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Veröffentlicht am 30.10.2022

Antarktischer Winter

The Dark
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Als Ersatz für den französischen Arzt Jean-Luc, der in einer Gletscherspalte verunglückt ist, springt Kate North ohne viel Zaudern ein und lässt sich zur kleinen Forschungsstation in der Antarktis fliegen. ...

Als Ersatz für den französischen Arzt Jean-Luc, der in einer Gletscherspalte verunglückt ist, springt Kate North ohne viel Zaudern ein und lässt sich zur kleinen Forschungsstation in der Antarktis fliegen. Unter schwierigen und sowohl physisch wie psychisch belastenden Bedingungen soll sie dort mit zwölf weiteren Mitgliedern ein Jahr in der Antarktis verbringen, einige Wintermonate davon in dauernder Dunkelheit. Nach einiger Zeit des Eingewöhnens beschleicht Kate der Verdacht, dass Jean-Lucs Tod vielleicht gar kein Unfall war, sondern ein Mörder unter ihnen weilt. Wem kann sie jetzt noch vertrauen?

Ab der ersten Seite schafft es Emma Haughton hervorragend, die besondere Atmosphäre in der Antarktis zu vermitteln. Die klirrende Kälte geht trotz Schutzkleidung rasch durch bis auf die Knochen, während die Weite der unberührten weißen Natur fasziniert. Die Enge der Schlafkammern erinnert an karge Arrestzellen, während die Forschung aufregende und beeindruckende Ergebnisse liefert. So zeigt sich der ferne Ort der Wissenschaft voller fesselnder Gegensätze, wo jeder der dreizehn Mitarbeiter seinen festen Platz hat. Trotz eingehender Beschreibung der einzelnen Charaktere ist es nicht ganz so einfach, alle sofort auseinanderzuhalten und den Überblick über die unterschiedlichen Personen zu bewahren – hier ist das praktische Personenverzeichnis zu Beginn hervorzuheben.

Kate erzählt in der Ich-Perspektive und bringt dadurch ihre ganz persönliche Geschichte mit. Erst nach und nach erfährt man, was sie bewogen hat, so rasch ihr bisheriges Leben hinter sich zu lassen und die Arztstelle im ewigen Eis anzutreten. Langsam aber stetig steigt die Spannung, ebenso wie Kates Schmerz- und Schlafmittelverbrauch. Die Situation im „geschlossenen Raum“ ist so authentisch und atemberaubend festgehalten, dass man nur noch unablässig eine Seite nach der anderen lesen muss. Der eingängige und flüssige Schreibstil Haughtons tut dazu nur sein Übriges. Somit bleibt dem Leser kaum etwas anderes übrig, als mit Kate mitzurätseln, Fakten zu sammeln und das Puzzle Stück für Stück zusammenzusetzen.

Spannende 400 Seiten, welche das Geschehen auf engstem Raum wiedergeben und die ich bezüglich Inhalt und schriftstellerischer Umsetzung nur empfehlen kann.



Titel The Dark

Autor Emma Haughton

ISBN 978-3-426-22793-0

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 400 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 2. November 2022

Verlag Knaur

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.10.2022

Lebensträume

Sieben Tage am Meer
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Gitta, Marlies und Cornelia sind seit ihrer Schultage eng befreundet und verbringen immer wieder sogenannte Mädelstage miteinander. Nun, in ihren 50ern, verbringen sie eine Woche auf Sylt und stellen fest, ...

Gitta, Marlies und Cornelia sind seit ihrer Schultage eng befreundet und verbringen immer wieder sogenannte Mädelstage miteinander. Nun, in ihren 50ern, verbringen sie eine Woche auf Sylt und stellen fest, dass sie ihre Lebensträume nicht so recht realisiert haben. Bevor sie tagelang mit Unmengen von Gin Tonic herumjammern können, erscheint allen dreien im Traum ein Engel, welcher sie dazu ermuntert, das Positive im Leben zu sehen und anderen zu helfen.

