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Veröffentlicht am 26.12.2021

Gänsehaut garantiert - es ist klirrend kalt und gefährlich noch dazu

Eisflut 1784
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Hartung und Hornung 1784 (Jänner und Februar 1784): im tiefverschneiten Mühlheim am Rhein und im benachbarten Cöln ist Henrik Freiherr van Venray, Amtmann für policeyliche Wohlfahrterei im Dienste des ...

Hartung und Hornung 1784 (Jänner und Februar 1784): im tiefverschneiten Mühlheim am Rhein und im benachbarten Cöln ist Henrik Freiherr van Venray, Amtmann für policeyliche Wohlfahrterei im Dienste des bergischen Herzogs unterwegs, um einen Mörder zu stellen. Ein treuer Trupp an Männern trotzt der Eiseskälte, die nicht weichen will, die sich durch Felle und Decken, durch Redingote und Wollunterwäsche bis in Mark und Knochen durchfrisst. So heißt es also, nicht nur gegen Unrecht, sondern auch gegen Kälte und Hunger anzukämpfen. Zu allem Übel droht noch eine Schmelzwasserflut ungeahnten Ausmaßes über Cöln und Mühlheim hereinzubrechen, denn insbesondere die Katholiken in Cöln sind zu Gebet und Buße aufgerufen, anstatt einen schützenden Deich aufzuschütten.

Nach einem etwas gewöhnungsbedürftigen Brief als Einstieg schwenkt die Handlung kurz nach Island im Jahre 1783, um das schreckliche Wetterphänomen zu erklären, das nur wenige Monate später über das Land am Rhein hereinbrechen soll. Und schon ist man in einer düsteren und beklemmenden Zeit angekommen, die Kälte hat alles und jeden fest im Griff, Hunger herrscht in fast allen Bevölkerungsschichten, nur die Reichsten und Vornehmsten haben noch zähes Pferdefleisch am Teller. Das einfache Volk findet nur noch schrumpelige und faulige Äpfel in den klammen Vorratskammern. Mit jedem Wintertag verschiebt sich zudem der Beginn des Frühlings und die Zeit der Aussaat, womit auch wieder die Hoffnung auf eine reiche Ernte von Tag zu Tag geringer wird. Ein Teufelskreis, den die Natur vorgibt.

Vor der hervorragend beschriebenen Kulisse dieses historischen Ereignisses ist also Venray auf Mörderjagd. Der Zufall will es, dass ihm die willensstarke und durchsetzungsfähige Apothekerwitwe Anna-Maria Scheidt dabei zu Hilfe kommt. Durch die realen Vorbilder (siehe Nachwort) bekommen die Figuren größtmögliche Authentizität und Glaubwürdigkeit, die detaillierte Recherche von Autor Marco Hasenkopf ergibt eine optimale Verquickung von Historie und Romangeschehen. Aufgrund der bildhaften Beschreibungen vieler Kleinigkeiten - Kleidung, Behausung, Speisen und Handwerksberufe - setzen sich ganz viele Einzelheiten zu einem phantastischen Zeitbericht zusammen. Man spürt in jedem Satz die Kälte, den Hunger, die Not nicht nur der Bettler in ihren Lumpen und gleichzeitig die Entschlossenheit Venrays und Scheidts, wie sie gegen Unrecht und dessen Vertuschung mutig und unbeirrbar vorgehen. Der vorherrschende Zeitgeist, die religiösen und politischen Konflikte vereinfachen dies aber nicht gerade.

Interessante geschichtliche Begebenheiten und eine frei erfundene Handlung ergeben eine überaus lesenswerte Fact-Fiction, wie Hasenkopf sehr treffend formuliert, umrahmt von einem sehr ansprechenden Titelbild als Blickfang zu Beginn und einem informativen Nachwort am Schluss. Wer akribische Recherche, historische Feinheiten und dazu eine spannende Geschichte schätzt, der ist hier genau richtig. Fünf Sterne und eine Leseempfehlung gebe ich für eine zutiefst beeindruckende Eisflut 1784.



