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Veröffentlicht am 31.01.2021

Schönes Pferdeabenteuer

Pferdeflüsterer-Mädchen, Band 1: Rubys Entscheidung (Reit- und Freundschaftsgeschichte in Cornwall für Kinder ab 8 Jahren)
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Ruby zieht vom turbulenten Berlin in das ruhige Cornwall. Dabei lässt sie nicht nur ihre Freunde zurück, sondern auch ihren Reiterhof mitsamt ihrer strengen Reitlehrerin und ihrem Lieblingspferd. In Berlin ...

Ruby zieht vom turbulenten Berlin in das ruhige Cornwall. Dabei lässt sie nicht nur ihre Freunde zurück, sondern auch ihren Reiterhof mitsamt ihrer strengen Reitlehrerin und ihrem Lieblingspferd. In Berlin wäre Ruby fast ihr erstes Turnier geritten, doch diesen Traum muss sie wohl erstmal aufgeben.

Doch auch in Cornwall ist es aufregend. Das kleine Haus, das ihre Mutter gekauft hat, ist noch eine Baustelle, am ersten Tag in der neuen Schule kommt Ruby zu spät. Obwohl Ruby schon Englisch spricht ist es doch recht anstrengend, dem Unterricht zu folgen. Zwei wichtige Fragen beschäftigen unsere Protagonistin: Wann kann ich endlich wieder reiten? und Wie finde ich schnellstmöglich neue Freunde?

Letztlich geht alles ganz schnell. In der großen Pause lernt sie sofort ein paar Klassenkameraden kennen. Die verraten ihr, dass es gleich zwei Reiterhöfe in der Nähe gibt, die Ocean Ranch und Hegarty‘s. Welchen Ruby wählt und was sie dort erlebt, ist sehr spannend.

Mit großer Schrift und recht einfacher Sprache führt uns Gina Mayer durch diesen Mädchenroman. Die Handlung ist in ihrer Komplexität angemessen für ein Lesealter von 8 Jahren. Aus meiner Sicht ist dieses Buch perfekt dafür geeignet, Erstleserinnen an das Lesen von umfangreicheren Texten heranzuführen.

Ganz toll finde ich das Miniglossar am Ende des Buches, wo den Pferdebegeisterten etwas über die Körpersprache der Pferde erklärt wird.

Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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Veröffentlicht am 31.01.2021

Das Leben mit und in der Spielzeugmanufaktur

Wo wir Kinder waren
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Der in zwei Zeitebenen erzählte Roman beginnt mit der Internet-Auktion zu einer historischen Puppe von 1910, die von Albert Langbein selbst bemalt wurde. Er, der 1898 die Spielzeugmanufaktur Langbein gegründet ...

Der in zwei Zeitebenen erzählte Roman beginnt mit der Internet-Auktion zu einer historischen Puppe von 1910, die von Albert Langbein selbst bemalt wurde. Er, der 1898 die Spielzeugmanufaktur Langbein gegründet hatte. Nun konkurrieren die Cousinen Eva und Iris im Bieterwettstreit um die Puppe, treiben den Preis sinnlos in die Höhe. Die beiden zerstrittenen Nachfahren der Langbeins sind von Neid und Missgunst geprägt, keine guten Voraussetzungen, um das alte Stammhaus ihrer Familie gemeinsam mit ihrem Cousin Jan zu entrümpeln.

So beginnt die Aktion zunächst als Tortur aus gegeneinander gerichteten Spitzen und Lästereien, weil jeder nur die Schwächen der Anderen sieht. Trotzdem nehmen sich die drei Raum für Raum vor, räumen alles aus. Dabei stolpern sie immer wieder über Erinnerungsstücke. Während der Verhandlungen darüber, was weggeworfen, verkauft oder aufgehoben werden soll, tauchen sie in die Vergangenheit ein.

Ganz automatisch nehmen die Drei die Leserinnen mit auf ihre Erinnerungsreise. Gern habe ich die Sonneberger Spielzeugmacher bei ihren Vorbereitungen für die Weltausstellung beobachtet, habe mit Erstaunen und Bewunderung die Heimarbeiterinnen und ihre Kinder bis spät am Abend an Puppenteilen werkeln sehen. Dann kamen die beiden großen Kriege und schließlich die schrittweise Zwangsenteignung. Jedes Ereignis brachte den Langbeins neue Herausforderungen, die Kati Naumann in berührender Weise schildert. Der ganze Roman unterliegt somit einer gewissen Melancholie, der jedoch stets auch ein Fünkchen Hoffnung innewohnt.

Am besten gefallen hat mir die Erinnerung an sich. Die Gute Stube mit der schweren dunklen Kredenz darin kenne ich noch, auch ein Küchensofa und die unglaubliche Sparsamkeit, als es den Leuten eigentlich schon wieder viel besser ging. Die Botengänge, wo einfach die Kinder geschickt worden, hatte ich schon fast vergessen. Darüberhinaus zauberten mir die Spontanbesuche der Nachbarn, die dann zum Unzeitpunkt Sitzefleisch entwickeln konnten, ein Lächeln ins Gesicht.

Zudem mochte ich die Ausarbeitung der Charaktere sowie deren Beziehungen untereinander. Von jedem hatte ich eine bildliche Vorstellung zu Statur, Kleidungsstil und Gesichtszügen. Ich hatte den Eindruck, sämtliche Gefühlsregungen der Protagonist*innen direkt vor mir zu sehen. Angetan war ich von der nie abreißenden Zuneigung, die lange Zeit das Zusammenleben bestimmt hatte. Selbst in den widrigsten Zeiten hatten sie sich wenigstens gegenseitig.

„Wo wir Kinder waren“ war für mich insgesamt noch bedrückender als „Was uns erinnern lässt“. Dieser erste Erinnerungsroman hatte in meiner Wahrnehmung mehr Leichtigkeit. Das habe ich hier ein wenig vermisst. Letztlich hat die etwas düstere Atmosphäre mein Lesevergnügen aber nicht eingeschränkt. Schön fand ich die Verbindung zwischen beiden über den Ausflug in die Sommerfrische ins Hotel Waldeshöh am Rennsteig.

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Bewundernswerte Freiheitskämpferin

Wir wollten das Leben ändern - Band 2
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Ich habe mir dieses zweite des Erinnerungsbuch von Anne Beaumanoir als Vertiefungsliteratur zum Deutschen Buchpreis 2020 vorgenommen, wollte mir den persönlichen Blickwinkel der Protagonistin des Buchpreises ...

Ich habe mir dieses zweite des Erinnerungsbuch von Anne Beaumanoir als Vertiefungsliteratur zum Deutschen Buchpreis 2020 vorgenommen, wollte mir den persönlichen Blickwinkel der Protagonistin des Buchpreises nicht entgehen lassen. Schon der erste Teil hatte seine literarischen Schwächen, war anstrengend zu lesen. Ich musste konzentriert ohne größere Pausen weiterlesen, um den Gesamtüberblick nicht zu verlieren.

Trotzdem habe ich mich nun mit dem zweiten Teil „Kampf für die Freiheit“ beschäftigt. Ich wollte unbedingt mehr über Anne Beaumanoirs Gefühlswelt während der Trennung von ihren Kindern im tunesischen Exil erfahren. Mein Wunsch wurde erfüllt. Noch viel intensiver schildert Anne Beaumanoir ihre zeitlich davor liegenden Erfahrungen in dem Gefängnis Les Baumettes. Für mich ist es sehr bewundernswert, auch nach dieser Erfahrung niemals aufzugeben, weiterhin zu den eigenen Überzeugungen zu stehen und dafür zu kämpfen.

Die zweite Hälfte des Buches beschäftigt sich mit dem Unabhängigkeitskampf Algeriens. Dabei wird auch auf die in Deutschland wenig bekannte Kolonialgeschichte Frankreichs eingegangen. Für die erste algerische Regierung arbeitet die Autorin im Ministereium von Nekkache. Sie widmet sich der Herausforderung, ein funktionierenden Gesundheitssystems für ganz Algerien aufzubauen. Leider wehrt auch diese Schaffensphase nicht lange, all ihre Hoffnung wird enttäuscht. Diese erste Regierung wird weg geputscht, eine erneute Flucht die Folge.

Auch dieser zweite Teil ist literarisch gesehen ganz schön holprig. Ich hatte Mühe, die vielen Charaktere, die auch mit ihren Spitznamen angesprochen werden, richtig einzuordnen. Immer wieder musste ich nachschlagen. Wahrscheinlich ist uns dieser Teil der französischen Historie einfach zu unbekannt. Gefallen haben mir die beiden Karten von Algerien. Sie schärfen das Bewusstsein für die angesprochen Regionen.

Insgesamt bin ich sehr angetan von Anne Beaumanoir, weniger als Literatin, um so mehr als Widerstands- und Freiheitskämpferin. Die Fähigkeit, private Interessen einem höheren Ziel zu opfern und um jeden Preis für die eigenen Überzeugungen einzustehen, ist für mich fast schon übermenschlich.

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Veröffentlicht am 28.01.2021

Jüdische Wurzeln

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
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Der Titel des Romans „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ mit seinen vielen Kommata hat mich gleichermaßen verwirrt und fasziniert. Mit einem „Was soll das denn sein?“ auf den Lippen ...

Der Titel des Romans „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“ mit seinen vielen Kommata hat mich gleichermaßen verwirrt und fasziniert. Mit einem „Was soll das denn sein?“ auf den Lippen las ich den Klappentext und mein Interesse war geweckt.

Es handelt sich um einen Familienroman über vier Generationen, der sich vornehmlich den Damen der Familie widmet und mit viel Feingefühl die scheinbar erbliche Problematik des beschwerlichen Mutterdaseins seiner starken Frauenfiguren beleuchtet. Das Ganze ist eingebettet in eine Hintergrundgeschichte zu verschollener Raubkunst. Den Leser*innen wird die Komplexität und die Herausforderungen im Rahmen von Nachforschungen zu jüdischer Raubkunst transparent gemacht. Dabei wechselt die Autorin beginnend im Jahr 1922 zwischen einem historischen und einem aktuellen Handlungsstrang. Dadurch entsteht ein abwechslungsreiches Leseerlebnis sowie ein schöner Spannungsbogen.

