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Veröffentlicht am 01.04.2021

Zwei Frauen

Die Roseninsel
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Nach einem traumatischen Erlebnis will Liv nur mehr weg, weg aus Berlin, weg aus ihrem gewohnten Leben. Passend ergibt sich eine freie Vertretungsstelle am Starnberger See: die Verwaltung der kleinen Roseninsel ...

Nach einem traumatischen Erlebnis will Liv nur mehr weg, weg aus Berlin, weg aus ihrem gewohnten Leben. Passend ergibt sich eine freie Vertretungsstelle am Starnberger See: die Verwaltung der kleinen Roseninsel scheint wie geschaffen für die junge Frau, obwohl sie über keinerlei einschlägige Erfahrung verfügt. Die Abgeschiedenheit, das Alleinsein in der alten Villa inmitten von Rosengärten ist ihr mehr als willkommen. Mit der Außenwelt verbindet sie nur Johannes, der ihr gelegentlich Lebensmittel liefert, aber schnell fasziniert ist von der zurückgezogenen und wortkargen Liv. Zufällig findet diese ein altes Tagebuch und versinkt in eine Schrift über vergangene Zeiten, drei Frauen auf der Roseninsel und eine Verbindung zu Bayerns Königen.

Rasch taucht man auch als Leser ein in ein Meer von Rosenblüten, während Kapitel um Kapitel flott dahinziehen und abwechselnd das Geschehen auf der bayrischen Insel einst und jetzt darstellen. Bezaubernd, aber nicht kitschig, erfährt man von zwei jungen Frauen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen zurückgezogen auf der Insel leben und doch verbindet sie so vieles. Wunderbar fügen sich die Jahrhunderte aneinander, lassen die Zeit des Kini wieder aufleben und die heutigen Strapazen spürbar werden. Sowohl Liv als auch ihre Vorgängerin sind so lebendig und glaubwürdig geschildert, dass man sich gut in die beiden hineinversetzen kann. Auch ihre Umgebung ist mit vielen Bildern dargestellt, man hat von Anfang an das Gefühl, selbst mitten im Geschehen zu sein. Dazu kommen noch interessante geschichtliche Details, die die Handlung passend abrunden und diesen Roman nicht als durchschnittliche Liebesromanze dastehen lassen.

Alles in allem birgt sich hinter der „Roseninsel“ ein lesenswerter Roman, durch den man rasch Abstand vom Alltag gewinnt und sich verlieren kann in einer Handvoll sympathischer Menschen und reizvoller Umgebung.

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Veröffentlicht am 25.03.2021

Zum Weinen schön

Fritz und Emma
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Als junger Mann muss Fritz Draudt noch in den letzten Tagen in den Krieg ziehen. Gezeichnet kehrt er 1947 aus der Gefangenschaft zurück. So wie einst, möchte er zu seinem alten Leben zurückkehren und Emma ...

Als junger Mann muss Fritz Draudt noch in den letzten Tagen in den Krieg ziehen. Gezeichnet kehrt er 1947 aus der Gefangenschaft zurück. So wie einst, möchte er zu seinem alten Leben zurückkehren und Emma heiraten, aber etwas Schreckliches verhindert diesen Schritt.

1918 kommen Pfarrer Jakob Eichendorf und seine Frau Marie in die idyllische, aber zunehmend verfallende Gemeinde Oberkirchbach. Einsame alte Menschen im Ortskern und abgeschiedene Zuzügler im Neubaugebiet prägen das Dorf, dem die junge Pfarrersfrau wieder frisches Leben einhauchen will. Und dann interessiert sie noch brennend, warum der kautzige Fritz und die am anderen Ende Oberkirchbachs lebende Emma seit fast siebzig Jahren kein Wort mehr miteinander gewechselt haben, wo doch die Hochzeit schon geplant war.

Abwechselnd erzählt Autorin Barbara Leciejewski in zwei Zeitebenen: einerseits beleuchtet sie die heutigen Ereignisse in Oberkirchbach mit dem sympathischen Ehepaar Eichendorf, andererseits rollt sie die Geschichte ab 1947 schrittweise auf, bis sie hier auf das aktuelle Geschehen trifft. Unglaublich lebendig werden dabei nicht nur Fritz und Emma geschildert, auch alle anderen Dorfbewohner zeichnen sich durch ganz individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten aus und mit viel Liebe zum Detail darf der Leser die bewegenden Veränderungen vom Krieg bis ins Jetzt mitverfolgen. Konkrete Bilder entstehen im Kopf, die erfüllt sind von mitreißenden Emotionen, von freudiger Geburt bis zum überraschenden Tod, von schreiendem pfälzischem Lachen bis hin zu stummen Tränen, von einer Liebe, die Jahrzehnte überdauert. Als ob man selbst mitten im Dorf lebt, so nah kommen einem die Menschen, so überzeugend vermittelt Marie ihre Ideen und Visionen.

