Lauft, Mädchen, lauft!
Der BlütenjägerLaura Kern ist Spezialermittlerin beim LKA Berlin und wird hinzugezogen, wenn es kniffelig wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn wie aktuell zwei sehr junge Frauen, kurz nacheinander erschossen im Spanndauer ...
Laura Kern ist Spezialermittlerin beim LKA Berlin und wird hinzugezogen, wenn es kniffelig wird. Dies ist z.B. der Fall, wenn wie aktuell zwei sehr junge Frauen, kurz nacheinander erschossen im Spanndauer Forst gefunden werden. Beide barfuß und mit funkelnden Abendkleidern, eine Blüte neben sich und ein Foto, welches sie in provozierenden Tanzposen in der Disco zeigt. Ist dies der Beginn einer Mordserie und heißt das, daß weitere Morde zu erwarten sind? Während der Ermittlungen tappen die Kriminalisten lange im Dunkeln, doch Laura spürt die Dämonen der Vergangenheit sich nähern. Sie verbindet mit den jungen Opfern mehr, als ihre Kollegen ahnen, daher kniet sie sich besonders in die Arbeit. Es scheint eine Verbindung zwischen den Opfern zu geben, daher wird die Psychologin Dr. Niemeyer hinzugezogen, um ein Täterprofil zu erstellen. Dennoch scheinen alle Überlegungen im Sande zu verlaufen, bis sie mit ihrem attraktiven Kollegen Taylor nachts bei einer illegalen Überwachung ein weiteres Opfer findet und dieses auf eine weitere Vermisste hinweist. Der Zeitdruck ist nun enorm!
Auch ohne Vorkenntnisse zur Reihe bin ich gut in den Fall hineingekommen. Laura offenbart dem Hörer ihr traumatisches Geheimnis, daß selbst ihre Kollegen und ihr Liebhaber Taylor nicht kennen dürfen. Zu empfindlich ist auch nach 20 Jahren ihre Seele noch in Bezug auf das Erlebte. Für Neueinsteiger ist eine solche Schlüsselszene natürlich optimal.
Laura ist verschlossen, aber durchaus sympathisch und engagiert. Gerne arbeitet sie mit anderen zusammen, gerade wenn sie wie hier, völlig im Dunkeln tappt, da kann jeder neue Gedanke hilfreich sein. Sehr lange folgt man den Opfern nacheinander durch den dunklen Wald, verfolgt von einem Peiniger, den sie nicht sehen. Über Wurzeln stolpernd, einer vergeblichen Hoffnung auf Rettung folgend. Man lernt die Opfer in ihrer Gefangenschaft kennen, wie sie Kontakt zu einander aufnehmen und begreifen, daß sie auf Vorrat gefangen werden, damit sie ahnen, welches Schicksal ihnen bevorsteht. Die wachsende persönliche Bindung untereinander, machte das Grauen vor der bevorstehenden Jagd auf sie unerträglicher.
Zudem werden Rückblicke zu einem Familiendrama vor 20 Jahren eingeblendet, in welchem die konsultierte Psychologin Dr. Niemeyer behutsam versucht Jungen, die eine Tragödie erlebt haben, bei der Freilegung ihrer Erinnerungen zu helfen. Doch wie gehören die beiden Fällen zusammen? Der Hörer beginnt sich zu fragen, was sie verschweigt.
Man folgt den Ermittlern in die Welt der Discotheken und zwielichtiger Gestalten. Nicht nur der Besitzer des Clubs ist suspekt und Laura zutiefst unsympathisch. Es bieten sich auch weitere Verdächtige an, aber keiner scheint so richtig zu passen.
Der Thriller baut seine Spannung aus dem Element der Verzweiflung, dem Wissen der Opfer, dass ihre Zeit bald abläuft und dem stetig wachsenden Ermittlungsdruck auf. Wie eine Blüte entblättert sich Hinweis für Hinweis, unter Druck aber mit der erforderlichen Zeit, bis sich am Ende die Ereignisse überstürzen. Es geht um Psychologie und Geheimnisse aus der Vergangenheit, nicht um Ekel. Für einen Thriller ist dieser Fall recht unblutig und der Hörer steht auch nicht mit am Seziertisch. Dennoch fiebert man mit und möchte wissen, wer denn die Grausamkeit besitzt junge Frauen zu fangen, zu Jagen und aus dem Hinterhalt zu erschießen.
Soweit fand ich die Geschichte auch schlüssig. Was mich während des Hörens aber immer beschäftigte, war die Frage, weshalb Taylor der nun gerade seinen Profilinglehrgang beendet hat, kein eigenes Profil erstellt, sondern gleich eine externe Psychologin? Er ist ein gewiefter Ermittler mit brillanten Verstand und logischen Überlegungen, aber das gerade Erlernte, wird noch nicht einmal ansatzweise eingebracht. So uneigenständig im Denken, daß er wegen einer beigezogenen Spezialistin auf eigenes Denken verzichtet, erscheint er mir nicht. Er ist sich seiner Fähigkeiten eigentlich durchaus bewußt, ohne falsche Scheu.
Mit diesem Band der Reihe wechselt die Sprecherin von Svenja Pages zu Beate Rysopp. Svenja Pages ist auch eine gute Wahl, die ich mir sehr gut vorstellen kann, aber auch Beate Rysopp finde ich gelungen. Der Prolog beginnt aus Sicht des jüngsten Opfers, was mich etwas zweifeln ließ, denn nach Partymäuschen klingt sie nicht so recht, dafür ist ihre warme Stimme zu reif, aber für die erfahrene Ermittlerin, die bisweilen zwischen ihren eigenen Ängsten, Bedürfnissen und ihrer eigenen Anspruchshaltung hin- und her gerissen ist, passt sie sehr gut. Sie schafft es gekonnt die Klaviatur der Gefühle stimmlich in voller Bandbreite abzurufen. Wie alt Laura Kern ist, erfährt man zumindest in diesem Fall nicht.
484 Minuten rätselhafte Spannung, bei der ich gebannt mitfieberte und über mögliche Täter und Zusammenhänge nachgrübelte. Ungekürzt.