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Veröffentlicht am 23.07.2020

Auf Reisen mit den Größen aus Kunst, Literatur und Geschichte

Eine Reise durch Deutschland in 100 ungewöhnlichen Bildern und Geschichten
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Selten hatte ich einen so schönen Reiseführer in der Hand. Das großformatige Buch ist schon vor dem Aufschlagen ein echtes Highlight. Aus der Vogelperspektive ist die Fraueninsel im Chiemsee abgebildet. ...

Selten hatte ich einen so schönen Reiseführer in der Hand. Das großformatige Buch ist schon vor dem Aufschlagen ein echtes Highlight. Aus der Vogelperspektive ist die Fraueninsel im Chiemsee abgebildet. Mit zahlreichen weiteren großformatigen Fotos, die die vorgestellten Reiseziele von ihrer besten Seite zeigen, lädt das Buch zum Schnöckern und Verweilen ein.

Zu jedem Reiseziel gibt es neben der Bebilderung eine prägnante Beschreibung. Berühmte Persönlichkeiten, die gern an den Orten verweilten, lässt man zu Wort kommen. So erfährt der Leser ganz nebenbei noch etwas aus unserer Geschichte. Die Verknüpfung der Orte mit dem Historischen macht für mich einen besonderen Reiz aus. Als Abschlussinformation zu jedem Reiseziel werden Unterkünfte und Restaurants genannt.

Gut gemacht ist Aufteilung nach Himmelsrichtungen, die die Reiseziele ordnen. Zu jeder Himmelsrichtung gibt es fast gleich viele Ziele. So ist keine Region unter- bzw. überrepräsentiert. Auch Art der Ziele genießt eine schöne Verteilung. Kunst und Kultur sind ebenso so vertreten wie Natur, alte und moderne Architektur.

Wer denkt: „Reisen bildet“, ist hier an der richtigen Adresse. Viel Wissenswertes aus Kunst, Literatur und Geschichte wird hier preisgegeben. Da ist die tatsächliche Reise nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Einziger Nachteil, der hier aber zu keinerlei Bewertungsabzug führt, ist das Gewicht des Buches. Mit seinen fast anderthalb Kilo nimmt man es nicht mal eben in der Handtasche mit.

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Veröffentlicht am 15.07.2020

Würdiger Übergang

Children of Virtue and Vengeance
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In „Children of Blood and Bone“ gelang es der Devîné Zélie die Magie nach Orisha zurück zu bringen. Aber nicht nur die Maji können ihre Kräfte jetzt wieder einsetzen, sondern auch bei den Sympathisanten ...

In „Children of Blood and Bone“ gelang es der Devîné Zélie die Magie nach Orisha zurück zu bringen. Aber nicht nur die Maji können ihre Kräfte jetzt wieder einsetzen, sondern auch bei den Sympathisanten des Königshauses, die nach wie vor die Maji unterdrücken bzw. auslöschen wollen, ist die Magie erwacht.

Die Rückkehr der Magie war nur durch eine überaus verlustreiche Schlacht zu verwirklichen. Nachvollziehbar ist somit der Beginn des zweiten Teils, der durch Rückblenden und den Versuch der Aufarbeitung des Geschehenen geprägt ist. Trauer und Selbstzweifel dominieren diesen Abschnitt. Dennoch bleibt den Protagonisten keine Zeit, sich im Selbstmitleid zu suhlen. Der Konflikt zwischen Kosidan und Maji schwelt weiter, ein Krieg, der alle bisherigen Gewalttaten in den Schatten stellt, steht kurz bevor, scheint unausweichlich.

Auf Seiten der Kosidan stehen Inan und seine Mutter, die Königin, die ihre Macht noch brutaler auslebt, als es der Vater zuvor getan hatte. Die Maji werden von Zélie, ihrem Bruder Tzain und der immer noch ausgerissenen Kosidan-Prinzessin Amari vertreten, die die Geschichte aus ihrer jeweiligen Ich-Perspektive erzählen. Dadurch nimmt der Leser immer wieder andere Betrachtungswinkel auf das Geschehen ein und nimmt wie schon bei „Children of Blood and Bone“ wahr, dass unterschiedliche Herkunft und Erziehung diverse Ansichten und Meinungen begründen, die wiederum zu verschiedenen Handlungsweisen und Entscheidungen führen. Doch die Erziehung bröckelt. Tendenzen, aus dem ewigen Kreis aus Gewalt und Gegengewalt auszubrechen, sind erkennbar.