Sowohl die Nachkriegsjahre wie das Heute berühren tiefe Gefühle, sodass man nicht umhin kommt, da und dort eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen, während man im nächsten Kapitel zum Glück schon wieder lachen kann, weil lustige Episoden und witzige Szenen eingeflochten werden. Diese Unmittelbarkeit ist es wohl, die das Buch so warmherzig klingen lassen und trotz all der Traurigkeit immer wieder Mut und Trost verspüren lassen. Auch wenn Maries Euphorie zuweilen ein bisschen übertrieben scheint, so fühlt man sich dennoch eine ganz reale Handlung hineinversetzt, die sich genauso zugetragen haben könnte. Das Leben ist nun einmal ein stetes Auf und Ab und ohne Tiefen gäbe es auch keine Höhen.

Aus jeder Situation das Beste herauszuholen und Frieden schließen mit Vergangenem, das man nicht mehr ändern kann, das ist die schöne Botschaft, welche die Autorin mit diesem wunderbaren Roman vermittelt. Weinen und Lachen, Verzeihen und Zusammenfinden – wer diese so berührende Geschichte gelesen hat, ist um eine phantastische Leseerfahrung reicher!

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Verborgene Wurzeln

Trauma – Kein Entkommen
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Ein schlappes Schlauchboot am Seeufer, ein Kühlschrank und zwei Tote. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen? War es Selbstmord, wie die Obduktion und die Expertise von Psychoanalytiker ...

Ein schlappes Schlauchboot am Seeufer, ein Kühlschrank und zwei Tote. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen? War es Selbstmord, wie die Obduktion und die Expertise von Psychoanalytiker Dr. Hanning nahelegen oder steckt da doch mehr dahinter? Katja Sands Gefühl sagt etwas anderes, aber seit wann darf sich eine Mordermittlerin von Gefühlen leiten lassen? Trotz aller Vorbehalte stürzt sich Katja mit Assistenten Rudi Dorfmüller in die Nachforschungen und stößt auf einen alten Fall bei der Marine, der aber eigentlich schon geklärt ist.

Mit einem sehr beklemmenden Einstieg beginnt dieser Thriller und geht dann in eine eher krimiähnliche Handlung über, die mit weiteren Gänsehaut bescherenden Elementen ein gut gegliedertes Gesamtes ergibt. Für dieses Genre eher unüblich, wird sehr viel Privates von Katja Sand in die Geschichte hineinverwoben, was aber hier für mich gut passt und keinesfalls störend wirkt. Im Gegenteil, wird die Ermittlerin ja gerade durch ihre persönliche Vergangenheit irgendwie verstrickt in die Ermittlungen, wobei dazu noch nicht alles verraten wird, denn es gibt noch zwei weitere Bände in dieser Trilogie.

Ungewöhnlich, aber aktuell häufiger zu lesen: Christoph Wortberg schreibt im Präsens. Sein Stil ist angenehm flüssig, weckt Neugier und nimmt den Leser mit in reale Situationen, flicht kleine Details aus dem Alltag ein, wodurch die Handlung lebendig und plastisch wird. Sowohl Katja als auch Rudi werden recht menschlich dargestellt, ihre Zusammenarbeit lässt den Leser da und dort schmunzeln und auch der Vorgesetzte wird geschickt eingebunden und kann gewagten Plänen zustimmen ohne sein Gesicht zu verlieren.

Optisch und inhaltlich absolut ansprechend stellt sich für mich dieser Beginn des „Trauma“-Dreiteilers dar, anders zwar als „typische Thriller“, leiser, aber dennoch mit schockierenden Details unter der Oberfläche.

Achtung für jene Leser, die Gewalt an Kindern in Büchern ablehnen oder Gefahr laufen könnten, durch erlebte Traumata getriggert zu werden!

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Cold Case

Das Grab in den Schären
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Auf Telegrafholmen, einer Insel im Stockholmer Schärengarten, werden bei Bauarbeiten Skelettteile gefunden. Der erfahrene Ermittler Thomas Andreasson und sein Kollege Aram werden eingeschaltet. Kann eine ...

Auf Telegrafholmen, einer Insel im Stockholmer Schärengarten, werden bei Bauarbeiten Skelettteile gefunden. Der erfahrene Ermittler Thomas Andreasson und sein Kollege Aram werden eingeschaltet. Kann eine der seit zehn Jahren vermissten Frauen dem Fund zugeordnet werden oder liegen die Knochen etwa noch länger auf der bislang unbewohnten Insel? Welches Schicksal hat die damals 17jährige Astrid und die 35jährige Siri ereilt? Viele Fragen werden aufgeworfen und die Polizei steht massiv unter Zeitdruck.

Dies ist bereits der zehnte Fall für den sympathischen Thomas Andreasson, der immer wieder von seiner Jugendfreundin, der Juristin Nora Linde, unterstützt wird. Wie immer entführt uns Autorin Viveca Sten in die wunderschöne Welt der Schären, wo vorwiegend Sandhamn im Mittelpunkt der Handlung steht. Mittlerweile kennen wir den geschäftigen Hafen, die duftende Bäckerei und das elegante Seglerhotel, das gemütliche Värdshus und den gut sortierten Lebensmittelladen, die kleinen, dicht stehenden falunroten Häuschen und die ausgedehnten Kiefernwälder neben einladenden Sandstränden und dennoch gibt es stets etwas Neues auf der Insel zu entdecken und zu erforschen. Sten versteht es, die idyllische Landschaft in eine Mordskulisse zu verwandeln, den Leser zu fesseln mit traumhaften Bildern aus der Natur und genau damit einen perfekten Hintergrund für das Verbrechen zu schaffen.

Zur Abwechslung erwarten den Leser diesmal alte Knochen und wenige Anhaltspunkte, sodass längst zurückliegenden Vermisstenmeldungen nachgegangen werden muss. Interessant sind dabei die Rückblenden zu Astrid und Siri, die ins aktuelle Geschehen eingebettet sind und einige Einblicke ermöglichen, aber auch geschickte Ablenkung darstellen. Raffiniert fügt die Autorin einzelne Puzzlestückchen aneinander, verflicht Polizeiarbeit mit privaten Details von Noras und Thomas‘ Leben, sodass eine stimmige Geschichte entsteht, deren Fäden sich am Ende alle zusammenfügen. Wer die beiden Hauptfiguren von Anfang an kennt, erlebt ihre Entwicklung mit und kann sich gut in sie hineinversetzen, selbst wenn man vor einigen Jahren den aktuellen Zustand für unmöglich gehalten hätte. Aber so spielt eben das Leben, auch im schönen Schärenland.

Mit gewohnt flottem, flüssigem Schreibstil und übersichtlichen, knappen Kapiteln, die immer wieder zum Weiterlesen einladen, zieht Viveca Sten auch mit diesem Band ihre Leser in den Bann und lässt hoffen, dass die Reihe „Ein Fall für Thomas Andreasson“ noch lange nicht zu Ende ist.

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Veröffentlicht am 27.02.2021

Bienen wie Brüder

Das Flüstern der Bienen
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Nana Reja ist alt und sitzt Tag für Tag in ihrem hölzernen Schaukelstuhl, aber sie hat wache Sinne und hört ein Kind wimmern - und tatsächlich liegt unter einer Brücke ein Säugling, den die mexikanischen ...

Nana Reja ist alt und sitzt Tag für Tag in ihrem hölzernen Schaukelstuhl, aber sie hat wache Sinne und hört ein Kind wimmern - und tatsächlich liegt unter einer Brücke ein Säugling, den die mexikanischen Gutsbesitzer Francisco und Beatriz Morales aufnehmen und wie ihr eigenes Kind behandeln. Anfangs sind nicht alle angetan von dem sonderbaren Jungen und schreiben ihm in ihrem Aberglauben böse Eigenschaften zu, nach und nach gewöhnt man sich aber an den stillen und scheinbar eigenbrötlerischen Buben. Alle? Nein, nicht alle …

In einer sehr feinfühligen und empathischen Art schreibt Sofia Segovia diese wunderbare Familiengeschichte nieder, lässt den Leser Stille hören und Vertrauen unter den Menschen spüren, sie berichtet von schwierigen Zeiten und guten Herzen und berührt damit das Innerste des Lesers. Simonopio hat Glück und findet auf der Hazienda La Amistad ein Zuhause, umgeben von freundlichen Menschen, die ihm wohlgesonnen sind. Er aber spürt, dass der Schein trügt und Gefahren lauern. Mit Hilfe seiner Freunde, den Bienen, kann er die Familie vor so manchem Unheil bewahren und so begleiten wir Simonopio durch die Zeit der Spanischen Grippe und der mexikanischen Revolution, erleben Höhen und Tiefen im Leben der Moralez, freudige Feste und finanzielle Sorgen.

Segovias Erzählung gleitet lange ruhig dahin wie ein breiter, gemächlicher Fluss. In der Ruhe aber finden sich so viele Details, die der achtsame Leser entdecken kann. Die Schönheit der Natur, die Geräusche des Windes und der Tiere, das Knacken und Knarren von Ästen, das feine Summen der Bienenflügel, die träge Sommerhitze und die Trockenheit des aufgerissenen Bodens, das Stimmengewirr der Bediensteten und das unaufhörliche Wippen des Schaukelstuhls, das Sterben und das Geborenwerden. Durch gekonnte Verknüpfung von realer Historie und dichterischen Elementen webt die Autorin eine mitreißende und spannende Familiengeschichte, die in einem explosiven Ende mündet. Sprachlich gewandt und mit faszinierenden Bildern entführt uns Segovia in das Mexiko des anfänglichen 20. Jahrhunderts, wo wir das Schicksal der Familie Moralez mitverfolgen können und bemerken, wie wichtig das Miteinander von Mensch und Natur ist, wie wesentlich es ist, achtsam zu sein und nicht das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren.

Aus verschiedenen Blickwinkeln, einerseits dem des neutralen Erzählers, andererseits aus der Sicht des jüngsten Geschwisterkindes geschildert, entsteht ein zusätzlicher Sog, der einen das Buch kaum aus den Händen legen lässt und ein Mitfiebern mit den Protagonisten immer weiter anfacht.

Das Flüstern der Bienen ist ein ganz besonderes Buch, ruhig, aber stimmungsvoll, informativ und verzaubernd gleichermaßen.

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