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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.04.2019

Witzig – aber wirklich wenig sinnvoll

Das ultimative Anti-Kochbuch - Sinnlos "kochen" mit Wasserkocher, Toaster, Backofen, Mikrowelle und Co.
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Das ultimative Anti-Kochbuch ist fast genau das, was auch sein Marketing behauptet, sinnlos. Aber ganz stimmt das nicht, dem Gerne-Koch und bestimmt noch viel mehr dem Kochmuffel zwingt es ein Lächeln ...

Das ultimative Anti-Kochbuch ist fast genau das, was auch sein Marketing behauptet, sinnlos. Aber ganz stimmt das nicht, dem Gerne-Koch und bestimmt noch viel mehr dem Kochmuffel zwingt es ein Lächeln auf. Das ist dann schon die halbe Miete zur Kochanimation, lieber etwas Sinnloses oder auf den ersten Blick „Ekliges“ – weil viel zu fettig bzw. kalorienhaltig - kochen als gar kein Essen. Auch für den Abbruch einer ungeliebten Diät mittels Fressattacke ist es der perfekte Ratgeber, denn wie kann man schöner aufhören zu hungern als mit Gourmet-Fleischkäse-Cordon-Bleu oder mit Hack-Käse-Auflauf. Ebenfalls auf dem Programm stehen Cocktails und andere Partygetränke, die ich tatsächlich im Sommer beim Grillen mal anbieten werde. Damit der Kochneuling nicht während des Rezeptstudiums auf Fremdwörter stößt, ist den Rezepten eine Vorstellungsrunde wichtiger Küchengeräte und Werkzeuge vorangestellt. Hier ist die Empfehlung des Einbaus von zwei Geschirrspülern mein persönlicher Favorit.

Sicherlich ist dieses Kochbuch nichts für Jedermann. Es ist teilweise lustig und teilweise richtig „doof“. Ein ganz schlimmes Beispiel: Wer kocht Reis im Wasserkocher, weil er keinen Topf abwaschen will? Jemand, der gern Tee und Kaffee mit Reisgeschmack mag, oder der lieber einen Wasserkocher per Hand reinigt, anstatt Töpfe in den Geschirrspüler zu räumen? Das darf man nicht so eng sehen. Die Nährwertangaben haben mir nur am Anfang gefallen, später mochte ich sie nicht mehr ganz so gern.

Fazit: Wer seinen Sohn zum Auszug etwas schenken will, ist hier richtig. Wer einen Kochmuffel anschubsen will, auch. Wer richtig kochen lernen will, sollte sich vielleicht auf ernsthaftere Kochbücher stützen.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Vom Rachefeld-Zug überrollt

Die Farben des Feuers
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In einer Zeit, wo die Emanzipation der Frau noch nicht stattgefunden hat, stirbt der berühmte französische Bankier Marcel Péricourt und hinterlässt fast sein gesamtes Vermögen seiner einzigen Tochter Madeleine. ...

In einer Zeit, wo die Emanzipation der Frau noch nicht stattgefunden hat, stirbt der berühmte französische Bankier Marcel Péricourt und hinterlässt fast sein gesamtes Vermögen seiner einzigen Tochter Madeleine. Die alleinerziehende Mutter wird sofort von den Herren in ihrem Umfeld - Gustave Joubert, der Prokurist der Bank, Charles Péricourt, Madeleines verschwenderischer Onkel, und ihrem Liebhaber André Delcourt – umgarnt. Alle wollen letztlich nur eins, ein möglichst großes Stück vom Kuchen. Zu allem Übel kommt es während der Beerdigung ihres Vaters zu einem weiteren Schicksalsschlag. Ihr siebenjähriger Sohn Paul springt aus dem Fenster eines angrenzenden Gebäudes, just in dem Moment, in dem der Trauerzug starten soll.