So nimmt eine spannende und aufregende Geschichte ihren Lauf und endet mit einem Wahnsinns-Cliffhanger, wo hoffentlich in nicht allzu langer Zeit Band Drei anknüpft. Gut gefallen haben mir dieses Mal die herausgearbeiteten Feinheiten der Maji-Clans, das Prinzip der Ältesten und die Tatsache, dass Erfolg seinen Preis hat. Die Traumwelten der Protagonisten haben mich im zweiten Teil ebenfalls noch mehr angesprochen. Nach wie vor begeistert bin ich von der Verwendung der Sprache der Yoruba zur Beschwörung der Magie oder zum Anrufen der Gottheiten. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit von „Children of Virtue and Vengeance“ insgesamt noch glaubwürdiger.

Durch die im Vergleich zum ersten Teil etwas eingebüßte Spannung kommt „Children of Virtue and Vengeance“ nicht ganz an den Vorgängerband heran. Trotzdem war es ein würdiger Übergang zum dritten Teil, den ich nun auch unbedingt noch lesen möchte.

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Speziell, total verrückt, irgendwie genial

Dunkle Zahlen
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Schon folgender Auszug aus dem Klappentext gibt den intelligenten Humor preis, mit dem Matthias Senkel den Leser durch seinen Roman führt: „Wie willst Du wissen, dass du noch derselbe bist, wenn du aus ...

Schon folgender Auszug aus dem Klappentext gibt den intelligenten Humor preis, mit dem Matthias Senkel den Leser durch seinen Roman führt: „Wie willst Du wissen, dass du noch derselbe bist, wenn du aus einem Traum erwachst?“ „Wenn ich es nicht wäre, würde sich doch sofort die Frage stellen, was in eben diesem Moment derjenige macht, der sich am Abend zuvor in mein Bett gelegt hat“, erwiderte Sergei. „Woraus, wenn ich es recht überlege, ein heikles Problem für unser aller Sicherheit erwachsen könnte.“

Dunkle Zahlen von Matthias Senkel ist ein Roman, der den Leser regelrecht dazu auffordert, neue Wege zu gehen, damit ein interaktives, vielleicht nerdiges Leseerlebnis zu wagen. Es ist nicht lediglich eine geradlinige Geschichte, auch keine Geschichte mit mehreren Erzählsträngen. Behandelt wird die teilweise durch Fiktion ergänzte Historie der Rechnerentwicklung in der Sowjetunion. Als Aufhänger dient die internationale Programmierer-Spartakiade, die im Roman 1985 in Moskau stattfindet. Im Verlauf begegnet man unzähligen Charakteren, von denen ich Leonid Michailowitsch Ptuschkow, Dimitri Frolowitsch Sowakow und Jewhenij Arsenjewna Swetljaschenko mit größerem Interesse in ihrem Werdegang verfolgt habe.

Bestimmt kann das Buch wie gewohnt von Anfang bis Ende gelesen werden, ich bin allerdings auf Basis des Programmablaufplans auf Seite 9 vorgegangen. Ich las mal vorn, mal weiter hinten im Buch, es war ein Vor- und Zurückblättern. Trotzdem war das Konstrukt logisch. Nur wusste ich dadurch nicht so genau, wieviel Lesevergnügen mir noch bleibt.

Matthias Senkel hat in seinem Roman Dinge verbunden, die man in dieser Konstellation eigentlich nicht erwartet. Neben Märchenhaftem und Fantastischem gibt es Fakten wie auf Seite 164 „— etwa, dass zwischen jeder beliebigen Zahl und ihrem verdoppelten Wert mindestens eine Primzahl liegt.“ Ergänzt wird die Geschichte durch Verzeichnisse zu Abkürzungen, Fachbegriffen und Figuren. Ein Witzarchiv und ein Kreuzworträtsel wird als Topping serviert. Als persönliche Highlights bin ich in „Dunkle Zahlen“ über ein paar Kindheitserinnerungen gestolpert. Neben dem Eierfangspiel mit dem Wolf seien hier beispielhaft nur die Kinderreime von Seite 429 erwähnt.

Natürlich ist es nicht ganz einfach, diesen wechselhaften Singsang zu lesen. Dass ich die gesamte Geschichte korrekt erfasst habe, würde ich ebenfalls nicht behaupten. Was bleibt ist ein Eindruck von Engagement, Leidenschaft und Durchhaltevermögen für ein höheres Ziel, ebenso von Mangel und Tauschgeschäften, aber auch von Spionage, Überwachung und den damit einhergehenden Folgen. Ein wenig konnte ich zudem die sowjetische Seele kennenlernen. Summa summarum, mir hat der Roman gut gefallen.

