Profilbild von clematis

clematis

Lesejury Star
offline

clematis ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit clematis über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.08.2021

Ein Denkmal für Margarete

Das letzte Bild
0

Autorin Eva Berghoff kauft gerade beim Bäcker Butterbrezeln für sich und ihren Sohn Justus, als ihr Blick auf die BILD-Zeitung fällt. “War die unbekannte Tote eine Deutsche?“ titelt das Revolverblatt, ...

Autorin Eva Berghoff kauft gerade beim Bäcker Butterbrezeln für sich und ihren Sohn Justus, als ihr Blick auf die BILD-Zeitung fällt. “War die unbekannte Tote eine Deutsche?“ titelt das Revolverblatt, wie Eva das Journal nennt. Aber nicht der Text lässt sie aufmerken, es ist das Phantombild darunter, das sie irritiert. Kann es denn sein, dass diese Person ihrer Mutter zum Verwechseln ähnlich sieht? Oder bildet sie sich das alles nur ein? Nein, als Schriftstellerin ist sie es gewohnt, exakt zu recherchieren und zu hinterfragen – und genau das wird sie nun tun, besonders deshalb, weil ihre Mutter die Vergangenheit immer großzügig ausblendet.

In einem packenden und faszinierenden Roman thematisiert Anja Jonuleit die „Isdal-Frau“, die Tote im Eistal: eine Frau, die nahe Bergen am 29. November 1970 tot aufgefunden wurde und deren Identität nach wie vor ungeklärt ist. In diesem Buch bekommt die Unbekannte einen Namen und eine bewegende Geschichte, die der Leser über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren begleiten darf. Sprachlich sehr einfühlsam schildert Jonuleit gleich zu Beginn ein kleines Mädchen, fast scheint es, als ob man in ein Märchen eintaucht. Und schon steckt man mitten drinnen in einer aufregenden Suche nach der Familie, raffiniert aufgebaut in zwei Zeitebenen, wobei sowohl Tante als auch Nichte [und sogar die Autorin selbst, wie sich im Nachwort herausstellt] den selben Spuren folgen und auf unfassbare Dinge stoßen.

Die Personen sind so klar und in ihrer Handlungsweise so realistisch und glaubwürdig dargestellt, dass man sich in jede von ihnen sofort hineinversetzen kann. Auch die jeweiligen Lebensumstände sind der Zeit entsprechend ins passende Licht gerückt und vermitteln das Umfeld der kleinen Margarete ebenso gut wie später die wilden 1960er-Jahre der erwachsenen jungen Dame. Durch hervorragende Recherche erfährt der Leser viele interessante Details aus den letzten Kriegsjahren, allgemeine Tatsachen ebenso wie ganz persönliche Schicksalsschläge und kann gar nicht anders, als mit beiden Frauen mitzufiebern. Gekonnt wechseln die Szenen und werden je nach Zeitschiene im Präsens und im Präteritum geschildert, wobei immer häufiger die Übergänge so dargestellt werden, dass die Bilder den Anschein erwecken, ineinanderzufließen.

Durchgehend von der ersten bis zur letzten Seite fesselt der eingängige Schreibstil und lässt einen das Buch kaum aus der Hand legen. Die Verquickung von wahren Begebenheiten und Dichtung ist perfekt gelungen, eine Fülle an ungewöhnlichen und rätselhaften Einzelheiten führt mit einer logisch aufgebauten Handlung zu einem beeindruckenden Ganzen. Der mysteriöse Kriminalfall von Norwegen ist damit keineswegs geklärt, jedoch bekommt Margarete durch diesen tollen Spannungsroman ein würdiges Denkmal. Absolute Leseempfehlung! *****



ISBN 978-3-423-28281-9

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 480 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook und Hörbuch

Erscheinungsdatum 20. August 2021

Verlag dtv Verlagsgesellschaft

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.08.2021

Tod im Paradies

Tropische Gefahr
0

Gerade in seine Heimat Fidschi zurückgekommen, kann Josefa (Joe) Horseman nicht wie geplant am Lovo (traditionelles Gericht aus dem Erdofen) mit der Familie teilnehmen, sondern wird sofort mit den Ermittlungen ...

Gerade in seine Heimat Fidschi zurückgekommen, kann Josefa (Joe) Horseman nicht wie geplant am Lovo (traditionelles Gericht aus dem Erdofen) mit der Familie teilnehmen, sondern wird sofort mit den Ermittlungen rund um ein totes junges Zimmermädchen im Paradise Resort betraut.

Mit dem Hintergrund der Fidschi-Inseln, einigen typischen Begriffen (Übersetzung im Anhang bzw. auch direkt im Text) und viel Tee schafft Autorin Allsopp eine ganz besondere Atmosphäre. Die Ruhe und Gelassenheit der Inselbewohner charakterisiert auch die laufenden Ermittlungen: Eile gibt es hier nicht, dafür strahlendes Lächeln, Gastfreundschaft und ausgezeichnetes Essen. Also haben es Horseman und sein Team nicht einfach, einen möglichen Mord von einem tragischen Unfall zu unterscheiden, Fakten zu sammeln und über die Sprachbarrieren (Fidschi, Englisch, Hindi) hinweg Hinweise zu sichten.

