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Veröffentlicht am 10.09.2019

Geliebte Nervensäge

Otto
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Schon von außen strahlt der Roman das aus, was den Leser erwartet. Unzufriedenheit, Frustration, aber auch das Böse gucken einen durch die Coveraugen an. Der Titel "Otto" lässt mich an Augen und Nase ...

Schon von außen strahlt der Roman das aus, was den Leser erwartet. Unzufriedenheit, Frustration, aber auch das Böse gucken einen durch die Coveraugen an. Der Titel "Otto" lässt mich an Augen und Nase denken, bei den Ts an Zornesfalten, aufeinander gepresste Lippen ergeben sich aus dem Namen der Autorin und Schriftzug "Roman". Unter der etwas provozierenden Hülle verbirgt sich etwas Glanzvolles, ein Bronze schimmerndes Buch, das man schon optisch gern in die Hand nimmt. So wie die Gestaltung empfinde ich auch den Inhalt des Romans, hinter einer schwer erträglichen Familiensituation verbirgt sich doch etwas ganz Besonderes. Ottos Geschichte ist anstrengend, nicht unbedingt anstrengend zu lesen, sondern schwierig zu verarbeiten, wenn man die Geschehnisse auf die eigene Familie transferiert. Was wäre, wenn ich Timna oder Babi, eine von Ottos Töchtern, wäre?

Nach monatelangen Krankenhausbesuchen darf/muss Timna ihren Vater aus dem Krankenhaus abholen. Der Aufenthalt dort war geprägt durch schwelende Infekte und zahllose Anästhesien. Mehrfach sprang Otto dem Tod gerade so noch von der Schippe. Wann immer sein Gesundheitszustand es zwischendurch zulies, war er sofort der fast unerträgliche Patriarch, der sich ungefragt in das Leben seiner erwachsenen Töchter einmischt und ganz viel Aufmerksamkeit für sich selbst von ihnen verlangt. Dabei pflegt er einen alles andere als liebevollen Umgang mit den beiden, legt einen Jargon an den Tag, der regelrecht abstoßend ist. Auf S. 45 zeigt er sich gar „enttäuscht von der Geistlosigkeit der Frucht seiner Lenden“. Dieser böse Charakter ringt Timna und Babi, trotzdem das Versprechen ab, ihn nicht in eine Pflegeheim zu stecken, sondern ihn in seinem Eigenheim zu pflegen. Dies wird mit einem geschickten Schachzug erreicht, der kaum abzuschlagenden "schöne Bitte", die kindlichem Betteln gleichkommt und die mit dem schlechten Gewissen spielt. In gleicher erpresserischer Manier motiviert Otto die ältere Tochter, Timna, die Familiengeschichte aufzuschreiben, bevor die Erinnerung daran mit seinem Ableben oder durch sein Alzheimer verschwindet.

Die Ich-Erzählerin, Timna, berichtet nun unverblümt von Anekdoten aus ihrer und Babis Kinheit, von Ausflügen, die unter dem unermesslichen Geiz des Vaters zu leiden hatten, von tandhaften Geschenken der Mutter, Ursula, die vielleicht ein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber kompensieren musste. Sie trägt darüber hinaus sehr ernste Themen zusammen, die Ottos Erinnerungen entstammen. Die im Zweiten Weltkrieg deportierten Familienmitglieder und Freunde werden in Sätzen wie: „Dann kamen die Jahre nach 1941, in denen Gott nahm und die Juden wie Gänseblümchen von der Erdoberfläche pflückte.“ (S. 125) betrauert. Nur noch wenige aus seiner Altersgruppe sind überhaupt noch am Leben. Otto selbst scheint der Einzige zu sein, der damals keine Nummer in den Arm tätowiert bekam. „Einfach“ so davongekommen ist er. Der Verlust seiner Heimat Siebenbürgen war wohl der Preis dafür. Unter dieser Tatsache leidet Otto wie auch am Verlust seiner einstigen Liebe Ewa. Mit der Scheidung der Eltern und dem sich anschließenden Verfall beider droht auch die Familie zu zerfallen. Das letzte Pessach fasst schließlich die Familiensituation noch einmal treffend zusammen. „Diesmal war alles karg und fehlerhaft und vergeblich, so wie unsere ganze Familie. Ich sage zu Babi, oh Mann, Pessach mit Alzheimer ist irgendwie unvollständig, Babi sagt: Dieses Jahr feiern wir Demenzach!“ (S. 204) Für das Erzählen der Familiengeschichte mag ich Timna, auch für ihre Standhaftig- und Leidensfähigkeit. Trotz allem versucht sie, die Familie weiterhin zusammenzuhalten, obwohl der riesige Aufwand, der dahinter steckt, bei ihrem Freund auf Argwohn stößt.

Der Roman ist keine geradlinige Geschichte, eher ein Aufblitzen von Erinnerungen nach dem Schema „Weißt Du noch, damals?“. Deshalb wirkt er zunächst wie eine Aneinanderreihung einzelner, zusammenhangloser Erzählfetzen. Trotzdem lässt Dana von Suffrin ein Gesamtbild entstehen, das schon sehr genau preisgibt, unter welchen Umständen Timna und Babi aufgewachsen sind. Aus meiner Sicht arbeitet die Autorin viel mit Klischees und Stereotypen. Diebstahl, Geiz und „Beschiss“ waren mir zu vordergründig. Dafür mochte ich die Kleinigkeiten sehr. Sailormoon und Pi**elsuppe sind nur zwei Beispiele dafür.

Weil der Roman aufgrund seiner Charaktere und vielleicht auch wegen seines Aufbaus recht anstrengend war, möchte ich insgesamt eine etwas eingeschränkte Leseempfehlung geben. Die Bereitschaft, sich auf eine stark fragmentierte Geschichte mit ungewöhnlichen Humor einzulassen, sollte schon gegeben sein.

Veröffentlicht am 29.08.2019

Stippvisite

Tierische Jobs
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Das Buch von Mario Ludwig stellt in kurzen Kapiteln aus dem gesamten Tierreich Zeitgenossen vor, die uns Menschen im Alltagsleben dienen. Dabei handelt es sich oft um bekannte Dinge, die für uns erledigt ...

Das Buch von Mario Ludwig stellt in kurzen Kapiteln aus dem gesamten Tierreich Zeitgenossen vor, die uns Menschen im Alltagsleben dienen. Dabei handelt es sich oft um bekannte Dinge, die für uns erledigt werden. Aber nicht alles, was man zu kennen meint, ist auch wirklich richtig so. Hier nimmt Mario Ludwig eine gedankliche Korrektur vor. Einige tierische Jobs waren mir bisher komplett unbekannt, vielleicht ein Drittel der Geschichten. Somit kann ich diesem Buch einen durchaus aufklärenden Charakter zusprechen.

Von den bisher unbekannten Helfern waren die im Klappentext präsentierten Highlights auch unter meinen Favoriten. Am besten haben mir jedoch die tierischen Ärzte, sprich die Laborärzte, die Radiologen und die Anästhesisten, gefallen. Lustig fand ich die gefiederten Hüter eines Weltreiches. Erstaunt war ich über die für mich neuen Erkenntnisse zur Delfintherapie, sowie über die Geschichte der Hündin Laika, die mir als tierische Heldin aus meiner Kindheit in Erinnerung geblieben war.

Um sich schnell einen Überblick zu verschaffen, welche zum Teil verrückten Sachen es alles gibt, ist diese Art der Aufbereitung ideal. Auch für Leute, die unterwegs in der Bahn immer mal wieder nur kurze Lesezeitfenster haben, ist das Sachbuch gut geeignet. Wer sich allerdings intensiver mit populärwissenschaftlichen Themen befasst, dem kann es nur einen Einstieg bieten. Für tiefere Analysen der wissenschaftlichen Hintergründe und Zusammenhänge müsste dann weitere Literatur zur Hand genommen werden. Ich hatte mir mehr Details, dafür vielleicht weniger Tiergeschichten erhofft. Deshalb lässt mich das Buch nicht ganz zufrieden zurück. Dennoch habe ich ein paar interessante Denkanstöße erhalten bzw. Themenfelder entdeckt, die ich gern noch vertiefen möchte.

Veröffentlicht am 24.08.2019

Ode an die Kartographie

Verrückt nach Karten
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„Verrückt nach Karten“ ist ein echtes Juwel unter den besonders schön gestalteten Büchern. Bereits das Kartencover mit der scheinbar erhaben aus dem Meer heraustretenden Küste, mit alles überragenden Bergen ...

„Verrückt nach Karten“ ist ein echtes Juwel unter den besonders schön gestalteten Büchern. Bereits das Kartencover mit der scheinbar erhaben aus dem Meer heraustretenden Küste, mit alles überragenden Bergen auf denen zum Teil Burgen und Schlösser thronen, sowie vielen Tieren und unzähligen, einzeln eingezeichneten Bäumen ist ein echtes Highlight. Es lädt zum Verweilen in diesem großformatigen Kartenbilderbuch ein. Qualitativ ist das Buch ebenfalls ganz weit vorne. Die Stabilität des Pappeinbands ist für die dargebotene Größe angemessen. Das glänzende Papier der Buchseiten stellt eine zusätzliche Aufwertung dar.

