Grandios!
DankbarkeitenIn Delphine de Vigans neustem Roman "Dankbarkeiten" begleiten wir die alte Dame Michka, die eines Tages in ein Altenheim ziehen muss, da sie alleine in ihrem Alltag nicht mehr klarkommt. Neben den langsam ...
In Delphine de Vigans neustem Roman "Dankbarkeiten" begleiten wir die alte Dame Michka, die eines Tages in ein Altenheim ziehen muss, da sie alleine in ihrem Alltag nicht mehr klarkommt. Neben den langsam ansteigenden körperlichen Beschwerden leidet sie an Paraphasie, einer Krankheit, bei der sie stetig Wörter "verliert", vertauscht und verwechselt.
Wir folgen insgesamt drei Perspektiven. Zum einen der jungen Frau Marie, die Michka in ihrer Kindheit häufig bei sich aufgenommen hat, da sich Maries Mutter nicht immer ausreichend um sie kümmern konnte. Für Marie ist Michka so etwas wie eine Ersatzmutter. Zum anderen spielt der Logopäde Jeróme, der Michka jeden Dienstag und Donnerstag besucht, eine große Rolle. In ihren gemeinsamen Stunden hilft er nicht nur Michka mit der Krankheit und ihrem neuen Leben im Altenheim umzugehen, auch sie verändert sein Leben. Die dritte Perspektive bezieht sich auf Michkas Albträume, in denen sie zwar ihre Sprache wiederfindet, aber auch ganz klar ihre Ängste vor dem weiteren körperlichen Zerfall und dem Sterben zum Ausdruck bringt.
Ich liebe Delphine de Vigan und auch dieser Roman konnte mich wieder nachhaltig begeistern. Ihr Sprachstil in "Dankbarkeiten" ist wieder einmal so klar und intensiv, dass er mich unglaublich tief berühren und mitreißen konnte. Die Autorin schafft es bei mir stets mit wenigen gezielten Worten und Andeutungen ganze Welten und dazugehörige Emotionen in meinem Kopf entstehen zu lassen. Das Buch hat mich völlig für sich eingenommen und ich habe es quasi ohne Unterbrechung gelesen, während ich für die Außenwelt gar nicht mehr erreichbar war.
Gleichzeitig finde ich auch die gewählten Perspektiven und Figuren sehr passend und gut platziert. Die Themen Altern, Sterben, Selbstbestimmtheit, Familie, Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft und natürlich Dankbarkeit werden wie für de Vigan typisch sehr authentisch, dadurch zugleich schmerzhaft und wunderschön dargestellt. Neben der erwarteten Botschaft "Sprich die Dinge aus, bevor es zu spät ist" ist in diesem Roman noch so viel mehr zu finden, wofür ich Delphine de Vigan ebenfalls unglaublich dankbar bin. In meinen Augen erneut ein Meisterwerk einer meiner Lieblingsautorinnen.