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Veröffentlicht am 01.07.2022

Von Sylt bis Fehmarn

Tatort Nord
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23 Kurzkrimis zeigen den Norden Deutschlands von seiner verbrecherischen Seite. Da, wo andere urlauben, treiben zwielichtige Gestalten ihr Unwesen und Kriminalisten ihre Ermittlungen voran.

Die Herausgeberinnen ...

23 Kurzkrimis zeigen den Norden Deutschlands von seiner verbrecherischen Seite. Da, wo andere urlauben, treiben zwielichtige Gestalten ihr Unwesen und Kriminalisten ihre Ermittlungen voran.

Die Herausgeberinnen haben eine ausgezeichnete Sammlung an Kriminalgeschichten zusammengestellt und dafür hervorragende Autorinnen gewinnen können, die in ihren charakteristischen Schreibstilen recht unterschiedlich, aber durchwegs sehr ansprechend erzählen. Jede Episode ist auf ihre Weise unterhaltsam, egal, ob es um klassische Ermittlungen geht, gefinkelte Lösungen von Eheproblemen, ein aufregendes Klassentreffen, verschwundene Kinder oder um mystisch-historische Rahmenhandlungen. Spannung, schwarzer Humor, Verblüffung und Überraschungen sind garantiert. So unterschiedlich die einzelnen Krimis sind, so fesselnd sind sie zu lesen.

Schön, auf einige bekannte Autorinnen zu treffen, ebenso anregend, neue Schriftstellerinnen kennenzulernen. Genauso verhält es sich mit so manchem Ermittler – einige Figuren, welche man hier wieder trifft, spielen eine Rolle in namhaften Krimi-Reihen, in anderen Geschichten wiederum geht es um Unbekannte, die wir in ihrem Schicksal, ihrem Recht oder Unrecht begleiten. Klug komponiert, findet der Leser hier ein ausgesprochen vielfältiges und abwechslungsreiches Potpourri an Krimis, die durch ihre jeweils überschaubare Seitenzahl die eine oder andere Wartezeit verkürzen oder ganz einfach einen gemütlichen Urlaubstag vervollkommnen können.

Ich bin jedenfalls begeistert von dieser Anthologie und gebe voll Überzeugung fünf Sterne!



Irrgäste – Sabine Weiß

Mit leisem Summen kommt der Tod – Joyce Summer

Föhrflixt – Heike Denzau

Glanzklar – Franziska Henze

Alte Schuld – Susanne Pohl

Kopfsache – Alexa Lewrenz

Silberlinge im Brunnen der Weißen Düne – Stefanie Schreiber

Eine Beretta für Björn – Anke Küpper

Gomorrhas Geheimnis – Maja Schendel

Sieben Schritte Niemandsland – Ricarda Oertel

Ostseeman – Elin Seidel

Tödliche Täuschung – Monika Buttler

Mord im Schatten der Langen Anna – Bettina Mittelacher

Schlussakkord – Svea Jensen

Tod unter Palmen – Carolyn Srugies

Die Rückkehr des Schimmelreiters – Anja Marschall

Der Katzenkönig – Regine Seemann

Mörderische Zuckerpuppen – Regina Müller-Ehlbeck

Fatale Heimkehr – Carola Christiansen

Alsterblut – Kathrin Hanke

Der untalentierte Thomas – Anette Schwohl

Göttergabe – Eva Jensen

Die Sterne über Hermannshöhe – Alex Roller



Titel Tatort Nord

Autor Anke Küppers, Franziska Henze, Yvonne Wüstel (Hrsg.)

ISBN 978-3-7499-0323-8

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 384 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 24. Mai 2022

Verlag HarperCollins

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.06.2022

Verwandtschaftliche Verhältnisse

Das Haus der stummen Toten
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Eleanor will, wie jeden Sonntagabend, ihre Großmutter Vivianne besuchen. Aber anstelle der Oma öffnet ein Fremder die Türe und stürzt rasch davon, während die alte Frau erstochen im Flur liegt. Aufgrund ...

