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Veröffentlicht am 25.01.2019

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Beim Morden bitte langsam vorgehen
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Kaum sind Irene und Horst Husvig verheiratet, entpuppt sich der Ehemann auch schon als grauenhaftes Scheusal. Noch vor der Hochzeitreise beginnen die ersten Demütigungen. Es wirkt, als hätte Horst nur ...

Kaum sind Irene und Horst Husvig verheiratet, entpuppt sich der Ehemann auch schon als grauenhaftes Scheusal. Noch vor der Hochzeitreise beginnen die ersten Demütigungen. Es wirkt, als hätte Horst nur geheiratet, um sich die Kosten für eine Haushälterin zu sparen. Wenn Irene sich um sein Wohlergehen bemüht, ist für Horst die Welt in Ordnung. Ihre Träume und Interessen tut er als Zeitverschwendung ab. Ihre Entscheidungen zweifelt er an. Zur Realisierung seiner eigenen Interessen breitet er sich immer weiter im Haus aus. Horst merkt gar nicht, dass er damit Irenes Lebensqualität erheblich einschränkt.

Nach vielen Jahren der Qual entsteht mehr oder weniger zufällig ein Plan, Horst „elegant“ loszuwerden, mit Bleizucker.

Die Geschichte ist als Rückblick geschrieben. Somit ist das Ende vorweggenommen. Sara Paborn schreibt aus der Ich-Perspektive so, wie die Gedanken von Irene fließen. So ist man ganz nah an der Geschichte dran, was ich sehr mag. Mir gefallen auch die eingestreuten Zitate. Sie verstärken den ohnehin schon sehr trockenen Humor, der in jeder Zeile mitschwingt.

Irene war mir zunächst sehr sympathisch, vielleicht hatte ich auch Mitleid. Es war dann eine ganze Weile schön zu sehen, wie sich Irene durch das langsame Vergiften von ihrem Ehemann eine neue Freiheit erkämpft und damit auch Stück für Stück ihre Lebensqualität zurück erobert. Mit jedem Plätzchen, das sie nach ihrem Geschmack gestaltet, macht sich mehr Zufriedenheit in ihr breit, ihr Selbstbewusstsein steigt an. Doch im Laufe der Geschichte ist sie mir etwas fremd geworden. Ich konnte nicht so ganz nachvollziehen, warum sie Bleizucker kochen musste, bis alles Blei im Haus verbraucht war. Sie hatte doch gefühlt schon so viel davon, dass sie Horst mehrfach hätte vergiften können. Die Nummer mit dem Gnadenstoß war für mich auch merkwürdig. Den Ehering aufzulösen ist eine Sache, eine Kapsel vergoldetes Zyankali zu basteln, na gut, aber stets und ständig das Ergebnis selbstzufrieden zu betrachten, das war mir etwas zu viel. Ich wusste nicht, ob sie bald Horst oder sich selbst den Garaus machen würde. Auch nach Horsts Tod und ihrem Umzug behält sie die Kapsel, als Trophäe? Sympathisch war mir Irene nur noch dann, wenn sie ihr neues Haus, ihr neues Leben und ihre Zukunftspläne beschreibt.

Insgesamt hat mir diese morbide Story gut gefallen. Die Ehemänner in meinem Umfeld müssen auf der Hut sein, da ich das Buch bestimmt an ihre Frauen verleihen werde. Das hat mir großen Spaß bereitet. Mit einem kleinen Augenzwinkern - niemand sollte seinen Partner wirklich um die Ecke bringen - kann ich die Lektüre „Beim Morden bitte langsam vorgehen“ empfehlen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Entspannungsbuch mit Liebeserklärung

Mein Schmetterlingsjahr
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Ich finde den Bericht zu Peter Hennings Schmetterlingsreise quer durch Europa ganz wunderbar. Jeder so poetisch anmutende Satz ist voller Liebe und Leidenschaft für eine besonders schöne, vielfältige Spezies, ...

