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Veröffentlicht am 25.01.2019

Lügen haben kurze Beine

Wie ich fälschte, log und Gutes tat
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Thomas Klupp begleitet mit seinem temporeichen, humorvollen Roman den Zehntklässler und Tennisspieler, Benedikt Jäger, vier Monate lang. Dessen Leben in der Oberpfälzer Kleinstadt Weiden als Sohn eines ...

Thomas Klupp begleitet mit seinem temporeichen, humorvollen Roman den Zehntklässler und Tennisspieler, Benedikt Jäger, vier Monate lang. Dessen Leben in der Oberpfälzer Kleinstadt Weiden als Sohn eines Chirurgen und einer angesehenen „Event-Managerin“ der Lady-Lions könnte so schön sein, wäre da nicht der alltägliche Stress, den Tennismatches, Mädchen, Butterhof-Partys und vor Allem der Leistungsdruck am Kepler-Gymnasium auslösen.

Von seiner Mutter hat Benedikt gelernt, dass kleine Schummeleien, einen einfach besser aussehen lassen. Nach diesem Schema lässt es sich prima heimlich kiffen und Schulnoten frisieren. Wie im Rausch perfektioniert Benedikt seine Fälschungen bis er im Adrenalin-Strudel hängenbleibt. Als Benedikt versucht, dem Wahn zu entkommen, beginnt ein amüsantes Abenteuer voller Irrungen und Wirrungen. Die Gefahr, erwischt zu werden, steigt exponentiell an.

Sprachlich richtet sich der Roman (hoffentlich überspitzt) an der Jugend aus. Durchgehend im WhatsApp-Style kommunizieren Benedikt und seine Kumpels Vince und Prechtl miteinander. Sie ziehen über ihre Lehrer her, planen ihre Partybesuche und werten ihre Trefferquote an der Mädelsfront aus. Der Roman thematisiert aus Erwachsenensicht nur belangloses Zeug, welches allerdings während jeder Pubertät wichtig erscheint. Auch wenn die Story weniger durch Tiefgang, sondern mehr durch Witz und Situationskomik getragen wird, hat sich aus meiner Sicht das Lesen gelohnt.

Fazit: Dauerhaftes exzessives Lügen und Schummeln lohnt sich nicht, weil es einen letztendlich wahnsinnig macht. Es ist ein Riesen-Aufwand, der nicht mal nachhaltig ist, sprich langfristig kommt nichts dabei raus.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Schonungslos ehrlich

Mit der Faust in die Welt schlagen
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Schonungslos ehrlich wird in diesem Roman die Gefühlswelt der Nachwendejugend anhand der beiden ostsächsischen Brüder, Philipp und Tobias, herausgearbeitet.

Mit der Wende eröffneten sich für die Erwachsenen, ...

Schonungslos ehrlich wird in diesem Roman die Gefühlswelt der Nachwendejugend anhand der beiden ostsächsischen Brüder, Philipp und Tobias, herausgearbeitet.

Mit der Wende eröffneten sich für die Erwachsenen, Jugendlichen und die Kinder seinerzeit schier unendliche Möglichkeiten: freie Meinungsäußerung, Reisen in ferne Länder, schicke Autos, coole Klamotten und so Vieles mehr. Der Zugang zu den materiellen Dingen bleibt vielen aus finanziellen Gründen jedoch verwehrt. Gleichzeitig ist die Wahrheit von „gestern“ heute eine Lüge. Massenhaft Leute verlieren ihre Jobs. Die Beständigkeit des Lebens wird aus den Angeln gerissen.

In dieser Zeit erfüllen sich die Zschornacks den Traum vom eigenen Haus. Dabei empfinden sie einerseits Scham gegenüber denjenigen, die sich vermutlich niemals ein Haus leisten werden, andererseits Neid auf den Luxus, den sich andere noch zusätzlich gönnen können. Auch Philipp und Tobias nehmen das Scheitern von Bekannten war, sehen sich selbst in ramponierten Billigklamotten, müssen regelmäßig Verzicht üben, wie auf dem Rummel. Im Heranwachsen verfestigt sich ihr Eindruck, dass es egal ist wie sehr sie sich abstrampeln. Sie werden ohnehin nicht das Leben führen können, das sie sich wünschen.