Während Horseman überall als Rugbyspieler bekannt ist, muss sich seine Kollegin Singh da und dort erst Respekt verschaffen. Gemeinsam mit den anderen Kriminalisten wachsen sie jedoch rasch zu einem effizienten Team zusammen. Allein die komplizierten Namen aller Personen erschweren dem Leser bisweilen den Überblick bei den polizeilichen Untersuchungen.

Der fröhliche Mix aus stimmungsvollen Ausdrücken wie Salusalu für Blumenkranz, Urlaubsflair und ernsthaften Themen rund um Mord, Moral und Umweltschutz lassen diesen Krimi zu einem abwechslungsreichen Lesevergnügen werden, bei dem viel Wert gelegt wird auf landestypische Gegebenheiten und der Krimi den passenden Rahmen dazu liefert.



Titel Tropische Gefahr

Autor B. M. Allsopp

ISBN 978-3455011241

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 360 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 5. Mai 2021

Verlag Atlantik

Originaltitel Death on Paradise Island

Übersetzer Corinna Rodewald

Veröffentlicht am 13.08.2021

Ein Märchen für Erwachsene

Mittwochs am Meer
0

Maurice ist Anwalt und Insolvenzverwalter. Um eine Fabrik in der Bretagne vor dem sicheren Konkurs zu bewahren, fährt er jeden Mittwoch in das kleine Hafenstädtchen Cancale. Routiniert und gewissenhaft ...

Maurice ist Anwalt und Insolvenzverwalter. Um eine Fabrik in der Bretagne vor dem sicheren Konkurs zu bewahren, fährt er jeden Mittwoch in das kleine Hafenstädtchen Cancale. Routiniert und gewissenhaft führt er dort seine Verhandlungen, die einfachen Fischer und Arbeiter halten skeptisch Abstand. Woche für Woche spielt sich gleich ab, bis eines Mittwochs eine andere Dame an der Hotelrezeption wartet und partout keine Reservierung findet für Maurice. Hingerissen von dem ruhigen Anwalt aus Paris, der die Situation gelassen nimmt, schickt sie ihm einen Liebesbrief und einen Gedichtband von Rimbaud und alles ändert sich.

In sehr ruhigen, fast bedächtigen Worten schildert Alexander Oetker diese wundervolle Geschichte, entführt den Leser an die entlegene Küste zwischen Saint-Malo und Le Mont-Saint-Michel. Poetisch und bildhaft zaubert der Autor Austernbänke und malerische Cafes, felsiges Gestein und liebliche Häuschen vor unser geistiges Auge, lässt einen zarten Windhauch über die nackten Arme streifen und die Melodie der Gezeiten ans Ohr dringen. Mit frischen Meeresfrüchten, knusprigem Baguette und ausgewähltem Wein werden schließlich auch noch die Geschmacksknospen zum Klingen gebracht.

Oetkers Roman kommt mit wenigen Figuren aus, diese sind jedoch sehr treffend charakterisiert und durchleben in diesem schmalen Büchlein einen bemerkenswerten Wandel. Vom zauberhaften Titelbild bis zum überraschenden Ende kann man hier tief eintauchen in die Gefühlswelt von Maurice und Dominique, den typischen Lebensstil der Bretagne inhalieren und abdriften in ein wahrhaftiges Märchen.

Wer also eine recht untypische Liebesgeschichte sucht, einen ganz anderen Sommer erleben möchte, dem empfehle ich sehr gerne „Mittwochs am Meer“.



Titel Mittwochs am Meer

Autor Alexander Oetker

ISBN 978-3-455-01096-1

Sprache Deutsch

Ausgabe Gebundenes Buch, 176 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 5. Mai 2021

Verlag Atlantik

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.08.2021

Eine verstörende Geschichte

Bonuskind
0

Lies, 15, und ihr um zwei Jahre jüngerer Bruder Luuk leben wochenweise abwechselnd bei ihren geschiedenen Elternteilen. Eines Morgens ist alles anders, Lies hat das Gefühl, dass ihrer Mutter Jet etwas ...

Lies, 15, und ihr um zwei Jahre jüngerer Bruder Luuk leben wochenweise abwechselnd bei ihren geschiedenen Elternteilen. Eines Morgens ist alles anders, Lies hat das Gefühl, dass ihrer Mutter Jet etwas Schlimmes zugestoßen ist und tatsächlich ist diese verschwunden. Handtasche und Handy stehen noch im Vorzimmer, Hund Wammes ist ebenfalls daheim. Während die Polizei und alle anderen Erwachsenen von Jets psychischer Instabilität und einem Selbstmord ausgehen, ist Lies überzeugt davon, dass ihre Mutter sie und Luuk niemals alleine gelassen hätte und beginnt mit eigenen Nachforschungen.