Ich finde den Bericht zu Peter Hennings Schmetterlingsreise quer durch Europa ganz wunderbar. Jeder so poetisch anmutende Satz ist voller Liebe und Leidenschaft für eine besonders schöne, vielfältige Spezies, den Schmetterling. Trotz der malerischen Sprache lässt sich das Buch gut lesen. Ich kann mir genau vorstellen, wie Peter Henning an den verschiedenen Orten durch die Natur streift, wie er immer Ausschau nach dem nächsten Objekt seiner Begierde hält. Dabei ist er in seiner Wahrnehmung nicht auf die schönen Falter beschränkt. Er hat stets auch ein Auge für die schöne Umgebung und die Menschen, die dort beheimatet sind oder die ihn auf seiner Reise begleiten.

Die Schmetterlinge beflügeln ihn aber nicht nur im hier und jetzt, sondern bauen Peter Henning auch Brücken in die Vergangenheit. Kindheitserinnerungen sind ebenso Bestandteil seiner Ausführungen.

Ganz nebenbei erfährt der Leser viel Wissenswertes über Schmetterlinge, aber auch Erstaunliches. Die Gefahren, denen die Schmetterlinge in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien ausgesetzt sind, werden ebenfalls thematisiert.

Der Anhang rundet das Buch sehr schön ab. Er gibt dem noch nicht so versierten Schmetterlingsfan einige Grundlagen an die Hand. Man kann ihn genauso gut als sachliche Zusammenfassung sehen oder als Einstiegsscript. Ergänzt wird der Anhang von einem Verzeichnis an weiterer schöner Schmetterlingsliteratur und was mir persönlich besonders entgegen kommt, einem Verzeichnis sämtlicher genannter Falter einschließlich ihrer lateinischen Bezeichnung und der Seitenzahlen, wo sie erwähnt worden sind.

Mein Fazit: Dieses Buch ermöglicht das vollständige Abschalten vom Alltagsleben, man kann sich in eine schöne „Ferienwelt“ hineinversetzen. Da es auch keine megaspannende Story aufwartet, die ihrerseits wieder für Aufregung sorgen würde, ist es ein richtig schönes Entspannungsbuch.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Geschichtsträchtig, sagenumwoben und spannend

Der Bornholm-Code
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Die Geschichte um den Taucher und Archäologen, Frank Stebe, ist nicht nur historisch und politisch interessant, sondern in der zweiten Buchhälfte auch hochspannend und rasant.

Frank Stebe, der von seinem ...

Die Geschichte um den Taucher und Archäologen, Frank Stebe, ist nicht nur historisch und politisch interessant, sondern in der zweiten Buchhälfte auch hochspannend und rasant.

Frank Stebe, der von seinem ehemaligen Kollegen Lars Behrends über einen römischen Fund in der Ostsee vor Bornholm informiert wird, lässt sich von dem archäologischen Sog infizieren. Sofort lässt er sein eigentliches Leben als Tauchlehrer auf Mallorca ruhen. Sein Archäologenherz treibt ihn zurück an seine alte Wirkungsstätte. Seine eingemottete Theorie von der Verbindung der Schlacht in Teutoburger Wald mit dem Nibelungenlied ist wiederbelebt.

Mir hat sehr gut gefallen, wie analytisch dieser Zusammenhang auch mit den unterschiedlichen Versionen der Nibelungen hergestellt wird.

Allerdings gibt es auch andere, weniger ehrenhafte, Interessenten an den Grabungen. Extremistische Kräfte wollen die geborgenen Artefakte zur Befeuerung ihrer kranken Ideologie missbrauchen.

Frank Stebe ist der ehrgeizige Archäologe, der sich aufgrund eines Unglücks bei einer früheren Grabung noch mit Schuldgefühlen plagt. Er glaubt hier nachträglich etwas wieder gut machen zu müssen. Dass er durch sein Handeln Gefahr läuft, die wirklich wichtigen Dinge im Leben aus den Augen zu verlieren, bemerkt er zunächst nicht. Auch merkt er erst nach und nach, eine weitere Bedrohung auf ihn zurollen.

Lars Behrends ist nicht nur Franks rechte Hand und sein Freund, sondern besonders zu Beginn auch sein schärfster Kritiker. Er deckt Unstimmigkeiten in Franks Theorie auf, spornt ihn an. Gemeinsam sind Frank und Lars ein unschlagbares Team. Obwohl sie sich nicht immer einig waren, im Zweifel konnten sie sich bedingungslos aufeinander verlassen.

Beide Charaktere waren mir sympathisch mit ihren menschlichen Zügen und kleinen Verfehlungen. Sie kamen sehr glaubwürdig rüber.

Sigmund Adalbrecht Erkmar Ottokar Rembert Arminius Graf von Hirschmann ist der kranke, ideologische Kopf, im Hintergrund des deutschen Phönix. Die „neue“ Welt oder Wahrheit, die er schaffen will, ist für mich untragbar. Daher kann ich an ihm auch überhaupt nichts Gutes finden.

Der Lesefluss wird gut durch den Schreibstil unterstützt. Im archäologischen Teil habe ich das Buch ein paar Mal zur Seite gelegt, um die vielen Informationen sacken zu lassen und für mich die Argumentationsketten nachzuvollziehen. Den zweiten Teil des Buches habe ich dann nur so verschlungen. Ich kann das Buch allen Fans von Geschichte uneingeschränkt weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Sprachexperiment, unnahbar und verwirrend

Herr Katō spielt Familie
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„Herr Katō spielt Familie“ ist eine sehr melancholische und gleichzeitig verwirrende Geschichte zum Retired Husband Syndrome. Er, der all die Jahre als Ernährer und Finanzier der Familie mehr mit seinem ...

„Herr Katō spielt Familie“ ist eine sehr melancholische und gleichzeitig verwirrende Geschichte zum Retired Husband Syndrome. Er, der all die Jahre als Ernährer und Finanzier der Familie mehr mit seinem Job verheiratet war als mit seiner Frau, hat Schwierigkeiten nach dem Eintritt in den Ruhestand, seinen Platz zu finden. Er langweilt sich, fordert aber gleichzeitig von seinem Umfeld den gewohnten Service, ist nicht bereit einfache Dinge selbst zu erledigen. Aktivitäten, die er sich für den Ruhestand vorgenommen hat, schiebt er immer wieder vor sich her.

Ich hatte Schwierigkeiten, mich in die Hauptcharaktere hinein zu versetzen. Vielleicht liegt es daran, dass die wirklichen Namen im Verborgenen geblieben sind. Man erfährt nur die Rollennamen, die die Charaktere spielen, wenn sie als Opa, Ehemann etc. vermietet worden sind.

Herr Katō konnte mich nicht wirklich überzeugen. Einen Zugang zu ihm fand ich immer nur dann, wenn er sich mit Mie traf oder wenn er eine von Mie zugewiesene Rolle spielte. Ansonsten scheint er mir aus einer anderen Zeit zu stammen. So wie er seine Frau behandelt, sie als Dienstbotin in Anspruch nimmt und dann noch an ihr herumkritisiert. Zudem scheint ihm auch jegliche Antriebskraft zu fehlen.

Die Ehefrau ist zu bedauern und zu bewundern. Zu bedauern, weil sie mit Herrn Katō irgendwie bestraft erscheint. Bewundernswert ist, dass sie das Beste aus ihrem Leben rausholt, z. B. geht sie zum Tanzen, und dass sie seine schrulligen Eigenheiten mit viel Geduld und einer stoischen Ruhe aushalten kann.

Mie ist die Person, die mir am nächsten ist. Ihre Art, Aufträge zum Spielen einer Rolle in einer fremden Familie zu verteilen, teils durch gemeinsame Treffen, teils durch Bandansagen, hat mir gefallen. Ihre Probleme im Privatleben sind auch nachvollziehbarer. Was mir im Buch nicht klar geworden ist, ist die Frage, wer hier wen wirklich beauftragt hat. Ist Mie die Auftraggeberin für Herrn Katō oder ist eigentlich seine Ehefrau die Auftraggeberin, die Mie an Herrn Katō Aufgaben verteilen lässt? Das Ganze ist schon sehr verwirrend.

Der Schreibstil war für mich etwas anstrengend zu lesen. Es werden teilweise sehr lange Sätze oder besser gesagt Satzketten verwendet. Man muss sich konzentrieren, um den Sinn in Gänze zu erfassen und sich nicht in den Einzelaussagen zu verlieren. Zur Verdeutlichung von Aussagen werden diese mehrfach hintereinander wiederholt. Hier werden sehr kurze Sätze abgefeuert. Diese Schwankungsbreite in der Sprache verkörpert zwar sehr schön Herrn Katos innere Unbeständigkeit, was den Eindruck aus dem Gelesenen noch verstärkt. Trotzdem musste ich immer mal wieder zurückblicken, weil in meinem Kopf Bilder erzeugt wurden, die dann mit dem nächsten Halbsatz nicht mehr stimmig waren.

Insgesamt scheint mir das Buch mit der Tür ins Haus zu fallen. Es startet aus dem Nichts und verläuft sich dann einfach, als ob es keinen Anfang und kein Ende hat. Einen Übergang zwischen den langen Kapiteln fehlt mir auch. Mich hat das Buch etwas ratlos zurück gelassen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Spannungsgeladener Schlagabtausch

Invisible
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Brutale Morde reihen sich mit kurzem Zeitversatz aneinander. Die Opfer sind den Tätern gänzlich unbekannt. Sie wissen nur, dass sie sie hassen. Nach ihrer Tat sind die bisher unbescholtenen Mörder scheinbar ...

Brutale Morde reihen sich mit kurzem Zeitversatz aneinander. Die Opfer sind den Tätern gänzlich unbekannt. Sie wissen nur, dass sie sie hassen. Nach ihrer Tat sind die bisher unbescholtenen Mörder scheinbar entsetzt bzw. von sich selbst überrascht. Die Ermittlungen in der Mordserie werden federführend Daniel Buchholz und Nina Salomon übertragen. Lange können sie keinen Zusammenhang ausmachen, tappen im Dunklen. Als sie dann einen weiteren Täter, der hinter den Einzeltätern die eigentlichen Fäden zieht, vermuten, kommen Daniel und Nina langsam dahinter. Trotzdem stehen die Ermittler unter Druck. Weitere Verbrechen passieren, ein Täter schafft es, Suizid zu begehen. Presse und Fernsehen rennen ihnen quasi die Bude ein.

Nina ist mir der angenehmste Charakter. Sie steht mit beiden Beinen fest im Leben, wirkt ausgleichend auf Daniel. Trotzdem bringt sie eine Lockerheit mit, dass sie gewagtere Theorien ihren Kollegen preisgibt. Ein bisschen Risiko in Kauf nehmend ist sie zum Teil auch mit gedehnten Regeln im Sinne der Aufklärung der Mordserie unterwegs.

Daniel ist der typische mit Privatproblemen behaftete Ermittler, der stets um Konzentration ringt und etwas zu viel Alkohol für meinen Geschmack konsumiert. Deshalb ist er mir anfangs nicht ganz so sympathisch, aber trotzdem irgendwie liebenswert. Nachdem sich sein Privatleben beruhigt hat, fährt seine ermittlungstechnische Performance wieder hoch. Das dient dann auch seiner Sympathiekurve.

Die Kollegin Pia hat von Beginn an recht schroff auf Daniel und Nina reagiert, weil sie sich irgendwie benachteiligt fühlt. Sie frotzelt die ganze Zeit munter weiter, insbesondere gegen Nina. Dass Nina lange Zeit ganz ruhig bleiben kann, finde ich sehr bewundernswert. Auch Philipp, ein neuer Kollege im Team, sorgt nicht gerade für Entspannung. Er hat offensichtlich mehr als nur ein dienstliches Interesse an Nina. Beide Charaktere möchte ich nicht.

Nachdem in der ersten Buchhälfte ein buntes Potpourri an Tötungsdelikten geboten wird, steht in der zweiten Hälfte primär das Zusammenlesen und Zusammenfügen von unzähligen Puzzleteilen im Fokus. Kopfkino und Kombinationsgabe werden gleichermaßen bedient.

Außerordentlich gut gefällt mir der Schreibstil in der Ich-Perspektive. Das Besondere dabei ist, dass ein Kapitel aus Ninas Sicht einem aus Daniels Sicht folgt und umgekehrt, immer im Wechsel. So wirkt der ganze Thriller wie ein Schlagabtausch, was eine sehr schöne Geschwindigkeit in die Geschichte bringt.

Ich finde diesen Thriller richtig klasse. Schon die verfügbare Leseprobe versprach ein spannendes Leseerlebnis. Meine dadurch geweckten hohen Erwartungen wurden durch Invisible mehr als nur erfüllt. Ich kann Invisible uneingeschränkt weiterempfehlen.