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Veröffentlicht am 01.11.2023

Britischer Humor

Mord kennt keine Feiertage
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Inspector Timothy Smart ist in Gedanken schon bei duftenden Weihnachtskeksen und knusprigem Festtagsbraten, als ihn sein Freund Robin Chandler auf eine kleine Insel nach Crannock Hall bittet. Er riecht ...

Inspector Timothy Smart ist in Gedanken schon bei duftenden Weihnachtskeksen und knusprigem Festtagsbraten, als ihn sein Freund Robin Chandler auf eine kleine Insel nach Crannock Hall bittet. Er riecht Mord in der Luft und Smart begibt sich mit dem letzten Fährschiff vor dem einsetzenden Schneesturm auf das einsame Eiland. Fernab vom Feiertagstrubel treffen wenige geladene Gäste auf noch weniger Hauspersonal – lediglich Lord Bainbridge, der exzentrische Hausherr, erscheint nicht zum Dinner – denn er liegt tot am Boden der Bibliothek.

Im typischen Stil eines britischen Krimis mit ebensolch trockenem Humor führt Christian Humberg durch die logisch aufgebaute und gut nachvollziehbare Handlung. Smart beendet kaum eine Ermittlung und will endlich heim zu seiner geliebten Mildred, als ihn ein aufgeregter Anruf erreicht und so nimmt er einen vermeintlich schnellen Umweg zum Landsitz Crannock Hall. Die Beschreibungen des herrschaftlichen Hauses sind eindrucksvoll und düster, die Gesellschaft so unterschiedlich, wie sie nur sein kann. Das Personal ist zurückhaltend, der Butler loyal und verschwiegen wie im Bilderbuch. Nun sind sie alle mit den geladenen Gästen und Inspector Smart eingeschlossen auf der kalten, verschneiten Insel und einem Toten im Keller, Verbindung zum Festland gibt es natürlich keine, sie sind auf sich allein gestellt – mit einem Mörder in ihrer Mitte.

Gewitzte Überraschungen und nüchterne Betrachtungen fließen ins Geschehen mit ein, ein wenig mehr Weihnachtsstimmung hätte aufgrund des Titels nicht geschadet. Dennoch bietet dieser Krimi gute Unterhaltung, lediglich der Weihnachtsbraten für Smart könnte kalt werden.


Veröffentlicht am 30.10.2023

Geister von Gestern

Nur eine Lüge – Zwei Familien, eine tödliche Verbindung
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Ein tragischer Vorfall in der Vergangenheit hat die Familien Brandt und Nihlzén entzweit, die Freundschaft ist daran zerbrochen. Dennoch entdecken die Kinder Emily und William ihre Liebe füreinander, auf ...

Ein tragischer Vorfall in der Vergangenheit hat die Familien Brandt und Nihlzén entzweit, die Freundschaft ist daran zerbrochen. Dennoch entdecken die Kinder Emily und William ihre Liebe füreinander, auf der prachtvollen Schlosshochzeit sollen alle wieder zusammen finden. Aber wird das gutgehen? Wird Emily Brücken bauen können? Oder ist der Riss nicht mehr zu kitten?

Spannend mit einer Leiche zur Hochzeit beginnt dieser psychologisch fein gesponnene Roman. Verschiedene Figuren erzählen aus der Ich-Perspektive, die Hochzeit und das Geschehen acht Jahre zuvor werden in stetem Wechsel beleuchtet. Extrem kurze Kapitel lassen die Neugierde wachsen, denn die Szenen enden häufig offen – damit muss man einfach weiter- und weiterlesen. Die Ruhe in Malin Stehns Schreibstil passt perfekt zu den Geistern aus der Vergangenheit, welche zwar verdrängt, aber nie vergessen werden können. Nicht alle Personen sind detailliert ausgearbeitet, das tut dem Ganzen aber überhaupt keinen Abbruch, denn hier geht es um Spannungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen, und die werden mehr als deutlich. Leider werden manche Ideen und begonnene Handlungsansätze nicht immer zu Ende gedacht, sodass man hier zum Schluss vor ein paar offenen Fragen steht. Das Ende der Geschichte selbst ist aber wieder schlüssig und gut nachvollziehbar.

Nur eine Lüge – ein unterschwelliger Sog entsteht mit den ersten Seiten dieses Buches, die tatsächlichen Ereignisse werden nur sehr langsam preisgegeben und wenn man denkt, es plätschert gerade eher seicht dahin, kommt die nächste Überraschung. Nicht ganz so aufwühlend wie „Happy New Year“, aber auf jeden Fall lesenswert.

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2023

Ein ganzes Leben

Florence Butterfield und die Nachtschwalbe
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In Babbington Hall, einem ehrwürdigen Seniorenheim nahe Oxford, verbringt Florence Butterfield ihre Tage, seit sie ihr linkes Bein verloren hat und im Rollstuhl sitzt. Aber Trübsal Blasen kennt die unternehmungslustige ...

In Babbington Hall, einem ehrwürdigen Seniorenheim nahe Oxford, verbringt Florence Butterfield ihre Tage, seit sie ihr linkes Bein verloren hat und im Rollstuhl sitzt. Aber Trübsal Blasen kennt die unternehmungslustige 87jährige nicht. Nachdem die Heimleiterin nachts aus ihrem Fenster im dritten Stock gestürzt ist, überlegt Florrie, dass es sich nicht um einen Selbstmord handeln kann, hat doch Renata ihr erst am Vortag eine neue Liebe angedeutet. Gemeinsam mit dem Mitbewohner Stanhope sucht Florence nach Spuren – im Todesfall Renatas und in ihrem eigenen Leben.

Sehr sachlich und distanziert beschreibt Susan Fletcher, wie im Garten der Seniorenresidenz ein Mann verstorben ist, und gleichzeitig sind die Informationen überaus detailliert, fast poetisch mit dem Efeu und den Zaunwinden. Die genauen Beobachtungen begleiten den Leser durch das gesamte Buch, sodass man sich das Leben in Babbington Hall sehr bildhaft vorstellen kann auch deren Bewohner und Mitarbeiter. Mit viel Liebe für Einzelheiten geht es aber dann nicht nur um den rätselhaften Sturz von Renata in der Mittsommernacht, sondern auch um Florris Leben, das immer wieder in die aktuelle Handlung eingeflochten und in nicht chronologischer Abfolge Puzzlestück für Puzzlestück preisgegeben wird. Leider kommt es da des Öfteren zu Langatmigkeit und ausschweifenden Abweichungen vom Thema, sodass man zuweilen befürchten muss, Andeutungen nicht zu verstehen, weil man vielleicht etwas überlesen hat. Dabei verdichten sich die eingestreuten Hinweise tatsächlich erst zum Ende hin zu einem logischen und überschaubaren Gesamtbild.

Der Leseprobe nach habe ich einen unterhaltsamen Roman mit dunklem Humor erwartet, tatsächlich liefert dieses Buch die teils langatmige Lebensgeschichte einer 87jährigen und kriminalistische Ansätze. Trotz allem sollte man aber bis zum Ende durchhalten, denn wenn einmal alle Fäden zusammenlaufen, ergibt sich auch der Reiz dieser zuweilen nicht enden wollenden Handlung. Ein guter Start und ein versöhnliches Ende, ein strafferer Mittelteil hätte nicht geschadet.

Veröffentlicht am 27.10.2023

Ein Bankert

In Liebe, deine Lina (Mühlbach-Saga 1)
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Aus der gemeinsamen Kindheit zwischen der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Halbwaise Lina und dem wohlhabenden Kaufmannsohn Albert entsteht eine zarte Liebe. Aber als Lina schwanger wird, verbieten ...

Aus der gemeinsamen Kindheit zwischen der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Halbwaise Lina und dem wohlhabenden Kaufmannsohn Albert entsteht eine zarte Liebe. Aber als Lina schwanger wird, verbieten die Eltern Albert eine Heirat und der 22jährige fügt sich deren gestrenger Anordnung. Was das für Lina bedeutet im kleinen Mühlbach in der Pfalz im ausklingenden 19. Jahrhundert, kann man sich leicht ausmalen: die Mutter und ihr „Bankert“ werden geschnitten, Arbeit gibt es keine mehr, die Rente vom kranken Vater reicht kaum zum Leben. In dieser Not klopft Karl an die Tür, selbst unehelich geboren, und bietet Lina an, sie zu heiraten und ihre Tochter als sein eigenes Kind anzunehmen, allerdings in Bremen, wodurch Lina ihre Heimat, ihren Vater und ihre Brüder verlassen muss.

Die Kinder tollen am Mühlbach umher, allen voran und am ausgelassensten die kleine Lina, Bruder Walter kann sie kaum im Zaum halten. Gut vorstellbar und überaus lebendig beschreibt die Autorin das Landleben. Die Figuren sind klar charakterisiert und so ist man ganz schnell selber mitten im Geschehen. Wie auch in früheren Büchern schreibt Barbara Leciejewski ruhig, warmherzig und gefühlvoll, was diesmal wegen der Gemeinsamkeit mit der Geschichte ihrer Großeltern besonders schwierig gewesen sein dürfte. Wieviel Wahrheit, wieviel Dichtung passen zusammen? Wie bringt man am besten alles in einen lesenswerten Roman? Die Sorgen sind unbegründet, die Autorin bringt Zeitgeist und persönliches Dilemma bestens in Einklang. Nach den kurzen Kinderszenen geht es ohne Umschweife zehn Jahre später weiter und auch sonst gibt es immer wieder (gut gekennzeichnete) Zeitsprünge, sodass die Handlung niemals langweilig wird.

Abwechselnd erlebt der Leser Land- und Stadtszenen, spürt die innere Zerrissenheit des „Bankerts“ und die gesellschaftspolitischen Schwierigkeiten rund um die Jahrhundertwende bis hin zum Ersten Weltkrieg. Hier endet vorerst das Buch, die Geschichte selber aber noch lange nicht – da muss man unbedingt im März 2024 lesen, wie es mit den Familien Borger und Schäfer weitergeht. Ich bin schon sehr gespannt! Vorerst eine Leseempfehlung für den ersten Teil der Mühlbach-Saga, hoffentlich bald auch eine weitere.

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Veröffentlicht am 26.10.2023

Im dunklen Forst

Im Herzen so kalt (Ein Fall für Maya Topelius 1)
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Als die neunjährige Frida den Umweltaktivisten Mats Anderberg erschossen mitten im verschneiten Wald entdeckt, muss die Polizei von Östersund ermitteln. Den örtlichen Kriminalisten werden Maya Topelius ...

Als die neunjährige Frida den Umweltaktivisten Mats Anderberg erschossen mitten im verschneiten Wald entdeckt, muss die Polizei von Östersund ermitteln. Den örtlichen Kriminalisten werden Maya Topelius und Pär Stenquist aus Stockholm zur Seite gestellt, welche im Norden erst misstrauisch und kühl begrüßt werden. Ein interessanter Krimi rund um Waldschutz und Holzlobby nimmt seinen Lauf.

Åslunds einnehmender Schreibstil, ihre bildhaften Szenen und ihre lebendige Erzählweise fallen einem ab der ersten Seite recht positiv auf. Die Figuren sind klar vorstellbar charakterisiert, der winterliche Hintergrund mit glitzerndem Schnee und unheimlichen Wäldern bietet eine wunderschöne Kulisse zu den Mordermittlungen. Zusätzlich sind die Hintergründe rund um das Thema Wald- und Forstwirtschaft genau recherchiert, weiterführend finden sich sogar Quellenangaben am Ende des Buches. Nicht ganz optimal ist die recht häufig eingeflochtene Gesellschaftskritik gelungen mit Hinweisen auf versteckten Zucker in Lebensmitteln, aufgeklärte Feministinnen, Gleichberechtigung und Klimawandel. Die Freundinnen von Maya und ihr Zusammenhalt seit der Kindheit hingegen haben mir sehr gut gefallen, vielleicht etwas zu ausführlich geraten, da auch hier die Handlung immer wieder vom eigentlichen Krimi abschweift. In den Ermittlungsszenen selbst ist zu erkennen, dass Maya und Pär ein gewitztes und gut eingespieltes Team bilden und einander bei den Vernehmungen bestens ergänzen. Das Flair Schwedens wird ebenfalls sehr authentisch transportiert mit dem Duzen aller Beteiligten, den Landschaftsbeschreibungen und der Kulinarik, insbesondere das Rezept für die Smörgåstårta muss ich unbedingt einmal ausprobieren.

Trotz meiner Kritikpunkte ist diese Krimi fesselnd und unterhaltsam, sodass ich auch den nächsten Band der Reihe auf jeden Fall lesen werde, denn Maya und Pär sind mir schon ans Herz gewachsen, da möchte ich schon wissen, ob der sympathische Rechtsmediziner im März nach Stockholm kommt.


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