Von Jenischen und Edelescort
SechsMitten in der Nacht erhält Privatdetektiv Falco Brunner den Anruf einer verzweifelten Frau. Sofort bricht er zu ihrem Appartement in der Wiener Innenstadt auf, das jedoch verwüstet und verlassen ist. Von ...
Mitten in der Nacht erhält Privatdetektiv Falco Brunner den Anruf einer verzweifelten Frau. Sofort bricht er zu ihrem Appartement in der Wiener Innenstadt auf, das jedoch verwüstet und verlassen ist. Von Emilia, so der Name seiner Bekannten, die als Edelescort-Dame arbeitet, keine Spur. Bevor er noch irgendeinen vernünftigen Gedanken fassen kann, wird er niedergeschlagen und findet sich alsbald in der Psychiatrie wieder. Um seine Unschuld zu beweisen, muss Brunner nun heimlich und auf eigene Faust ermitteln.
Nach einem kurzen Prolog findet sich der Leser direkt in Falco Brunners Lebensrealität – ein Rockvideo aus den Neunzigern, eine Schachtel vom Lieferservice, ein unangenehmer Geruch nach Burgern, Käse und Zwiebeln (das erinnert mich spontan an eine Textstelle mit Käsefüßen – „Kinderspiel“). Wer Falco noch nicht kennt, weiß spätestens nach den ersten Seiten, dass der unkonventionelle Privatdetektiv Star-Wars liebt und dessen Lieblingsfarbe von jeher Dunkelblau ist. Seinem eigenen Instinkt folgend, ermittelt er scheinbar ohne Plan und System und begibt sich nicht selten selbst in Gefahr. Im Grunde aber ist er höchst aufmerksam, beachtet kleinste Einzelheiten und stellt Zusammenhänge her, wo andere nicht einmal näher hinsehen.
Genauso lebensecht und glaubwürdig werden auch alle anderen Figuren in diesem Krimi dargestellt, Charakterzüge entworfen und mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet. Selbst die Hauskatze kann nicht frei erfunden sein, sondern muss ein reales Vorbild haben.
Berührend sind einige sehr persönliche Szenen, die in Form eines modernen Tagebuchs in die Handlung eingeflochten sind, aber auch solche, wo Erinnerungen und Gedanken mit dem Jetzt verschmelzen. Überhaupt gibt der Autor sämtliche Gefühle so direkt und unmittelbar an den Leser weiter, dass man ständig hin und her gerissen wird zwischen Liebe, Trauer, Angst und Zuversicht. Man spürt die intensive Auseinandersetzung mit sämtlichen Themen, die in diesem Buch aufgegriffen werden und kann als aufmerksamer Leser da und dort eine kleine Feinheit ausmachen, die schlussendlich zur Lösung beiträgt.
Mit seinem gewohnt flotten Stil schreibt Michael Seitz unmittelbar wie er denkt und empfindet (so kommt es jedenfalls bei mir an), bringt Spannung ins Spiel, die sich durchzieht bis zum Ende, fesselt durch kurze, abwechslungsreiche Kapitel (ohne langweilige Nummerierung) und unerwartete Wendungen.
Sechs ist ein wunderbarer, facettenreicher Krimi im schönen Wien, bei dem Falco Brunner mit Glück und Verstand – und sympathischen Freunden – einen spannenden dritten Fall zu lösen hat. In diesem Sinne spreche ich eine klare Leseempfehlung aus und hoffe natürlich auf Fortsetzung!