Pierre Lemaitre schenkt uns mit „Die Farben des Feuers“ einen Roman , der die Abgründe des Menschseins, nicht im Sinne von Mord und Totschlag, sondern vielmehr in Richtung von Gemeinheit, Intriganz und Rücksichtslosigkeit, offenlegt. In einer von Spitzen durchtriebenen, humorvollen Sprache berichtet Lemaitre von schlimmen Gewalttaten, von eiskalten Berechnungsstrategien zur Maximierung des eigenen Vorteils, auch auf Kosten anderer, vom Ausleben extremer Rachegelüste sowie von Zügellosigkeit und Ehebruch. Seine Geschichte ist eingebettet in das Paris der 1930er und 1940er Jahre, könnte aber in ähnlicher Form auch heute so geschehen. Lemaitres Charaktere sind recht individualistisch angelegt, die vorhandenen Beziehungen wirken eher locker. In meiner Wahrnehmung richten alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr ganzes Handeln am eigenen Nutzen aus. Von einem darüber hinausgehenden Interesse am Gemeinwohl oder am Wohl des Umfeldes ist kaum etwas zu spüren.

Lemaitres Schreibstil entwickelt sich von einer detaillierten Vorstellung der handelnden Personen, hin zu einer lückenhaften Erzählweise, die dem Leser Interpretationsspielräume lässt. Während Pierre Lemaitre zu Beginn den Leser an den Gedanken der Charaktere teilhaben lässt, was dem Leser das Gefühl vermittelt, in die Köpfe der Figuren schauen zu können, lässt er im Verlauf seine Figuren nur noch durch ihr Handeln sprechen. Normalerweise finde ich es gut, wenn der Leser nicht ganz genau erfährt, warum und wieso die Protagonisten auf eine bestimmte Art und Weise handeln. Für die Glaubwürdigkeit der Entwicklung von Madeleine Péricourt hätte ich mir gewünscht, sie in ihrer Gedankenwelt weiter begleiten zu dürfen. So erscheint ihre Metamorphose vom unwissend gehaltenen Hausmütterchen zum Engel der ausgeklügelten Rache doch recht überzeichnet. Ähnlich habe ich auch die Entwicklung des durch den Fenstersturz querschnittsgelähmten Paul empfunden, der zunächst lethargisch vor sich hin vegetiert und später als er beginnt, sich mit Musik und wissenschaftlicher Literatur zu beschäftigen, schon fast zum Manager mutiert. Diese starke Überzeichnung der Figuren wirkte für mich übertrieben, fast wie ein Theaterstück, wo in begrenzter Bühnenzeit möglichst viel Handlung gezeigt werden soll. Insgesamt waren es mir zu viele Charaktere. Ich hätte beispielsweise auf die ausgiebigen optischen Beschreibungen der Töchter von Charles Péricourt, sogar auf die Diva Solange mit ihrer Rechtschreibschwäche verzichten können. Wen ich nicht missen möchte in diesem Roman ist Vladi, die polnische Assistentin (würde man heute sagen) von Paul. Mit ihrer Herzlichkeit und ihrer konsequenten Verweigerung der französischen Sprache hat sie mir sehr gut gefallen.
Der geschichtliche Hintergrund plätschert die meiste Zeit im Hintergrund der Geschichte, tritt nur wenige Male deutlich in den Vordergrund.

Fazit: „Die Farben des Feuers“ ist aus meiner Sicht ein Roman, den man ganz gut lesen kann, aber nicht gelesen haben muss. Es war zeitweise amüsant, die eher lästernde Sprache zu lesen, aber für einen vollendeten Lesegenuss hat mir das gewisse Etwas, insbesondere Nachvollziehbarkeit, gefehlt.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Keine klare Meinung

Schnee in Amsterdam
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Selten war ich bei der Bewertung eines Buches so hin- und hergerissen wie hier bei „Schnee in Amsterdam“ von Bernhard MacLaverty. Mir gefällt die verwendete Sprache, der Wechsel zwischen aktueller Handlung ...