Inhaltlich hat Huw Lewis-Jones als Herausgeber die Erfahrungsberichte verschiedenster Autoren mit Karten, sowie Berichte über das Zusammenwirken von Karten und Geschichten zusammengestellt. Das phantasievolle Kartenmaterial aus den Geschichten oder auch die echten Karten aus früheren Jahrhunderten haben mich begeistert wie schon das Cover. Ich mochte es, auf Entdeckungsreise zu gehen und mich in der ein oder anderen Karte zu verlieren.

Die Faszination für die Karten konnte sich jedoch nicht wirklich auf den Text übertragen. Er hat mir zwar die ein oder andere Anregung für meine nächsten Lesetitel gegeben, aber durch oft ähnliche Berichte wurde es mit der Zeit für mich zu langatmig. Zudem war es ein bisschen frustrierend von berühmten Werken zu lesen, die ich nicht einmal namentlich kannte. Interessant fand ich die Idee eine Karte des eigenen Lebens zu zeichnen, die sich im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt.

Insgesamt kann ich leider nur eine mittlere Bewertung abgeben, obwohl die Karten selbst Bestnoten verdient haben. Empfehlen kann ich, das Buch in Etappen und nicht durchgehend zu lesen.

Veröffentlicht am 24.07.2019

Eher Krimi als Thriller

R.I.P.
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Die Grundstory des dritten Falls von Kommissar Huldar und Psychologin Freyja ist schnell erzählt. Ein brutaler Mörder geht um. Bevor er zur Tat schreitet, müssen die Opfer um Verzeihung bitten, sich entschuldigen. ...

Die Grundstory des dritten Falls von Kommissar Huldar und Psychologin Freyja ist schnell erzählt. Ein brutaler Mörder geht um. Bevor er zur Tat schreitet, müssen die Opfer um Verzeihung bitten, sich entschuldigen. Zwei Jugendliche sind bereits in seine Fänge geraten. Schnelle Erfolge bei den Ermittlungen sollen weitere Opfer verhindern.

Obwohl höchste Konzentration zur Aufklärung der Morde angebracht wäre, sind die Ermittler gefangen in einer privaten Fehde. Durch ihre nicht konformen privaten Interessen ist ihr Zusammenwirken gehemmt, die Suche nach dem Mörder leidet. Ich mag es zwar ganz gern, wenn Kommissare ein bisschen „kaputt“ bzw. vom Leben gezeichnet sind, hier nimmt mir jedoch der private Background zu viel Raum ein. In meiner Wahrnehmung geht dadurch ein Großteil der möglichen Spannung verloren.

Trotzdem mochte ich Freyja und Huldar. Mit Freyja konnte ich mich gut identifizieren. Sie hat ein relativ normales Leben mit Problemen, die man gut nachvollziehen kann, mit denen ich mich teilweise auch schon auseinander setzen musste. Huldars etwas trotteliges Wesen und seine männlichen Schwächen machten mir ihn sympathisch. Weniger konnte ich Ersa leiden. Sie war mir übertrieben eingeschnappt, brauchte für mein Empfinden zu lange, um wieder etwas mehr Professionalität walten zu lassen.
Dadurch verlaufen die Ermittlungen zäh. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis erste belastbare Anhaltspunkte gefunden werden. Dabei sind sie schon von Beginn an da. Zum Ende hin überschlagen sich dann die Ereignisse, die neben Motiv auch Täter offenbaren.

Schade finde ich, dass sowohl der Titel „R.I.P.“ als auch der Klappentext nicht hundertprozentig zum Inhalt passen. Wenn ich die Morde Revue passieren lasse, hat das weniger mit „Ruhe in Frieden“ als viel mehr mit „Fahr zur Hölle“ zu tun. Im Klappentext wird etwas erwähnt, was im ganzen Buch in dieser Form nicht wieder zu finden ist. Ich könnte mir vorstellen, der ein oder andere lässt sich davon vielleicht in die Irre führen und ist dann wohl möglich enttäuscht.

Fazit: „R.I.P.“ kann ich als soliden Krimi durchgehen lassen, das Prädikat Thriller würde ich nicht verleihen. Es gibt ein paar Spannungsmomente, für mich nicht genug. Da man Acht in seiner Erwartungshaltung geben muss, kann ich den Krimi nur eingeschränkt weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 21.05.2019

Roman mit Thriller-Momenten

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem. (Golden Cage 1)
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Wenn man aufgrund des spannungsgeladenen Titels „Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.“ in Verbindung mit dem Namen Camilla Läckberg glaubt, einen Thriller serviert zu bekommen, dann wird man vielleicht ...

Wenn man aufgrund des spannungsgeladenen Titels „Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.“ in Verbindung mit dem Namen Camilla Läckberg glaubt, einen Thriller serviert zu bekommen, dann wird man vielleicht enttäuscht sein, da der vorliegende Text dafür einfach nicht spannend genug ist.

Aber warum ist das so? In meinen Augen wird zu lang, nämlich etwa bis zur Buchmitte, in die Situation eingeführt. Als Leser taucht man in ein Familiendrama ein, wo Faye und Jack nach außen hin das perfekte Paar mimen. Gekrönt wird das scheinbare Glück von Julienne, der bezaubernden Tochter. Da Faye diese Perfektion auch nach innen aufrechterhalten will, tut sie absolut alles für Jack. Faye gibt sich mit Leuten ab, die sie nicht mag, wohnt mit Jack in einem Luxusapartment wie aus dem Hochglanzprospekt, lässt sich regelmäßig von ihm maßregeln, erniedrigt sich selbst vor ihm, nur um ihm weiterhin zu gefallen. Fayes unterwürfiges Verhalten ihrem Ehemann gegenüber passt aus meiner Sicht nicht zu ihrem in Rückblenden erzählten Hintergrund. Im Zusammenhang mit ihrem Studium und mit ihrem Beitrag während der Entstehungsphase des gemeinsamen Unternehmens Compare machte sie einen durchaus intelligenten Eindruck. Trotzdem hat sich Faye von Jack unterbuttern lassen. Zudem hätte ich erwartet, dass Faye aus den Erlebnissen ihrer Kindheit erstarkt hervorgegangen ist. Weil diese Verhaltensweisen überhaupt nicht mit meinem Frauen-/Weltbild in Einklang zu bringen sind, bleibt Faye mir bis zu Ende fremd.

In der zweiten Buchhälfte emanzipiert sich Faye endlich aus ihrem Goldenen Käfig. Es wird ein wenig spannender. Ohne eine Öre in der Tasche startet sie wie ein Phoenix aus der Asche eine neue Karriere. Nach all der Unterdrückung, jetzt zunächst mit finanziellen Sorgen belastet, entwickelt sie einen genialen Businessplan, während sie gleichzeitig einen Aushilfsjob ausübt. Als wäre das nicht schon zu viel, denkt Faye sich außerdem einen Racheplan für den gemeinen Jack aus. Für meinen Geschmack läuft es ab hier zu glatt, jede Idee schlägt ein, nichts geht schief, nur noch einmal wird es eng für Faye. Das hat nichts mehr mit Lebenswirklichkeit zu tun. Hier erschient mir die Handlung unglaubwürdig.

Das positive Ende hat mich dann auch irgendwie überrumpelt. Es passte zwar sachlich zu den vorher beschriebenen Tatsachen, wirkte aber trotzdem aufgesetzt.

Zudem finde ich den Titel „Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem.“ nicht ganz passend. Natürlich klingt der Titel nicht mehr so spannend, wenn man den letzten Teilsatz „Trau niemandem.“ weglässt. Dennoch finde ich ihn irreführend, da Faye ja doch der ein oder anderen Person sehr stark vertraut. Einen weiteren Kritikpunkt möchte ich für das recht penetrante Productplacement vergeben. Diese massive Form mag ich einfach nicht.

Trotz all der Kritik hat sich der Roman gut lesen lassen. Wenn man es nicht so genau nimmt, kann man das Buch mal zwischendurch oder im Urlaub durchschmökern. Die beiden bzw. drei Zeitebenen, in denen erzählt wird, lassen beim Leser Ahnungen entstehen. Richtig gut hat mir auch die unterschwellige Kritik zum „Schönen Schein“ gefallen. Golden Cage ist vielleicht insgesamt ein Thriller-light und für Einsteiger in dieses Genre gut geeignet. Da sich die schwedische Polizei meiner Meinung nach bei ihren Ermittlungen hier einen gravierenden Fehler leistet, sollten Angehörige ebendieser vielleicht die Finger von dem Roman lassen, um unnötigen Ärger zu vermeiden.