Titel Eisflut 1784

Autor Marco Hasenkopf

ISBN 978-3-7408-1169-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 368 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 18. November 2021

Verlag emons

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.12.2021

Naturgewalten

Rue de Paradis
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Die Häuser am Cap Ferret liegen in einer malerischen Umgebung zwischen dem Bassin d’Arcachon und dem Atlantischen Ozean. Sturm und Wetter gewohnt, überrascht die Bewohner der Rue de Paradis dennoch eine ...

Die Häuser am Cap Ferret liegen in einer malerischen Umgebung zwischen dem Bassin d’Arcachon und dem Atlantischen Ozean. Sturm und Wetter gewohnt, überrascht die Bewohner der Rue de Paradis dennoch eine gewaltige Flut und fordert sogar ein Todesopfer. Um eine Wiederholung zu vermeiden, sollen die schmucken alten Häuschen abgerissen werden. Luc Verlain soll vermitteln, da nicht alle bereit sind, in einen langweiligen Vorort von Bordeaux zu übersiedeln und schon steckt er in einem kniffligen Fall an diesem idyllischen „Ende der Welt“.

Die Natur samt ihren gewaltigen Kräften begleitet diesen Krimi und bietet eine hervorragende Kulisse für Luc Verlains Ermittlungen. Auch wer ihn noch nicht kennt, findet sofort in die Handlung und verfolgt das Geschehen mit Spannung, sind doch die Figuren interessant und lebendig geschildert. Ungeahnte Geheimnisse und Intrigen treten ans Tageslicht, gar so friedlich dürfte es auf der Halbinsel gar nicht zugehen, wie es den Anschein hat. So spiegeln einander Natur und halsstarrige Franzosen gekonnt wider, lebt der ganze Krimi von einer besonderen Atmosphäre. Alexander Oetker versteht es, einen mitreißenden Sog aufzubauen, dem man sich nicht entziehen kann. Dazu kommt noch, dass das ganze Naturschauspiel inspiriert ist von einer wahren Sturmflut im Jahre 2010.

Zusammenfassend kann ich diesen gut durchdachten und sehr atmosphärischen Krimi nur weiter empfehlen.



Titel Rue de Paradis

Autor Alexander Oetker

ISBN 978-3-455-01212-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 288 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Reihe Luc Verlain

Erscheinungsdatum 1. November 2021

Verlag Hoffmann und Campe

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.11.2021

Ein Wintermärchen

Winterdünenglück
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Einen Neuanfang wagt Lara Herziger, indem sie Hals über Kopf München verlässt, um an der Ostsee in einer alten, günstig ersteigerten Kate ihr Leben zu ordnen. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass ...

Einen Neuanfang wagt Lara Herziger, indem sie Hals über Kopf München verlässt, um an der Ostsee in einer alten, günstig ersteigerten Kate ihr Leben zu ordnen. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass das Häuschen mehr als nur oberflächlich renoviert gehört, die alteingesessenen Bewohner sind verschlossen und der fesche Janne Carstensen scheint auch nur auf schnelle Abenteuer aus zu sein. Alles nur ein Flop?

Mit viel Charme und Witz, aber natürlich auch einigen Rückschlägen, begegnet uns dieser neue Liebesroman von Karin Lindberg. Nicht nur oberflächliche Tändelei, sondern einschneidende Erlebnisse sind Thema dieser weihnachtlich wärmenden Geschichte. Lara und Janne sind zwei sehr realistisch gezeichnete junge Menschen, die einander hier an der beschaulichen Ostsee begegnen. Nicht nur die Landschaft selbst mit den weitläufigen Dünen und den Fischern am winterlichen Strand, sondern auch Kälte, Wind und Regen spürt man förmlich beim Lesen. Auch wenn so mancher Dialog ein wenig unbeholfen daherkommt, so sind die Empfindungen von Lara und auch der einzelnen Dorfbewohner sehr gut verständlich und nachvollziehbar. Alte Wunden werden offenbar, deren Überwindung scheint schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Und trotz der widrigen Witterung kommen doch immer wieder wärmende Passagen ins Spiel, wohliger Punsch, würziger Glühwein und hitzige Gefühle.

Kurzweilige Momente beschert uns Autorin Karin Lindberg mit diesem neuen Roman, wer mutig und hoffnungsfroh ist, wird auch sei Glück finden.



Titel Winterdünenglück

Autor Karin Lindberg

ISBN 978-3-96714-157-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 324 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 10. November 2021

Verlag Zeilenfluss

Veröffentlicht am 25.11.2021

Frauen in den 1920ern

Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher
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Elegant und weltgewandt tritt Rosalie Gräfenberg auf. Als erfolgreiche Journalistin bereist sie ferne Länder, schreibt Reiseberichte und politische Abhandlungen. Ihr schillerndes Leben zwischen bekannten ...

Elegant und weltgewandt tritt Rosalie Gräfenberg auf. Als erfolgreiche Journalistin bereist sie ferne Länder, schreibt Reiseberichte und politische Abhandlungen. Ihr schillerndes Leben zwischen bekannten Persönlichkeiten führt sie abwechselnd in Berlin und Paris. Nun trifft sie auf den wesentlich älteren Dr. Franz Ullstein, Generaldirektor des gleichnamigen Verlages. Ein Antrag und eine Hochzeit folgen, die Familie des Dr. Franz bleibt jedoch distanziert zu seiner neuen Frau. Unrechtmäßige Erbanteile und Einmischung in wichtige Entscheidungen im Verlag werden befürchtet.

Wortgewand und bildreich zeichnet Beate Rygiert ein Berlin der 1920er. Bei ihrem lockeren Schreibstil taucht der Leser rasch ein in die Welt des Verlages und der ehrgeizigen Ullsteinbrüder. Deren Frauen sind oftmals schmuckes Beiwerk, aber zu dem lässt sich Rosalie nicht reduzieren. Gemeinsam mit Autorenfreundin Vicky Baum und deren Tippfräulein Lilli Blume tritt sie der Männerherrschaft entgegen und trifft ebenso Vorkehrungen wegen der immer judenfeindlicheren Stimmung in Berlin.

Spannend und abwechslungsreich gestaltet sich die Geschichte rund um Rosalie Ullstein, geb. Goldschmidt, geschiedene Gräfenberg. Viele historische Persönlichkeiten kreuzen hier unseren Weg, wodurch der Roman sehr realistisch und glaubwürdig ankommt beim Leser. Besonders gut sind auch die einzelnen Charaktere gelungen, welche Rygiert gekonnt und eindrucksvoll entwirft.

Alles in allem ein interessanter und unterhaltsamer Roman aus dem Hause Ullstein, den ich nur wärmstens empfehlen kann.





Titel Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher

Autor Beate Rygiert

ISBN 978-3-548-06421-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 496 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 1. November 2021

Verlag Ullstein

Veröffentlicht am 07.11.2021

p U re Enttäuschung

U
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Anke Lohm ist auf dem Weg zu ihrer besten Freundin. Mit ihrem ratternden Rollkoffer steigt sie in die U-Bahn, der nervende andere Fahrgast will den Zug zum Glück gleich verlassen – und dann wird sie nach ...

Anke Lohm ist auf dem Weg zu ihrer besten Freundin. Mit ihrem ratternden Rollkoffer steigt sie in die U-Bahn, der nervende andere Fahrgast will den Zug zum Glück gleich verlassen – und dann wird sie nach wenigen Stationen endlich ankommen. Sie freut sich auf die Dusche und ein frisch bezogenes Bett. Aber wo bleibt nur die Station? Fährt der Zug nicht schon viel zu lange? Unbehagen befällt die junge Dame…

Mit einem ansprechenden Titelbild und einer interessanten Inhaltsangabe lockt dieses Buch, das aber sofort nach dem Aufschlagen der ersten Seite einer tiefen Enttäuschung Raum gibt.

Kurze Sätze, zum Teil nur aus einem einzigen Wort gebildet, aneinandergereihte Gedankenfetzen. Textsplitter jagen einander durch die Geschichte, deren Handlung und Aussagekraft mir als Leser bis zum Schluss verborgen bleibt.

Es mag Kunst sein, es mag Literatur sein. Ein Lichtblick sind für mich nur das Titelbild und die Kürze der Geschichte, sodass man selber recht schnell wieder aussteigen kann. Zuklappen, vergessen. Nächstes Buch.



Titel U

Autor Timur Vermes

ISBN 978-3-492-07104-8

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 160 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 28. Oktober 2021

Verlag Piper

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere