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Veröffentlicht am 08.08.2023

Rom - Stadt, die einen verschlingt - ein Moloch

Die Stadt der Lebenden
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In Rom wird im März 2016 ein jener Mann zu Tode gequält. Täter sind Marco Prato und Manuel Foffo, zwei junge Männer, denen man diese Abscheulichkeit eigentlich nicht zutraut. Der Roman rekonstruiert die ...

In Rom wird im März 2016 ein jener Mann zu Tode gequält. Täter sind Marco Prato und Manuel Foffo, zwei junge Männer, denen man diese Abscheulichkeit eigentlich nicht zutraut. Der Roman rekonstruiert die persönliche Entwicklung der Beiden, nimmt insbesondere die Tage vor dem Mord unter die Lupe und wagt einen Erklärungsversuch, wie es dazu kommen konnte.

Die Geschichte um den Mord trägt den Roman, doch gleichzeitig vollzieht Nicola Lagioia eine umfassende Gesellschaftsanalyse der ewigen Stadt. Für eingefleischte Fans von Spannungsliteratur wirkt dieses Konstrukt maximal aufgeblasen, mit Nichtigkeiten überschwemmt. Für mich ist es durch das Kennenlernen unzähliger Bewohner sowie Orte der Stadt ein geschärfter Blick in ein Moloch. Die hinreißende Touristenattraktion Rom ist vollgestopft mit Müll und Schmutz, verlangt ihren Bewohnern viel ab, um überhaupt in ihr Überleben zu können. Gleichzeitig bietet Rom dermaßen viele Verlockungen, dass es schwer ist, ihnen nicht zu erliegen. Schillernd wie in der touristischen Wahrnehmung ist Rom eigentlich nirgends.

Nicola Lagioia skizziert das Zusammenspiel von zufälligen Begegnungen sowie Lebensumständen, die letztendlich in einem grausamen Mord enden. Zugegeben, man versteht trotzdem nicht, wie zwei intelligente Männer dermaßen gewalttätig sein können. Somit ist der Roman ein Zeugnis, dass Mörder sich jederzeit mitten unter uns entwickeln können. Der Autor lässt uns ausführlich an seinen Gedanken über den Fall teilhaben. Dazu bedient er sich interessanter Mittel. Neben der reinen Prosa finden wir WhatsApp-Chats, Zeugenaussagen sowie unzählige Medieninhalte im Roman. Nicola Lagioia fügt eigene Reflexionen über sein Leben, aber auch zu Gesprächen, die er im Zusammenhang mit dem Fall geführt hat, mit ein. Am besten gefallen hat mir sein Konstrukt der Gegenüberstellung der Aussagen von Marco Prato und Manuel Foffo, die sie in getrennten Verhören gemacht haben. So wird die verschobene Wahrnehmung der beiden Täter besonders deutlich.

Die damit erzeugte Komplexität ist eine Herausforderung beim Lesen. Bis ich verstanden hatte, dass es um die Vermittlung eines Gesamteindrucks geht, hatte ich Bedenken überhaupt Alles erfassen zu können. Gleichzeitig wird die eigentliche Handlung ausgebremst. Das kann mitunter anstrengend, vielleicht auch frustrierend sein. Wer einen Thriller erwartet, wird enttäuscht sein. Wer Lust auf eine intensive Auseinandersetzung mit Rom und den Menschen darin hat, wird wie ich ein gewisses Vergnügen beim Lesen empfinden. Durch die auf gesunde Distanz gehaltenen Protagonisten ist es keine klassische Lesefreude, wo man mitfiebert, sondern eher eine analytische, beängstigend interessante Auseinandersetzung.

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Veröffentlicht am 02.08.2023

Überfordert mich

Der Verjüngungs-Plan
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Es war sehr interessant zu lesen, welchen Beitrag die sekundären Pflanzenstoffe für unsere Gesundheit leisten. Es erscheint mir glaubwürdig und nachvollziehbar. Mit dem erfrischenden Sprachgebrauch von ...

Es war sehr interessant zu lesen, welchen Beitrag die sekundären Pflanzenstoffe für unsere Gesundheit leisten. Es erscheint mir glaubwürdig und nachvollziehbar. Mit dem erfrischenden Sprachgebrauch von Nina Ruge habe ich mir auch gern die ca. 50 Seiten Theorie gegönnt. Gefallen haben mir darüberhinaus die Verjüngungs-Hitlisten.

Dennoch überfordert mich der Gedanke an eine derartige Ernährungsumstellung. Ich bin schon ordentlich dabei, viel mehr Gemüse und echtes Getreide in meine Ernährungsgewohnheiten zu integrieren. Ich kann durchaus auch ganz ohne Wurst sein und mehrere Tage ohne Fleisch. Ganz darauf verzichten möchte ich allerdings nicht.

Die im Verlauf vorgestellten Rezepte sprechen mich auch nur teilweise an. Mit den Salatvarianten tue ich mich am schwersten. Lediglich die Rote Bete mit Kümmel und die Gurken-Granité sprechen mich sofort an. Bei den Suppen fühle ich mich tatsächlich abgeholt, weil mit den neuen Rezepten mehr Vielfalt in meinen Speiseplan gelangt. Die Hauptgerichte wirken teilweise wie Beilagen oder wie etwas aufwendigere Salate. Hier habe ich gedanklich noch Probleme, wie ich damit, auch wenn ich die abgebildeten Mengen sehe, zufrieden sein soll. Die ausgewiesenen Beilagen gefallen mir wieder gut und auch bei den wenigen Desserts bin ich fündig geworden.

Was mir fehlt, ist die beispielhafte Kombination der einzelnen Bestandteile zu einem Menü. Was von den Rezepten kann man gut zusammen essen? Welche Kombination ist besonders gesundheitsfördernd? Lediglich dazuzuschreiben: Passt zu Couscous, zu Salat oder Gegrilltem ist mir zu wenig, denn mit Gegrilltem ist bestimmt keine Rostbratwurst oder ein Steak gemeint. Hier hätte ich mir mehr Hilfestellung erhofft. In der vorliegenden Aufbereitung erscheint mir das Monster der Überwindung riesengroß und Limbi ist geneigt zu übernehmen. Ich werde trotzdem versuchen, mit dem was mir gefällt, einzusteigen.

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Veröffentlicht am 29.07.2023

Hafer ist gesund und lecker

Das große Haferkorn-Kochbuch
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Hafer ist gesund. Das erläutert uns Dr. med. Winfried Keuthage sehr ausführlich im ersten Drittel des Kochbuchs. Umfänglich wird zudem das Kochen von Haferkorn erklärt, obwohl es nicht schwieriger ist ...

Hafer ist gesund. Das erläutert uns Dr. med. Winfried Keuthage sehr ausführlich im ersten Drittel des Kochbuchs. Umfänglich wird zudem das Kochen von Haferkorn erklärt, obwohl es nicht schwieriger ist als Reis zu kochen. Es dauert nur länger. Von den eingenommenen Perspektiven und vom Sprachgebrauch her sind diese informativen Kapitel eher langatmig.

Ich habe mich davon aber nicht abschrecken lassen und es am Ende bis zu den Rezepten geschafft. Diese sind bunt und abwechslungsreich. Auch wenn das meiste vegetarisch gehalten ist, gibt es doch auch ein paar Rezepte mit Fleisch und Fisch. Ansonsten werden sämtliche Mahlzeiten bedient. Es sind sogar Kuchen und Desserts dabei.

Besonders gefallen haben mir das Bircher-Müsli, weil es sich so gut vorbereiten lässt, die Sushi-Varianten, weil sie meine Kreativität ansprechen, und das Haferkorn-Knäcke, weil die einfachen Dinge im Leben meistens am besten sind.

Die einleitenden Kapitel hätte ich eher quer lesen sollen. Ansonsten bin ich ziemlich begeistert von dem Kochbuch. Es bringt mich mit einem Nahrungsmittel zusammen, mit dem ich bisher noch nichts anzufangen wusste.

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Veröffentlicht am 29.07.2023

Ausführliche Charaktergestaltung mit punktuellen Spannungsmomenten

Refugium
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Refugium ist ein sicherer Ort, an dem jemand seine Zuflucht findet, an den er sich zurückziehen kann, um ungestört zu sein. Wenn man sich diese Erläuterung beim Lesen bewusst macht, lässt sich der Verlauf ...

Refugium ist ein sicherer Ort, an dem jemand seine Zuflucht findet, an den er sich zurückziehen kann, um ungestört zu sein. Wenn man sich diese Erläuterung beim Lesen bewusst macht, lässt sich der Verlauf der Story durchaus nachvollziehen.
Sie startet mit einem Prolog, der schonungslos ein Verbrechen beschreibt, dass seinesgleichen sucht. Die Gäste einer Mittsommer-Party werden mittels Schnellfeuerwaffen mitsamt der ganzen Festtafel niedergemäht. Nur die Tochter des Gastgebers, Astrid Helander, überlebt. Schockiert von den Erlebnissen spricht sie kein Wort mehr.

Julia Malmros und Kim Ribbing befanden sich während des Massakers auf der Nachbarinsel. Beide starten umgehend mit Ermittlungen, obwohl ihnen das gar nicht zusteht. Julia Malmros ist zwar ehemalige Polizistin, aktuell allerdings als Krimiautorin tätig. Kim Ribbing ist ein Cracker. Er soll Julia bei ihrem neuen Buch mit seinem Fachwissen unterstützen. Die eigentliche, also die polizeiliche Ermittlung obliegt Jonny Munther, ausgerechnet Julias Ex-Mann.

In dieser Konstellation gelingt der schwedischen Polizei wenig. Die Ermittlungen gehen dermaßen schleppend voran, dass die Polizei insgesamt in einem schlechten Licht erscheint. Das mochte ich eher nicht so. Natürlich ist durch die Ex-Beziehungs-Gemengelage ein gewisses Durcheinander vorprogrammiert, aber ich hätte mir mehr Gleichgewicht zwischen den Ergebnissen der Hobbyermittler und der richtigen Polizei gewünscht. Bei so einem Fall wäre zudem ein Machtwort seitens der Polizei gegenüber Julia und Kim irgendwann angebracht gewesen.

Insgesamt wird mir in diesem sogenannten Thriller auch zu wenig ermittelt. Brenzlige Situationen sind selten und werden aus meiner Sicht nicht richtig ausgekostet. Dabei sind die Ideen an sich vielversprechend. Dadurch bleibt die Spannung im ganzen Roman lediglich auf Sparflamme. Richtig atemlos war ich nur während des Prologs. Ich finde, hier wurde viel verschenkt.

Lindqvist konzentriert sich mehr auf die Schaffung seiner Figuren, hauptsächlich Julia und Kim. Die Hintergrundinformationen zu den Beiden sind zwar attraktiv, hätten meines Erachtens aber zurückhaltender eingestreut werden können. Auf manches Detail hätte ich zu diesem Zeitpunkt auch ganz verzichtet. Es stehen schließlich noch weitere Bände zur Verfügung. Das Kennenlernen der Beiden ist jetzt so turbomäßig erfolgt, dass ich mir vorkomme, als hätte ich direkt nach der ersten Begegnung alles über Julia und Kim auf Social Media recherchiert.

Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt. Denn eigentlich wollte ich einen spannenden Thriller lesen. Dieses Genre war in Refugium leider nur in Ansätzen zu finden. Deshalb weiß ich auch noch nicht, ob ich Signum und Elysium lesen werde.

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Veröffentlicht am 19.07.2023

Positive Lebenseinstellung kann man erlernen

Hotel Silence
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Jonas fühlt sich einsam wie noch nie. Seine Ehefrau hat ihn verlassen und ihm mitgeteilt, dass die mit viel Liebe großgezogene Tochter nicht von ihm ist. Sein ganzer Lebensinhalt fällt wie ein Kartenhaus ...

Jonas fühlt sich einsam wie noch nie. Seine Ehefrau hat ihn verlassen und ihm mitgeteilt, dass die mit viel Liebe großgezogene Tochter nicht von ihm ist. Sein ganzer Lebensinhalt fällt wie ein Kartenhaus zusammen. Jonas weiß zunächst nicht, wohin mit sich. Er denkt an den Freitod, doch auch gleichzeitig, was sein Suizid in seinen Liebsten auslösen würde. Ihm bleibt nur die Flucht.

Seine Reise führt ihn in ein kriegsgebeuteltes Land. Dort lernt er Mai, Fifi und Adam kennen. Seine Wahrnehmung verändert sich. Ich mochte die Konstellation aus westlichen Wohlstandsproblemen und der Challenge ums Überleben. Die eigene Sichtweise wird geerdet.

Besonders war hier die Herangehensweise an die Geschichte. Obwohl die Geschehnisse nur lückenhaft beschrieben sind, hat sich für mich ein ganzheitliches Bild ergeben. Viele offene Enden regen zum Nachdenken an. Dafür ist es allerdings erforderlich, dass man ab und zu innehält und das Gelesene auf sich wirken lässt. Da der Roman gleichzeitig sprachlich sehr angenehm weitergeleitet, ist das gar nicht so einfach. Man wird zum suchthaften Lesen in einem Stück verleitet. Die Nebenfiguren, wie der Gastwirt oder die Schauspielerin, sowie das Setting an sich blieben anonym, so dass der Fokus auf einer Hand voll Personen lag. Für mich ist dadurch ein literarisch ansprechender Roman entstanden. Darüberhinaus bringt er eine gewisse, teilweise makabre Komik mit, die immer wieder Licht in die ansonsten trübe Grundstimmung bringt.

Ansonsten hat mir der menschliche Zusammenhalt im Roman gut gefallen. Die Leute im Ort sind füreinander da, sorgen wechselseitig dafür, dass letztlich alle Gewerbetreibende von den wenigen Gästen profitieren. Empfehlungen und Anrufe bringen Gäste und Gewerbetreibende zusammen. Obwohl es nach dem Krieg bzw. während der Waffenruhe noch keine sichere gesellschaftliche Organisation gibt, gibt es einen Ausgleich und Ordnung im Ort.

Insgesamt hat mir „Hotel Silence“ gefallen, gern empfehle ich den Roman weiter.

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