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Veröffentlicht am 09.06.2022

Ein unkonventionelles Ermittlerduo

Akte Nordsee - Am dunklen Wasser
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Fentje Jacobsen betreibt ihre Anwaltskanzlei am Bauernhof ihrer Großeltern, wo sie sich nicht nur um ihre Klienten, sondern auch um eine pubertierende Nichte, die Oma mit beginnender Demenz und nicht zuletzt ...

Fentje Jacobsen betreibt ihre Anwaltskanzlei am Bauernhof ihrer Großeltern, wo sie sich nicht nur um ihre Klienten, sondern auch um eine pubertierende Nichte, die Oma mit beginnender Demenz und nicht zuletzt um ein paar bockige Schafe kümmert. Eines Morgens liegt ein verletzter, benommener junger Mann auf ihrer Weide und hat keine Idee, wie er dorthin gekommen ist. Diese Amnesie wird zu seinem Fallstrick, da er für die Polizei als passender Täter in einem Mordfall infrage kommt. Und schon hat Fentje, in Strafsachen unerfahren, einen neuen Mandanten …

Anders als bei Almstädts Pia-Korittki-Reihe geht es hier an der Nordsee nicht um typische Polizeiarbeit, sondern um den persönlichen Ehrgeiz und die Intuition der Anwältin Fentje Jacobsen und des Journalisten Niklas John. Beide sind auf unterschiedliche Weise an der Aufklärung eines Verbrechens interessiert und stecken ab, ob und wie sie zusammenarbeiten sollen. Eine spannende Spurensuche nimmt ihren Lauf.

Sehr anschaulich präsentiert Almstädt ihre Protagonisten: während Fentje schon einmal in Gummistiefeln vor ihren Klienten auftaucht, kommt John als arroganter Schönling daher. Dass ein derart ungleiches Paar für Unterhaltung beim Lesen sorgt, liegt auf der Hand. Mit humorvollen Dialogen und höchst eigenwilligen Methoden werden Fakten gesammelt und Stück für Stück zu einem Puzzle zusammengefügt. Gekonnt werden private Details mit der Ermittlungsarbeit verquickt, sodass ein stimmiges Konzept inmitten der rauen Nordseelandschaft entsteht.

Mit einem guten Mix aus Landschaft, Atmosphäre, detailliert gezeichneten Charakteren und einer durchwegs plausiblen Krimihandlung schafft die Autorin einen sehr ansprechenden Auftakt ihrer neuen Krimireihe. Die Entscheidung wird künftig also nicht zwischen Korittki oder Jacobsen fallen, sondern nur, wer zu welchem Zeitpunkt? Mein Interesse für diese Reihe ist jedenfalls geweckt!



Titel Akte Norsee – Am dunklen Wasser

Autor Eva Almstädt

ISBN 978-3-404-18574-0

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 416 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 27. Mai 2022

Verlag Lübbe

Reihe Akte Nordsee

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.06.2022

Eine Deutsche in Bad Gastein

Bitterwasser
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Eine interessante Stelle in Düsseldorf wird der erfahrenen Bibliothekarin Carolin Halbach vor der Nase weggeschnappt, bevor sich die wunderbare Gelegenheit ergibt, nach Bad Gastein zu wechseln: hier entsteht ...

Eine interessante Stelle in Düsseldorf wird der erfahrenen Bibliothekarin Carolin Halbach vor der Nase weggeschnappt, bevor sich die wunderbare Gelegenheit ergibt, nach Bad Gastein zu wechseln: hier entsteht ein moderner Kulturtreffpunkt und sie wird das neue Medienzentrum leiten. Doch schon bei der festlichen Einweihungsfeier ereignet sich ein Mord. War der Chefarzt der Kurklinik ein zufälliges Opfer oder ist er einem gezielten Attentat erlegen? Carolin Halbach, selbst passionierte Krimileserin, steckt rascher als beabsichtigt in den Ermittlungen der Polizei.

Ein gewitzter Prolog, die Idee zu einem Mord – und schon wechselt der Schauplatz an Carolins Seite: als Leser darf man sie per Bahn nach Bad Gastein begleiten und sogleich das Felsendorf mit seinem imposanten Wasserfall kennenlernen. Selbst wer den Kurort noch nie gesehen hat, findet sich bald zurecht zwischen den mehr übereinander als nebeneinander stehenden Häusern, den vielen Treppen, welche die 80 Meter Höhendifferenz zwischen dem Ortskern und dem Bahnhofsbereich überwinden, den teuren Luxushotels und den exklusiven Apartmenthäusern. Ausgezeichnete Recherche und eine merkliche persönliche Vorliebe der Autorin für das Gasteinertal kommen hier zum Ausdruck. So ist es kein Wunder, dass sich nicht nur Carolin inmitten der freundlichen Bewohner rasch zu Hause fühlt, sondern auch der Leser Gefallen findet an der rauen Natur und den erfrischend zerstäubenden Wassertröpfchen der Gasteiner Ache, die hier über den Fels mitten im Dorf herabschießt. Aber die detailgetreuen Beschreibungen beschränken sich nicht nur auf den Ort des Geschehens, auch die Personen in diesem Regionalkrimi werden genauestens und sehr glaubwürdig dargestellt. Kann es sein, dass hier wirklich (fast) alle so nett und beliebt sind, wie es bei Carolins Einstand in der Bibliothek den Anschein hat?

Fesselnd und flüssig ist Karina Ewalds Schreibstil, der Blickwinkel aus Carolins Sicht, allerdings nicht in der Ich-Form, sondern aus der eines neutralen Erzählers, ist stimmig und lässt den Leser ganz unmittelbar Carolins Eindrücke und Gedanken miterleben. Etliche Dialoge in Mundart lassen das Ganze zusätzlich recht authentisch wirken, ohne für Ortsfremde unverständlich zu sein. So entspinnt sich dieser Kriminalfall rasch zu einer spannenden Geschichte, welche von der Polizei im Nu abgehandelt würde, stünden dem nicht Caros Spürsinn und Agatha Christies Vorlagen entgegen, was ihr selber bald den Spitznamen „Miss Marple“ einträgt.

Logisch durchdacht, durchsetzt mit feinem Humor und kurzweilig vom ersten bis zum letzten Kapitel – welche übrigens nicht fade durchnummeriert sind, sondern jeweils passende Überschriften tragen – präsentiert sich Karina Ewalds erster Österreich-Krimi und sorgt für genussvolle Lesestunden. Meine Empfehlung dafür gibt es jedenfalls!



Titel Bitterwasser

Autor Karina Ewald

ISBN 978-3-7104-0310-1

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 320 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 25. Mai 2022

Verlag Servus

Reihe Ein Bad-Gastein-Krimi

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.06.2022

Ein Leben für Wörter

Die Sammlerin der verlorenen Wörter
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Nach dem Tod ihrer Mutter wächst Esme quasi unter dem Schreibtisch ihres Vaters auf, der als Lexikograph am Ersten Oxford English Dictionary arbeitet. Fasziniert ist sie von den Belegzetteln, von denen ...

Nach dem Tod ihrer Mutter wächst Esme quasi unter dem Schreibtisch ihres Vaters auf, der als Lexikograph am Ersten Oxford English Dictionary arbeitet. Fasziniert ist sie von den Belegzetteln, von denen so mancher unter den Tisch segelt und alsbald in ihrer eigenen Sammelkiste landet. Ihre Begeisterung für Wörter und Sprache begleitet sie ihr Leben lang, das weder einfach noch den üblichen Wegen einer Frau entsprechend verläuft.

Melodisch und ruhig verfasst Pip Williams diesen Roman über die Entstehung des bekannten Wörterbuches. Der Leser lernt Esme als kleines Mädchen kennen, begleitet sie in ihren Jugendjahren, wobei viele Einzelheiten zwischen den Zeilen zu erahnen sind, jedoch schon wenige Andeutungen ein klares Bild ergeben. Später, als sich Esme den Kämpferinnen für Frauenrechte anschließt und der Erste Weltkrieg ins Land zieht, werden die Schilderungen detaillierter. Immer jedoch steht das Sammeln von Wörtern für die wissbegierige junge Dame an erster Stelle, insbesondere Wörter, die mit Frauen zu tun haben oder aus weniger angesehenen Gesellschaftsschichten stammen. Denn wie soll Sprache und Tradition an spätere Generationen weitergegeben werden, wenn wesentliche Wörter fehlen?

Während sich zu Beginn die Handlung vorwiegend auf das Skriptorium und den dortigen Tagesablauf bezieht, kommt in der zweiten Hälfte des Romans deutlich mehr Schwung ins Geschehen. Die Stimmung wirkt oft melancholisch, fast traurig, ist das Leben Esmes doch keineswegs das, welches üblicherweise einer Frau Anfang des 20. Jahrhunderts zugeschrieben wurde. Aber sie nimmt jede Hürde mit Gelassenheit und stellt sich ihrem Schicksal.

Durch gründliche Recherche der Autorin fließen viele historisch belegte Einzelheiten in das Buch ein und tragen zu einer recht authentischen Schilderung bei. Wenngleich auch leise, so entsteht dennoch ein gewisser Sog beim Lesen und Esmes Leben berührt auf eine ganz besondere Art und Weise.

Fazit: ein ungewöhnliches Buch, dessen Flair mit fortschreitenden Kapiteln und Abschnitten immer mehr hervortritt. Lesenswert, wenn man sich für Wörter im Allgemeinen und Originalzitate im Besonderen – samt ausgezeichneter Übersetzung – interessiert.



Titel Die Sammlerin der verlorenen Wörter

Autor Pip Williams

ISBN 978-3-453-29263-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Fester Einband, 528 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 11. April 2022

Verlag Diana

Originaltitel The Dictionary of Lost Words

Übersetzer Christiane Burkhardt

Veröffentlicht am 01.06.2022

Verdächtig

Walpurgisnacht
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Während seine Frau mit Freunden auf Kreuzfahrt geht, soll der emeritierte Münchner Geschichtsprofessor Gregor Cornelius vier Wochen lang das Haus seines Patensohnes in Neukirchen hüten. Wer glaubt, dass ...

Während seine Frau mit Freunden auf Kreuzfahrt geht, soll der emeritierte Münchner Geschichtsprofessor Gregor Cornelius vier Wochen lang das Haus seines Patensohnes in Neukirchen hüten. Wer glaubt, dass es im Dorf mordslangweilig wird, ist sich jedoch des geflügelten Wortes nicht bewusst. Just nach Cornelius‘ Eintreffen wird in der Walpurgisnacht der junge Frauenheld Sascha Eichinger umgebracht. Ohne konkrete Absicht erfährt der Professor Details über den Toten und gerät schnell in den Sog der Ermittlungen. Bald scheint jeder im Dorf ein Motiv zu haben.

Detailreich und mit liebevollen Einzelheiten durchsetzt stellt Karoline Eisenschenk Professor Cornelius vor und schickt ihn alsbald in das idyllisch anmutende Bauerndorf. Rasch lernt der gesellige Pensionist seine Nachbarn kennen, muss aber schon bald feststellen, dass es mit dem scheinbaren Dorffrieden nicht allzu weit her ist. Je mehr er hört und sieht, umso mehr spinnt er sich seine eigenen Ideen zusammen und kommt der Polizei nicht nur einmal in die Quere. Meist liegt er aber gar nicht so verkehrt.

Rasch wechselnde Szenen, kurzweilige Kapitel und eine Menge verdächtiger Dorfbewohner bringen Tempo und Spannung ins Geschehen. Viele Kleinigkeiten werden geschickt angedeutet, Hinweise eingestreut, sodass die Handlung durchgehend stimmig und logisch abläuft. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, muss sich der Herr Professor doch mit modernen Küchengeräten und etlichen Handwerkern auseinandersetzen. Neben Cornelius sind auch die anderen Figuren fein herausgearbeitet und bestens vorstellbar. Fast radelt man selber von einem Dorfende zum anderen und hält da und dort einen Plausch.

Erfrischend im Schreibstil und mit passenden Überraschungen und Wendungen besticht dieser Regionalkrimi, sodass ich gerne eine Leseempfehlung für Walpurgisnacht abgebe.



Titel Walpurgisnacht

Autor Karoline Eisenschenk

ISBN 978-3-86906-298-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 216 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 25. März 2012

Verlag Allitera / Buch & Media

Veröffentlicht am 29.05.2022

Ein Theater

Die Ladys von Somerset – Die Liebe, der widerspenstige Ambrose und ich
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London, 1807: Als Waise Emma nun auch noch ihren Vormund verliert, muss sich die theaterbegeisterte junge Dame als Gesellschafterin bei Lady Darlington verdingen. Bei ihrer Aufgabe, Tochter Anthea irgendwie ...

London, 1807: Als Waise Emma nun auch noch ihren Vormund verliert, muss sich die theaterbegeisterte junge Dame als Gesellschafterin bei Lady Darlington verdingen. Bei ihrer Aufgabe, Tochter Anthea irgendwie mit dem reichen Nachbarn Mr. Livingston zu verkuppeln, läuft jedoch einiges aus dem Ruder. Verstrickungen und Verwicklungen mit unerwarteten Wendungen dominieren fortan diesen Roman, der selbst wie ein Theaterstück anmutet.

Nach einer kurzen Einführung ins Geschehen in London geht es auch schon hinaus aufs Land. Im beschaulichen Somerset passiert kaum etwas außer Livingstons legendären Jagden und seinem alljährlichen Sommerball. Während Emmas Auftrag bei Lady Darlington anfangs noch Spannung, Humor und witzige Episoden verspricht, so geht dieses Konzept leider nicht so recht auf. Die Dialoge im Roman sind aufgesetzt, langweilig reihen sich die Szenen aneinander, farblos und ohne spürbare Emotionen. Immer wieder fehlt es an Authentizität und Glaubwürdigkeit. Viele Themen werden von der Autorin aufgegriffen, Standesunterschiede, Ehre, Sklaverei, aber nichts davon wird dann eingehender betrachtet, alles plätschert oberflächlich dahin. Nur nicht anstreifen, scheint die Devise zu sein, von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit: Die Ladys von Somerset bleiben leider deutlich hinter den Erwartungen zurück, insbesondere, da Jane Austen erwähnt wird, lediglich das Grundgerüst und die Ideen für das gesamte Schauspiel können als gelungen betrachtet werden.



Titel Die Ladys von Somerset

Autor Julie Marsh

ISBN 978-3-7466-3942-0

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 402 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 11. April 2022

Verlag Aufbau