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Veröffentlicht am 21.10.2023

Arm und Reich im Krieg

Der Schatten eines Sommers
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Der Erste Weltkrieg wirft seine Schatten voraus, der unbeschwerte Sommer, den Isa und Henning genossen haben, geht über in eine gnadenlose Realität, in der junge Männer an die Front müssen und Isa vor ...

Der Erste Weltkrieg wirft seine Schatten voraus, der unbeschwerte Sommer, den Isa und Henning genossen haben, geht über in eine gnadenlose Realität, in der junge Männer an die Front müssen und Isa vor einer Entscheidung steht: wem soll sie ihr Wort geben: Henning, der standesmäßig weit über ihr steht oder Viktor, ihrem treuen Freund aus Kindertagen?

Voller Wärme und Herzlichkeit erzählt Margit Steinborn auch die Fortsetzung dieses Zweiteilers. Bekannte Figuren werden in ihren Charakterzügen noch vertieft, so manch einen Menschen lernt der Leser aus einem anderen Blickwinkel kennen. Die Zeiten werden anders, aber keineswegs leichter. Aus der Wittmannschen Lokomotivfabrik wird eine Produktionsstätte für allerlei Kriegsgerät, Frauen verlieren ihre Männer an irgendwelche Kompanien und müssen sich allein um das Auskommen für sich und ihre Kinder kümmern, die Kluft zwischen Arm und Reich ist auch im Krieg nicht kleiner geworden.

Abwechslungsreiche Schauplätze im Armenviertel, in der Industrie und im Kriegsgeschehen lassen dieses Buch kurzweilig und spannend werden, emotionale und bewegende Szenen führen den Leser in eine Achterbahn der Gefühle. Man bangt mit Isa um jene Menschen, die ihr lieb geworden sind, man spürt ihren Zwiespalt und ihren Gewissenskonflikt, ihren Stolz und gleichzeitig ihre Demut. Steinborn versteht es, lebendige Bilder zwischen ihre Zeilen zu zaubern und unterhält den Leser mit Freude und Entsetzen geleichermaßen, so wie es halt auch im echten Leben abwechselnd Licht und Schatten gibt.

„Der Schatten eines Sommers“ bekommt von mir eine absolute Empfehlung und sollte unbedingt im Anschluss an „Einen Herbst und einen Winter lang“ gelesen werden, da dieser Roman nahtlos an seinen Vorgängerband anknüpft, so, als ob man einfach zum nächsten Kapitel blätterte. Zwei wunderbare Bücher mit einer bewegenden Geschichte zwischen Arm und Reich und der Erkenntnis, dass Geld allein nicht reicht für ein glückliches und zufriedenes Leben.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.10.2023

Nur nicht Weihnachten

Ein Fest zum Verlieben
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Nach etlichen schrecklichen Dates und vielen ungemütlichen gemeinsamen Weihnachtsfeiertagen mit der Familie hat Julia genug: sie will zu Weihnachten allein sein und übernimmt die Aufgabe einer Haussitterin ...

Nach etlichen schrecklichen Dates und vielen ungemütlichen gemeinsamen Weihnachtsfeiertagen mit der Familie hat Julia genug: sie will zu Weihnachten allein sein und übernimmt die Aufgabe einer Haussitterin auf Gotland. Aber dort wartet nicht nur eine schreckliche Katze, sondern ein unsympathischer Mann, der ebenfalls Haussitter sein soll. Das Chaos ist perfekt, die Stimmung noch weite im Keller als schon davor.

Diese humorvolle Geschichte wird aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt: Julia schildert die Geschehnisse aus der Ich-Perspektive im Präsens, während alle anderen Figuren aus der dritten Person im Präteritum beleuchtet werden. Je nach Vorliebe kann einem dieses Hin- und Herspringen gefallen oder auch nicht. Ich hätte eine durchgehende Vergangenheitsform bevorzugt. Nichtsdestotrotz ist die Charakterisierung der Personen sehr gut gelungen, die recht unterschiedlichen Leute lassen Spannung und Abwechslung aufkommen auf der Insel, welche durch einen Schneesturm vom Festland abgeschnitten ist. Vorerst darf der Leser Julia und Petter ein wenig kennenlernen, bevor die beiden einander auf der Überfahrt nach Gotland zum ersten Mal über den Weg laufen. Darauf folgen durchaus witzige Szenen, ab und zu darf es dazwischen aber auch ein wenig ernst werden und so finden auch ein paar nachdenklich stimmende Abschnitte Raum in diesem vorwiegend unterhaltsamen Weihnachtsroman.

Hinter dem wunderschönen Titelbild verbirgt sich eine warmherzige Geschichte, die ich gerne für die Weihnachtszeit empfehle.

Veröffentlicht am 17.10.2023

Reale Schicksale

Die Hexe von Nassau
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Katharina lebt mit ihrer Mutter in der Grafschaft Nassau in einem kleinen Dorf nahe Idstein. Ihr Auskommen finden sie mit Näharbeiten und beim Verkauf am örtlichen Markt. Als Graf Johannes im Jahre 1676 ...

Katharina lebt mit ihrer Mutter in der Grafschaft Nassau in einem kleinen Dorf nahe Idstein. Ihr Auskommen finden sie mit Näharbeiten und beim Verkauf am örtlichen Markt. Als Graf Johannes im Jahre 1676 die Hexenverfolgung unterstützt, wird Katharinas Mutter eingeholt und nach grausamer Folter am Scheiterhaufen verbrannt. Kaum hat ihre Tochter sich mit dem Schicksal abgefunden, gerät diese selbst in die Fänge des Henkers Leonhard Busch. Wahre Begebenheiten finden Raum in diesem bewegenden Roman.