Eleanor will, wie jeden Sonntagabend, ihre Großmutter Vivianne besuchen. Aber anstelle der Oma öffnet ein Fremder die Türe und stürzt rasch davon, während die alte Frau erstochen im Flur liegt. Aufgrund einer Gesichtserkennungsschwäche ist es Eleanor unmöglich, eine Beschreibung des Täters abzugeben. Einige Monate später werden die wenigen Verwandten vom Notar auf einen Gutshof geladen, um das Erbe zu regeln, von dem Eleanor gar nichts weiß.

Einem interessanten Einstieg folgt der Hauptteil am Gutshof einige Monate später. Die Geschehnisse dazwischen kann man nur erahnen. Angenehm zu lesen ist die Sichtweise Eleanors, von der Großmutter auch Victoria gerufen, in der Ich-Form. Dazwischen finden sich Tagebucheinträge von Annuschka ab dem Jahre 1965.

Die Zusammenhänge herauszufinden, gestaltet sich nicht nur für die Protagonisten schwierig, für den Leser jedenfalls ein wenig langatmig. Sind schon Eleanors zwei Namen irritierend, so spitzen sich die Verwandtschaftsverhältnisse der unterschiedlichen Figuren im Laufe der Tage noch zu.

Die zugrundeliegende Idee für all die Überraschungen und Wendungen am Gutshof gefällt mir gut, jedoch lässt die Umsetzung jegliche Spannung oder gar Gänsehaut vermissen. Oftmals plätschert alles nur so dahin, die Erwartungen an einen fesselnden Thriller werden da nicht so recht erfüllt. Lange ist nicht klar, wohin die Handlung eigentlich will. Während man sich Eleanor und die Dienstmädchen sehr gut vorstellen kann, bleiben andere Personen eher farblos und in einer gewissen Distanz. Dafür ist die winterliche Atmosphäre in Schweden, weitab der Zivilisation, gut dargestellt. Die klirrende Kälte, welche Gedanken und Reaktionen lähmt, passt gut zu der unerwarteten Situation. Das Ende ist dann klar aufgelöst, aber doch spürbar konstruiert, damit alle undurchsichtigen Fäden zu einem Strang zusammenlaufen können.

Fazit: (zu) wenig Spannung in einer ursprünglich interessanten Familiengeschichte.



Titel Das Haus der stummen Toten

Autor Camilla Sten

ISBN 978-3-7499-0398-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 416 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 24. Mai 2022

Verlag HarperCollins

Originaltitel Arvtagaren

Übersetzer Nina Hoyer, Justus Carl

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.06.2022

Ausstellung der Toten

Kalte Körper
3

Eine kunstvoll als Ballerina ausgestellte, tiefgefrorene Leiche erregt in Konstanz Aufsehen. Hagedorn zeigt sich zwar anfangs zögerlich, willigt aber schlussendlich ein, seine Expertise als Fallanalytiker ...

Eine kunstvoll als Ballerina ausgestellte, tiefgefrorene Leiche erregt in Konstanz Aufsehen. Hagedorn zeigt sich zwar anfangs zögerlich, willigt aber schlussendlich ein, seine Expertise als Fallanalytiker beizusteuern. Und er soll Recht behalten, bald darauf taucht eine weitere Leiche auf.

Ruhig und nicht besonders spektakulär beginnt dieser Thriller. Aber der Leser darf sich nicht täuschen lassen. Die Spannung steigt, die ins Geschehen verwobenen Themen sind großartig gewählt und bewegen sich weitab von durchschnittlichen Büchern dieses Genres, Kunst und Tod werfen Fragen auf, denen sich die Protagonisten stellen müssen.

Flott im Schreibstil, detailliert in allen Recherchen, reiht sich auch Band Drei perfekt in die empfehlenswerte Serie ein. Der Kenner trifft – wobei das Lesen der vorherigen Bücher nicht unbedingt erforderlich ist – wieder auf den knorrigen Analytiker Hagedorn, welcher Bannert und Adler unter die Arme greift bei diesem ungewöhnlichen Fall. Gewitzte Dialoge wechseln mit genauen Beschreibungen und Erklärungen zu diversen Fachbegriffen ab und bilden, verknüpft mit einigen Details aus dem Privatleben der Ermittler, eine ausgewogene Mischung an spannender Unterhaltung. Viele Zwischentöne schwingen bei den Dialogen mit, sodass man sich unausgesprochene Gedanken und Gefühle lebhaft vorstellen kann, die Figuren sind außerordentlich gut getroffen und wie aus dem echten Leben gegriffen. Und dann, als ob die Geschichte nicht ohnehin schon fesselnd genug wäre, kommt am Ende eine völlig unerwartete Überraschung, die den Leser verblüfft zurücklässt. Mit dem ungewöhnlichen Epilog ist schlussendlich der Gipfel der Auflösung aller Zweifel erreicht.

Geniale Komposition – Kunst? Jedenfalls bürgt Bürgel für Qualität und ich empfehle „Kalte Körper“ daher uneingeschränkt weiter!



Titel Kalte Körper

Autor Matthias Bürgel

ISBN 978-3-7413-0325-8

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 387 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 22. Juni 2022

Verlag Bastei Lübbe / beTHRILLED

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung
Veröffentlicht am 23.06.2022

Vorzeichen des Todes

Bretonische Nächte
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Sommerlich warm ist es im Oktober, allein die frühe Dämmerung zeigt den Herbst an. So verbringt Kadegs 89jährige Tante gerne noch Zeit auf ihrer wunderschönen Terrasse, wo sie – nach einigen Vorzeichen ...

Sommerlich warm ist es im Oktober, allein die frühe Dämmerung zeigt den Herbst an. So verbringt Kadegs 89jährige Tante gerne noch Zeit auf ihrer wunderschönen Terrasse, wo sie – nach einigen Vorzeichen des Todes, welche andere als Esoterikkram abtun – schließlich aufgrund eines Herz-Kreislauf-Versagens friedlich einschläft. Damit nicht genug, wird Kadeg auf ihrem Anwesen zusammengeschlagen, als er ihrer dort gedenken möchte. Zeit für Dupin, mit Ermittlungen zu beginnen.

Gemütlich beginnt dieser elfte Fall: Dupin und seine Kollegen sitzen beim Essen zusammen und geben sich allerlei kulinarischen Köstlichkeiten hin. Geplaudert wird über dies und das, Elstern als Vorzeichen des Todes und die Hobbyornithologen, welche Alkenvögel an der Küste beobachten. Neben den typischen Köstlichkeiten der Bretagne kommen auch Beschreibungen von Flora und Fauna der rauen Landschaft mit ihren stürmischen Winden nicht zu kurz. Fast schon wie nebenbei entwickelt sich schließlich die Kriminalhandlung. Langsam aber stetig baut sich Spannung auf, insbesondere, da Dupins Mitarbeiter krankenhausreif geprügelt worden ist und der Kommissar mit seinem Team dadurch persönlich betroffen ist. Typischerweise braucht es viel Kaffee, um die kurzen Nächte zu kompensieren und die Ermittlungen in verschiedenste Richtungen zu lenken. Ein Motiv könnte man nämlich einigen Personen unterstellen.

Gewohnt flott im Schreibstil und mit einem humorvollen, aber im Ernstfall strikten Dupin geht es an den Fluss Aber Wrac´h im Finistère, eine Landschaft, welche Jean-Luc Bannalec malerisch und bildhaft beschreibt, vervollständigt wird der lebhafte Eindruck durch die Beobachtungen der Vogelkundler und ihrer profunden Kenntnisse der hiesigen Tierwelt. Aufmerksam darf der Leser mitverfolgen, wie Indizien gesammelt werden, welche sich nur langsam zu einem handfesten Motiv verdichten. Logisch und gut durchdacht wird der Fall schlussendlich aufgelöst ohne dass eine Frage offen bliebe.