Ein interessantes Titelbild und ein spannender Klappentext inspirieren zum Lesen dieses Buches, das sich jedoch recht bald als enttäuschend herausstellt. Überwiegend wird aus Lies Perspektive in Ich-Form und im Präsens erzählt, dazwischen liest man Jets Gedanken in Kursivdruck, welche aber nicht im Tagebuchstil verfasst sind (wie auf der Buchrückseite vermerkt), sondern als Dialog. Immer mehr wirkt die Handlung konstruiert und unrealistisch, die Figuren unsympathisch. Inhaltlich wechseln vulgäre Tinder-Sex-Szenen mit den Problemen von Trennungskindern ab, Jugendwörter wie „grammen“ sollen wohl Authentizität schaffen.

Auch wenn das Ende für Überraschung sorgt, so sind doch die etwa 250 Seiten bis dahin weder besonders spannend noch logisch aufgebaut. Für eine Empfehlung reicht es leider nicht.



Titel Bonuskind

Autor Saskia Noort

ISBN 978-3-95890-391-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 272 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Erscheinungsdatum 29. Juli 2021

Verlag Europa Verlag

Originaltitel Bonuskind

Übersetzer Annette Wunschel

Veröffentlicht am 08.08.2021

Es wird nicht leichter

Die Heimkehr der Störche (Die Gutsherrin-Saga 2)
0

Der Krieg ist zu Ende, Dora Twardy und ihre Familie haben ihre Heimat, den Gutshof in Ostpreußen, verloren und fristen ihr Leben nun mehr schlecht als recht in der Dachkammer einer mürrischen, verwitweten ...

Der Krieg ist zu Ende, Dora Twardy und ihre Familie haben ihre Heimat, den Gutshof in Ostpreußen, verloren und fristen ihr Leben nun mehr schlecht als recht in der Dachkammer einer mürrischen, verwitweten Bäuerin in der Lüneburger Heide. Schließlich taucht ein Lichtblick am Horizont auf: Dora bekommt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch an der Humboldt-Universität in Ostberlin, wo sie ein Studium zur Tierärztin absolvieren möchte. Die Auflagen in der sozialistischen Volksdemokratie sind allerdings herausfordernd und beim Aufstand im Juni 1953 gerät Dora wieder einmal zwischen die Fronten.

Die Fortsetzung der Gutsherrin-Saga ist ebenso fesselnd wie ihr Vorgänger „So weit die Störche ziehen“. Mit beeindruckenden Details aus der Nachkriegszeit verquickt Autorin Theresia Graw Erinnerungen ihrer eigenen Familie mit einer fiktiven Handlung, deren Figuren jedoch ebenso realistisch und lebendig gezeichnet sind, als handelte es sich um tatsächlich existierende Personen. Während jedoch die früheren Jahre trotz des Krieges in gewisser Weise bunt erschienen, so legt sich das Leben in der DDR wie ein grauer düsterer Schleier über Dora, die mit der Erziehung Claras eine verantwortungsvolle Aufgabe übernommen hat und nun auch nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren noch vor leeren Geschäften steht und samt Lebensmittelmarken kaum das Wichtigste kaufen kann.

Mit sympathischen Menschen an ihrer Seite findet Dora immer wieder Kraft zum Durchhalten, auch wenn Spitzeltum und Scheinheiligkeit das Leben in der DDR prägen und man kaum abschätzen kann, wer Feind ist und wer Freund. So schildert Theresia Graw auf weitern 650 kurzweiligen Seiten das Schicksal der mutigen und tapferen jungen Dora. Immer wieder münden schwerwiegende Entscheidungen in Sackgassen, muss sie sich neu orientieren und um liebgewonnene Weggefährten bangen.

Fesselnd und berührend zugleich kann man sich als Leser dieser Geschichte nicht entziehen, beruht sie doch auf wahren Begebenheiten und spiegelt das Schicksal vieler Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen wider. In jeder einzelnen Szene liegt ein großes Maß an Gefühl und Authentizität, sodass man Graws Herzblut für diesen Roman wahrhaftig spüren kann, ihren Wunsch, Erinnerungen am Leben zu halten und nichts in Vergessenheit geraten zu lassen.

Auch wenn dieser zweite Band nicht direkt an den ersten Teil anknüpft, sondern erst sieben Jahre später einsetzt, und hier immer wieder Erklärungen zu früheren Geschehnissen einfließen, so ist doch das Leser in der „richtigen“ Reihenfolge sinnvoll, da man sonst wahrscheinlich einiges an interessanten Querverweisen überliest und möglicherweise das Verständnis für so manche Handlungsweise nicht aufbringt. Das aufreibende Leben von Dora Twardy als Gesamtheit zu verfolgen, ist jedenfalls eine Empfehlung wert.

Titel Die Heimkehr der Störche

Autor Theresia Graw

ISBN 978-3-86493-170-3

Sprache Deutsch

Ausgabe Flexibler Einband, 656 Seiten

ebenfalls erhältlich als ebook

Reihe Die Gutsherrin, Teil 2

Erscheinungsdatum 2. August 2021

Verlag Ullstein Taschenbuch Verlag

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere