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Veröffentlicht am 10.01.2021

Leben auf Distanz

Ein Sonntag mit Elena
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Jahrelang war er als Ingenieur im Brückenbau überall auf der Welt unterwegs und verband auf spektakuläre Weise getrenntes, das vereint werden sollte. Hierzu war er jedoch monatelang von seiner Frau und ...

Jahrelang war er als Ingenieur im Brückenbau überall auf der Welt unterwegs und verband auf spektakuläre Weise getrenntes, das vereint werden sollte. Hierzu war er jedoch monatelang von seiner Frau und seinen 3 Kindern Sonia, Guilia und Alessandro getrennt. Doch er und seine Frau liebten sich sehr, auch körperlich, was für ihre Kinder in der Turiner Wohnung nicht zu überhören war. Als sie vor 8 Monaten starb, war er auch mit 66 Jahren noch in Venezuela, statt in Italien um mit ihr den Ruhestand zu genießen. Nun ist er zurück in der ehemals gemeinsamen Wohnung und vermisst sie schmerzlich. Seine Einsamkeit scheint ihn aufzufressen. Sein Sohn lebt in Helsinki, seine Mittlere spricht nicht mehr mit ihm und lediglich seine Älteste, ihren Mann und ihre Zwillingstöchter trifft er manchmal. Als sie sich eines sonntags zum Besuch ankündigen, ist er fest entschlossen, diesen Tag zu etwas Besonderem zu machen. Erstmals stellt er sich selbst an den Herd. Er nimmt die zerliebte Rezeptsammlung seiner Frau und kocht die Lieblingsspeisen seiner vier Gäste. Doch wie es ihnen schmeckt, wird er nie erfahren, denn durch einen Unfall sagen sie ab. Zwischen Enttäuschung und Sorge zerrissen ,geht er in den Park und beobachtet einen dreizehnjährigen Skater. Spontan lädt er ihn und seine Mutter zu seinem vorbereiteten Festmahl ein.

Erzählt wird diese Geschichte aus Sicht der jüngsten Tochter Guilia, einer Theaterautorin, die jedoch mit ihrem Vater nicht mehr spricht. Der Kontakt ist irgendwie beidseitig eingeschlafen. Die Tochter kann ihrem Vater wohl auch nicht verzeihen, dass dieser eine Geliebte in Venezuela hatte, während ihre Mutter stets gute Miene, zu ihrer oft monatelangen Einsamkeit machte, sich fröhlich und zugewandt zeigte. Aufgrund ihrer Ressentiments ihrem Vater gegenüber, finde ich diesen auch sehr distanziert geschildert. Das hat es mir sehr erschwert, eine emotionale Nähe zu ihm aufzubauen. Auch wenn diese Geschichte auch echte Highlights und Bonmots zu bieten hat, ist es mir nie ganz gelungen, völlig in sie einzutauchen. Das dürfte auch daran liegen, dass Guilia die Geschehnisse nur aus zweiter oder dritter Hand kennt. Durch ihre Distanz zu ihrem Vater, nimmt man automatisch auch eine Distanz zu ihm und auch zu Elena und Gaston ein. Diese hat die Erzählerin der Ereignisse erst Jahre später zufällig, wenn überhaupt getroffen. Die Erinnerungen an ihre Mutter, der sie wohl sehr nahe stand, sind viel wärmer und berührender. Durch die Erzählung in mehreren Zeitebenen war ich bisweilen auch etwas irritiert, was durch den merkwürdigen Namen ihres Mannes noch verstärkt wird. So fremdländische Namen sich nur durch Hören vorzustellen, fällt mir unglaublich schwer, wodurch es mir auch nicht so recht gelingt sie mir vorzustellen.

Am Ende soll wohl alles gut sein, aber irgendwie ist der Autor, der so alt ist wie ich, wohl etwas freigeistiger. Es hätte mir als Info genügt, dass in der Wohnung mittlerweile die Enkelgeneration glücklich ist. Dass diese darin kiffen ist keine Bereicherung meines Wohlbefindens, sondern irritierte mich lediglich und setzte mich wieder auf Distanz. Dieser Roman ist nicht nur schlecht, ich hatte mir nur viel mehr von ihm erwartet, insbesondere viel positivere Gefühle. Immer wieder gibt es wunderbare Erkenntnisse, die man mit der Erzählerin teilt, Einblicke in das Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Es geht um die Frage, was wirklich zählt im Leben, worauf es ankommt. Ob wir nicht in unserem Streben nach Erfolg und Glück, die Augen vor den wirklich wichtigen Dingen und Menschen verschließen? Es ist ein Weckruf, die Zeit, die man hat, mit den Menschen zu verbringen, die man liebt, sonst könnte es irgendwann zu spät sein.

Julia Nachtmann gefällt mir sehr gut. Ich mag ihre Stimme und man hört ihr ihre Gefühle deutlich an. Ihren inneren Kampf mit ihren Gefühlen zu ihrem Vater und ihre deutliche Nähe und Liebe zu ihrer Mutter und ihren Nichten. Doch auch sie vermag es nicht, in mir ein Gefühl der Wärme und des Wohlbefindens beim Hören auszulösen, das ich mir so sehr von dieser Geschichte gewünscht hätte.

Ein Roman über die Einsamkeit und das was wirklich zählt im Leben, der in mir allerdings bisweilen eine innere Leere auslöste.

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Veröffentlicht am 03.12.2020

Hart

Queenie
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Trigger Warnung: Diese Geschichte vermag wegen des Themas der sexuellen Gewalt zu triggern.
Queenie ist Mitte zwanzig, in der Blüte ihres Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaika, doch aufgewachsen ist ...

Trigger Warnung: Diese Geschichte vermag wegen des Themas der sexuellen Gewalt zu triggern.
Queenie ist Mitte zwanzig, in der Blüte ihres Lebens. Ihre Familie stammt aus Jamaika, doch aufgewachsen ist sie in Brixton/London. Ihre üppigen weiblichen Formen sind für viele Männer ein Hingucker, doch für sie zählt nur ihr weißer Boyfriend Tom. Statt ihre Beziehung zu genießen, redet sie sie schlecht, auch aufgrund ihrer eigenen, traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit, ohne Tom an diesen teilhaben zu lassen. Tom ist eigentlich ein netter Kerl, versteht sie und ihre Probleme jedoch nicht. So versteht er nicht, wie sehr die rassistischen Sprüche seines Bruders oder Onkels Queenie verletzten und wiegelt ab, statt für Queenie in die Presche zu springen. Als Tom dann eine Beziehungspause vorschlägt, bricht für Queenie eine Welt zusammen. Schon vorher hat sie sich in der Zeitungsredaktion kein Bein ausgerissen, doch jetzt vertrödelt sie die Arbeitstage fast ausschließlich, oder schwänzt, um sich nach ihren ungeschützten sexuellen Abenteuern in der Frauenklinik durchchecken zu lassen. Statt sich um die Themen zu kümmern die ihr wichtig sind und etwas zu bewegen, begibt sie sich auf eine gefährliche Suche nach sexueller Bestätigung.

Bei diesem Hörbuch hatte ich Zweifel, ob es mir nicht zu lang sein könnte. Tatsächlich hätte ich es mir gekürzt gewünscht, denn mehr als 1 MP3 lang ist Queenie die absolute Katastrophe! Nicht nur ihre besten Freundinnen, haben über ihre triebgesteuerten wahllosen Sexabenteuer zur vergeblichen Füllung ihrer inneren Leere den Kopf geschüttelt. Ich war bisweilen fassungslos, warum sie sich selbst so etwas antut. Sie ist nicht so seelenlos, dass ihr belangloser, bisweilen brutaler aber stets liebloser Sex nicht schadet. Mit jedem Versuch den Verlust ihres Freundes durch ein sexuelles Abenteuer zu vergessen, befriedigt sie irgendeinen Kerl, aber nicht sich selbst. Diesen Typen ist sie völlig gleichgültig, was sich auch daran zeigt, dass es völlig ungeschützt erfolgt und Queenie somit langsam zum Dauergast in der Frauenklinik macht. Dort versucht man ihr Hilfe anzubieten, aber sie lehnt, relativ fassungslos ab!

Ich habe selten so gut und nachvollziehbar die verletzten Gefühle und allgegenwärtigen Demütigungen schwarzer Frauen gehört. Es geht unter die Haut, mach unfassbar wütend und man schämt sich schon beim Zuhören. Es gibt wohl kaum einen rassistisch verletzende Plattitüde, die im Zweifel ja gar nicht so gemeint war, die hier ausgelassen wird. Dennoch verkneifen sich viele Menschen noch immer nicht diese verletzenden Sprüche und fühlen sich auch noch im Recht. Aber leider lässt Queenie ihre Qualitäten verkümmern und benutzt ihren Körper. Wofür eigentlich? Denn sie verletzt sich selbst ja nur noch mehr.

Für mich ist sie nicht, wie beschrieben eine Chaosqueen, sondern eine echte Katastrophe, die es nicht schafft, über ihre wirklichen Gefühle zu sprechen, und das was sie innerlich auffrisst, weiterfressen lässt, statt es frei zu lassen. Queenie hat so viele Probleme, dass es eigentlich für eine Geschichte zu viel ist. Einige ihrer Probleme sieht/hört man geradezu kommen, wie ihr Konflikt mit ihrer Freundin Cassandra. Diese tut ihr in dem Moment eigentlich unrecht, aber ich hätte schon früher die Geduld mit jemandem verloren, der sich überhaupt nicht helfen lässt und sich selbst so wenig achtet und stattdessen einfach treiben lässt. Queenies Freundinnen finde ich sehr sympathisch und ich bewundere ihre Geduld, Langmut und Großzügigkeit, denn über Monate gibt sie nichts zurück, sondern nimmt nur. Irgendwann, nach mehr als der Hälfte der Geschichte, bricht sie zusammen und sie nimmt Hilfe an. Nach und nach erfährt man, was zu diesem selbstzerstörerischen Verhalten geführt hat. Das ist echt harter Tobak. Aber dass sie sich dann doch aufrafft und erfolgreich Hilfe sucht, obwohl dass jeglicher Überzeugung in ihrer Comunity widerspricht, hat mich dann doch wieder etwas mit ihr versöhnt. Mir gefällt, dass die Autorin auch Rückfälle trotz Therapie beschreibt. Diese ist auch ein schmerzhafter Prozess und kein einfaches Allheilmittel. Aber es macht Mut, da es zeigt, dass man Selbstrespekt auch wieder lernen kann, nachdem er brutal zerstört wurde.

Patricia Coridun ist eine tolle Wahl für die Stimme der Queenie. Auch wenn ich ihr Verhalten überhaupt nicht nachvollziehen kann, so kann ich ihren Schmerz hören und spüren, ganz tief unter der Haut. Sie klingt bisweilen auch einfach nur müde, rau und desillusioniert, eigentlich sehr stark und durchsetzungsfähig, doch ohne den aktuellen Biss. Sie ist unglaublich ausdrucksstark und facettenreich, facettenreicher eigentlich als Queenie selbst, die vor allem leidet und sich selbst bemitleidet, statt sich aufzuraffen und was zu ändern.

Die Tracks sind leider nicht alle 5 Minuten gesetzt, um den Wiedereinstieg zu erleichtern, sondern anscheinend den Kapitellängen angepasst. Mit einem normalen MP3-Abspielgerät dürfte das entsetzlich sein, es sollte also unbedingt eine Memory/Hörbuchfunktion vorhanden sein, die automatisch an der richtigen Stelle des Tracks wieder einsetzt. Ein Track kann locker länger als eine halbe Stunde dauern. Dafür kommt jede MP3 aber mit relativ wenigen Tracks aus, so dass mein MP3 Player mit Memoryfunktion die Tonträger auch akzeptiert... Ja, ich mag CDs einfach lieber...

Queenie ist sexuell sehr experimentierfreudig, man sollte dieses Hörbuch auf keinen Fall bei Gelegenheiten hören, bei denen Kinder hereinplatzen könnten. Dabei finde ich ihre Eskapaden allerdings überhaupt nicht erotisch, sondern einfach nur selbstzerstörerisch. Ich schätze aber auch, dass es durchaus so gemeint ist.

Ein Hörbuch, das mich sehr zwiespältig hinterlässt, da es ganz klare Stärken hat, ich ihre Hauptperson Queenie aber bisweilen unerträglich anstrengend finde.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

Kunst bestimmt den Zeitgeist

Eine Reise durch die Kunst
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Ein Buch, das durch die Kunst und die Geschichte reist, an 30 verschiedene Orte von der Steinzeit bis zum heutigen Tag, Aaron Rosen, 144 Seiten, Midas Verlag

Wie jede gute Reise, sollte man auch diese ...

Ein Buch, das durch die Kunst und die Geschichte reist, an 30 verschiedene Orte von der Steinzeit bis zum heutigen Tag, Aaron Rosen, 144 Seiten, Midas Verlag

Wie jede gute Reise, sollte man auch diese nicht unvorbereitet beginnen, weshalb es natürlich eine Einladung mit Vorwort gibt: „Komm mit auf die Reise“ diese führt über prähistorische & antike Kunst zur mittelalterlichen und der frühen Moderne und endet in der modernen und zeitgenössischen Kunst ab 1800. Für Kinder ist dies allerdings alles andere als modern oder zeitgenössisch, aber bei einer Zeitspanne von rund 3000 Jahren relativiert sich die Zeit. Dabei finde ich die einleitend einladenden Wort sehr schön und respektvoll den Kulturen und Ländern gegenüber, die hier mit ihrer Kunst beispielhaft ausgewählt wurden, um zu zeigen, dass Kunst mehr sein kann, als nur zu gefallen und schön zu sein, sondern tatsächlich Geschichten erzählt, Zeichen setzt oder die Welt verändern kann. Hierfür soll mit Beispielen rund um den Globus Verständnis geschaffen werden.

Um ein Verständnis deutlicher zu schaffen, beginnt jeder neue Reiseabschnitt mit einer Karte, die so auch verdeutlicht, wo überall rund um den Globus so in frühen Zeiten Kulturen Kunst erschaffen haben, die noch neue staunen lassen. Diese Karten bieten einen eindrucksvollen Überblick und sind daher nicht vollständig, um den Blick nicht vom Wesentlichen abzulenken.

Es wird schön dargestellt, wie gesellschaftliche Strömungen und Ansichten das Leben und die Kunst und vis versa prägen. Sehr interessant fand ich z.B. Amsterdam 1650, dessen Glaubensfreiheit und deren Bedeutung mir gar nicht bewusst war, schon gar nicht, dass diese sensationelle Freiheit zum goldenen Zeitalter dieses doch recht kleinen Landes führte, dem es auch noch heute seine Bedeutung verdankt. Da viele Niederländer zum Protestantismus übertraten, wollten sie ihren Glauben frei praktizieren können und wehrten sich gegen die Unterdrückung durch die katholische Kirche. Diese Freiheit wurde aber auch von Juden genutzt, die nach Amsterdam strömten und dort die damals weltweit größte Synagoge bauten. Auch der Handel profitierte von dieser Entwicklung. Ob diese Zusammenhänge, so interessant sie sind, für Kinder ab 8 Jahren bereits schon begreiflich sind, wage ich zu bezweifeln. Meine Kinder sind von 11 Jahren aufwärts und verstehen es, im Grundschulalter wäre dies aber wohl noch zu komplex gewesen. Es ist ein kurzer, knackiger Aufriss, der auf Highlights begrenzt ist, aber sich nicht alleine auf einen Erdteil beschränkt, was ich sehr wertschätzend finde. Die Texte finde ich interessant und informativ, wobei ich mir schon etwas mehr Ausführlichkeit gewünscht hätte, weil ja gerade bei Kindern zumeist kein Hintergrundwissen vorliegt, auf welches zurückgegriffen werden kann. 144 Seiten sind für ein solches Projekt vielleicht doch etwas sportlich.

Schade finde ich, dass der Anteil an Bildern von Originalkunstwerken gerade aus der jüngeren Zeit so gering ist. Diese Fotografien sind recht kleinformatig. Hier wird vor allem auf großflächige Illustrationen zurückgegriffen, die aber einfach nicht so stark die Gefühle und Eindrücke wieder geben können, die das Original im Betrachter hervorruft. Da dies gerade bei den frühen Kunstwerken nicht der Fall ist, keimte in mir der Eindruck, dass es hier um die teuren Bildrechte geht. Welcher Steinzeitmensch oder dessen Erbe klagt heute noch seine Urheberrechte ein? Bei moderner oder zeitgenössischer Kunst kann dies in der Tat erhebliche Kosten verursachen, weshalb Kunstbände auch so teuer sind.

Architektonische Kunst ist hier aber schon im Bild zu betrachten, was gerade für deutsche Kinder interessant ist, da hier als Beispiel Berlin 1990 gewählt, also die kreative Kraft durch den Mauerfall dargestellt. Ein schöner Anlass um mit den Eltern mal über diese enorme Energie und diesen Ruck zu sprechen, der durch das Land ging, damals, als die Grenzen geöffnet wurden und jahrzehntelang unterdrückte Begegnungen möglich wurden.

In die Zukunft weisen soll Rio de Janeiro 2020 mit einem richtungsweisenden Kunstmuseum, doch mit der Pandemie, die Brasilien besonders stark trifft, wird gerade die Kunst zurückgedrängt, da das Überleben zählt und Kunst dann eher im Kleinen gedeiht.

Sehr motivierend empfinde ich den Schluss! Denn der Leser wird aufgerufen, sich nun selbst auf die Reise zu begeben und Kunst in Zeit und Raum zu suchen. Eine wirklich positive Anregung, nur aktuell in der Pandemie nicht ganz so leicht umsetzbar.

Sehr gut gefällt mir das Glossar zum Ende des Buches, in welchem Fachbegriffe kurz und knapp erklärt werden. Es folgen Bildverzeichnis und eine Danksagung des Autors.

Ein interessanter Einblick, der für meinen Geschmack aber leider etwas zu kurz und punktuell ist, aber wunderbar Zusammenhänge darstellt.

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Veröffentlicht am 19.10.2020

Toll geschrieben, leider fehlen Fotos

Physik ist, wenn's knallt
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Physik zum Staunen und Nachmachen! Wie man selber Trockeneis herstellt und mit Käse einen Menschen schweben lässt – Experimentierspaß aus dem echten Leben mit den Physikanten.

Ein Buch der beliebten Wissenschaftsshows, ...

Physik zum Staunen und Nachmachen! Wie man selber Trockeneis herstellt und mit Käse einen Menschen schweben lässt – Experimentierspaß aus dem echten Leben mit den Physikanten.

Ein Buch der beliebten Wissenschaftsshows, bekannt z.B. aus der Sendung „Frag doch mal die Maus!“ oder „Wer weiß denn so was?!“ Der Diplom-Physiker Marcus Weber steht regelmäßig mit seiner Science-Show-Firma auf Deutschlands Fernsehbühnen und lässt mit seinen physikalischen Experimenten staunen. Einfach und anschaulich präsentiert er physikalische Phänomene die verblüffen. Nun hat er gemeinsam mit seiner Frau Judith, einer Diplom-Journalistin ein Buch geschrieben, von dem ich mir erhoffte, viele Experimente zu entdecken, mit denen ich meine Kinder und mich für Physik begeistern könnte. Anders als Elton, der das Vorwort schrieb, bin ich ja tatsächlich gerne in die Schule gegangen, vor allem nachdem ich in der Oberstufe Physik und Latein abgewählt hatte...

Den Schreibstil von Judith Weber finde ich klasse. Es lässt sich wunderbar unterhaltsam und verständlich lesen, sogar am Strand, an dem ich sogar ein Experiment zu den Unterschieden zwischen Männer und Frauen nachmachen konnte. Locker flockig erzählt sie von Experimenten aus dem Alltag und wie dieser ihren Mann zu neuen Experimenten animiert. Dabei räumt sie allerdings schon zu Beginn ein, dass es sich um fiktive Rahmenstorys handelt, die sich so aber in ihrer Familie ereignen könnten. Zumindest muss ihren 3 Kindern nun nichts peinlich sein, wobei dies ja bei Eltern und Kindern quasi Pflicht ist. Die Erklärungen scheinen auch wirklich einleuchtend und verständlich. Bei der Umsetzung hapert es bei mir dann aber. Also das Trockeneis aus dem Wassersprudler, funktioniert leider nur mit dem Plastikflaschenmodell. Haben wir nicht im Büro, also ging es zu den Nachbarn. Deren Kohlensäurezylinder war leer, aber da konnte ich aushelfen, immerhin wollte ich ja Trockeneis. Ich schraubte den frischen Zylinder ein und das Gerät zischte ab, wie eine Rakete. Das war im Versuchsaufbau so nicht vorgesehen, also kauften die Nachbarin und ich schnell ein neues Gerät. In der Zwischenzeit war der benachbarte Maschinenbauingenieur erwacht, der ein dringendes Reparaturbedürfnis hatte und schlechte Laune über die Ersatzanschaffung... dann fehlten die Kinder zum Zuschauen...., es sollte ja auch tolle Fotos geben.... Das Experiment scheiterte leider an einem einsatzfähigen Gerät und schlechter Laune.

Das Hoverboard war mir zu aufwendig, ich mag einfach auch keine lauten Laubsauger und dann soll ich auch noch Löcher in Bretter sägen... nee, also so hatte ich mir das nicht vorgestellt.

Es gab zum Glück auch Experimente mit der Mikrowelle, die man nicht auseinanderbauen muss, aber viel Fingerspitzengefühl oder Wagemut erfordern. Bei meinem miesen Elektrokarma habe ich mich da nicht dran getraut.

Aber hey, da konnte man coole Zauberstäbe mit Plastiktüten herstellen! Voll motiviert bin ich zum französischen Gemüsehändler, um eine Plastiktüte zu erhaschen.... aber leider bin ich zu unmagisch, einfach entladend, oder die französischen Plastiktüten sind auch nicht mehr das was sie mal waren...oder die Filzstifte oder Plastikstrohhalme, es klappte leider nicht. Beim Umsetzen habe ich allerdings festgestellt, dass einige Anweisungen natürlich auch Auslegungssache sind, aber darüber sollte man mit einer Juristin wohl besser nicht diskutieren.

Ziemlich ernüchternd, aber immerhin ist mein Körperbau so wie er sein soll und bei meinem Mann auch, es ist also noch nicht alles verloren, da das Experiment zu dem kleinen Unterschied zwischen den Geschlechtern tatsächlich funktionierte. Uff, noch mal Glück gehabt!

Ich fühlte mich schon ein bisschen wie in der Schule, die Experimente hatten sich gegen mich verschworen, aber es war wirklich kurzweilig zu lesen, anders als das Physikschulbuch. Allerdings, fehlten mir beeindruckende bunte Bilder, die mich zu mehr Engagement und Hartnäckigkeit animiert hätten. Der Ingenieur, der uns doch bitte das Trockeneis zaubern sollte, ist über der Zeichnung eingeschlafen. Da hätten etwas mehr Effekte statt trockener Illustrationen sicher Wunder gewirkt. So ist der Titel der Knaller, aber aufgrund von viel Text und wenig Bild für Jugendliche und Tüftler, also eher lesephobe Gestalten, nicht so ansprechend. Da schaue ich mir die Experimente lieber im Fernsehen an und staune, als hier großen Schaden anzurichten, weil ich die Zeichnung nicht ganz nachvollziehen kann...

Viele Ideen und Experimente, aber bisweilen braucht man wirklich einen Heimwerkerkeller und Lesemuffel bräuchten dringend farbige Illustrationen. Mangels geglückter eindrucksvoller Experimente, konnte ich leider auch keine für die Rezension beisteuern.... Aber das Lesen hat mir Spaß gemacht, wenn es auch mehr die Familiengeschichten waren, die mich amüsierten.

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Veröffentlicht am 03.07.2020

Es ist nie zu spät für eine schlimme Kindheit

Das Kind in mir will achtsam morden
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Anwalt Björn Diemel hat es geschafft! Er lebt nun in einer Wohnung, in der Villa des Kindergartens seiner Tochter, ebenso wie Ex-Mafiosi Sascha, der sich als einfühlsamer Kindergartenleiter entpuppt und ...

Anwalt Björn Diemel hat es geschafft! Er lebt nun in einer Wohnung, in der Villa des Kindergartens seiner Tochter, ebenso wie Ex-Mafiosi Sascha, der sich als einfühlsamer Kindergartenleiter entpuppt und leitet im Verborgenen zwei rivalisierende Mafia-Gangs. Die Beziehung zwischen ihm und seiner Frau Katharina ist nun auf Distanz so viel entspannter, dass sie beschließen gemeinsam mit ihrer Tochter Emily Urlaub in den Bergen zu machen. Doch der verpeilte Kellner auf der Almhütte, der Björns berechtigten Wünsche ignoriert und mit den Füßen tritt, bringt das innere Kind in Björn zum Toben, was leider tödlich für den Kellner mit ehrenwerten ökologischen Zielen endet. Katharina ahnt nichts davon, hat aber kein Verständnis für Björns ungehalten, aufbrausende Art und verlangt, dass er erneut eine Therapie bei Joschka Breitner beginnt. Der macht ihn mit dem Konzept des inneren Kindes und den verdrängten Bedürfnissen aus seiner Kindheit vertraut, denn: „Es ist nie zu spät für eine unglückliche Kindheit“.

Alle die die Irrungen und Wirrungen von Band 1 überlebt haben, sind wieder mit von der Partie. Das Vakuum, das die Verstorbenen hinterlassen haben werden von der attraktiven alleinerziehenden Ärztin Laura und ihrem unendlich nervenden Bruder Kurt gefüllt. Kurt ist mir dabei zu plump, durchschaubar und irgendwie kann er Dragan nicht ersetzen und auch Boris hat keine Gelegenheit sein wahres Gesicht zu zeigen. Björn steht einfach nicht mehr im Fadenkreuz zweier sich rivalisierender Clans, dafür aber im Fokus seines alten Studienfreundes Peter, der regelmäßig den Moment der Abgabe seines Kindes in der Kita nutzt, um Björn einige zutreffend unangenehme Fragen zu stellen. Dass der Kriminalkommissar noch das Pensionsalter erreichen wird, wage ich zu bezweifeln.

In diesem Band störte mich nicht der laxe Umgang des Kollegen mit dem Recht auf Leben anderer, sondern mit der Zukunft seiner Tochter. Ökologisch gesehen ist Björn eine Null und kapiert nicht, was das auch für Emily bedeutet. Statt begründete Bedürfnisse pädagogisch geschickter anzugehen als Jahrespraktikantin Frauke, macht er sich darüber lustig. So geschickt sein und Saschas Taktieren beim Elternabend ist, so sehr hat es mich gestört, dass einige Probleme auf eine Stufe gestellt werden. Ich fand es urkomisch, wie er sich über die Eltern, die Bilder ihrer Kinder überall posten und verbreiten mockiert, die im Kindergarten bei Gruppenfotos dann auf dem Recht am eigenen Bild und Datenschutz bestehen. Das hat er geschickt gekontert und die Eltern kalt gestellt, aber nicht kalt gemacht. Anders ist es bei dem begründeten Wunsch nach gesunder Ernährung und Verpackungsvermeidung, das sogar den Kellner das Leben kostete.

Leider bleibt Sascha, der mir in dem letzten Band trotz seiner Vergangenheit ans Herz gewachsen ist, diesmal recht blass. Dafür rückt Björns vernachlässigtes und nun wieder hochfahrendes Sexleben in den Vordergrund, das sich nun auch an den Maßstäben des inneren Kindes messen lassen muss und somit auch kinderschützend, fantasievoll umgedeutet werden muss. Sprachlich sehr gelungen, aber nicht immer ein Ersatz für die fehlende Rabenschwärze der Mafiakonstellation zuvor. Dieser Band scheint nicht so genau zu wissen, worauf er sich denn nun konzentrieren soll.

Es gibt wieder einige echte Highlights, wie die Zitate aus dem fiktiven Buch von Therapeut Joschka Breitner, aber auch einige Enttäuschungen, so dass es für mich ein durchwachsenes Hörerlebnis ist.

Der sehr erfolgreiche Vorgänger wurde von Matthias Maschke gelesen, pointiert, rabenschwarz und treffsicher. Der Autor hat eine ähnliche Stimmlage, ist allerdings Jurist und weder Schauspieler noch verfügt er über eine Sprecherausbildung. Das hört man leider. Manchmal vermag niemand einen Text so gut zu übermitteln wie der Autor selbst z.B. bei Jan Weiler, doch hier verblasst er einfach neben dem Comedian, er kann mit seinem Vorgänger einfach nicht mithalten. Noch dazu merkt man wirklich, dass seine Stimme ungeschult ist. Ich höre immer einen kleinen zischenden „S“-Laut mit, die Stimme ist nicht ganz klar und rein. Im persönlichen Umgang im Alltag oder bei der Arbeit würde es mich nicht stören, bei einem Hörbuch, bei dem ich mich ganz auf Stimme und Text konzentriere aber schon. Es ist nicht so stark, dass es therapiert werden müsste, aber es reicht, um ihn als Sprecher zu disqualifizieren.

Das Hörbuch ist nicht schlecht, aber bei Weitem nicht so brillant wie sein Vorgänger. Irgendwie nicht Fisch nicht Fleisch, es fehlt die gnadenlose Schärfe des Auftaktbandes.

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