In dieser Hoffnungslosigkeit ist man gerade als Jugendlicher empfänglich für einfache Ideen, die alle Probleme aus der Welt schaffen, die man selbst nicht zu lösen vermag. Wenn dann gute Redner die jungen Leute im eigenen Umfeld infiziert haben, ist es gar nicht so einfach den „rechten“ Weg nicht mit zu gehen, weil man so schnell allein da steht.

Dieser begrenzte Ausschnitt aus der ostdeutschen Gesellschaft zeichnet gesichtslose Charaktere, die niemand wahrnimmt, deren Ängste, Nöte und Sorgen keiner würdigt. Was gut ist, um die triste Stimmung zu stützen, machte mir das Auseinanderhalten der jugendlichen Charaktere schwer. Beispielsweise habe ich sehr lange gebraucht bis ich sicher wusste, welcher Bruder der Ältere ist und wer von beiden jetzt welche Meinung vertritt.

Insgesamt hat mir die nüchterne, nicht anklagende, lediglich beschreibende Auseinandersetzung mit den Ursachen, die die Empfänglichkeit für rechtes Gedankengut in Neschwitz begünstigt haben, gut gefallen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Schwer und schwermütig

TEXT
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Der Roman von Dimitry Glukhovsky erzählt nicht nur von Ilja, einem gebrochenen jungen Mann, der zu Unrecht verurteilt, gerade aus dem Straflager entlassen wurde, sondern berichtet darüber hinaus von Korruption, ...

Der Roman von Dimitry Glukhovsky erzählt nicht nur von Ilja, einem gebrochenen jungen Mann, der zu Unrecht verurteilt, gerade aus dem Straflager entlassen wurde, sondern berichtet darüber hinaus von Korruption, Polizeigewalt und Überwachung der Menschen durch den Staatsapparat. Er zeigt auf, wie schnell man in diesem Umfeld Opfer von Willkür werden kann, wie abgestempelt und chancenlos einmal auffällig gewordene Personen sind.

Als Ilja aus der Gefangenschaft heimkehrt, ist er ein Fremder. Moskau hat sich verändert, Nichts scheint mehr so zu sein, wie es war. Einzig die „Hüter von Recht und Ordnung“ sind für Ilja überall erkennbar. Bei seiner Ankunft zu Hause muss er dann auch noch feststellen, dass seine Mutter vor ein paar Tagen verstorben ist. Lediglich ein Topf Kohlsuppe ist ihm von ihr geblieben. Ilja betäubt seinen Schmerz mit Alkohol, zieht schließlich los zu dem Ort, wo sein Unglück begann und trifft auf seinen Peiniger, Petja. Im Affekt ersticht er ihn und nimmt dessen Handy an sich. Doch das ist nur der Anfang einer erschreckenden Odyssee. Petjas Handy, als Tor zu dessen Leben, lässt Ilja nach und nach begreifen, warum er ins Straflager musste.

Der Roman betrachtet hauptsächlich die beiden Charaktere, Ilja und Petja. Dabei entstammt die gesamte, Petja betreffende Handlung der Vergangenheit. Sie entsteht als Interpretation aus Iljas Studien der eMails, WhatsApps, Fotos, Videos und Sprachnachrichten, die in Petjas Handy gespeichert sind. Um Petjas Umfeld hinzuhalten, setzt Ilja dessen Kommunikation fort. Für den Leser verschwimmen nun im Verlauf die beiden Persönlichkeiten immer mehr. Zwischenzeitlich musste ich zurück blättern, inne halten und das Gelesene sacken lassen, damit ich die beiden auseinander halten konnte. Iljas Gedankenwelt ist mit Träumen aus seiner Vergangenheit, mit Wünschen für seine Zukunft und Vorstellungen von Pflichterfüllung durchsetzt. Wenn Ilja schläft, mischt sich seine Welt mit dem Bild, das er von Petjas Leben hat.

