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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.01.2024

Überraschungen

Was damals geschah
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London, Chelsea, 1988: In einer herrschaftlichen Villa werden drei tote Erwachsene aufgefunden und ein vergnügtes Baby in seinem Bettchen. Vieles deutet auf einen kollektiven Selbstmord hin, aber niemand ...

London, Chelsea, 1988: In einer herrschaftlichen Villa werden drei tote Erwachsene aufgefunden und ein vergnügtes Baby in seinem Bettchen. Vieles deutet auf einen kollektiven Selbstmord hin, aber niemand weiß etwas Näheres über die zahlreichen Personen, die in diesem Haus gemeinsam gewohnt haben. Fünfundzwanzig Jahre später erbt Libby dieses Anwesen und muss sich erst langsam an den Gedanken gewöhnen, hier die Besitzerin zu sein, zumal sie bei der ersten Besichtigung sonderbare Geräusche vom Obergeschoss vernimmt.

In zwei Zeitebenen spielt sich das Geschehen ab, zum Teil spricht ein Erzähler zum Leser, manche Kapitel jedoch werden auch in der Ich-Form einer Person geschildert. Anfangs herrscht Verwirrung, da etliche Figuren auftauchen und verschiedene Orte Schauplatz der Handlung sind. So dauert es doch geraume Zeit, bis man sich in die Geschichte richtig hineinversetzen kann. Erschwert wird dies zusätzlich dadurch, dass die einzelnen Personen nie richtig greifbar werden, sondern in der Menge der Leute untergehen. Dennoch ist die Handlung selbst außergewöhnlich und speziell. Trotz einiger Längen ist man neugierig, wie alles zusammenhängen mag und was fünfundzwanzig Jahre davor tatsächlich passiert ist und welche Überraschungen noch offenbar werden.

Ein interessantes Buch, das durch die häufigen Wechsel von Zeit und Blickwinkel manches Mal für Verwirrung sorgt, aber eine solide Basis bildet für den Folgeband „Was nicht vergessen wurde“.

Veröffentlicht am 02.01.2024

Kommissar Monster

Schmerz und kein Trost
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Kommissar Erik Donner aus Chemnitz, auch Kommissar Monster genannt, hat eine schreckliche Vergangenheit hinter sich. Gerade als er sich in psychologische Behandlung begibt, verschwindet das Kind seiner ...

Kommissar Erik Donner aus Chemnitz, auch Kommissar Monster genannt, hat eine schreckliche Vergangenheit hinter sich. Gerade als er sich in psychologische Behandlung begibt, verschwindet das Kind seiner Therapeutin spurlos am Schulweg und schließlich meldet sich Donners Schwester Marit auch nicht mehr von ihrem Wohnort in Berlin. Was braut sich da zusammen und soll er, Erik Donner, persönlich getroffen werden? Spannende Ermittlungstage und brutale Taten füllen die Seiten zum bereits achten Fall.

Erinnerungen stehen am Beginn dieses Bandes, sodass auch Neueinsteiger gut gewappnet diesem Alptraum für Donner folgen können. Und auch später noch kommen ausreichend Hinweise auf Vergangenes, sofern fürs Verständnis nötig. Überhaupt wechseln Jetzt und frühere Episoden immer wieder ab, da die aktuellen Geschehnisse eng verknüpft sind mit alten Akten, welche in irgendeinem Kommissariat 77 vor sich hin stauben. Stilistisch gewandt und mit ausreichend Wortwitz und Donners ganz eigenem Galgenhumor gespickt, rauschen die Szenen nur so dahin. Geschickt sind Gebrüder Grimms grausigste Märchen ansatzweise in die Handlung verpackt und man darf staunen, wie Donner von Rotkäppchens Wolf auf Schweine zu schließen vermag. Grausige Details, denen ich an dieser Stelle keinesfalls vorgreifen möchte, finden sich auch in diesem Teil der Serie wieder, was eine Warnung sein soll an all jene, die nicht von Blutlacken und Misshandlungen (insbesondere an Kindern) lesen wollen. Denn solche Szenen kehren in der Tat immer wieder, auch wenn sie nicht immer real sind, sondern Alpträumen und Gedanken entspringen. Nichtsdestotrotz ist auch „Schmerz und kein Trost“ ein ausgesprochen gut gelungener Thriller mit allem, was dazu gehört: Donners bisherige Erlebnisse, welche ihn zu dem werden haben lassen, der er ist, Angst um Angehörige, kryptisch verschlüsselte Informationen und Respekt vor einem Täter, der mehr weiß, als man glauben möchte. Das Buch vermittelt Spannung vom Anfang bis zum Ende, Erik Donner als hervorragend erschaffener Kommissar stellt selbst eine Zielscheibe dar und unternimmt im wahrsten Sinne des Wortes einen Wettlauf gegen die Zeit.

