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Veröffentlicht am 15.10.2023

Waldmorde

Der Mentor
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Zwei übel zugerichtete Frauenleichen werden im Wald gefunden, markiert mit den eingeritzten römischen Zahlen I und III im Nacken. Deutet das auf einen Serienmörder hin? Um wen handelt es sich bei den beiden ...

Zwei übel zugerichtete Frauenleichen werden im Wald gefunden, markiert mit den eingeritzten römischen Zahlen I und III im Nacken. Deutet das auf einen Serienmörder hin? Um wen handelt es sich bei den beiden Toten? Kommissar Jakob Krohn aus Heidelberg und Fallanalytikerin Nova Winter, eine leidenschaftliche Einzelgängerin, stehen komplizierte Nachforschungen und grausame Bilder bevor.

Sofort ist man als Leser mitten im Geschehen, ein detailliert geschilderter Tatort lässt einem fast die letzte Mahlzeit wieder hochkommen. Nach diesem mehr als lebendigen Prolog geht es in den Wald zu zwei toten jungen Frauen Anfang Zwanzig. Die perfektionierten Beschreibungen sind auch weiterhin nichts für Zartbesaitete, denn das Böse zieht sich durch das Buch wie ein roter Faden. Spannend sind zudem die Figuren im ermittelnden Team, nicht allzu viel Persönliches wird verraten, aber doch genug, um sich ein passables Bild zu verschaffen. Hinzu kommen verschiedene Verdächtige und mögliche Zeugen die befragt werden müssen, während es unter Umständen schon weitere Opfer gibt – von Nummer II gibt es nämlich bislang keine Spur.

Kurze, knackige Kapitel und rasch wechselnde Szenen halten Spannung und Tempo in den knapp fünfhundert Seiten hoch, etliche Wendungen und Überraschungen fesseln bis zum turbulenten Ende. Auch wenn zwei Figuren mit den recht ähnlich klingenden Namen Marius und Magnus ab und zu Verwirrung stiften, die Episode aus dem Prolog und die Mordserie klärt sich schlüssig auf. Eine Frage am Ende könnte sogar eine Fortsetzung andeuten. Wer weiß?

Ein flotter Thriller, grausame Mordrituale und ein Team mit Ecken und Kanten – Hartgesottene dürfen zugreifen!

Veröffentlicht am 13.10.2023

Aus dem Leben

Auf der Suche
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Nach bekannten Romanen und Erzählungen schreibt Theodor Fontane auch Kurzgeschichten, die reizend und unterhaltsam zu lesen sind. Dieses schmale Bändchen versammelt sechs dieser „short stories“ in sich ...

Nach bekannten Romanen und Erzählungen schreibt Theodor Fontane auch Kurzgeschichten, die reizend und unterhaltsam zu lesen sind. Dieses schmale Bändchen versammelt sechs dieser „short stories“ in sich und ein interessantes Nachwort von Iwan-Michelangelo D’Aprile.

Scharfsinnig wie gewohnt und meisterlich im Beobachten ist Fontane bei seinen Betrachtungen der neu eröffneten chinesischen Botschaft in Berlin, im Kurpark wird promeniert und über die Relativität des Alters parliert, bei einer Zugfahrt können rasch Bekanntschaften geschlossen werden, ein Erholungsaufenthalt verläuft ganz anders als geplant, und schlussendlich wägt der gelernte Apotheker konventionelle Medizin, Chirurgie und Kräuterkunde gegeneinander ab. Den Lauf der Zeit bildet Fontane gekonnt ab, seine präzisen Beschreibungen erfreuen den Leser, in dessen Kopf verschiedene Vorstellungen exakte Gestalt annehmen.

Auch wenn der Schreibstil aus dem 19. Jahrhundert vielleicht ungewohnt ist, so ist es phantastisch, einmal in solch einen Text eintauchen zu können ohne Modernisierung und „Adaption“. Ein wenig Humor und Selbstironie fügen sich perfekt in die kurzen oder auch längeren (Onkel Dodo) Erzählungen ein und zaubern einem durchaus einmal ein Schmunzeln ins Gesicht. Alltägliche Themen werden bei Fontane zu etwas Besonderem, das Credo „ergreife den Augenblick“ zieht sich wie ein roter Faden durch die unterhaltsamen Geschichten.