Rasch sind die drei Damen, die mitten im Leben stehen, vorgestellt und auf der schicken Ferieninsel angekommen. Aber anstatt freudvoll auf die vergangenen Jahrzehnte zurückzublicken, beklagen sie Kinderlosigkeit, einen untreuen Ehemann und eine nie stattgefundene Künstlerkarriere. Auf Sylt jedoch bläst eine steife Oktoberbrise – oder doch der nette Engel aus dem Schlaf? – die trüben Gedanken weg. Mit guter Laune und voller Neugier, ob der Himmelsbote echt oder doch nur dem Alkohol geschuldet ist, wird das ursprünglich geplante Wochenende verlängert und erprobt, was man denn wem Gutes tun könnte.

Ein lockerer Schreibstil lädt ein zu unterhaltsamen Tagen am Meer. Trotz guter Ideen bleibt das Geschehen aber überzeichnet und geprägt von Zufällen. Fern der Realität spielt sich die Handlung ab, obwohl natürlich der Rat, einfach einmal den Blickwinkel zu ändern, recht sinnvoll und zielführend sein kann. So beginnen die Freundinnen endlich, ihre Perspektive zu überdenken und Glück in ihrer eigenen Person zu finden, anstatt neidzerfressen auf andere zu schauen. Die Rahmenhandlung mit dem Engel ist passend gewählt, die überschaubare Insel mit ihrem Flair und der Weite des Meeres passen ebenso gut zur Handlung. Die Figuren selbst sind recht unterschiedlich, womit sich angenehmer Abwechslungsreichtum ergibt, in ihrem Tun aber – aus meiner Sicht – doch immer wieder sehr unrealistisch. Andererseits kann wohl gerade dadurch der innere Wandel verdeutlicht werden.

Unterhaltsame Stunden mit einem „typischen Frauenroman“.



Titel Sieben Tage am Meer

Autor Ella Rosen

ISBN 978-3-404-18346-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 288 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 26. Februar 2021

Verlag Lübbe

Veröffentlicht am 27.10.2022

Humorvolles und Tragisches in Bayern

Herzschuss
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In einem Hotelrohbau liegt die Leiche des Abgeordneten Gansel. Dass es sich um Mord handelt, steht rasch fest. Als Verdächtiger stellt sich ausgerechnet Polizeihauptmeister Leonhardt Kreuthner heraus, ...

In einem Hotelrohbau liegt die Leiche des Abgeordneten Gansel. Dass es sich um Mord handelt, steht rasch fest. Als Verdächtiger stellt sich ausgerechnet Polizeihauptmeister Leonhardt Kreuthner heraus, der vor 30 Jahren mit Gansels Ehefrau Philomena zusammen war. Zu allem Unglück gesellt sich noch die neue Vorgesetzte Karla Tiedemann, die auf eine rasche Aufklärung drängt, um ihre eigene Karriere voranzutreiben. Kommissar Clemens Wallner gerät zwischen zwei Fronten – soll er an Leonhardts beteuerte Unschuld glauben oder seinen Kollegen einfach rasch hinter Schloss und Riegel bringen?

Von der ersten Seite weg voller Humor und köstlicher Unterhaltung präsentiert sich dieser bereits zehnte Band rund um Kreuthner und Wallner. Bestimmt ist es spannend, die bisherigen Krimis zu kennen, aber auch Neueinsteiger kommen hier voll auf ihre Kosten. Die Ermittlungen wegen Gansel stehen im Vordergrund, dennoch reichen viele Episoden in Form von Erzählungen unter Kollegen weit in die Vergangenheit zurück. Man glaubt kaum, welche zwei Gesichter Kreuthner in seiner Person vereint und nicht nur den Leser, sondern auch seine Freunde zu hellem Lachen bringt, manche aber auch zu schierer Verzweiflung.

Sehr lebendig mit vielen launigen Dialogen, teils in bayrischer Mundart, geht es in diesem Krimi flott dahin. Unterschiedlichste Charaktere, liebevoll und detailreich skizziert, ebenso wie diverse Blickwinkel verleihen dem Ganzen einen interessanten Anstrich, sodass man das Buch kaum zur Seite legen kann. Authentische und humorvoll überzeichnete Figuren hauchen der durchwegs logisch aufgebauten Handlung einen passenden Schuss an Dramatik ein. Viele Verstrickungen und Wirren werden aufgeworfen, wer der wahre Mörder ist, bleibt bis zum Schluss im Dunklen – genau so, wie man sich das erwarten darf.

Für Kenner ein Muss, wer Lokalkrimis mit einem Anschlag auf die Lachmuskeln mag, sollte zugreifen. Und ich, ich werde rasch die bisherigen Bände in mein Bücherregal holen!



Titel Herzschuss

Autor Andreas Föhr

ISBN 978-3-426-22670-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 384 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 2. November 2022

Verlag Knaur

Reihe Ein Wallner & Kreuthner Krimi

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.10.2022

Im Stillen

Ein Kind namens Hoffnung
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Elly Berger, 1900 als Tochter einer Pfarrerfamilie geboren, ist Köchin im bekannten Berliner Hotel Adlon und geht später in Stellung bei der jüdischen Familie Sternberg. Anfangs genießt sie das Leben in ...

Elly Berger, 1900 als Tochter einer Pfarrerfamilie geboren, ist Köchin im bekannten Berliner Hotel Adlon und geht später in Stellung bei der jüdischen Familie Sternberg. Anfangs genießt sie das Leben in der Stadt in vollen Zügen, als jedoch Sternbergs Sohn Leon das Licht der Welt erblickt, schlägt ihr Herz für den kleinen Erdenbürger. Daher denkt sie keine Sekunde nach, den Buben als den ihren auszugeben und zu fliehen, nachdem die Familie bei den Nazis denunziert worden ist.

Schwere Zeiten stellt Marie Sand dar in diesem bedrückenden und düsteren Roman. Aufgrund von Erzählungen ihrer Großmutter, welche ebenfalls Köchin gewesen ist in einem jüdischen Haushalt, beginnt die Autorin zu recherchieren und bildet hier – stellvertretend für viele stille Helden – die fiktive Geschichte von Elly Berger ab. Beeindruckend zeigt sich, wie Elly ihr eigenes Leben hintenanstellt, um dem kleinen Leon Schutz und Sicherheit zu bieten, ohne selbst zu wissen, wie sie das denn in diesen Zeiten bewerkstelligen kann. Ihr Augenmerk ist stets auf das Wohl des zarten und schwachen Kindes gerichtet, selbst wird sie immer mehr zu einem funktionierenden Wesen.

Obwohl die tristen Lebensumstände und die schwierigen Verhältnisse in Zeiten von Hunger und Kälte spürbar unter die Haut gehen, so bleibt Elly doch die vielen Jahre hindurch distanziert und wenig greifbar für den Leser. Spiegelt diese Verzerrung der Figur vielleicht den inneren Rückzug wider, die einzige Möglichkeit, durchzuhalten? Ist das Reduzieren auf Arbeiten und Schlafen eine Strategie, nicht durchzudrehen oder zu resignieren, sondern für die Kinder, die Zukunft, einen maschinengleichen, strikten Tagesablauf einzuhalten und aus den letzten Überresten noch ein paar Bissen Nahrung auf den Tisch zu bringen? Möglich, dass deshalb kaum eine unmittelbare Nähe zu dieser wunderbaren und uneigennützigen Person aufgebaut werden kann. Lange hat der Leser das Gefühl, die gesamte Geschichte wie durch einen nebulösen Schleier zu betrachten, als ob Elly eine unsichtbare Wand rund um sich und Leon aufgezogen hätte, hinter der sie sich verstecken möchte, bis endlich alles vorbei ist.

Erst sehr spät, nämlich am Ende des stillen Romans, der ohne mahnenden Zeigefinger dunkle Kapitel des letzten Jahrhunderts wachruft, wandelt sich auch die Gefühlswelt, welche nunmehr auf den Leser überzuspringen vermag. Plötzlich verspürt man ein Kribbeln unter der Haut und Glück, das die kommenden Tage bringen werden. Wie viel hat passieren müssen, dass Elly und ihre Lieben ankommen können in einer neuen Welt, in einer Welt, die dem Namen des Romans „ Ein Kind namens Hoffnung“ gerecht werden kann?

Düster, traurig, mit kaum wahrzunehmender Zuversicht, so präsentiert Marie Sand ihr Romandebüt – man darf gespannt sein auf ihr nächstes Buch …



Titel Ein Kind namens Hoffnung

Autor Marie Sand

ISBN 978-3-426-30909-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 288 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 4. Oktober 2022

Verlag Droemer

Veröffentlicht am 22.10.2022

Hanna Ahlander ermittelt

Kalt und still
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Nach beruflichen und privaten Niederlagen fliegt Hanna Ahlander, 34, nach Åre ins Feriendomizil ihrer fürsorglichen Schwester Lydia. Eigentlich will sie sich hier ganz in ihr Schneckenhaus zurückziehen, ...

Nach beruflichen und privaten Niederlagen fliegt Hanna Ahlander, 34, nach Åre ins Feriendomizil ihrer fürsorglichen Schwester Lydia. Eigentlich will sie sich hier ganz in ihr Schneckenhaus zurückziehen, als sie von einer vermissten Schülerin erfährt. Nun ist Hannas innerer Antrieb als Polizistin geweckt und sie schließt sich der Suchtruppe Missing People an. Der Zufall will es, dass die junge Frau bald mehr weiß als die örtliche Polizei.

Als begeisterter Leser der Sandhamn-Krimis ist man anfangs ein wenig verwundert, dass der kantige Schreibstil mit sehr kurzen Sätzen im Präsens recht anders ist als bisher gewohnt. Nichtsdestotrotz siegt die Neugierde auf die neue Reihe rund um Hanna Ahlander am fernen Polarkreis. Sofort nimmt einen die stumme Schneelandschaft eines der ältesten Schigebiete in Schweden gefangen - Viveca Sten ist ein Profi, was die Verflechtung bezaubernder Landschaften mit einer interessanten und unterhaltsamen Handlung anbelangt.

Auch im klirrend kalten Norden entwirft sie realistische und authentische Figuren, welche natürlich gerade bei diesem Serienauftakt viel Persönliches von sich preisgeben. Gleichzeitig kommt aber die Krimihandlung keineswegs zu kurz: schon im Prolog sorgt eine grausame Entdeckung für Entsetzen, die Spannung bleibt lange gemächlich, steigt dann jedoch im Laufe der letzten Kapitel dramatisch an, wie es bei einem soliden Krimi sein soll. Verschiedene Fährten, überraschende Wendungen und wissenswerte Inhalte beschäftigen nicht nur Hanna, sondern auch den Leser, der gerne mitermittelt und eigene Schlüsse zieht anhand der stets neu eingestreuten Informationen. Der eher temperamentvolle und hitzköpfige Polizist Daniel Lindskog und Hanna Ahlander, die gerne aus dem Bauch heraus handelt und gleichzeitig brillant kombiniert, stellen die Hauptfiguren dar in Stens neuer Krimiserie.

Anfangs ein wenig skeptisch ob der gewählten Zeitform des Präsens, überzeugt dieses gelungene Buch aber recht bald durch die bildhaft charakterisierten Personen, eine malerische, bei minus 20 Grad mitunter auch tödliche Szenerie und eine gut durchdachte und logische Handlung, sodass man nur gespannt auf den nächsten Band warten kann. Ebenso wie bei „Thomas Andreasson ermittelt“, werde ich also auch hier dranbleiben. 5*



Titel Kalt und still

Autor Viveca Sten

ISBN 978-3-423-26338-2

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 512 Seiten

ebenfalls erhältlich als e-book und Hörbuch

Erscheinungsdatum 19. Oktober 2022

Verlag dtv

Originaltitel Offermakaren

Reihe Ein Polarkreis-Krimi

Übersetzer Dagmar Lendt

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere