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Veröffentlicht am 05.04.2025

Wenn Alkoholismus eine Traurigkeit ein

Das Schwarz an den Händen meines Vaters
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Intensiv in der Geschichte, klar und ausdrucksstark in der Sprache und von einer Deutlichkeit und Prägnanz in Aussage und Thematik, die mit Tiefgang und doch ganz ungezwungen den Weg zu den Leser*innen ...

Intensiv in der Geschichte, klar und ausdrucksstark in der Sprache und von einer Deutlichkeit und Prägnanz in Aussage und Thematik, die mit Tiefgang und doch ganz ungezwungen den Weg zu den Leser*innen findet – „Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ hat mich beeindruckt. Sehr.
Doch der Reihe nach. Motte, die junge Ich-Erzählerin, ist mit der Erfahrung und dem Erleben aufgewachsen, dass Alkohol mehr ist als der Genuss und die gute Stimmung – auf der Feier zum Geburtstag, zu besonderen, ausgewählten Anlässen. Alkohol kann zerstören. Den Vater, dessen Wesen und Geist zunehmend verschwinden, seinen Körper, nachhaltig und tödlich. Und auch die Familie, die unter der Sucht leidet. Diese weitergibt. Über Generationen. An die Kinder selbst, in ihrer Partnerwahl.
Doch Alkoholismus ist eine Krankheit. Kein Vergehen. Kein Verbrechen. Und somit ist Schuld auch kein Motiv, welches Lena Schätte wählt oder Klischee, welches sie bedient. Denn trotz der dramatischen, desaströsen Auswirkungen des unkontrollierten Trinkens, immerfort, des Vaters, ist ihre Beschreibung der Figur frei von Verurteilung, geprägt von der Liebe der Kinder ihrem Vater gegenüber, dem Ringen der Mutter um das eigene Überleben und das ihrer Partnerschaft und Ehe.
Es ist vielmehr die Traurigkeit, die sich durch die Erzählung zieht, eine Traurigkeit darüber, dass die Dinge so sind, wie sie eben sind. Dass Kindheit und Jugend geprägt und möglicherweise zerstört wurden. Dass Traumatisierungen Alltag sind und das eigene Leben auffressen und begrenzen. Und dass sich nichts mehr ungeschehen machen lässt.
Und ebenso eindringlich wie die Geschichte selbst, kommt auch die Sprache daher. Sie ist schnörkellos und direkt, klar und schonungslos. Die Sätze sind kurz, pointiert, die Worte treffend. Oftmals das Herz. Und genau da bleibt die Erzählung für mich auch, lang über die letzte Seite hinaus. Schmerzt und hat zugleich so viel Schönes. Und ist so groß wie einzigartig.

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Veröffentlicht am 22.03.2025

Eine zarte Liebe – ausdrucksvoll und fesselnd erzählt

Für Polina
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Eine Liebesgeschichte der sanften, leisen Klänge, die sich in Deinen Kopf und tief in Dein Herz spielt. Und dort weiterklingt. So ist „Für Polina“. Und Polina für Hannes. Vom allerersten Tag an.
Und dies ...

