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Veröffentlicht am 30.09.2023

Dr. Horstmann

Die Formel der Hoffnung
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Dr. Dorothy Millicent Horstmann hat es im Jahre 1940 nicht leicht. Während in Europa der Krieg tobt, kämpft man in Amerika gegen die Poliomyelitis. Als Ärztin ist es ihr oberstes Ziel, diese schreckliche ...

Dr. Dorothy Millicent Horstmann hat es im Jahre 1940 nicht leicht. Während in Europa der Krieg tobt, kämpft man in Amerika gegen die Poliomyelitis. Als Ärztin ist es ihr oberstes Ziel, diese schreckliche Krankheit zu besiegen, aber als Frau, auffällig mit ihrer Größe von 185 Zentimetern, steht sie stets im Schatten von Albert Sabin und Jonas Salk. Sorgfältige Recherche und eine interessante fiktive Handlung verbinden sich zu diesem lesenswerten Roman.

Mit der beeindruckenden Szene, wie D.M. Horstmann ihre erste Stelle im Vanderbilt-Hospital antritt, beginnt diese auf wahren Begebenheiten beruhende Geschichte. Die Skepsis gegenüber einer Frau als Ärztin, der erbitterte Wettlauf um einen Impfstoff, um Ruhm und Erfolg, das Unvermögen der Herren in der Wissenschaft, gemeinsam ein Ziel anzustreben – all das wird recht anschaulich geschildert. Dorothy setzt ihre ganze Kraft ein, um die vorwiegend im Sommer grassierende Seuche Poliomyelitis eizudämmen und um eine Impfung als Vorbeugung zu entwickeln, denn die erkrankten Kinder leiden unter grauenhaften Behandlungsmethoden mit Ganzkörpergips und Eiserner Lunge. Schon allein beim Lesen bekommt man Gänsehaut, wenn man sich diese Qualen vorstellt.

Fesselnde Tatsachen rund um Viren, deren Erforschung und die Suche nach einem passenden Impfstoff füllen die Kapitel, zwischen den arbeitsreichen Tagen bleibt kaum Zeit für Privates oder gar die Liebe. Dennoch schildert Lynn Cullen auch den Alltag der Forscher, das Schicksal der Ehefrauen und Kinder von im Rampenlicht stehenden Männern. Gar nicht so wenige Frauen sind beteiligt am Zusammenfügen von notwendigen Puzzlesteinen, an die Öffentlichkeit dringen ihre Namen aber kaum. Trotz einiger eher langatmigen Passagen und unerwarteten Zeitsprüngen sind die zwanzig Jahre spannend, die es bis zur breiten Anwendung der Polioimpfung kommt. Auch das Nachwort samt einem übersichtlichen Personenregister ist sehr aufschlussreich.

Detaillierte Rechercheergebnisse treffen auf eine gut erdachte Romanhandlung, Cullens Schreibstil ist angenehm zu lesen, den vorherrschenden Zeitgeist in den 1940er bis 1960er-Jahren hat die Autorin gekonnt eingefangen. Ein überaus interessantes Buch, das ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 28.09.2023

Wien ohne Kitsch und Romantik

Tanz der Furien – Wiener Abgründe
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Wien, 1880: Leopold Kern wird als Sonderermittler eingesetzt, besondere Kontakte zur Halbwelt haben ihm den Spitznamen Hurenpoidel eingebracht. Auch diesmal geht es um Prostitution, Schulden und Bandenkrieg. ...

Wien, 1880: Leopold Kern wird als Sonderermittler eingesetzt, besondere Kontakte zur Halbwelt haben ihm den Spitznamen Hurenpoidel eingebracht. Auch diesmal geht es um Prostitution, Schulden und Bandenkrieg. Während die Feierlichkeiten anlässlich Kaiser Franz Josefs 50. Geburtstag vorbereitet werden, will sich Kern für seine Versetzung auf ein Abstellgleis im Polizeidienst rächen und gerät bald selbst mitten in verbrecherische Vorgänge in der Wiener Leopoldstadt.

Nicht zimperlich geht Peter Lorath mit seiner Wortwahl um, der blade Ferdl, päule gehen, Häf’n, Grispindel und Schwuf passen perfekt in die weniger noblen Grätzel, in denen auch diesmal wieder die Handlung spielt. Ein wenig Liebelei zwischen dem Steininger und einem Wäschermadl kann da kaum ablenken von brutalen Handgemengen und Messerstechereien, bösen Intrigen und verfeindeten Verbrechergruppen. Ausgezeichnet platziert der Autor das spannende Geschehen in eine aufregende Zeit des Umbruchs und zeigt dem Leser ein Wien ohne Kitsch und Romantik. Vielmehr lenkt er unser Augenmerk auf die staubigen Baustellen entlang der Ringstraße, ausgebeutete Arbeiter, die kaum genug zum Leben haben, Wohnungsnot, Prostitution, Geschlechtskrankheiten und Wundbrand. Ein anderes Wien, die dunkle Sicht auf die Gründerzeit ist es, das bei Peter Lorath Neugierde weckt, ebenso wie der Ermittler Kern, welcher seine ganz persönliche Geschichte mit sich trägt – keiner, der auf den ersten Blick sympathisch ist, keiner, der sich klaglos seinem Schicksal fügt, sondern aufmüpfig und impulsiv daherkommt und als begnadeter Kriminalist gilt.

Die Verstrickungen, wer gegen wen agiert, wen man als Verbündeten und wen als Feind ansehen kann, sind kompliziert und ein wenig verwirrend, nichtsdestotrotz bleibt das Geschehen stets interessant und hält die eine oder andere Überraschung bereit.

Lebendige Bilder, eine authentische Sprache und Szenen mit mafiaähnlichen Gruppen prägen den lesenswerten zweiten Teil der Krimireihe „Leopold Kern“. Ich empfehle auch diesen gerne weiter und bin gespannt, ob und wie es weitergeht.

Veröffentlicht am 27.09.2023

Zweites Jahr in Karslbad

Das Kaffeemädchen
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Nach einem kurzen Urlaub über die Weihnachtsfeiertage kehrt Eva vor Silvester wieder zurück nach Karlsbad ins Hotel Adonis, nun nicht mehr als Stuben- sondern als Kaffeemädchen. Voller Tatendrang und guter ...

Nach einem kurzen Urlaub über die Weihnachtsfeiertage kehrt Eva vor Silvester wieder zurück nach Karlsbad ins Hotel Adonis, nun nicht mehr als Stuben- sondern als Kaffeemädchen. Voller Tatendrang und guter Ideen, stets mit einem Lächeln auf den Lippen, geht sie ihrer neuen Aufgabe nach, allerdings kommt sie in arge Bedrängnis, als der junge Neffe der Hotelbesitzerin, Ludwig Karch, ein Auge auf sie geworfen hat. Wieder einmal muss Eva schwierige Situationen meistern.

Ruhig, aber dennoch lebendig und bildreich beschreibt Ada Caine auch im zweiten Band der Karlsbad-Reihe ihre Szenen. Als Leser darf man sich freuen über altbekannte Gesichter, aber auch neue Figuren sorgen für Abwechslung und nicht immer angenehmen frischen Wind, der Eva um die Nase weht. Ein Aufstieg in der strengen Hotelhierarchie kann schon einmal für Neid sorgen, ebenso wie die Tatsache, dass sich das junge Madl, wie man hier so schön sagt, um Lord Beauvais kümmern soll, der in ihr die Enkelin sieht, die er nie hatte.

Vor dem Hintergrund der bekannten Thermalstadt Karlsbad im österreichischen Kaiserreich lässt die Autorin eine liebevoll erdachte Geschichte entstehen, die einem das Herz erwärmt, auch wenn ganz und gar nicht immer eitel Wonne herrscht. Das gestrenge Regiment, dem die Arbeiter im Hotel unterworfen sind, die karge Freizeit, die man ihnen zugesteht und der Konkurrenzkampf um die besten Stellen im Kurort wird vortrefflich geschildert, daneben gibt es aber auch beständige Freundschaft und Menschen, mit denen man Kummer teilen kann. Caines Vorliebe und Interesse für alte Badeorte kann man beim Lesen spüren, die mondänen Hotels tauchen rasch vor unserm geistigen Auge auf; der Ausflug auf dem Rücken von Eseln lässt einen schmunzeln, ebenso wie manche Übersetzung von Dessertspezialitäten, die die englischsprachigen Gäste sich zusammenreimen. Da wird schon einmal aus Schlagobers über den Umweg eines geschlagenen Oberst ein „verprügelter Colonel“ (kindle, Pos. 2615). Voller Charme werden Land und Leute gezeichnet, die Handlung fließt unaufgeregt dahin und bietet dennoch manch dramatische Szene.

Ebenso wie schon zuvor das Zimmermädchen, hat mich nun auch das Kaffeemädchen bestens unterhalten. Der flüssige, sehr angenehme Schreibstil, zusammen mit einer liebevoll komponierten Geschichte sorgt für eine wunderbare Lesezeit – ich empfehle dieses Buch sehr gerne weiter und freue mich schon sehr auf Band 3, Die Hotelerbin.

Veröffentlicht am 25.09.2023

Schwere Zeiten

Zimtträume – Die Frauen der Backmanufaktur
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In Hamburg, Bielefeld und London spielt dieser dritte Teil der Reihe „Backdynastie“ und steht seinen Vorgängern in Punkto Recherche und anschaulichen Schilderungen um nichts nach. Die Meisterwerke erzielen ...

In Hamburg, Bielefeld und London spielt dieser dritte Teil der Reihe „Backdynastie“ und steht seinen Vorgängern in Punkto Recherche und anschaulichen Schilderungen um nichts nach. Die Meisterwerke erzielen während des Krieges hohe Gewinne, da man mit koffeinhaltiger Energieschokolade nicht nur Arbeiterinnen, sondern auch Soldaten versorgt. Zudem geht es um die Vergrößerung des Unternehmens durch den Kauf eines Hotels und neuerliche raffinierte Kompositionen wie Eisauflauf.

Die schrecklichen Kriegsjahre 1941 bis 1945 prägen den Hintergrund dieses Bandes rund um mehrere Generationen „Meister-Frauen“. Bildhaft, wie gewohnt, schildert Eva-Maria Bast grauenvolle Szenen von Nazis, die geifernd die Inhaftierung von Juden vorbereiten und wunderbare Momente, in denen neue süße Erfindungen kreiert werden. Der Duft von Schokolade, Zimt und Früchten steigt einem beim Lesen in die Nase, während man um liebe Mitmenschen bangt, die aufgrund ihrer jüdischen Herkunft fliehen müssen. Bekannte und neu hinzugekommene Figuren spielen ihre Rolle lebendig und glaubwürdig, die geschichtlichen Hintergründe sind gut eingeflochten, ohne zu dominant zu werden und abzulenken von den tatkräftigen Frauen, die immer auch das Wohl der Arbeiter im Blick haben. Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn haben auch hier einen hohen und merkbaren Stellenwert. Dass die Geschichte eines wahren Lebensmittelherstellers die Grundlage bildet für Basts Roman, spürt man hinter den authentischen Zeilen, welche einen immer wieder mitfiebern lassen in diesen aufregenden Zeiten.

Auch der Abschluss der Meister-Serie ist sehr gut gelungen und hat mir wunderbare Lesestunden beschert. Ich kann alle drei Bücher nur wärmstens weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 24.09.2023

Spurlos verschwunden

Die Suche
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Während Bundesermittler Aaron Falk ins südaustralische Weinland fährt, wo er bald als Taufpate fungieren wird, denkt er nach über das Marralee Valley Food and Wine Festival im Vorjahr, bei dem eine Frau ...

Während Bundesermittler Aaron Falk ins südaustralische Weinland fährt, wo er bald als Taufpate fungieren wird, denkt er nach über das Marralee Valley Food and Wine Festival im Vorjahr, bei dem eine Frau spurlos verschwunden ist. Niemand versteht, dass Kim ihre erst sechs Wochen alte Tochter allein im Kinderwagen zurückgelassen hat und sich aus dem Staub gemacht oder sich gar im nahe gelegenen See ertränkt hat, aber genau das scheint damals geschehen zu sein. Beim diesjährigen Festival will man einen Aufruf starten und die Ermittlungen noch einmal aufleben lassen, da Kims Leiche nach wie vor nicht gefunden worden ist.

Detailliert beschreibt Jane Harper die Situation auf der Kirmes, heute, ebenso wie ein Jahr zuvor. Einige Figuren spielen eine tragende Rolle und werden auch vorstellbar charakterisiert, etliche Namen tauchen aber auch nur in Erinnerung an frühere Ereignisse auf, wie beispielsweise an die Jugendpartys am See, wo man sich bis zum Erbrechen betrunken hat. Selbstverständlich gibt es schlüssige Zusammenhänge, die am Ende verknüpft werden, den Überblick zu bewahren, fällt jedoch mitunter schwer, insbesondere, weil sich Falks Überlegungen und die Rückblicke seiner Freunde in Marralee doch recht in die Länge ziehen. Während sich Harpers Schreibstil flüssig liest, bleibt die Handlung aber immer wieder zäh zurück und verliert sich in plötzlich eingeflochtenen Zeitsprüngen in die Vergangenheit. Trotz aller Wirrungen ergibt sich am Ende eine passende Auflösung für alle offenen Fragen; die Idee für den Roman gefällt mir sehr gut, die Umsetzung ist leider diesmal nicht so gut gelungen wie bei „Der Sturm“.

Fazit: ein interessanter Spannungsroman über Schuld und Gesellschaftskonflikte, der nach einem eher langatmigen Beginn erst nach und nach an Spannung zulegt und ein überraschendes Ende bereithält.