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Veröffentlicht am 19.03.2022

Mysterium Familie

Eine perfekte Familie
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Im Mittelpunkt von Moriartys neuem Roman steht die Familie Delaney. Stan und Joy haben sich mehr als 50 Jahre zuvor beim Tennis kennengelernt und spielen noch immer Doppel zusammen. Auch ihre vier inzwischen ...

Im Mittelpunkt von Moriartys neuem Roman steht die Familie Delaney. Stan und Joy haben sich mehr als 50 Jahre zuvor beim Tennis kennengelernt und spielen noch immer Doppel zusammen. Auch ihre vier inzwischen erwachsenen Kinder Amy, Logan, Troy und Brooke waren begabte Tennisspieler, denen allerdings die ganz große Karriere versagt blieb. Die Eltern betrieben jahrzehntelang eine Tennisschule, die sie kürzlich verkauft haben, um den Ruhestand zu genießen. Die Ehe der Delaneys gilt als glücklich. Doch dann verschwindet Joy am Valentinstag 2020 plötzlich spurlos. Nach einigen Tagen erstatten zwei der Kinder Vermisstenanzeige, und die Polizei ermittelt. Es gibt ein mysteriöses Ereignis im Jahr vor Joys Verschwinden. Eines Tages bittet eine blutende junge Frau namens Savannah an ihrer Tür um Hilfe. Sie erzählt eine Geschichte von einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit ihrem Freund. Joy hilft ihr und lässt sie bei sich wohnen. Stan und die Kinder sehen das Auftauchen der Fremden kritisch. Sie trauen ihr nicht, und schon bald stoßen sie auf eine ganze Reihe von Lügen. Hat sie etwas mit Joys Verschwinden zu tun? Auch Savannah ist nicht auffindbar.
Auf zwei Zeitebenen mit ausführlichen Rückblenden in die Vergangenheit entwickelt die Autorin eine komplexe Familiengeschichte mit Krimielementen, wo letztlich vieles nicht so ist, wie es scheint. Es melden sich immer mehr Unbeteiligte aus dem Umfeld der Familie, die etwas Verdächtiges beobachtet oder gehört haben. Die Polizei folgt falschen Fährten, aber die Indizien, dass Stan etwas mit dem Verschwinden seiner Frau zu tun hat, verdichten sich immer mehr. Da gibt es Verrat, Täuschung und viele unterdrückte, nie ausgesprochene Gefühle von Kränkung, Enttäuschung und Verbitterung bis hin zu Hass. Bei den Delaneys musste sich immer alles dem Tennissport unterordnen – persönliche Vorlieben ebenso wie die gesamte Lebensplanung. Die größten Opfer hat dabei Joy gebracht. Was macht das Modell „Familie“ mit dem Verhältnis der Ehepartner zu einander, der Eltern zu den Kindern und der Geschwister untereinander? Gibt es am Ende weder eine glückliche Ehe noch eine perfekte Familie?
Ich habe den umfangreichen Roman gern gelesen, obwohl ich finde, dass die Spannung zum Ende hin etwas abfällt und die Auflösung nicht gerade sensationell ist und ein wenig konstruiert wirkt.

Veröffentlicht am 29.01.2022

Auf der Suche nach der Wahrheit

Perfect Day
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Die 24jährige Ann Lesniak besucht im Jahr 2017 eines Abends ihren Vater, einen angesehenen Philosophen und Anthropologen, als er verhaftet und beschuldigt wird, der berüchtigte Schleifenmörder zu sein. ...


Die 24jährige Ann Lesniak besucht im Jahr 2017 eines Abends ihren Vater, einen angesehenen Philosophen und Anthropologen, als er verhaftet und beschuldigt wird, der berüchtigte Schleifenmörder zu sein. Dieser hat in den letzten 14 Jahren in Berlin mindestens 10 Mädchen zwischen 6 und 10 Jahren entführt und ihnen die Pulsadern aufgeschnitten. Den Weg zu ihren Leichen markierte er stets mit roten Schleifen. Ann kann nicht glauben, dass ihr über alles geliebter Vater diese furchtbaren Verbrechen begangen hat. Schließlich hat er sie nach dem frühen Krebstod der Mutter liebevoll aufgezogen. Er war alles für sie und umgekehrt. Sie beginnt sofort auf eigene Faust zu ermitteln, um seine Unschuld zu beweisen, unterstützt von ihrer Freundin Eva und einem jungen Mann namens Jakob, der ihr Vertrauen gewinnt. Dann verschwindet in Süddeutschland ein weiteres Kind, und für Ann werden die Ermittlungen dort immer gefährlicher.
Ich fand den Roman sofort interessant und sehr spannend, weil es mehrere Erzählperspektiven und Zeitebenen gibt. Da lesen wir Gedanken von Ann als Kind, die sie tagebuchartig notiert hat, außerdem Abschnitte von einem unbekannten „Wir“, anscheinend mit Täterwissen, und dann Interviews eines Unbekannten mit dem Täter aus dem Jahr 2021. Viele falsche Fährten machen es nahezu unmöglich, die Lösung zu erraten. Dennoch fand ich den Thriller in der zweiten Hälfte weniger spannend, vor allem weniger glaubwürdig. Manches wirkt zum Ende hin zu konstruiert. Romy Hausmann ist dennoch eine Autorin, die ich im Auge behalten werde. Vor allem werde ich sicherlich noch ihren Debütroman “Liebes Kind“ lesen.

Veröffentlicht am 20.01.2022

Dysfunktionale Familien

Was damals geschah
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Henry Lamb lebt mit seiner 12 Jahre jüngeren, sehr schönen Frau Martina in einem großen Haus in Chelsea. Sein Vater Henry hatte es gekauft, nachdem er seinen schwerreichen Vater Harry beerbt hatte. Die ...


Henry Lamb lebt mit seiner 12 Jahre jüngeren, sehr schönen Frau Martina in einem großen Haus in Chelsea. Sein Vater Henry hatte es gekauft, nachdem er seinen schwerreichen Vater Harry beerbt hatte. Die Lambs haben zwei Kinder, Henry und Lucy. Irgendwann wird das Geld jedoch so knapp, dass Henry nicht einmal mehr eine teure Privatschule besuchen kann. Eines Tages nehmen die Eltern die junge Birdy auf, später David Thomsen mit seiner Frau Stella und den Kindern Phin und Clemency. Es sollte zunächst vorübergehend sein, dann blieben sie auf Dauer, und das Leben aller Beteiligten veränderte sich grundlegend. Der dominante, charismatische David entwickelt sich zu einer Art Sektenführer. Er bringt alle Wertgegenstände an sich, um sie angeblich für wohltätige Zwecke zu spenden, sperrt die Kinder ein und zwingt alle, schwarze Kutten zu tragen und ihm ihre Schuhe auszuhändigen. Die Kinder erleben jahrelang Mangelernährung, Missbrauch und Misshandlungen. Alle haben Angst vor dem cholerischen, gewaltbereiten Mann und ordnen sich ihm unter. Martina Lamb verfällt ihm und denkt gar nicht daran, ihren kranken Mann und die Kinder zu schützen. Irgendwann kommt es zur Katastrophe. Die Polizei findet in der Küche die Leichen des Ehepaars Lamb und eines Unbekannten mit den Initialen D.T. sowie ein wenige Monate altes Baby, das zur Adoption freigegeben wird. Die vier Teenager sind spurlos verschwunden.
Erzählt wird die Geschichte aus drei unterschiedlichen Perspektiven: der des Sohnes Henry, der Tochter Lucy und von Libby Jones, dem adoptierten Baby, das in der Erzählgegenwart gerade 25 geworden ist. Libby erfährt durch einen Brief des Treuhänders, dass sie das Haus in Chelsea erbt, weil mögliche Berechtigte keinen Anspruch erhoben haben und hat damit erstmals die Chance zu erfahren, wer sie wirklich ist. Sie erforscht zusammen mit dem Journalisten Miller Roe, was damals geschehen ist.
Die ständig wechselnde Erzählperspektive macht es dem Leser schwer genauso wie die zwei Zeitebenen und die Personenvielfalt, wobei einige Personen auch noch mehrere Namen haben. Die Geschichte ist spannend mit zahlreichen unerwarteten Handlungsumschwüngen, aber leider etwas unübersichtlich. Auch die Charakterisierung der Figuren überzeugt mich nicht. Das Buch hat mich ein wenig enttäuscht.

Veröffentlicht am 06.10.2021

Von Schicksalsschlägen gebeutelt

Der Kolibri
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Im Mittelpunkt von Sandro Veronesis 2020 mit dem Premio Strega ausgezeichneten Roman “Der Kolibri“ steht der Augenarzt Marco Carrera. Er stammt aus einer bürgerlichen Familie in Florenz, wird selbst später ...


Im Mittelpunkt von Sandro Veronesis 2020 mit dem Premio Strega ausgezeichneten Roman “Der Kolibri“ steht der Augenarzt Marco Carrera. Er stammt aus einer bürgerlichen Familie in Florenz, wird selbst später in Rom tätig sein. In 46 Kapiteln erzählt der Autor eine außergewöhnliche, etwa 70 Jahre umfassende Familiengeschichte, jedoch nicht chronologisch, sondern mit ständigen Zeitsprüngen. Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. Der Psychoanalytiker seiner Frau bricht seine ärztliche Schweigepflicht, weil er glaubt, dass Marco in Gefahr ist. Seine Frau erwartet ein Kind von einem deutschen Piloten und wird ihn verlassen. Mit ihr hat er die geliebte Tochter Adele, die angesichts der Scheidung und des Rosenkriegs der Eltern psychische Auffälligkeiten entwickeln wird. Das Scheitern seiner Ehe ist jedoch nicht das einzige Unglück, das Marco zustößt. Er verliert im Laufe der Zeit vier geliebte Familienmitglieder. Er selbst will keine Veränderungen, sondern den absoluten Stillstand – wie der Kolibri, der mit unendlich vielen Flügelschlägen erreicht, dass er auf der Stelle verharren kann, aber diesen Wunsch vereitelt das Schicksal immer wieder durch den Tod von Angehörigen. Kolibiri wurde er als Kind genannt, weil er extrem klein, aber sehr beweglich war. Erst eine Therapie verhalf dem 15jährigen zu einem sprunghaften Wachstum und zu normaler Größe.
Die Todesfälle in seinem Umfeld waren aber nicht der einzige Grund, warum aus Marco kein glücklicher Mensch wurde. Schon als Jugendlicher verliebte er sich in Luisa, liebte sie ein ganzes Leben lang, aber nie wurde eine Beziehung daraus. Sie schrieben sich, sahen sich eine Zeit lang im Sommer am Meer, aber es blieb eine unerfüllte Liebe, weil Marco keinen Schritt auf sie zuging. Der einzige Lichtblick in seinem Leben ist die geliebte Enkelin Miraijin, die er im Auftrag seiner früh verstorbenen Tochter Adele zum Menschen der Zukunft erzieht. Sie ist wunderschön und hochbegabt und wird die Welt zu einer besseren machen.
Der sprachlich und gedanklich anspruchsvolle Roman ist keine leichte Lektüre. Die unzähligen Zeitsprünge und Ortswechsel setzen ein überdurchschnittliches Durchhaltevermögen voraus. Ohne die Jahresangaben zu Beginn der Kapitel wäre auch der noch so anstrengungsbereite Leser überfordert. Mir hat der Roman nicht so gut gefallen wie andere Bücher von Veronesi.

Veröffentlicht am 06.09.2021

Eine amerikanische Familie

Die letzten Romantiker
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Im Mittelpunkt von Tara Conklins Roman steht die Familie Skinner. Der Ehemann und Vater stirbt früh und lässt seine Frau Noni und die Kinder Renee,11, Caroline, 8, Joe, 7 und Fiona, 4 zurück. Die Mutter ...


Im Mittelpunkt von Tara Conklins Roman steht die Familie Skinner. Der Ehemann und Vater stirbt früh und lässt seine Frau Noni und die Kinder Renee,11, Caroline, 8, Joe, 7 und Fiona, 4 zurück. Die Mutter zieht sich mit schweren Depressionen für drei Jahre in ihr Schlafzimmer zurück und überlässt ihre Kinder sich selbst. Renee übernimmt die Mutterrolle und kümmert sich um die jüngeren Geschwister. In dieser Zeit wachsen sie eng zusammen. Später werden sie völlig verschiedene Lebenswege wählen und sich zunehmend voneinander entfernen. Renee wird eine erfolgreiche Ärztin, Caroline heiratet früh ihren Jugendfreund und bekommt drei Kinder, Joe hat viele Freundinnen, legt sich aber lange nicht fest, und Fiona wird Umweltaktivistin, schreibt Gedichte und einen Blog, indem sie über ihre zahllosen sexuellen Kontakte berichtet. Als Joe in der Latina Luna gerade seine große Liebe gefunden hat, erleidet er einen „Unfall“, der die Familie erneut in tiefe Trauer stürzt. Der Roman umfasst fünf Jahrzehnte Familiengeschichte, blickt aber zusätzlich in einer Art Rahmenhandlung in die Zukunft. Im Jahr 2079, als der Klimawandel mit seinen bekannten Folgen stattgefunden hat, liest die 102jährige Fiona, eine inzwischen sehr bekannte Dichterin, öffentlich aus ihrem Werk. Eine junge Frau namens Luna fragt sie nach der Figur aus einem 75 Jahre zuvor geschriebenen Gedicht, und Fiona erzählt ihre Geschichte und die ihrer Familie.
Der Roman ist zum Teil berührend, aber vor allem in der zweiten Hälfte nicht besonders spannend. Es geht ausführlich um Verantwortung und Liebe, aber auch um ein gewisses Maß an Unehrlichkeit und Verrat. Alle drei Schwestern hinterfragen in der Mitte des Lebens ihre Lebensentscheidungen und treffen neue. Das ist realistisch und interessant. Etwas enttäuschend wird das Thema „Klimawandel“ abgehandelt. Er findet irgendwie statt, spielt aber keine wesentliche Rolle im Geschehen. Insgesamt hat mich der Roman etwas enttäuscht. Er ist nicht so außergewöhnlich, wie ich erwartet hatte.