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Veröffentlicht am 14.12.2022

Ein Weihnachtsmärchen für Erwachsene

Andere Sterne
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Die 10jährige Ronja und ihre ältere Schwester Melissa leben mit dem Vater im Arbeiterviertel Tøyen in Oslo. Die Situation der beiden Mädchen ist aber alles andere als rosig – der Vater ist aufgrund seiner ...

Die 10jährige Ronja und ihre ältere Schwester Melissa leben mit dem Vater im Arbeiterviertel Tøyen in Oslo. Die Situation der beiden Mädchen ist aber alles andere als rosig – der Vater ist aufgrund seiner Alkoholsucht immer wieder arbeitslos. Um vielleicht einen Christbaum in die Wohnung stellen zu können oder gar ein paar Geschenke zu bekommen, vermittelt Ronja ihrem Vater den Job eines Weihnachtsbaumverkäufers, aber auch das geht nicht lange gut und so übernehmen die Schwestern die Arbeit am Markt.

Mit etlichen traurigen Eindrücken schildert Ronja ihre schwierige Kindheit. Wenige hoffnungsvolle Momente mit ihrem Freund, dem Hausmeister, und ihrer Schwester, die sich liebevoll um sie kümmert, durchbrechen den eher tristen Alltag der kleinen Familie. Ohne sentimentale Worte bringt die Autorin diese Geschichte zu Papier, trotz der traurigen Grundstimmung schwingt viel Menschlichkeit und Fürsorge mit. Spürbar ist besonders Ronjas Hoffnung, dass es irgendwann tatsächlich besser wird, ein Lichtlein leuchtet am Horizont. Ihr großes Vorbild ist das Mädchen mit den Schwefelhölzern. Einige Zeit darf man als Leser Ronja und Melissa durch die Vorweihnachtszeit begleiten, bis Realität und Illusion eins werden. Ein gelungenes Ende mit individuellen Deutungsmöglichkeiten schließt das Erwachsenenmärchen gelungen ab, sodass für persönliche Interpretation genug Spielraum bleibt. Allerdings war ich im allerersten Moment unsicher, ob ich nicht vielleicht ein wesentliches Detail überlesen habe.

Fazit: eine ungewöhnliche und tendenziell eher traurige Erzählung, die aber durchaus ihren Reiz hat, fernab von Kitsch und Glitzer.



Titel Andere Sterne

Autor Ingvild H. Rishøi

ISBN 978-3-8321-8214-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 152 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 20. September 2022

Verlag DuMont

Originaltitel Stargate. En julefortelling

Übersetzer Daniela Syczek

Veröffentlicht am 13.12.2022

Realer Hintergrund

Ginsterhöhe
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Eine Granate hat ihm seinen besten Freund geraubt und sein Gesicht zerstört. Als einer der Letzten kehrt der junge Bauer Albert Lintermann 1919 aus dem Krieg zurück in seine Heimat Wollseifen. Von seiner ...

Eine Granate hat ihm seinen besten Freund geraubt und sein Gesicht zerstört. Als einer der Letzten kehrt der junge Bauer Albert Lintermann 1919 aus dem Krieg zurück in seine Heimat Wollseifen. Von seiner Fratze abgestoßen, wendet sich Ehefrau Bertha ab, aber irgendwie muss der Alltag weitergehen. Mit einigen Freunden im Dorf und seiner Familie gelingt es dem engagierten Mann schließlich, seinen Platz in der Gemeinschaft wiederzufinden. Aber als die Zeichen für eine hoffnungsvolle Zukunft stehen, erstarken die Nazis und schmieden Pläne für das Gebiet rund um das kleine Bergdorf.

Basierend auf wahren Begebenheiten in der Nordeifel hat Anna-Maria Caspari diesen berührenden Roman verfasst. Die eingehende Beschäftigung mit dem Schicksal der damaligen Dorfbewohner ist beim Lesen allgegenwärtig. Einfühlsam, aber dennoch mit eindringlichen Worten schildert sie nicht nur Alberts Leid, sondern geht auf verschiedene Personen und deren Gefühlswelt ein. Die Abgeschiedenheit am Berg, das Beisammensein am Stammtisch und in der Sonntagsmesse, das stete Bangen um eine ausreichende Ernte – viele Gründe, welche die Wollseifener zusammenhalten lassen. Und auch nach dem Großen Krieg kümmert man sich um Fortschritt, um die Elektrifizierung und einen Wasseranschluss. Hartes Arbeiten ist man von Kindesbeinen an gewöhnt, gejammert wird selten. So ist nun einmal der Lauf der Dinge.

Zwischen den Szenen kommt der Dorflehrer Faßbender zu Wort, der gerne seine Gedanken sortiert, indem er sie, Satz für Satz, aufschreibt – Politisches, Wirtschaftliches und ganz Persönliches. Durch diesen Mix an unterschiedlichen Perspektiven gewinnt dieses Buch noch mehr an Lebendigkeit, lässt den Leser Freud und Leid spüren, die Beklemmung, welche sich mit den Nationalsozialisten über das Dorf legt. Die friedvolle Natur steht in krassem Gegensatz zu den Taten der Nationalsozialisten, dazwischen versuchen unbescholtene Menschen, ihr Leben zu meistern.

Mit dem Buch „Ginsterhöhe“ hat Anna-Maria Caspari ein einzigartiges Zeitzeugnis vorgelegt, welches zeigt, wie schnell Söhne vergessen, was ihren Vätern im Krieg widerfahren ist. Möge der Nationalpark Eifel dieses Andenken auch weiterhin aufrechterhalten und die Wüstung Wollseifen als Mahnmal dienen. Szenen, die tief unter die Haut gehen, aber niemals so grausam werden, dass man das Buch beiseitelegt – eine perfekt gelungene Erzählung, die ich sehr, sehr gerne allen empfehle, die sich für die Zeitspanne 1919 – 1949 interessieren.



Titel Ginsterhöhe

Autor Anna-Maria Caspari

ASIN B09XFDXB8L

Sprache Deutsch

Ausgabe ebook

ebenfalls erhältlich als Taschenbuch (401 Seiten) und Hörbuch

Erscheinungsdatum 24. November 2022

Verlag Ullstein

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.12.2022

Die Puppenmacherin

Käthe Kruse und das Glück der Kinder
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Käthe Kruse verkauft ihre ersten Puppen und bekommt kurz vor Weihnachten ein Angebot aus Übersee, eine größere Menge zu liefern. Bald hat sie mehrere Arbeiterinnen, die ihr zur Hand gehen und die Marke ...

Käthe Kruse verkauft ihre ersten Puppen und bekommt kurz vor Weihnachten ein Angebot aus Übersee, eine größere Menge zu liefern. Bald hat sie mehrere Arbeiterinnen, die ihr zur Hand gehen und die Marke Käthe Kruse wird bekannter. Dies verleitet andere Spielzeughersteller dazu, die neuartige Kreation der jungen Künstlerin nachzuahmen, was bei Käthe natürlich zu Ärger führt. Soll sie das einfach als indirekte „Werbung“ hinnehmen oder gegen die männerdominierte Geschäftswelt vorgehen?

Nahtlos knüpft dieser Teil an seinen Vorgänger an, der für das Verständnis allerdings nicht zwingend notwendig ist. Kurze Rückblenden und Erklärungen zu früheren Ereignissen finden sich hier immer wieder. Ein Fehler ist es jedoch trotzdem nicht, Käthes schwierige Kindheit und ihre Jahre als Schauspielerin im Detail kennenzulernen. Nun verbessert die Puppenmacherin ihre Kunstwerke beständig und legt größten Wert auf Qualität bei Materialien und Verarbeitung. Schließlich sollen die Kinder mit ihren Puppen spielen können und nicht schon nach kurzer Zeit gebrochene Biskuitköpfe in Händen halten. Während ihr Ehemann Max dereinst eine Puppenkopfpresse erfunden hat und sich somit für alle Zeiten als maßgeblich beteiligt am Gewinn ansieht, arbeitet Käthe selbst beständig in ihrer Werkstatt mit, denkt über Weiterentwicklungen nach und ist alsbald diejenige, die die Familie finanziell über Wasser hält. Insbesondere die Jahre während des ersten Weltkriegs und die Zeit danach sind ja von ständiger Geldentwertung geprägt.

Private und berufliche Einblicke in das teils sehr unstete Leben der Käthe Kruse gewährt Julie Peters, wobei leider kein Nachwort vorhanden ist, welches über tatsächliche Gegebenheiten und eingeflochtene Romanelemente aufklärt. Dennoch vermag die Autorin ein stimmiges Bild zu zeichnen über eine besonders engagierte Geschäftsfrau und Mutter, denn neben dem Puppengeschäft kümmert sich Käthe auch liebevoll um ihre große Kinderschar. Wie bereits im ersten Teil sind die Figuren Käthe, Max und deren Nachkommen gut vorstellbar charakterisiert, sodass man sich das Leben ab 1911 bildhaft vorstellen kann. Glückliche Zeiten wechseln mit schwierigen ab, aber die ehrgeizige Puppenmutter verliert nie ihr Ziel aus den Augen.

Eine stimmungsvolle Zeitreise zu einer Frau, die sich emanzipiert und doch wieder nicht, findet der Leser hier vor – in der Gesamtheit mit dem ersten Band das gesamte Leben der Käthe Kruse, hier, im zweiten Band liegt der Schwerpunkt (wie bereits in den Klappentexten erwähnt) bei Puppen und Geschäften.



Titel Käthe Kruse und das Glück der Kinder

Autor Julie Peters

ISBN 978-3-7466-3835-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 393 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 6. Dezember 2022

Verlag Aufbau Taschenbuch

Reihe Die Puppen-Saga, Teil 2

Veröffentlicht am 10.12.2022

Puzzleteile

Die letzte Party
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Die Bewohner eines kleinen Dorfes in Wales pflegen ihre Tradition des Neujahrschwimmens im kalten See. Niemand weiß, wann das alles begonnen hat, aber in diesem Jahr wird rasch abgebrochen – im Wasser ...

Die Bewohner eines kleinen Dorfes in Wales pflegen ihre Tradition des Neujahrschwimmens im kalten See. Niemand weiß, wann das alles begonnen hat, aber in diesem Jahr wird rasch abgebrochen – im Wasser schwimmt ein lebloser Körper. Die Einheimische Ffion und der Engländer Leo werden zusammen an den Tatort geschickt, um zu ermitteln.

Eine tiefe Kluft herrscht zwischen den Ortsansässigen Walisern und den neu Zugezogenen im elitären Feriendorf The Shore. Die geographische Grenze am See unterstreicht die krassen Gegensätze – hier die eher konservativen Menschen, dort die Reichen und Schönen. Der Gründer der exquisiten Siedlung gibt zu Silvester eine ausschweifende Party und lädt auch die Einheimischen zu prickelndem Champagner ein – um selbst die Party nicht zu überleben.

Stück für Stück greift Autorin Mackintosh einzelne Puzzleteile auf, skizziert in Kapiteln aus verschiedensten Blickwinkeln die Ermittlungen und in anderen Szenen den Einzug der Neuen, sowie Ausschnitte aus der Party. In einem zweiten großen Teil ist der Leser bereits in wesentliche Details eingeweiht, die Geheimnisse um die Leiche sind aber noch nicht gelüftet. Wie in Blaupausen kehren manche Episoden wieder, werden neue Erkenntnisse mit vorhandenem Wissen verknüpft. Viele Personen sind beim Lesen auseinanderzuhalten, walisische, nicht aussprechbare Ausdrücke hemmen immer wieder den Lesefluss, insbesondere, da sie oft weder übersetzt noch indirekt erläutert werden. Mehrfach zieht sich in der Mitte die zweifellos interessante und gut durchdachte Geschichte langatmig dahin und verliert an Reiz. Am Ende hingegen ergeben sich noch unerwartete Wendungen und eine stimmige Auflösung, die wieder ein wenig versöhnt.