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Veröffentlicht am 23.06.2020

Bin unter Beobachtung

Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich Von einer Begegnung, die alles veränderte
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Genau wie die Protagonistin im Roman muss ich mich mit dem täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie auseinandersetzen, ebenso mit der Thematik, welchen Preis ich für noch mehr Konsum bereit bin zu zahlen. ...

Genau wie die Protagonistin im Roman muss ich mich mit dem täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie auseinandersetzen, ebenso mit der Thematik, welchen Preis ich für noch mehr Konsum bereit bin zu zahlen. So kam es mir gerade recht, dass mir dieses kleine Büchlein empfohlen wurde.
Die Romanform hat mir für die Vermittlung von Tipps zur Stress- und Burnout-Vermeidung gefallen, auch wenn dadurch fachlich nicht allzu tief eingestiegen werden konnte. Die Anregungen sind leicht verständlich und sofort nachvollziehbar. Ich selbst konnte mich in allen vier Fragen wieder erkennen. Trotzdem möchte ich nicht sofort Änderungen in meiner Lebensweise vornehmen, sondern mich selbst eher mit geschärfteren Fokus beobachten.
Die Geschichte selbst ist für meinen Geschmack zu einfach, verläuft zu glatt. Einzelne beschriebene Maßnahmen lassen sich aus meiner Sicht sinnvoll nur ab einer gewissen finanziellen Grundausstattung umsetzen. Unsere Protagonistin ist für mein Empfinden auch etwas zu empfänglich für die Konsequenzen, die die Vier Fragen mit sich bringen.
Ich gehe davon aus, dass es der Autorin lediglich um Anregungen ging, die nett verpackt werden sollten. Dies ist ihr gut gelungen. In zügig lesbarem Schreibstil, mit dezenten Abbildungen verfeinert, gibt sie dem Leser ein paar Gedankenanstöße. „Der Wald, vier Fragen, das Leben und ich“ ist gut während einer längeren Bahnfahrt zwischen zwei Terminen lesbar und allen zu empfehlen, die Spagat zwischen Beruf und Familie bewältigen müssen.

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Melancholie mit Wohlfühlfaktor

Kostbare Tage
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Mitten in der tiefsten Provinz Amerikas, in der Kleinstadt Holt, verbringt der schwerkranke Dad Lewis seinen letzten Sommer. Obwohl die Gegend für einen Außenstehenden abgehängt und trostlos wirkt, wohnt ...

Mitten in der tiefsten Provinz Amerikas, in der Kleinstadt Holt, verbringt der schwerkranke Dad Lewis seinen letzten Sommer. Obwohl die Gegend für einen Außenstehenden abgehängt und trostlos wirkt, wohnt Dad Lewis schon sein ganzes Leben dort. Seine Kinder, Lorraine und Frank, sind in Holt aufgewachsen.
Um die letzten Wochen, die ihrem Vater noch bleiben, gemeinsam zu verbringen, kehrt Lorraine aus der Großstadt nach Hause zurück.

Die Hauptfigur liegt im Sterben und muss noch reinen Tisch machen. Auch die anderen Figuren haben schwerwiegende Herausforderungen im Leben zu bewältigen. Da ist die kleine Alice, die bei ihrer Großmutter wohnt, weil sie ihre Mutter an den Krebs verloren hat. Es gibt die einsamen Johnson-Frauen und den neue Reverend Lyle, der für diese Gegend etwas zu aufgeschlossen ist. Wahrscheinlich mochte ich „Kostbare Tage“ gerade wegen dieser bedrückenden Schicksale. Die Art, wie die Charaktere damit umgehen, hat mich beeindruckt. Da ist kein Jammern über die eigenen Unzulänglichkeiten oder unzufriedenes Lamentieren, sondern ganz selbstverständlich gegenseitige, nachbarschaftliche Unterstützung. Jeder hat seinen Platz, gleicht eine Lücke beim Anderen aus.

Mit seinem Zeichnen des einfachen, provinziellen Lebens, schafft Kent Haruf eine unvergleichliche Wohlfühlatmosphäre. Trotz des nahenden Todes und der alles umgebenden Melancholie erlebt der Leser mit den Figuren ganz wunderbare Momente. Dabei ist er zu keinem Zeitpunkt kitschig, sondern eher gesellschaftskritisch unterwegs. Seine Töne sind stets sanft, seine Kritik schwingt leise mit.

Dieser Roman war mein erster Kent Haruf und wird bestimmt nicht mein letzter sein. Ich liebe seine Sprache und die Entschleunigung, mit der mir die Geschichte das Lesen bereichert hat. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

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