Dimitry Glukhovsky setzt uns hier keinen einfachen Roman vor. Dieser „Text“ braucht Aufmerksamkeit und Zeit. Dem Leser wird an Iljas Beispiel die Schwermütigkeit der abgehängten russischen Bevölkerung näher gebracht. Wenn man unterstellt, dass die Aussagen des Romans über die Staatsmacht Russlands nicht frei erfunden sind, erfährt der Leser zudem, wie weit entfernt Russland von unserer Denke von Demokratie ist.

Ich empfehle diesen Roman sehr gern weiter, gebe aber zu bedenken, dass hier das Vergnügen etwas Aufwand kostet.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Stark im Ei

Vom Ende der Einsamkeit
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Ist man stark im Ei, boxt man sich durchs Leben, auch wenn dieses Leben kein Nullsummenspiel ist.

Jules, der Jüngste von drei, nach einem Unfall elternlosen Geschwistern, erzählt uns seine von Höhen ...

Ist man stark im Ei, boxt man sich durchs Leben, auch wenn dieses Leben kein Nullsummenspiel ist.

Jules, der Jüngste von drei, nach einem Unfall elternlosen Geschwistern, erzählt uns seine von Höhen und Untiefen geprägte Lebensgeschichte. Die bis dahin behütet aufgewachsenen Kinder gehen nun auf ein Internat, wo sich ihre doch sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten entwickeln. Liz ist nach dem Tod der Eltern so lebenshungrig, dass sie unbedingt jedes Abenteuer mitnehmen muss. Marty ist der typisch nerdige Streber. Jules hat von den Dreien die größten Schwierigkeiten, sich auf die traurige Situation einzustellen. Er ist gefangen in seinen Tagträumen, lässt in Gedanken immer wieder seine Erinnerungen ablaufen, vermischt sie mit aktuellen Tagesgeschehen.

Benedict Wells vermittelt mit Jules Geschichte eine umfangreichere Lebenserfahrung als ich sie von einem um die dreißig Jährigen erwartet hatte. Er begleitet Jules durch Kindheit und Pubertät, später weiter ins Erwachsenenleben mit Frau und eigenen Kindern. Benedict Wells zeichnet große und kleine Gefühle mit einer schlanken, wenig verschachtelten Sprache. Dennoch ist seine Wortwahl dermaßen treffsicher, dass er mich mehrfach zu Tränen gerührt hat. Beeindruckt haben mich die vielen eingestreuten Lebensweisheiten, die man immer wieder gern als Zitate nutzen möchte. Hier ein längeres und ein kurzes Beispiel:
„Am wichtigsten ist, dass du einen wahren Freund findest, Jules. Dein wahrer Freund ist jemand, der immer da ist, der dein ganzes Leben an deiner Seite geht. Du musst ihn finden, das ist wichtiger als alles, auch als die Liebe. Denn die Liebe kann vergehen.“ S. 33
„Hoffnung ist was für Idioten“ - „Pessimismus auch.“ S. 165

Zunächst irritiert hatte mich die unterbrochene Kontinuität der Kapitel. Zwischen den Abschnitten, die dem Leser präsentiert werden, fehlen immer wieder mehrere Jahre. Dieses bewusste Weglassen hat für mich nach kurzer Gewöhnungsphase letztlich einen schönen Kontrast zu der intensiven Auseinandersetzung mit Jules Gedankenwelt ergeben.