Eine Liebesgeschichte der sanften, leisen Klänge, die sich in Deinen Kopf und tief in Dein Herz spielt. Und dort weiterklingt. So ist „Für Polina“. Und Polina für Hannes. Vom allerersten Tag an.
Und dies ist in dem Fall wörtlich zu verstehen. Denn die Begegnung der jungen Mütter Fritzi und Güneş im Krankenhaus prägt nicht nur das Leben der beiden Frauen, sondern verflechtet auch ihre Kinder und deren Lebenswege miteinander. Und lässt ein Band entstehen, das Zeit und Raum überdauert, das stärker ist als Wut, Verlust und Traurigkeit und die Suche nach dem eigenen Selbst und Sinn.
So wie Polina zu Hannes‘ Zentrum, zu seinem Grundton im Leben wird, so ist es auch die Musik, die für ihn klingt, immer da ist. Schon ganz früh, erst ausschließlich in seinem Kopf, später auf dem alten Klavier in der verfallenen Villa im Moor, welche Hannes mit seiner Mutter und dem Einzelgänger Heinrich bewohnt. Und in welcher er seine Kindheit und Jugend verbringt. Gemeinsam mit Polina. Zwischen den Blättern der Rhabarberpflanzen im Garten. Im Abendlicht auf der Steintreppe vor dem Haus. In der Sonnenwärme auf dem alten, staubigen Teppich im lichtdurchfluteten Raum.
Als zu Nähe und Vertrautheit Liebe und Begehren hinzukommen, lässt Hannes diese Gefühle in einer Komposition aufgehen, die all das enthält, was Polina für ihn ausmacht. Sie verkörpert und ihr Wesen in einer Melodie vereint, die für Polina Offenbarung, Verstehen und Geschenk zugleich sein soll.
Doch ein Schicksalsschlag verändert alles, schafft Distanz und Veränderung und Leben, die sich voneinander entfernen. Polinas Melodie jedoch spielt in Hannes weiter und sucht sie, die Frau, die sein gesamtes Leben ausmacht. Und erobert dabei die Herzen unzähliger.
Und auch mein Herz zählt dazu, denn Takis Würger hat es wieder vermocht, was ich mir so sehr erhofft habe: „Für Polina“ hat mich ab den ersten Klängen in seinen Bann gezogen, mich durch die Strophen und Kapitel getragen und mit der Klimax die Geschichte zu einem wunderbaren Abschluss geführt. Ein Meisterstück, erneut!

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Veröffentlicht am 11.03.2025

Du bist die ganze Welt

Walzer für Niemand
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Berauschend wie ein Tanz im Dreivierteltakt, intensiv wie ein Song, der Dein Herz rührt, fesselnd wie eine Geschichte voller Geheimnisse und deren Enthüllungen – „Walzer für Niemand“ ist ein Feuerball. ...

Berauschend wie ein Tanz im Dreivierteltakt, intensiv wie ein Song, der Dein Herz rührt, fesselnd wie eine Geschichte voller Geheimnisse und deren Enthüllungen – „Walzer für Niemand“ ist ein Feuerball. Der so unerwartet tief und heftig einschlägt. Die Sternstunde. Die leuchtet, strahlt und scheint, scheint, scheint. Und die Rakete, die in ferne Welten entführt.
Dabei beginnt die Geschichte so leise wie besonders. Die Ich-Erzählerin wächst als Tochter eines Schweizer Militärattachés behütet und zugleich räumlich enthoben in den verschiedenen Städten verschiedener Länder auf. Und ist dabei doch nie allein. Denn sie hat Niemand, ihren besten Freund, die Person, die immer an ihrer Seite, ihre andere Hälfte ist. Und Niemand macht sie in diesem Roman zur Wir-Erzählerin.
Doch nicht nur Niemand ist bei ihr sondern auch die Musik. Auf Vinyl, die Plattensammlungen ihrer Eltern, der ehemaligen Bewohner*innen der wechselnden Unterkünfte. Die Lieder, die Töne, die Interpreten. Und Niemand und die Musik sind ihr ein Zuhause. Eine Heimat.
„Niemand, siehst du's? Ich wachse nicht mehr“ – so heißt es in dem gleichnamigen Song von Sophie Hunger. Und so geht es auch der Erzählerin. Denn die Freundschaft, die Verbindung zwischen den beiden ist so eng, symbiotisch, parasitär. Und sie hält weit über die Kindertage hinaus an, durch die Pubertät bis in die frühe Zeit des sogenannten Erwachsenseins. Und sie ist ein goldener Käfig, ein Mikrokosmos, ein Schutzraum für die beiden. Und wird mehr und mehr zum Gefängnis für die Erzählerin. Die Glasglocke, die sie vor der Außenwelt bewahrt und zugleich abschirmt. Freundschaften, Beziehungen, Verbindungen unmöglich macht.
Was dann folgt, ist so folgerichtig wie verstörend. Ein Schreck und Befreiung zugleich. Und drängt zugleich die Frage auf: Was ist Fiktion? Was autobiographisch? Was ist Kunst? Und was das reale Leben? Was allerdings so offensichtlich ist: Dieser Roman ist sehr besonders – besonders schön, besonders poetisch, besonders tiefgründig.

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Veröffentlicht am 08.03.2025

Ein Fluch, zwölf Tage und Nächte Liebe und Leid

Twelve of Nights – Das gestohlene Herz
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Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, ...

Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, obwohl Geist und Körper weiterleben. Herzen, die in Silvester wieder in Takt gebracht werden. Und Herzen, die sogar aus der Brust geschnitten werden.
Hört sich geheimnisvoll an? Ja, sehr! Ekelig? Nein, das nun wirklich nicht. Eher schön. Sehr schön. Denn es geht um die große Liebe. Die einzig wahre. Die, die unverhofft kommt und dann wie ein Blitz einschlägt. Und vor Sehnsucht verbrennt.
So ist es zumindest bei Ioanna und Daphne. Und alles könnte so wunderbar sein, wäre Ioanna nicht ein Kalikanzari. Ein Wesen, das mit einem Fluch belegt seine Gefühle, seine Menschlichkeit eingebüßt hat und nur zu den Raunächten wieder Emotionen empfinden kann. Und in eben dieser Zeit verlieben sich Ioanna und Daphne im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich ineinander, bevor sie dann die restlichen Tage des Jahres getrennt voneinander verbringen müssen. Für die Kalikanzari bedeutet das, keine Gefühle und keinerlei Kontakt zu der Außenwelt zu haben. Die Menschen dagegen besitzen keinerlei Erinnerung mehr an die besagten zwölf Tage und Nächte. Und Daphne damit auch nicht an Ioanna.
Das wird tragisch, traurig, ein verzweifelter Kampf um die gemeinsame Liebe – erzählt aus zwei Perspektiven und in verschiedenen Zeitebenen. Und als ob das nicht schon Herzschmerz, fesselnd und schön genug wäre, stehlen auch Cover, geprägter Einband, Farbschnitt und Illustrationen einem das Herz.
Und das Gesamtpacket hat mir so wunderbare Lesestunden bereitet. Und den Viren und Bakterien sehr schnell den Gar aus gemacht.

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Veröffentlicht am 28.02.2025

Raffiniertes Rätselraten mit Witz und doppeltem Boden

Wackelkontakt
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Ein Wackelkontakt, Kurzschluss oder einfach ein Schluckauf des Schicksals? Es ist geheimnisvoll, unerklärlich: Franz Escher ist Trauerredner, Puzzlefanatiker und ein eher durchschnittlicher, unauffälliger ...

Ein Wackelkontakt, Kurzschluss oder einfach ein Schluckauf des Schicksals? Es ist geheimnisvoll, unerklärlich: Franz Escher ist Trauerredner, Puzzlefanatiker und ein eher durchschnittlicher, unauffälliger Typ. Als großer Liebhaber von Mafiageschichten schmökert er sich durch das Leben des Kronzeugen Elio Russo. Und dann gibt es da Elio Russo selbst, der im Gefängnis sitzt, nachdem er gegen sämtliche Mafiagrößen ausgesagt hat. Und der mit dem Buch seines Zellengenossen die deutsche Sprache zu erlernen versucht, um sich so auf sein neues Leben weit weg von Italien vorzubereiten. Und dieses Buch handelt von Franz Escher, scheinbar dem Franz Escher.
Klingt verwirrend? Ist es nicht, eher verflochten, verstrickt und ineinander verwoben. Zwei Leben, die sich so miteinander verschränken. Scheinbar unabhängig, völlig losgelöst voneinander. Doch auch bei einem Wackelkontakt und Kurzschluss berühren sich die losen Ende, entzünden einen kräftigen Funken. Und eben diesen Funken arbeitet Wolf Haas nach und nach heraus, lässt so Aha-Momente und überraschende Wendungen entstehen und die Gedanken der Leser rotieren und sich ebenso in deren Köpfen umschlingen.
Das macht Spaß. Und lässt mich über die Seiten fliegen. Immer wieder mit kurzen Zwischenstopps, um mich zu sortieren, die Handlungsstränge auszubreiten, nachzuverfolgen. Und das bei sich steigender Frequenz im Wechsel, was der Geschichte zusätzlich Dynamik gibt. Sie nach vorne treibt. Doch das eine oder andere Ampere mehr hätte ich mir noch gewünscht, das Moment, das alles zum Leuchten bringt.

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