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Veröffentlicht am 14.08.2023

Elli in der Kita

Tödliches Dublin
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Vor etwa fünf Jahren ist Elli O’Shea aus dem deutschen Regensburg nach Celbridge in Irland gekommen, hat mit ihrem Mann Seán ein hübsches Häuschen gekauft und nun, da die beiden Kinder schon ein wenig ...

Vor etwa fünf Jahren ist Elli O’Shea aus dem deutschen Regensburg nach Celbridge in Irland gekommen, hat mit ihrem Mann Seán ein hübsches Häuschen gekauft und nun, da die beiden Kinder schon ein wenig größer sind, mit einem Kollegen eine Detektei gegründet. Aber so gut, wie alles scheint, läuft es nicht – das Haus muss kernsaniert werden und Seán kann nicht am versprochenen Arbeitsplatz beginnen. Umso mehr strengt sich Elli an und übernimmt kurzfristig eine Stelle im Kindergarten in Sandy Cove, wo sie verdeckt für eine Versicherung Nachforschungen anstellen soll. Außer arger Personalnot fällt ihr jedoch nichts auf, bis sie eines Morgens die Leiterin der Einrichtung tot hinter ihrem Schreibtisch findet.

Während Pia O’Connell Ellis interessante Geschichte erzählt, fügt sie zwischen den Kapiteln jeweils kurze kursiv gedruckte Sequenzen ein, in denen ein Heimkind berichtet. Wie diese beiden grundlegenden Handlungsstränge zusammenhängen, wird erst kurz vor dem Ende aufgelöst, sodass hier eine gewisse Grundspannung erzeugt wird. Im Mittelpunkt steht allerdings Ellie, die viel erlebt in diesem dritten Band. Die Handlung ist wohl in sich abgeschlossen, dennoch gibt es eine Menge Querverweise zu Ellis Eltern, Schwestern und einem Ex-Freund, die in diesem Ausmaß wenig zum Verständnis beitragen, aber vermutlich spannend sind für Leser, welche diese Reihe bereits kennen. Für mich als Neueinsteiger war die Verwandtschaft eher abschweifende Ablenkung als Unterhaltung. Auch sonst verliert sich die Handlung in vielen Nebenschauplätzen, die Vorfälle in der Kita verschwinden zunehmend in den Hintergrund, die Auflösung der Details wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen. Am meisten aber vermisse ich Erklärungen zu den Kinderheimen und Magdalenenschwestern mit ihren Wäschereien, ein unrühmliches Kapitel in Irlands Geschichte, das sich in seiner Tragweite nur Lesern erschließt, die darüber bereits Bescheid wissen. In der vorliegenden Form finde ich dieses überaus ernste Thema zu rasch abgehandelt.

Nichtsdestotrotz liest sich Tödliches Dublin flüssig und unterhaltsam, realistischer Alltag in Ehe und Arbeit findet ebenso Platz wie ein Kriminalfall, in den Elli verstrickt wird. Für entspannte Lesestunden ist also gesorgt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.08.2023

Auf der Suche

Paradise Garden
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Die 14jährige Billie, die eigentlich Erzsébet heißt, lebt mit ihrer Mutter in einer billigen Wohnhausanlage am Stadtrand, selbst zwei Jobs reichen kaum zum Leben. Dennoch verschafft Mutter Marika ihrer ...

Die 14jährige Billie, die eigentlich Erzsébet heißt, lebt mit ihrer Mutter in einer billigen Wohnhausanlage am Stadtrand, selbst zwei Jobs reichen kaum zum Leben. Dennoch verschafft Mutter Marika ihrer Tochter ein zufriedenes Leben, am Monatsanfang leisten sie sich sogar einen bunten Eisbecher mit dem strahlenden Namen Paradise Garden, während das Geld um den Monatsletzten herum gerade noch für Nudeln mit Ketchup reicht. Auch im Schwimmbad oder einfach bei guter Musik kann man eine unbeschwerte und vergnügliche Zeit erleben. Alles ändert sich, als die kranke Großmutter plötzlich aus Ungarn anreist. Billie kennt sie gar nicht, die Erzählungen lassen nichts Gutes ahnen. Und dann wird Billies Mutter aus dem Leben gerissen, Billie verliert ihr Paradies. Eine Suche nach der Herkunft, nach dem Vater, beginnt.

Mit einer bitteren Erinnerung an den Sommer, in dem die Mutter verstorben ist, beginnt diese Geschichte, die trotz aller Wehmut auch Lebensfreude und Zuversicht versprüht. Wie man auch mit kleinen Dingen sein Glück finden kann, zeigt Marika ihrer Tochter Billie immer wieder. Billie erzählt in der Ich-Form ihre Sicht der Dinge, beschreibt ihre Gedanken und Gefühle. Während es in der ersten Hälfte des Romans um eine Mutter-Tochter-Beziehung geht, mischt ab der Mitte dann noch die fremde Großmutter mit und Billie setzt sich bald kurzerhand in den rostigen Nissan, auf der Suche nach einem unbekannten Vater. Auch wenn ab diesem Punkt die Handlung eher unglaubwürdig wirkt, so passt sie doch zu einer Jugendlichen, die plötzlich allein dasteht und Antworten will. Ihre Motivation ist jedenfalls gut nachvollziehbar.

Ein interessantes Buch aus Sicht einer 14jährigen, das ich durchaus empfehlen kann.

Veröffentlicht am 14.08.2023

Henni und die Babyklappe

Wie ein Stern in mondloser Nacht
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Hennis Geschichte beginnt im Berlin der 1940er-Jahre. Das Schicksal will, dass sie sich für eine Ausbildung zur Hebamme entschließt, einen Beruf, den sie voller Hingabe und Fürsorge für Mütter und Kinder ...

Hennis Geschichte beginnt im Berlin der 1940er-Jahre. Das Schicksal will, dass sie sich für eine Ausbildung zur Hebamme entschließt, einen Beruf, den sie voller Hingabe und Fürsorge für Mütter und Kinder ausübt. Allein, es gibt Mütter, welche sich nicht um ihr Neugeborenes kümmern können oder wollen und es in der nächsten Mülltonne entsorgen, ja sogar töten. Um diesen Geschöpfen eine Zukunft zu bieten, stellt Henni kurzerhand im Hinterhof eine Obstkiste auf – und findet alsbald tatsächlich ein lebendes Kind darin. Die Idee der Babyklappe funktioniert, jedoch an der Grenze zur Legalität.

Berührend und zu Herzen gehend lesen sich Marie Sands Zeilen. Henni wird als starke und tatkräftige Frau beschrieben, obwohl sie es selbst schwer hat im Leben und Rückschläge verkraften muss. Aber was sie sich in den Kopf setzt, nämlich umschuldigen Kindern eine Zukunft zu bieten, das führt sie auch durch. Eine zweite Zeitebene im Jahr 2000 ergänzt Hennis Anstrengungen und zeigt anhand der Journalistin Liv, dass die Babyklappe allein noch nicht alle Probleme löst, denn Liv sehnt sich als Adoptivkind 45 Jahre nach ihrer Geburt nach ihren Wurzeln, nach ihrer leiblichen Mutter.

Marie Sand findet immer die richtigen Worte, baut ein nötiges Maß an Spannung ein, um die beeindruckende Geschichte von Henni Bartholdy zu erzählen. Sie schildert die Gegensätze zwischen Arm und Reich, Standesunterschiede, welche kaum überwindbar sind und den aufopferungsvollen Alltag einer Hebamme mit Leib und Seele. Auch die juristischen Probleme einer Babykiste werden eindrücklich erklärt, denn Henni ist mit einer Anwältin befreundet, wodurch auch dieser Blickwinkel im Roman beleuchtet werden kann. Bildreich und berührend fließen die Kapitel dahin, ein unregelmäßiger Wechsel zwischen den 1950er-Jahren und 2000 sorgt für Abwechslung und steigende Neugierde. Absolut glaubwürdig und lebensnah präsentiert die Autorin ihre Szenen, sodass die Gefühle durcheinandergewirbelt werden, man sich bald völlig verlieren kann zwischen den Zeilen, und den Roman kaum aus der Hand legen mag.

Ein wunderbares Buch über die Liebe zwischen Eltern und Kind und einer Hebamme, die handelt, statt zu schweigen, obwohl sie selbst schwer trägt an ihrer Vergangenheit. Ein Buch für ruhige, recht nachdenkliche Stunden, das ich uneingeschränkt empfehle!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.08.2023

Schokolade vor dem Ersten Weltkrieg

Salz und Schokolade (Die Halloren-Saga 2)
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Halle an der Saale, 1905: In der Küche eines kleinen Cafes hält sich Chocolatier Julius am liebsten auf, denn da kann er seiner Phantasie freien Lauf lassen und feinste Pralinen kreieren. Sein Stiefvater ...