Insgesamt hat mir „Vom Ende der Einsamkeit“ so gut gefallen, dass ich die Geschichte uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Sie hat mich beeindruckt, sie hat mich berührt und sie wirkt in mir nach.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Jugendbuch mit Suchtpotential

Fire & Frost, Band 1: Vom Eis berührt
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Elly Blakes Roman wird von einem wunderschönen Cover eingerahmt, das wohl jede weibliche Teenagerseele zum Lesen animieren dürfte. Abgebildet ist Ruby, eine bemerkenswert hübsche junge Dame, die mit ihrem ...

Elly Blakes Roman wird von einem wunderschönen Cover eingerahmt, das wohl jede weibliche Teenagerseele zum Lesen animieren dürfte. Abgebildet ist Ruby, eine bemerkenswert hübsche junge Dame, die mit ihrem Feuer der sie umgebenden kalten Welt entwächst. Damit deutet schon die äußere Erscheinung des Buches sehr klar auf den Inhalt hin, wobei Ruby in meiner Vorstellung weniger einer edlen Feuerprinzessin als vielmehr einer weiblichen Ausgabe von Robin Hood entspricht.

„Fire & Frost - vom Eis berührt“ ist eine märchenhafte Kombination aus Elementen, die sich auch in bekannten Geschichten wie Robin Hood, Gladiator und Karate Kid wiederfinden, mit der brillant konstruierten Fantasywelt aus Feuer und Eis, Licht und Schatten. Dunkle Mächte versuchen die Protagonisten, vor allem Ruby, auf ihre Seite zu ziehen und in ihren Dienst zu stellen. Es entsteht ein zunächst ungleicher Kampf, der alle Beteiligten zwingt über sich hinauszuwachsen und über den eigenen Schatten zu springen.

Ruby, die Hauptfigur, ist eine Fireblood, gekennzeichnet durch die Gabe, Feuer zu erzeugen. In der aktuellen Machtlage unter Regentschaft eines skrupellosen Frostkönigs leiden Firebloods unter Verfolgung, weshalb Ruby ihre Gabe verbergen muss. Doch auch diese Vorsichtsmaßnahme bewahrt Ruby nicht vor den Fängen des Königs. Aus dem Kerker befreit wird sie dann ausgerechnet von Arcus, einem Frostblood, somit einem Anhänger der gegnerischen Partei. Mit ihrer Rettung verbunden ist eine Aufgabe, die Ruby erfüllen soll, der sie sich aber nicht annähernd gewachsen fühlt.

Arcus ist ein düsterer, kalter Typ, der nur in seinen Augen alle Varianten von Blau als Farbtupfer zu besitzen scheint. Für ihn zählen nur Disziplin, Selbstbeherrschung und Kontrolle. Was er sich dabei selbst auferlegt, möchte Arcus auch von anderen erfüllt wissen. Ruby fragt sich, was Arcus widerfahren ist, dass er sich so unnatürlich benimmt. Welches Geheimnis er wohl hütet?

Langsam entfacht Elly Blake zusätzlich zur Geschichte um den Konkurrenzkampf der verschiedenen Mächte ein Gefühlschaos, das aus Bewunderung geboren wird und später als schüchterne Liebe erwächst. Spätestens in dieser Phase des Romans dürften die Leser wie auch ich von der Geschichte gefesselt sein. Ich wollte so unbedingt wissen, wie es weitergeht, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Dabei liest sich der Schreibstil flüssig, ist für die Zielgruppe nicht zu anspruchsvoll. Die kurzen Kapitel und die durchgehende leichte Spannung animieren zum steten Weiterlesen. Die überschaubare Komplexität des Romans ist aus meiner Sicht recht angenehm für eine Freizeitlektüre. Einziger kleiner Wermutstropfen für mich ist die teils einfache Vorhersehbarkeit der ein oder anderen Wendung.

Insgesamt kann ich Fire & Frost allen jugendlichen und jung gebliebenen Damen empfehlen. Ob Herren einen ähnlichen Spaß damit haben würden wie ich, käme auf einen Versuch an. Ich werde auf jeden Fall die beiden Folgebände lesen. Der Cliffhanger am Ende lässt gar nichts anderes zu.