Tradition und Landschaft können hier punkten, ein sonderbares Ermittlerduo ebenfalls. Die Gegenwart als Erzählform erweist sich allerdings eher als lähmend, sodass zusammen mit der inhaltlichen Langatmigkeit einer grundsätzlich guten Romanidee ein bisschen an fesselndem Flair verloren geht.



Titel Die letzte Party

Autor Clare Mackintosh

ISBN 978-3-426-22800-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 496 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 1. Dezember 2022

Verlag Knaur

Reihe Ein Fall für Ffion Morgan

Originaltitel The Last Party

Übersetzer Sabine Schilasky

Veröffentlicht am 05.12.2022

Nathalie Svensson beruflich und privat

Der Tod in dir (Ein Nathalie-Svensson-Krimi 6)
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Die beste Chirurgin im Haus, Isabella Falk, wird vor den Augen ihrer Kollegin Nathalie Svensson und Kommissar Johan Axberg angeschossen. Das Motiv scheint unklar, bis sich herausstellt, dass die erfolgreiche ...

Die beste Chirurgin im Haus, Isabella Falk, wird vor den Augen ihrer Kollegin Nathalie Svensson und Kommissar Johan Axberg angeschossen. Das Motiv scheint unklar, bis sich herausstellt, dass die erfolgreiche Ärztin zuletzt bedroht worden ist und trotz ihrer Selbstsicherheit Angst verspürt hat. Der Bruder einer verstorbenen Patientin und eine terroristische Gruppe geraten unter Verdacht und Nathalie und Johan in schwierigere Ermittlungen als anfangs gedacht.

Rasant beginnt dieser Krimi in Uppsala, wo es zu kalt ist, um zu schneien. Das Schussattentat, Nathalies Betroffenheit und Johans beherztes Eingreifen sind detailliert und bildhaft beschrieben, schnell ist man selbst sozusagen am Ort des Geschehens angelangt. Auch danach geht alles Schlag auf Schlag, fast rascher, als für den Leser glaubhaft ist, insbesondere, da es sich um einen Freitagabend handelt. Auch sonst kommen einige Male unschlüssige und weniger nachvollziehbare Tatsachen vor, die einen innehalten lassen im Lesefluss.

Gut mit der Kriminalhandlung verwoben ist Privates rund um Nathalie und die Thematik der hospitalisierten Mutter, welche psychischen Druck auf die Ärztin ausübt, die ja auch in die Ermittlungen eingebunden ist als Mitglied der Einheit für operative Fallanalyse. So gerät Nathalie in einen Gewissenskonflikt zwischen Mutter, eigener Familie und Polizeikollegen. Diese und andere Themen sind interessant verarbeitet und regen durchaus zum Nachdenken an. Auch der lockere Schreibstil fließt angenehm dahin und lädt mit kurzen, übersichtlichen Kapiteln zum steten Weiterlesen ein. Bei den verschiedenen Figuren bleibt man lange im Ungewissen, wie man sie einschätzen soll, etliche scheinen Dreck am Stecken zu haben und verdächtig zu sein, wirklich sympathisch ist kaum jemand, was dem Krimi selbst aber keinen Abbruch tut.

Vielfältige Problemfelder und Personen mit Ecken und Kanten stehen einer Ermittlung gegenüber, die wie im Fluge vonstattengeht und daher ein wenig an Glaubwürdigkeit einbüßt. Dennoch kann ich mir vorstellen, auch noch andere Bände der Svensson-Reihe zu lesen, welche jeweils in sich abgeschlossen sind.



Titel Der Tod in dir

Autor Jonas Moström

ISBN 978-3-548-06536-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 448 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book

Erscheinungsdatum 24. November 2022

Verlag Ullstein

Reihe Ein Nathalie-Svensson-Krimi

Originaltitel Skytten

Übersetzer Dagmar Mißfeldt