Halle an der Saale, 1905: In der Küche eines kleinen Cafes hält sich Chocolatier Julius am liebsten auf, denn da kann er seiner Phantasie freien Lauf lassen und feinste Pralinen kreieren. Sein Stiefvater Leopold Mendel würde ihn jedoch gerne öfter in der Fabrik sehen, wo man sich um den Import von Kakao und anderen erlesenen Zutaten kümmert. Um den Fortbestand der Firma David zu sichern, einer traditionellen Schokoladenmanufaktur, soll sich Julius mit Cäcilie David vermählen. Beide jungen Leute haben mit ihren Herzen aber schon andere Partner gewählt. Allerdings entsprechen die nicht den herrschenden Konventionen.

Die Fortsetzung der Halloren-Saga ist zeitlich gesehen dem ersten Band vorgelagert, nämlich von 1905 bis 1923, beschreibt die Zeit der aufkommenden Arbeiterbewegung und des Rufes nach einem Frauenwahlrecht, schildert den Trend zum Auswandern nach Amerika und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Vor einer bestens recherchierten historischen Kulisse erlebt der Leser bewegende Schicksale rund um die Schokoladenfabrik und gesellschaftliche Normen. Geheiratet wird, um Vermögen und Macht zu sichern, die Liebe wird sich gelegentlich schon einstellen.

Anfangs ist es ein wenig schwierig, den verschiedenen Handlungssträngen und der großen Zahl an Personen zu folgen, insbesondere, wenn man den ersten Band schon kennt und sich doch hier – etliche Jahrzehnte zuvor – wieder völlig neu orientieren muss, anstatt bereits bekannten Figuren neuerlich zu begegnen, wie man es sonst von solchen Familiengeschichten eher gewohnt ist. Nichtsdestotrotz sind auch diesmal sämtliche Akteure klar charakterisiert, durch die recht unterschiedlichen Positionen wird alles lebendig und gut vorstellbar. Amelia Martin verpackt eine Menge interessanter Themen ins Geschehen, sodass ein sehr umfassendes Bild der genannten Jahre entsteht.

Auch dieser Teil der Halloren-Saga ist unterhaltsam und informativ, sodass ich ihn gerne weiterempfehle.

Titel Salz und Schokolade, Süße Wunder
Autor Amelia Martin
ASIN B0BG4XT3F6
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (496 Seiten)
Erscheinungsdatum 27. Juli 2023
Verlag Ullstein
Reihe Die Halloren-Saga

Veröffentlicht am 10.08.2023

Schokolade während der Gründung der SED

Salz und Schokolade (Die Halloren-Saga 1)
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Nach dem Krieg kommt es überall zum Aufschwung, im Westen verschwinden die Lebensmittelmarken, während im Osten die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) gegründet wird. Auch Familie Mendel, ...

Nach dem Krieg kommt es überall zum Aufschwung, im Westen verschwinden die Lebensmittelmarken, während im Osten die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) gegründet wird. Auch Familie Mendel, Besitzer der Mignon-Werke, hat keine einfache Zeit hinter sich, und nun droht eine Enteignung, wie es anderen Eigentümern schon passiert ist. Kann Friedrich Mendel, der für die Fabrik lebt, das Unheil abwenden, unter Umständen mit einer strategischen Vermählung seiner Tochter Irene, die allerdings in einen Arbeiter, den Salzwirker Paul verliebt ist?

Spannend hat Amelia Martin die Zeit und die politischen Hintergründe im Osten Deutschlands in den 1950er-Jahren dargestellt, süß mit einigen Tupfern Schokolade und zartbitterer Liebe garniert. Denn über den Standesunterschied einer Fabrikantentochter und einem einfachen Halloren kann doch nichts hinweghelfen, oder doch? Gut recherchiert und glaubhaft spürt man als Leser die beklemmenden Szenen mit den Männern aus dem Ministerium für Staatssicherheit, sehr realistisch auch die Veränderungen und Kontrollen in der Schokoladenfabrik und die Machenschaften bei Theater und Film, weniger echt hingegen fühlt sich die Liebesgeschichte zwischen Irene und Paul an. Sie haben einander erst wenige Male gesehen, und plötzlich sprudeln die Gefühle über. Das geht zu sprunghaft, ähnlich wie manche zeitliche Abfolge, wo größere Lücken nicht beispielsweise als Kapitelüberschrift angegeben sind.

Trotz kleiner Makel liest sich Salz und Schokolade aber informativ und kurzweilig, sodass Band 2 der Reihe schon bereitliegt.


Titel Salz und Schokolade, Der Geschmack von Freiheit
Autor Amelia Martin
ASIN B09XFH28BB
Sprache Deutsch
Ausgabe ebook, ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (513 Seiten) und Hörbuch
Erscheinungsdatum 29. September 2022
Verlag Ullstein
Reihe Die Halloren-Saga