche Mordprozesse und Tathergänge. Mit feinem Spürsinn sieht sie hinter die Fassade der Menschen im Saal, ergründet deren Motive, sucht Auslöser und Ziele einer jeden Missetat. Da gibt es überwiegend Menschen wie du und ich, Menschen, die unauffällig in der Nachbarschaft leben, denen man regelmäßig im Supermarkt begegnet und doch sitzen sie eines Tages auf der Anklagebank. Wie ist das passiert? Wie konnte es so weit kommen? Präzise beschreibt März vierzehn Beispiele, wie aus ganz „normalen“ Mitbürgern Straftäter werden, aus Gier, aus Berechnung, bisweilen durch reinen Zufall, der eine Reaktionskette auslöst. Jeder Fall für sich ist spannend und faszinierend, der Schreibstil passt perfekt zu dieser Art von Buch, in dem es um wahre Sachverhalte geht, welche teils informieren, teils verwundern, teils unterhalten.

Ein gelungener Mix aus Krimielementen, welchen wahre Begebenheiten zugrunde liegen, einzelne Episoden, die kurz und bündig dargestellt werden und dem Leser ermöglichen, auch einmal die Tätersicht einzunehmen, ohne etwas zu verharmlosen oder zu beschönigen. Wie geht es Anwälten und Richtern, was ist deren täglich Brot, was spielt sich Prozess um Prozess im Gerichtssaal ab? Einen Abriss an Antworten kann dieses Buch liefern und die Menschen hier draußen wahrlich zum Staunen bringen. Ich empfehle „Verfehlungen und Verbrechen“ sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 31.12.2023

Auf der Suche

Die Bibliothek im Nebel
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Drei verschiedene Zeitebenen, drei verschiedene Momente, in welchen Menschen auf der Suche sind – 1917 sucht der junge Bibliothekar seine große Liebe Mara und flieht aus St. Petersburg Richtung Leipzig, ...

Drei verschiedene Zeitebenen, drei verschiedene Momente, in welchen Menschen auf der Suche sind – 1917 sucht der junge Bibliothekar seine große Liebe Mara und flieht aus St. Petersburg Richtung Leipzig, 1928 ist die elfjährige Liette an der Cote d’Azur auf der Suche nach dem Geheimnis eines verschlossenen Büchleins und im Jahre 1957 schließlich begibt sich ebendiese Liette gemeinsam mit einem Gentelman-Ganoven auf die Suche nach einer Russin namens Mara. Verschlungene Wege, die beschritten werden, laden den Leser ein auf eine mysteriöse Reise.

Wortgewaltig und bildreich, dennoch ruhig und besonnen präsentiert sich Kai Meyers Schreibstil, welcher den Leser sofort für sich einnimmt. Stilistisch fesselnd wie ein opulenter russischer Roman benötigt diese verwirrende Geschichte die volle Aufmerksamkeit des Betrachters, geht es doch recht abwechslungsreich zu in verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten mit verschiedenen Personen, die durchaus auch ihre Namen wechseln. Alles ist perfekt miteinander verwoben, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, in jedem Ende wohnt auch ein Anfang inne, welchen man nicht immer vorhersehen kann. Schwierig ist es jedoch bisweilen, sich ganz auf die Handlung einzulassen und sich darauf zu konzentrieren, irgendwie schweife ich immer wieder ab vom Fokus des Geschehens ob der ausladenden Details, die stets präsentiert werden.

Listige Figuren, grausame Methoden der russischen Schergen, Drogen und nicht zuletzt Bücher spielen eine gewichtige Rolle in diesem vielfältigen Roman. Trotz der einnehmenden Sprache und der gekonnten Verknüpfung vieler einzelner Schauplätze und Szenen ist mir das Ganze aber weitgehend fremd geblieben und hat mich in keiner Weise irgendwie berührt. Schade, denn die meisten Leser sprechen sehr begeistert über dieses Buch.

Veröffentlicht am 28.12.2023

Feine Bonbons

Träume aus Karamell
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Werther in Westfalen, 1909: Anna und ihr Bruder Fritz sind Waisen, auch die geliebte Großmutter lebt nicht mehr, aber – sie hat den beiden jungen Menschen ihr Haus vermacht, in dem viele liebe Erinnerungen ...

Werther in Westfalen, 1909: Anna und ihr Bruder Fritz sind Waisen, auch die geliebte Großmutter lebt nicht mehr, aber – sie hat den beiden jungen Menschen ihr Haus vermacht, in dem viele liebe Erinnerungen stecken, sowie der Duft nach Streuselkuchen. Als gelernter Zuckerbäcker fragt Fritz in Städtchen Werther bei der ansässigen Bonbonmanufaktur nach Arbeit und wird prompt samt seiner Schwester von Direktor Anton Leyen eingestellt. Gemeinsam wird experimentiert, wobei sich Anna und Anton näherkommen. Aber nicht alle sind mit dem jungen Glück und dem Erfolg der Bonbonproduktion einverstanden, wie boshafte Sabotageakte zeigen.

Aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt Luise Bastin diese süße Geschichte rund um die originalen Karamellbonbons, welche schon beim Lesen auf der Zunge schmelzen. Mit frischen Zutaten wie Butter, Sahne, Zucker und einer Prise Salz geht es fast ein wenig zu schnell mit der Entwicklung des Bonbons, das in der Sonne so zart schimmert wie Annas Haar und auch die Liebe zwischen Anna und Anton gleicht eher einer Explosion als einer zarten Annäherung. Dennoch liest sich der Roman angenehm und flüssig, eine Menge Themen der Zeit werden angeschnitten, darunter die vorherrschende Mode, Malerei, Literatur und nicht zuletzt die Rechte der Frau. Gut gezeichnete Charaktere sorgen für Lebendigkeit, insbesondere der zerstreute Direktor Anton und seine zielstrebige und durchaus resolute Arbeiterin und bald darauf Ehefrau Anna bringen Abwechslung und Kurzweil ins Geschehen.

Wie alles anfängt im deutschen Städtchen Werther, das beschreibt Autorin Luise Bastin in diesem ersten Band sehr schön. Die Leichtigkeit im Leben der Leyens nach einigen Rückschlägen währt allerdings nur kurz, denn der Erste Weltkrieg hat begonnen. Gerne empfehle ich diesen Auftakt der Bonbon-Saga weiter und warte gespannt auf die Fortsetzung.

Veröffentlicht am 28.12.2023

Gefangen

Schneesturm
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Gefangen auf der irischen Insel Inishmore sind Cara und ihre früheren Freunde, da sie ein Schneesturm vom Festland abschneidet. Dabei wollten sie am zehnten Todestag von Cillian, Caras Ehemann, nach Jahren ...

Gefangen auf der irischen Insel Inishmore sind Cara und ihre früheren Freunde, da sie ein Schneesturm vom Festland abschneidet. Dabei wollten sie am zehnten Todestag von Cillian, Caras Ehemann, nach Jahren getrennter Wege wieder einmal gemeinsame Tage verbringen und der Tragödie rund um das Schiffsunglück gedenken. Zusätzlich zum Unbehagen, auf der kleinen Insel gefangen zu sein, kommt dann noch eine Leiche an den Steilklippen, um die sich Cara als ortsansässige Polizistin kümmern muss.

Ein fesselnder Prolog eröffnet diesen Thriller mit einer Leiche an den Klippen, lediglich durchgefrorene Möwen sind Zeugen der Tat. Dann treffen die Freunde, welche sich zum Teil in die Welt verstreut haben, nach der Reihe auf der Insel ein, zuletzt Cara, welche den ersten gemeinsamen Abend verpasst. Die Spannung beginnt zaghaft, die dramatische Atmosphäre durch den Schneesturm will sich nicht recht durchsetzen und für die erwartete Gänsehaut sorgen. Jedoch fügt sich das irische Flair mit gälischen Ausdrücken, Fiddel und dem Aberglauben vom Unheil, das Rothaarige zu Silvester anziehen, gut ins Geschehen. Und auch die Auflösung des Mordes und alle Informationen drum herum sind logisch und nachvollziehbar. Das kann allerdings nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass die Sache sich immer wieder langatmig anfühlt und die Stimmung eines Thrillers kaum widerspiegelt.

Eine interessante Konstellation bezüglich der Handlung, Freunde, die sich im Laufe der Jahre entfremdet haben und ein Hauch Irland locken den Leser auf die Insel. Wer nicht unbedingt atemberaubende Spannung sucht beim Lesen, sondern eher mit feinen Antennen zwischenmenschliche Konflikte aufspüren möchte, um ans Ziel zu kommen, der wird hier fündig.