Von den Figuren mochte ich Evelyn am meisten. Sie ist die die Zeiten verbindende Figur. Dabei war mir ihr gealtertes, stures und durchsetzungsstarkes Wesen als Oma noch lieber als das kindliche bzw. jungendliche Evchen. Sie hat ihre Erlebnisse und ihre Denke dazu, möchte alles am liebsten mit ins Grab nehmen. Evelyn trägt aber auch ihr ganzes Leben eine große Last mit sich rum. Trotzdem hat sie konzentriert ihren Wunsch-Lebensweg beschritten wider aller Hindernisse.

Kritisch stehe ich Trude gegenüber, deren Charakter und Entwicklung von der Autorin sehr gut ausgearbeitet wurde. Es erscheint nur logisch, dass sich Trude dem Nationalsozialismus zugewandt hat und darin aufgegangen ist. Das erste Mal wird sie als Person überhaupt wahrgenommen. Achtung erfährt sie nur hier. Trude ist ein gutes Beispiel für unsere Verpflichtung uns zu erinnern, damit die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden.

Obwohl der Teufelskreis aus aufkommenden Nationalsozialismus, Ächtung von allem Jüdischen, Denunziantentum, Enteignung und Deportation sowie der Krieg an sich eine bedrückende Stimmung mit sich bringen, schafft es Alena Schröder mit einem schwungvollen Stil und der Abwechslung zwischen den Zeiten, dass man ihren Roman gern liest, sich regelrecht in ihm verliert. Nur einmal musste ich ihn tatsächlich kurz zur Seite legen, um das beschriebene Unheil zu verdauen.

Insgesamt ist der Roman historisch interessant und gesellschaftspolitisch hoch aktuell. Ich kann ihn nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 17.01.2021

Streitbar par excellence

Hingabe
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Das Setting ist ein sehr traditionell anmutendes galizisches Dorf. Die raue, stets alkoholisierte Männerwelt bestimmt das Leben auf dem Land. Zu den Mahlzeiten trifft Man(n) sich bei Álvaro in der Kneipe, ...

Das Setting ist ein sehr traditionell anmutendes galizisches Dorf. Die raue, stets alkoholisierte Männerwelt bestimmt das Leben auf dem Land. Zu den Mahlzeiten trifft Man(n) sich bei Álvaro in der Kneipe, regelt seine Probleme mit der Faust. Erst abends nach der Arbeit kehrt man heim. Frauen dagegen führen ein Leben im Hintergrund, treten kaum in Erscheinung.

Auf ihrem Weg zum Meer kommt Suiza in diese für sie unwirtliche Gegend. Die Männer halten dem Atem an. Mit ihren rotblonden Haaren, ihrem blaßen Teint, ihrer Zartheit verdreht Suiza, ohne es zu wollen, sofort allen den Kopf. Der Großbauer Tomás kann sich überhaupt nicht bremsen. Er fragt nicht, er flirtet nicht, er nimmt sie einfach. Die Gewalt, die dabei im Spiel ist, stößt mich ab. Gleichzeitig ist die Geschichte wie ein Sog. Ich kann nicht ganz einordnen, woran das liegt, vermutlich weil Suiza nicht bei erster Gelegenheit wegrennt. Was lässt sie bei ihm bleiben, obwohl sie doch ans Meer wollte?

Im weiteren Verlauf nähern sich Tomás und Suiza einander an, ein gewisser Ausgleich findet statt. Trotzdem verharrt Tomás in seiner patriarchalen Welt und ordnet Suiza in diese ein. Auch die Gewalt beim Sex bleibt erhalten. Selbst in Situationen, wo Suiza ihn zu sexuellen Handlungen animiert, bestimmt Tomás auf brutale Weise das Geschehen. Suiza lässt es geschehen, scheint sogar Gefallen daran zu finden.

Es ist eine amour fou. Wie ein Drogensüchtiger ist Tomás darauf angewiesen, seine unbändige Lust auszuleben, seine Gier nach ihr zu stillen. Suiza gibt sich Tomás körperlich hin, ist häuslich, tut alles, um ihrem Mann zu dienen. Sie betet ihn förmlich an. Ist es eine Liebe, die unterschiedliche Schwerpunkte setzt, die emanzipierte Erwartungen ignoriert oder ist es ein Abhängigkeitsverhältnis? Das muss letztlich jede(r) Leser*in selbst entscheiden.

Wenngleich ich manch beschriebene Handlung ablehne, hat mir der Roman selbst doch sehr gut gefallen. Die durchgehend geschürte Hoffnung auf ein anderes Ansehen Suiza’s im Dorf und ihre Besserstellung in der Beziehung zu Tomás hatten eine äußerst anziehende Wirkung auf mich. Ergänzt wird das Vergnügen durch eine ganz wunderbar bildhafte Sprache, die sich sogar den einzelnen Blättern des Waldes widmet.

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