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Veröffentlicht am 18.06.2022

Austauschbar

Immer der Liebe entgegen (Zeit für Rügen)
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Eine gescheiterte Beziehung und eine vierwöchige Auszeit auf Rügen, eine gewitzte Tante und ein brummiger Neffe als Vermieter. Was vorhersehbar ist, bleibt vorhersehbar und bringt kaum eine Überraschung ...

Eine gescheiterte Beziehung und eine vierwöchige Auszeit auf Rügen, eine gewitzte Tante und ein brummiger Neffe als Vermieter. Was vorhersehbar ist, bleibt vorhersehbar und bringt kaum eine Überraschung in dieser Geschichte.

Ganz klassisch steigt der Leser ein, als sich Maja von ihrem Freund trennt. Reden ist zwecklos, der Koffer gepackt, Rügen als Wohlfühlinsel auserkoren. Schön erzählt ist Majas Ankunft durch die lange Allee, auch sonst gibt es hübsche Erinnerungen an den Urlaub, soferne man selbst schon einmal da war. Der Blick schweift mit den Zeilen über Wiesen und das Meer, eine Bootsfahrt Richtung Hiddensee rundet die gemütliche und entspannte Stimmung passend ab. Aber die Handlung, die kommt kaum voran. Ein quälendes Hin und Her, ob Maja im eigentlich gar nicht vermietbaren Häuschen bleibt oder nicht, ob Bent mit ihr spricht oder nicht. Langatmig ziehen sich die Seiten, dümpeln die Gefühle dahin. Mit dem Klappentext scheint beinahe schon alles erzählt, was sehr schade ist, denn grundsätzlich sind die Figuren vorstellbar skizziert und bilden unterschiedliche Sichtweisen der Realität ab. Der Schreibstil ist ganz angenehm, jedoch – aus meiner Sicht – völlig unnötig in einem Roman sind dann Ausdrücke wie „die einzige Gästin“ und „Teilnehmende“, sowie mehrfaches „in die Pedalen (statt Pedale) treten“. Schlussendlich kann nur die landschaftliche Schönheit Rügens über so manche monotone Stelle hinweghelfen.

Fazit: ein durchschnittlicher und vorhersehbarer Roman ohne bedeutende Themen, welche vertieft werden und für eine Einmaligkeit sorgen würden. Nette Unterhaltung, nicht mehr, nicht weniger.



Titel Immer der Liebe entgegen

Autor Hanna Holmgren

ISBN 978-3-949221-30-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 280 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 21. Juni 2022

Verlag FeuerWerke

Veröffentlicht am 18.06.2022

Tüdelbüdel, Tüdelbräu, Tüdeldei

Die Leiche am Deich
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Im friesischen Sünnum ticken die Uhren noch anders. Die Dorfbewohner kennen einander und treffen sich gerne auf einen Klönschnack und ein Tüdelbräu in Gesine Felbers Kroog, einer gemütlichen Kneipe, die ...

Im friesischen Sünnum ticken die Uhren noch anders. Die Dorfbewohner kennen einander und treffen sich gerne auf einen Klönschnack und ein Tüdelbräu in Gesine Felbers Kroog, einer gemütlichen Kneipe, die vielen zum zweiten Wohnzimmer geworden ist. Als aber eine Leiche vom Meer angeschwemmt wird, herrscht Aufregung. Es handelt sich um die Frau des Milchbauern Burmeister.

Mit bildreichen und stimmungsvollen Szenen beginnt dieser Nordseekrimi, die Kroogbesitzerin alias Tüdelbüdel hat alles im Griff, die Kleinen mit Zuckerfischen, die Großen mit einem Glas Tüdelbräu. Freundlich, aber bestimmt, gibt sie gerne den Ton an. So auch in dem Moment, als die Tote am Strand gefunden wird und ihre Tochter Wiebke Felber in ihrer Position als Polizistin ermitteln soll.

Gewitzt verfolgt Tüdelbüdel ihre eigenen Ideen und Theorien und grätscht immer wieder zwischen die offiziellen Nachforschungen zum mutmaßlichen Mord. Was spannend und unterhaltsam beginnt, entwickelt sich aber immer mehr zu einem Biergelage und beinahe schon übergriffigen und unglaubwürdigen Alleingängen der Friesenbrauerin. Natürlich ist der Kroog ein wichtiger Platz, jedoch verschwindet die Kriminalhandlung gerne einmal hinter dem Zapfhahn und bietet Raum für derbe Diskussionen - aber so sind die Friesen nun mal und meinen es nicht so, wie es für Fremde klingen mag. Szenen, welche aufregend sein und die Spannung steigern sollen, wirken wie an den Haaren herbeigezogen und somit wird die im Grunde interessante Geschichte rund um die Umwelt und den Milchbauern zusehends unrealistisch. Leider viel Getüdel mit überzeichneten Dorfbewohnern.

So richtig überzeugen konnte der erste Fall für die Friesenbrauerin noch nicht.



Titel Die Leiche am Deich

Autor Joost Jensen

ISBN 978-3-458-68213-4

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 358 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 16. Mai 2022

Verlag Insel

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.05.2022

Alles rennt

Dann rennen wir
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Drei Frauen, drei Schicksale, drei Fluchten im Zeitraum 1982 bis 2012. Die Schauplätze wechseln zwischen Irland (Rathlowney und Dublin), Großbritannien (London) und dem nordamerikanischen Bundesstaat Tennessee. ...

Drei Frauen, drei Schicksale, drei Fluchten im Zeitraum 1982 bis 2012. Die Schauplätze wechseln zwischen Irland (Rathlowney und Dublin), Großbritannien (London) und dem nordamerikanischen Bundesstaat Tennessee. Ganz unterschiedliche Gründe bewegen eine erfahrene Gynäkologin und zwei junge Mädchen, vor der Familie, vor gesellschaftlichen Normen oder vor anderen Einschränkungen und Zwängen davonzulaufen.

Ort und Zeit werden bei jedem Kapitel angegeben, welche der drei Frauen gerade im Mittelpunkt steht, muss jedoch aus dem inhaltlichen Zusammenhang herausgelesen werden, wodurch sich nicht nur der Einstieg in dieses Buch eher mühsam gestaltet. Während über die Ärztin im Präteritum geschrieben wird, erzählt Paula McGrath die Geschichte der beiden knapp 20jährigen im Präsens. Im Laufe des Geschehens nimmt Jasmines Leben immer mehr Raum ein, sodass die wenigen Seiten über die anderen beiden Protagonistinnen fast wie Irrläufer im Buch wirken. Als dann noch über eine weitere Person ausschweifend berichtet wird, verliert sich die Freude am Lesen zu einem Durchbeißen. Auch wenn sich dies lohnt, weil die Erzählstränge schlussendlich raffiniert zusammengeführt werden, geht hier leider dennoch viel Interesse und Spaß am Buch verloren.

Der Schreibstil ist eher einfach gehalten und direkt aus dem Leben in schwierigen Verhältnissen gegriffen. Sätze wie „Sie musste auf Toilette.“ (ohne Artikel) sind da vielleicht Realität und passen ins Milieu? Auch bleiben die Figuren blass, distanziert und austauschbar. Es kommt bei keiner der drei geschilderten Frauen das Gefühl auf, dass man sich in irgendeiner Art mit ihr identifizieren könnte, insbesondere, weil man zwei von ihnen immer nur sehr kurz begleiten darf. Die interessante Wende, welche dann doch wieder spannende Zeilen beschert und die Entwicklung und Reifung der Charaktere widerspiegelt, kommt leider recht spät.

In Summe also eine raffinierte Geschichte, die allerdings über weite Strecken eher ermüdend daherkommt.



Titel Dann rennen wir

Autor Paula McGrath

ISBN 978-3-8337-4419-8

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 304 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 13. April 2022

Verlag Jumbo

Originaltitel A History of Running Away

Übersetzer Karen Gerwig

Veröffentlicht am 09.05.2022

Weichenstellung für die Zukunft

In den Wäldern der Biber
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Alinas Leben steht auf dem Kopf – ein heftiger Streit mit dem Lebensgefährten und ein entschlossener Kündigungsanruf in der Firma – und schon weiß sie nicht mehr, wohin mit ihrem Koffer und ihrer eigenen ...

Alinas Leben steht auf dem Kopf – ein heftiger Streit mit dem Lebensgefährten und ein entschlossener Kündigungsanruf in der Firma – und schon weiß sie nicht mehr, wohin mit ihrem Koffer und ihrer eigenen Wenigkeit. Ohne konkreten Plan steigt sie also in den Bus und fährt Richtung Spechthausen, ein kleines Dorf, in welchem ihr Großvater wohnt. Allerdings hatte sie zu ihm jahrelang gar keinen Kontakt mehr.

Ganz gewiss ist dies kein Roman nach dem gewöhnlichen Strickmuster, wie man sein Leben verändert. Allerdings kommt man als Leser auch kaum in den Genuss, tatsächlich in den Wäldern der Biber Neues zu entdecken, was ich sehr schade finde. Der Titel findet sich in der Geschichte leider viel zu wenig wieder.

Nett und flüssig erzählt Franziska Fischer von Alina, sehr gerne möchte man mit ihr in dem idyllisch anmutenden Dorf ankommen und zur Ruhe finden, die Vergangenheit reflektieren und Weichen für die Zukunft stellen. Was dann tatsächlich passiert, ist jedoch immer wieder unrealistisch, ja fast übergriffig zu nennen. Wie kann eine junge Frau nach etlichen Jahren ohne Besuch beim Großvater, ja ohne ein einziges Telefonat in all der Zeit, plötzlich in der Türe stehen und schon wenige Tage darauf mit Plänen zur Hausrenovierung und Verschönerung der Zimmer daherkommen? Die rahmenartige Geschichte mit den freundlichen Nachbarn, die sich als Spielgefährten aus Kindertagen herausstellen, ist ebenfalls eine nette Alltagserzählung, leider aber auch nicht mehr. Und schließlich dürfen Gefühle einer neuen, verletzlichen Verliebtheit nicht fehlen.

Gefällige und ansprechende Ideen mit einem angenehmen Schreibstil verbunden sind aber dann doch nicht genug für einen bewegenden Roman, bei dem man sich als Leser in die Figuren hineinfühlen oder gar ihre Gedanken nachvollziehen kann. Enttäuschung über die nur am Rande erwähnten Biber macht sich im Laufe der Kapitel breit, die Hühnerschar im Garten kann dafür keinen Ausgleich schaffen. Schade, dass ein gutes zugrunde liegendes Konzept nicht mehr hervorzubringen vermag.



Titel In den Wäldern der Biber

Autor Franziska Fischer

ISBN 978-3-8321-6592-5

Sprache Deutsch

Ausgabe Fester Einband, 320 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 17. Mai 2022

Verlag DuMont Buchverlag

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.05.2022

Rückblick, um vorwärts zu kommen

Ein Flüstern zum Abschied
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Modeexpertin Gina ruft ihre Schwester und Palliativpflegerin Zara an, um der 98jährigen Großmutter in den letzten Tagen beizustehen. Diese will ganz dringend den Dachboden entrümpeln und ihren Enkelinnen ...

Modeexpertin Gina ruft ihre Schwester und Palliativpflegerin Zara an, um der 98jährigen Großmutter in den letzten Tagen beizustehen. Diese will ganz dringend den Dachboden entrümpeln und ihren Enkelinnen endlich von der Vergangenheit erzählen. Aber nicht nur Nonna hütet ein Geheimnis...

Die Geschichte der Großmutter reicht zurück bis ins Rom der 1940er Jahre, in die Wirren des Zweiten Weltkriegs. Autorin Taylor erzählt in zwei abwechselnden Zeitsträngen, sodass man viel über die Geschehnisse in Italien erfährt, während Gina und Zara in Amerika den Launen ihrer betagten Nonna ausgesetzt sind. Vom Schreibstil her flüssig zu lesen, kann man sich die beiden Weggefährtinnen Mia und Isabella in Rom ebenso gut vorstellen wie Gina, Zara und ihre Großmutter in der heutigen Zeit.

Die Idee hinter diesem Roman gefällt mir gut, allerdings ist die Umsetzung nicht ganz so optimal ausgefallen. Es fehlt in beiden Handlungssträngen an Spannung, alle Szenen laufen mit einer gewissen Distanz ab, ich vermisse beim Lesen die vielfältigen Gefühle im Krieg. Es gibt keine Gänsehaut, wenn der Bombenalarm schrillt, es gibt kein Loch im Bauch, wenn tagelang kaum Essen zu bekommen ist, selbst schrecklich zugerichtete Leichen werden ähnlich einem nüchternen Bericht abgehandelt. Ähnlich laufen die Episoden jenseits des großen Teiches ab, viele Szenen könnten witzig oder komisch sein, enden dann aber doch wieder mit einer gewissen Abstandshaltung, als ob jegliche Nähe vermieden werden soll – eine Zuflucht ins innere Ich als Schutz? Eine Erzählung, welche so warmherzig und emotional sein könnte, verliert dadurch leider sehr an berührender Stimmung und geht bis auf wenige Ausnahmen kaum über Beschreibungen von Tatsachen hinaus.

Fazit: ein Roman, der inhaltlich gut gelungen ist und interessante Rückblicke mit der Gegenwart verknüpft, aber an Nähe zum Geschehen einiges offen lässt. Somit leider nur drei Sterne.



Titel Ein Flüstern zum Abschied

Autor Mary Ellen Taylor

ISBN 978-2-496-71065-6

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 416 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 10. Mai 2022

Verlag Tinte & Feder

Originaltitel The Words We Whisper

Übersetzer Tanja Lampa