Ein gelungenes Buch mit kurzen, aber weder schnellen noch flüchtigen Episoden, die dazu anhalten, im Jetzt zu leben und zu sein. Sehr gerne empfehle ich diese Zusammenstellung allen Liebhabern alter Texte weiter.

Veröffentlicht am 12.10.2023

Ver-Ding-Kinder

Bis wir unsere Stimme finden
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Fanny und Jakob flüchten während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Familien Richtung neutraler Schweiz, wobei die Fünfjährige und der knapp Zehnjährige allein in dem neutralen Land ankommen und sich fortan ...

Fanny und Jakob flüchten während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Familien Richtung neutraler Schweiz, wobei die Fünfjährige und der knapp Zehnjährige allein in dem neutralen Land ankommen und sich fortan als Geschwister ausgeben. Als sogenannte Verdingkinder werden sie auf einem Bauernhof untergebracht, wo sie für ihren Unterhalt hart arbeiten müssen und für jedes „Vergehen“ streng bestraft werden. Allein ihre Zweisamkeit als kleine Familie lässt sie durchhalten und nach vorne schauen. In einem zweiten Erzählstrang geht es um Freiheit und Frauenrechte. Fanny und Jakob haben sich bis hierher sehr unterschiedlich entwickelt und ihr Versprechen, immer füreinander da zu sein, bekommt Risse.

Höchst lebendig und glaubwürdig schildert Astrid Töpfner die Szenen in diesem erschütternden Buch. Die zugrundeliegende Recherche ist exzellent und das Schreiben – wie im Nachwort zu lesen – ist auch für die Autorin sehr emotional und belastend gewesen. Genauso geht es dem Leser, wenn er das Buch in Händen hält. Ein hervorragender Schreibstil und die sehr persönliche, wenn auch fiktive Geschichte der beiden Kinder kann einfach niemanden kalt lassen, im Gegenteil, bekommt man eher Gänsehaut als bei einem brutalen Thriller, da die Verdingkinder, die Fremdplatzierungen tatsächlich so stattgefunden haben und ein Teil der Betroffenen sehr schmerzvolle Erfahrungen durchleben mussten.
Abwechselnd erlebt man Fannys und Jakobs Sicht der Dinge, der Zeitablauf wechselt zwischen Kriegs- und Nachkriegsjahren und den Jahren ab 1968, wodurch die Spannung stets recht hoch gehalten wird. Wer glaubt, die anfänglichen Szenen sind schwer auszuhalten, wird im Laufe der Kapitel eines besseren belehrt – es geht immer noch grausamer und unmenschlicher. Wie Kinder und Jugendliche die beschriebenen Qualen ertragen haben können, ist kaum zu fassen – die Triggerwarnung bezüglich psychischen und physischen Missbrauchs und zum Drogenkonsum sollte jedenfalls ernst genommen werden.

Am Ende dieses brillanten Buches (mit absolut perfektem Abschluss!) bleibe ich sprach- und fassungslos zurück und bin Astrid Töpfner dankbar, dass sie sich den Strapazen ausgesetzt hat, den glücklosen Kindern eine Stimme zu verleihen. Auch wenn Fanny und Jakob keine realen Figuren sind, so stehen sie doch für zahlreiche ganz persönliche Schicksale, die wenigen bekannt sind und so nicht in Vergessenheit geraten.

  • Einzelne Kategorien
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  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 10.10.2023

Schaurig

Ein Fluss so rot und schwarz
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Sechs Menschen finden sich auf einem Militärschiff wieder, welches vom offenen Meer Richtung Londoner Themse steuert. Ohne Erinnerung erwachen sechs Personen, der siebente Passagier ist überhaupt schon ...

Sechs Menschen finden sich auf einem Militärschiff wieder, welches vom offenen Meer Richtung Londoner Themse steuert. Ohne Erinnerung erwachen sechs Personen, der siebente Passagier ist überhaupt schon tot. Sie wissen nichts aus ihrem früheren Leben, außer erlerntem Wissen ist nichts davon übrig geblieben, nicht einmal der eigene Name. Welche Mission ihnen auferlegt ist, sickert nur sehr langsam durch, die Reise ins Ungewisse wird von unheimlichen Schreien und grauenhaften Erscheinungen begleitet.

Ein markantes Titelbild als Blickfang und eine spannende Leseprobe wecken sofort die Neugierde auf dieses Buch. Detaillierte Beschreibungen von unheimlichen Schreien, die sich dann lediglich als Möwengekreisch herausstellen, das langsame Aufwachen aus einem traumähnlichen Zustand, das Erkennen, mit völlig Fremden allein am Meer zu treiben, all das lässt ein extrem spannendes Buch erwarten. Der Schreibstil bleibt auch durchwegs bildreich und fesselnd, die Handlung aber entwickelt sich mehr und mehr Richtung Science Fiction, Szenen tauchen auf, die immer weiter von Realität und Glaubwürdigkeit abdriften. Ebenso wie den Figuren ihre Erinnerung fehlt, so fühlt sich für den Leser die ganze Geschichte auch nebulos und undurchsichtig an. Die ausgewählten Passagiere – alle Spezialisten auf ihrem beruflichen Gebiet – lassen wenig Nähe zu, bald bemerken sie, dass ein schauriger Kampf ums Überleben bevorsteht.

Eine wichtige Mission für die Menschheit, eine teils grausige Kulisse und Science-Fiction-ähnliche Darstellungen bilden die wesentlichen Eckpunkte für diesen Roman, bei dem ich aufgrund der Leseprobe eine ganz andere Geschichte erwartet habe. Für mich leider kein rechtes Lesevergnügen, das Buch wird aber gewiss seine Anhänger finden, denn die Idee dahinter und der flotte Schreibstil sind durchaus gelungen.

Veröffentlicht am 10.10.2023

Lykke in Deutschland

Taubenschlag
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Im Rahmen eines länderübergreifenden Polizeiprojekts wird die Kopenhagenerin Lykke Teit nach Flensburg geholt, um Rudi Lehmann bei einem schwierigen Fall zu unterstützen: brutale Morde müssen aufgeklärt ...

Im Rahmen eines länderübergreifenden Polizeiprojekts wird die Kopenhagenerin Lykke Teit nach Flensburg geholt, um Rudi Lehmann bei einem schwierigen Fall zu unterstützen: brutale Morde müssen aufgeklärt werden, bei denen Menschen in ihrem Zuhause gefesselt und gequält werden, bevor der Täter sie erschießt und mit einer toten Taube im Schoß zurücklässt. Kurz vor dieser grausamen Serie hat man in einem alten Bunker die Überreste einer bereits vierzig Jahre zuvor verstorbenen Familie gefunden. Könnte es da Zusammenhänge geben oder ist es besser, die Nachforschungen getrennt voneinander zu betrachten?
Wie bereits in Band Eins der Reihe geht es gleich mitten ins Geschehen: ein Team von Berlin Bunker Protocol steigt hinab in die Tiefen der alten verzweigten Gänge, um Vermessungen vorzunehmen. Von Ratten, so groß wie Dackel, erzählt der ruppige Vorgesetzte, und von lockeren Eisenträgern, womit er seinem Neuen Respekt einflößen will. Etliche verwitterte Stufen und unebene Gänge weiter, nach klebrigen Spinnweben und verschiedenem Gewürm stehen plötzlich beide Arbeiter sprachlos vor einem bislang unbekannten Raum, in dem drei verweste Leichen liegen. Lykke und Rudi haben zu tun …

Wieder wechseln Krimielemente und private Informationen ab, wobei es nicht verkehrt ist, Teil Eins (Gezeitenmord) bereits gelesen zu haben, um die hartnäckige Kopenhagenerin und den humorvollen Deutschen schon besser zu kennen. Inhaltlich sind jedoch beide Bände unabhängig voneinander und in sich abgeschlossen. Auch wenn die Schauplätze detailreich geschildert werden und die Polizeiarbeit interessant ist, so ergeben sich bisweilen ein paar Längen, der Beginn mit den Bunkern wartet lange auf Einbindung ins Geschehen. Am Ende jedoch passt alles perfekt zusammen, wird die mühsame Arbeit erfolgreich abgeschlossen, die zuvor losen Fäden werden logisch verknüpft.

Das interessante Thema Ost und West in Deutschland spielt hier eine wesentliche Rolle und bietet Einblicke in die Tage der DDR. Ich bin gespannt, wo und in welchem Zusammenhang Lykke und Rudi das nächste Mal zusammenarbeiten.