Lebendige Bilder begleiten den Leser hier von der ersten bis zur letzten Seite. Sorgfältige Recherche zu realen historischen Hintergründen lässt Katharinas Geschichte sehr authentisch wirken. Die Figuren sind sehr gut charakterisiert, sodass man Katharina, ihre Mutter Eva, die Nachbarin und Freundin Maria oder den Seelsorger Andreas schnell vor Augen hat und sich auch von der Umgebung her in die schreckliche Zeit der Hexenverfolgung zurückversetzt fühlt. Die Handlung ist durchaus interessant und spannend, allerdings finden sich mitunter auch Längen in Form von inhaltlichen Wiederholungen und mehrfach vorkommenden ähnlichen Sätzen. Manches lässt sich vorhersehen, das Ende jedoch kommt durchaus überraschend und passt sehr gut zu diesem turbulenten Treiben rund um vermeintliches Hexenwerk.

Fazit: ein lesenswerter Roman rund um Hexenverbrennungen und andere schwere Schicksalsschläge, der geschickt mit historischen Fakten verknüpft ist.

Veröffentlicht am 15.10.2023

Waldmorde

Der Mentor
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Zwei übel zugerichtete Frauenleichen werden im Wald gefunden, markiert mit den eingeritzten römischen Zahlen I und III im Nacken. Deutet das auf einen Serienmörder hin? Um wen handelt es sich bei den beiden ...

Zwei übel zugerichtete Frauenleichen werden im Wald gefunden, markiert mit den eingeritzten römischen Zahlen I und III im Nacken. Deutet das auf einen Serienmörder hin? Um wen handelt es sich bei den beiden Toten? Kommissar Jakob Krohn aus Heidelberg und Fallanalytikerin Nova Winter, eine leidenschaftliche Einzelgängerin, stehen komplizierte Nachforschungen und grausame Bilder bevor.

Sofort ist man als Leser mitten im Geschehen, ein detailliert geschilderter Tatort lässt einem fast die letzte Mahlzeit wieder hochkommen. Nach diesem mehr als lebendigen Prolog geht es in den Wald zu zwei toten jungen Frauen Anfang Zwanzig. Die perfektionierten Beschreibungen sind auch weiterhin nichts für Zartbesaitete, denn das Böse zieht sich durch das Buch wie ein roter Faden. Spannend sind zudem die Figuren im ermittelnden Team, nicht allzu viel Persönliches wird verraten, aber doch genug, um sich ein passables Bild zu verschaffen. Hinzu kommen verschiedene Verdächtige und mögliche Zeugen die befragt werden müssen, während es unter Umständen schon weitere Opfer gibt – von Nummer II gibt es nämlich bislang keine Spur.

Kurze, knackige Kapitel und rasch wechselnde Szenen halten Spannung und Tempo in den knapp fünfhundert Seiten hoch, etliche Wendungen und Überraschungen fesseln bis zum turbulenten Ende. Auch wenn zwei Figuren mit den recht ähnlich klingenden Namen Marius und Magnus ab und zu Verwirrung stiften, die Episode aus dem Prolog und die Mordserie klärt sich schlüssig auf. Eine Frage am Ende könnte sogar eine Fortsetzung andeuten. Wer weiß?

Ein flotter Thriller, grausame Mordrituale und ein Team mit Ecken und Kanten – Hartgesottene dürfen zugreifen!

Veröffentlicht am 13.10.2023

Aus dem Leben

Auf der Suche
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Nach bekannten Romanen und Erzählungen schreibt Theodor Fontane auch Kurzgeschichten, die reizend und unterhaltsam zu lesen sind. Dieses schmale Bändchen versammelt sechs dieser „short stories“ in sich ...

Nach bekannten Romanen und Erzählungen schreibt Theodor Fontane auch Kurzgeschichten, die reizend und unterhaltsam zu lesen sind. Dieses schmale Bändchen versammelt sechs dieser „short stories“ in sich und ein interessantes Nachwort von Iwan-Michelangelo D’Aprile.

Scharfsinnig wie gewohnt und meisterlich im Beobachten ist Fontane bei seinen Betrachtungen der neu eröffneten chinesischen Botschaft in Berlin, im Kurpark wird promeniert und über die Relativität des Alters parliert, bei einer Zugfahrt können rasch Bekanntschaften geschlossen werden, ein Erholungsaufenthalt verläuft ganz anders als geplant, und schlussendlich wägt der gelernte Apotheker konventionelle Medizin, Chirurgie und Kräuterkunde gegeneinander ab. Den Lauf der Zeit bildet Fontane gekonnt ab, seine präzisen Beschreibungen erfreuen den Leser, in dessen Kopf verschiedene Vorstellungen exakte Gestalt annehmen.

Auch wenn der Schreibstil aus dem 19. Jahrhundert vielleicht ungewohnt ist, so ist es phantastisch, einmal in solch einen Text eintauchen zu können ohne Modernisierung und „Adaption“. Ein wenig Humor und Selbstironie fügen sich perfekt in die kurzen oder auch längeren (Onkel Dodo) Erzählungen ein und zaubern einem durchaus einmal ein Schmunzeln ins Gesicht. Alltägliche Themen werden bei Fontane zu etwas Besonderem, das Credo „ergreife den Augenblick“ zieht sich wie ein roter Faden durch die unterhaltsamen Geschichten.

Ein gelungenes Buch mit kurzen, aber weder schnellen noch flüchtigen Episoden, die dazu anhalten, im Jetzt zu leben und zu sein. Sehr gerne empfehle ich diese Zusammenstellung allen Liebhabern alter Texte weiter.