Blutig, brutal, nervenaufreibend – wer sich dem stellen möchte, der sollte hier unbedingt zugreifen. Von mir kommt jedenfalls eine klare Leseempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.01.2024

Nordische Mythen und Mysterien

Im Eis
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Amelie Fischer schreibt eine Arbeit über die Polarexpedition 1878 und stößt dabei auf Informationen, dass nicht nur zwei, sondern drei Schiffe daran beteiligt waren. Alsbald ist ihre eigene Expedition ...

Amelie Fischer schreibt eine Arbeit über die Polarexpedition 1878 und stößt dabei auf Informationen, dass nicht nur zwei, sondern drei Schiffe daran beteiligt waren. Alsbald ist ihre eigene Expedition geplant, um den verschollenen Handelsfahrer „Sirene“ aufzuspüren. Als sie eindringlich davor gewarnt wird, die Reise anzutreten, wird Amelie nur noch neugieriger, was es mit den unheimlichen Beschreibungen voller Mythen und Mysterien aus Kapitän Werkmeisters Tagebuch auf sich hat.

Nach dem Prolog lernt man sogleich Amelie kennen, mit ihrem fast starren Ehrgeiz und der akribischen Durchsicht alter Tagebücher, welche die schwierige und mit dem zusätzlichen Schiff "Sirene" fast unheimliche Lage im Jahre 1878 verdeutlichen. Über längere Strecken übernehmen die Zeilen aus Werkmeisters Aufzeichnungen die Handlung und versetzen den Leser um 150 Jahre zurück, lassen Packeis drohend auf einen zukommen, Nebel und steifgefrorene Glieder den Alltag am Schiff wie am eigenen Leib spüren. Nicht zuletzt sorgen sorgfältig recherchierte Seemannsausdrücke für die passende Atmosphäre an Bord. Allerdings hat Amelie nur Teile dieser Schriften zur Hand, so ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie höchstselbst herausfinden möchte, was sich im hohen Norden Grönlands damals tatsächlich abgespielt hat. Damit wechselt die Handlung ins Jetzt, Amelie besteigt mit einer klug ausgewählten Mannschaft die „Frost“, um auf den Spuren Kapitän Werkmeisters gen Norden zu steuern. Während die frühere Zeitebene den Leser fesselt, wird es hier ein wenig verworren und ist die Handlung nicht immer gut nachvollziehbar, samt dem nicht ganz überzeugenden Ende. Leider finden sich auch einige Logikfehler im Text: so werden die Eskimos bereits im Jahre 1878 manchmal als Inuit bezeichnet in Werkmeisters Tagebuch oder fährt die „Frost“ erst mit Schweröl, später mit Diesel. Dennoch ist das Thema im Buch durchaus spannend, sodass ein großteils stimmiges Ganzes daraus entstanden ist und – wie man den letzten Zeilen entnehmen kann, Amelie durchaus noch in einem anderen Buch eine Rolle spielen wird. Auch das könnte noch interessant werden, hoffentlich ohne QR-Codes mitten im Text, welche auf weitere Informationen bezüglich Klimawandel & Co. hinweisen.

Fazit: gut recherchierte Details, nordische Mythen und eine ehrgeizige Frau, welche mehr Nachforschungen anstellt, als anderen lieb ist. Trotz einiger Makel gerne vier Sterne!

Veröffentlicht am 31.12.2023

Das wahre Leben

Verfehlungen und Verbrechen
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Das wahre Leben schreibt immer die besten Geschichten. Dass da etwas dran ist, zeigt Ursula März mit diesem faszinierenden Büchlein mit vierzehn Episoden aus dem Alltag des Gerichts.

Sachlich auf den ...