Auch dieser Fall ist wiederum gekennzeichnet durch detaillierte Ausführungen landestypischer Speisen, Getränke und Gepflogenheiten, sodass man völlig eintauchen kann in diese Zeilen, einige Stunden fernab vom Alltag genießen und bereits bekannten Ermittlern über die Schulter sehen darf beim geschickten Lösen eines Verbrechens.







Titel Bretonische Nächte

Autor Jean-Luc Bannalec

ISBN 978-3-462-05403-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 336 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 22. Juni 2022

Verlag Kiepenheuer & Witsch

Reihe Kommissar Dupin, Elfter Fall

Veröffentlicht am 21.06.2022

Geschlossene Gesellschaft

Nur du und ich
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Die 23jährige Studentin Ellie und ihr 40jähriger Literaturprofessor Steven sind seit sechs Monaten ein Paar. Aus diesem Anlass fahren sie für ein verlängertes Wochenende in ein einsames Ferienhaus auf ...

Die 23jährige Studentin Ellie und ihr 40jähriger Literaturprofessor Steven sind seit sechs Monaten ein Paar. Aus diesem Anlass fahren sie für ein verlängertes Wochenende in ein einsames Ferienhaus auf Long Island. Spaziergänge am nahen Strand, gemütliche Stunden vor dem Kamin, ausgiebige kulinarische und sexuelle Genüsse bieten verlockende Aussichten. Der einsetzende Schneesturm und der fehlende Handyempfang können die Freude über drei Tage zu zweit in aller Abgeschiedenheit jedenfalls nicht trüben. Aber dann kommt doch alles anders, als erwartet. Geheimnisse über längst vergangene Tage werden Stück für Stück in die Geschichte gepackt.

Nach einem kurzen Blick Richtung Ende geht es auch schon los im Jänner 2018. Der Leser begleitet Ellie und Steven mit einem eleganten Lexus ins Wochenende. Während der Professor mit seinen Lederschuhen auch auf Schnee und Glatteis eine gute Figur abgibt, muss die junge Frau aufpassen, dass sie nicht stürzt und in eine peinliche Situation gerät. Von Anfang an wird Ellie als ein wenig tollpatschig dargestellt, eine zwar intelligente Studentin, mit der man gerne über Dostojewski oder Jane Eyre plaudert, aber dennoch ein kleines Lämmchen, das unterwürfig zum renommierten Herrn Professor aufblickt.

Der Ausdruck der Autorin bzw. der Übersetzerin ist ausgezeichnet, knapp und schnörkellos, aber dennoch so, dass der Text an markanten Stellen unter die Haut geht. In unregelmäßiger Abfolge erzählt Ellie als „Ich“, Stevens Erleben wird aus neutraler Sicht geschildert. Dazwischen gibt es immer wieder kurze Kapitel, bei denen man erst im Laufe der Geschichte erkennt, worum es denn im Grunde geht. Insbesondere der Beginn und die ersten eineinhalb Tage sind überaus spannend. Das Hauptaugenmerk nur auf zwei Figuren gerichtet, bietet ein besonderes Lesevergnügen. Irgendwann im Laufe des zweiten Tages kommt dann aber ein wenig Langatmigkeit auf und die überraschende Wende kann bei genauem Hinsehen (zu) früh entlarvt werden, was natürlich schade ist. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte klug aufgebaut und teils von persönlichen Erlebnissen betroffener Frauen geprägt, wodurch das Motiv wiederum absolut glaubwürdig dargestellt wird.

Freiheit und Selbstbestimmung der Frau – noch immer ein Kampf? Erst skeptisch über einen Zusammenhang mit der #MeToo-Bewegung (siehe Anmerkung der Autorin am Ende), stellt sich dieses Wochenende samt seiner Auslöser für mich jedoch als durchaus nuancenreicher und psychologisch sehr gut umgesetzter Thriller dar, dem man volle Aufmerksamkeit schenken sollte, um kein Detail zu verpassen. 4*



Titel Nur du und ich

Autor Laure van Rensburg

ISBN 978-3-86493-179-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Taschenbuch, 384 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 30. Juni 2022

Verlag Ullstein Taschenbuch Verlag

Originaltitel Nobody But Us

Übersetzer Marie Rahn