Das wahre Leben schreibt immer die besten Geschichten. Dass da etwas dran ist, zeigt Ursula März mit diesem faszinierenden Büchlein mit vierzehn Episoden aus dem Alltag des Gerichts.

Sachlich auf den Punkt gebracht, schildert Autorin Ursula März, welche selbst Gerichtsreporterin ist, ganz unterschiedliche Mordprozesse und Tathergänge. Mit feinem Spürsinn sieht sie hinter die Fassade der Menschen im Saal, ergründet deren Motive, sucht Auslöser und Ziele einer jeden Missetat. Da gibt es überwiegend Menschen wie du und ich, Menschen, die unauffällig in der Nachbarschaft leben, denen man regelmäßig im Supermarkt begegnet und doch sitzen sie eines Tages auf der Anklagebank. Wie ist das passiert? Wie konnte es so weit kommen? Präzise beschreibt März vierzehn Beispiele, wie aus ganz „normalen“ Mitbürgern Straftäter werden, aus Gier, aus Berechnung, bisweilen durch reinen Zufall, der eine Reaktionskette auslöst. Jeder Fall für sich ist spannend und faszinierend, der Schreibstil passt perfekt zu dieser Art von Buch, in dem es um wahre Sachverhalte geht, welche teils informieren, teils verwundern, teils unterhalten.

Ein gelungener Mix aus Krimielementen, welchen wahre Begebenheiten zugrunde liegen, einzelne Episoden, die kurz und bündig dargestellt werden und dem Leser ermöglichen, auch einmal die Tätersicht einzunehmen, ohne etwas zu verharmlosen oder zu beschönigen. Wie geht es Anwälten und Richtern, was ist deren täglich Brot, was spielt sich Prozess um Prozess im Gerichtssaal ab? Einen Abriss an Antworten kann dieses Buch liefern und die Menschen hier draußen wahrlich zum Staunen bringen. Ich empfehle „Verfehlungen und Verbrechen“ sehr gerne weiter.

Veröffentlicht am 31.12.2023

Auf der Suche

Die Bibliothek im Nebel
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Drei verschiedene Zeitebenen, drei verschiedene Momente, in welchen Menschen auf der Suche sind – 1917 sucht der junge Bibliothekar seine große Liebe Mara und flieht aus St. Petersburg Richtung Leipzig, ...

Drei verschiedene Zeitebenen, drei verschiedene Momente, in welchen Menschen auf der Suche sind – 1917 sucht der junge Bibliothekar seine große Liebe Mara und flieht aus St. Petersburg Richtung Leipzig, 1928 ist die elfjährige Liette an der Cote d’Azur auf der Suche nach dem Geheimnis eines verschlossenen Büchleins und im Jahre 1957 schließlich begibt sich ebendiese Liette gemeinsam mit einem Gentelman-Ganoven auf die Suche nach einer Russin namens Mara. Verschlungene Wege, die beschritten werden, laden den Leser ein auf eine mysteriöse Reise.

Wortgewaltig und bildreich, dennoch ruhig und besonnen präsentiert sich Kai Meyers Schreibstil, welcher den Leser sofort für sich einnimmt. Stilistisch fesselnd wie ein opulenter russischer Roman benötigt diese verwirrende Geschichte die volle Aufmerksamkeit des Betrachters, geht es doch recht abwechslungsreich zu in verschiedenen Zeiten, an verschiedenen Orten mit verschiedenen Personen, die durchaus auch ihre Namen wechseln. Alles ist perfekt miteinander verwoben, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, in jedem Ende wohnt auch ein Anfang inne, welchen man nicht immer vorhersehen kann. Schwierig ist es jedoch bisweilen, sich ganz auf die Handlung einzulassen und sich darauf zu konzentrieren, irgendwie schweife ich immer wieder ab vom Fokus des Geschehens ob der ausladenden Details, die stets präsentiert werden.

Listige Figuren, grausame Methoden der russischen Schergen, Drogen und nicht zuletzt Bücher spielen eine gewichtige Rolle in diesem vielfältigen Roman. Trotz der einnehmenden Sprache und der gekonnten Verknüpfung vieler einzelner Schauplätze und Szenen ist mir das Ganze aber weitgehend fremd geblieben und hat mich in keiner Weise irgendwie berührt. Schade, denn die meisten Leser sprechen sehr begeistert über dieses Buch.