Selten war ich bei der Bewertung eines Buches so hin- und hergerissen wie hier bei „Schnee in Amsterdam“ von Bernhard MacLaverty. Mir gefällt die verwendete Sprache, der Wechsel zwischen aktueller Handlung und Erinnerungen. Ich mag auch die intensive Betrachtung des eher kurzen Handlungszeitraumes. Probleme habe ich mit der Thematik, die ich auf Basis des Klappentextes so nicht erwartet hatte.

Bernhard MacLaverty zeichnet ein liebevolles Bild eines schon lange Zeit verheirateten Ehepaars, das eine Reise nach Amsterdam unternimmt. Sein Blick fällt dabei auch auf die ganz kleinen Dinge, die Stellas und Gerrys Leben bestimmen. Beispielsweise haben beide kleine Ticks, die kurz vor Antritt der Reise zum Tragen kommen. Stella saugt nochmal eben letzte Staubkörnchen weg, obwohl niemand zu Hause bleibt, um davon Notiz zu nehmen. Gerry ruft schon nach fünf Minuten Verspätung den Taxidienst an, obwohl er dort wie viele Male zuvor die Auskunft bekommt, dass das Fahrzeug bereits unterwegs ist. Während der Reise kann der Leser an den Neckereien nach dem Motto „Was sich neckt, das liebt sich“ zwischen den Eheleuten teilhaben. Die Liebe, die Stella und Gerry für einander empfinden, wurde für mich ganz besonders transparent, wenn sie sich an gemeinsame, vergangene Zeiten erinnern. Diesen Teil der Geschichte fand ich sehr schön.

Etwas irritiert war ich bezüglich der Thematik, mit der ich mich plötzlich konfrontiert sah. Gerry ist alkoholabhängig. Obwohl der Teufelskreis der Alkoholsucht aus Beschaffung und Vertuschung wirklich gut ausgearbeitet war, konnte ich mich mit diesem Thema nicht anfreunden. Zeitweise fand ich beide Charaktere abstoßend, Gerry, weil er komplett die Kontrolle beim Trinken verliert, und Stella, weil sie in meiner Wahrnehmung zu lange überhaupt nicht versucht gegenzusteuern.

Weniger irritierend, für mich dennoch befremdlich empfand ich Stellas Glauben. Vermutlich ist das in meiner Nichtgläubigkeit begründet.

Die Einbettung der gemeinsamen Vergangenheit in den Nordirlandkonflikt wäre in meinen Augen entbehrlich gewesen. Ich konnte keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Sucht und den Geschehnissen während des Konflikts erkennen. Eine Verbindung zu Stellas stark ausgeprägten Glauben kann ich schon eher ausmachen. Dennoch wirkt die Einbettung in den Konflikt auf mich irgendwie aufgesetzt.

Insgesamt weiß ich gar nicht so recht, wie ich mein Urteil fällen soll. Auf der einen Seite würde ich dem Autor Unrecht tun, mit einer schlechten Bewertung. Die Sprachgewalt war ganz wunderbar und die Symptome der Alkoholsucht waren glaubwürdig beschrieben. Trotzdem hat mir das Buch nicht gefallen, weswegen auch eine Top-Bewertung nicht möglich ist. Es ist möglich, dass ich nur so empfinde, weil ich inhaltlich etwas ganz anderes erwartet hatte und damit nicht auf die Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Sucht eingestellt war. Deshalb werde ich auch keine Empfehlung für oder gegen „Schnee in Amsterdam“ aussprechen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Viel mehr als Erin Brockovich 2.0

Bonfire – Sie gehörte nie dazu
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Beim Lesen von Bonfire habe ich zunächst gedacht, Mmhh, kenne ich die Story nicht schon? Wird das hier Erin Brockovich 2.0? Doch wie so oft muss ich zugeben, dass sich das Weiterlesen und das auf das Buch ...

Beim Lesen von Bonfire habe ich zunächst gedacht, Mmhh, kenne ich die Story nicht schon? Wird das hier Erin Brockovich 2.0? Doch wie so oft muss ich zugeben, dass sich das Weiterlesen und das auf das Buch Einlassen durchaus gelohnt hat.

Im Rahmen ihrer Recherchen zu einem potentiellen Umweltskandal kehrt die junge Anwältin, Abby Williams, wieder nach Barrens, die Kleinstadt, in der sie aufgewachsen ist, zurück. Hier wurde sie ausgegrenzt, hier wurde Abby zum Mobbing-Opfer. Kaum angekommen, trifft Abby auf alte Bekannte. Sofort brechen alte Wunden wieder auf. Die Erinnerungen schmerzen. Abby merkt, dass sie nie mit den Geschehnissen ihrer Jugend abgeschlossen hat. Für meinen Geschmack ist Abby etwas zu wankelmütig, was Männer angeht. Zudem hat sie einen starken Hang zum Alkoholmissbrauch. Das kostet ihr einige Sympathiepunkte. Gut finde ich, dass sie sich nun endlich ihrer Vergangenheit stellt. Weil Abby dabei auf Ungeheuerliches stößt, ist dies auch der Annäherung an das Genre eines Thrillers sehr zuträglich.

Bis auf wenige Ausnahmen waren mir die meisten Bewohner Barrens‘ unsympathisch. Entweder haben sie Abby bei ihren Recherchen boykottiert oder sie hatten eine dermaßen arrogante Ausstrahlung, dass es mir unmöglich war sie zu mögen. Fast niemand hat sich ehrlich gefreut, Abby wieder zu sehen.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen. Man kann stundenlang ohne Ermüdungserscheinungen weiterlesen. Die recht kurzen Kapitel animieren ebenfalls dazu. Die Story thematisiert aktuelle Gefahren ohne „erhöhten Leichenanfall“, wodurch man sich gut in sie hineinversetzen kann.

Mit einem Augenzwinkern habe ich einen kleinen logischen Fehler wahrgenommen. Auf Seite 169 bestellt sich Brent, als er gemeinsam mit Abby in einer Kneipe ist, einen Tequila. Auf Seite 172 rührt er während des Gesprächs mit ihr in seinem Whiskey. Als Brent Abby dann schließlich küsst, schmecken seine Lippen nach billigem Tequila.

Wer beim Genre Thriller vor allem skandinavische Werke im Kopf hat, wird von Bonfire enttäuscht sein. Über weite Strecken habe ich Krysten Ritters Thriller eher als Kriminalroman empfunden. Erst im letzten Drittel kommt thrillerwürdige Spannung auf. Wen diese Einschränkung nicht stört, dem kann ich Bonfire als Lektüre zwischendurch empfehlen.

Veröffentlicht am 25.01.2019

Früh durchschaut

Der Flüstermann (1 MP3-CD)
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Der Flüstermann war mein erstes Hörbuch überhaupt. Ich musste zwar erst einen Hörmodus finden, in dem ich über einen längeren Zeitraum konzentriert und ohne das Gefühl, die Hälfte zu verpassen, zuhören ...

Der Flüstermann war mein erstes Hörbuch überhaupt. Ich musste zwar erst einen Hörmodus finden, in dem ich über einen längeren Zeitraum konzentriert und ohne das Gefühl, die Hälfte zu verpassen, zuhören konnte. Danach lief es aber wie am Schnürchen. Dabei hat mir vor allem Beate Rysopp geholfen. Durch ihre Art der Intonation war der Wechsel zwischen den Charakteren eindeutig und fast immer ohne übertriebene Wirkung. Nur in besonders brenzligen Situationen erschien mir die Stimme von Laura Kern, der erfahrenen Ermittlerin, etwas zu panisch. Durch die Lesung wurde die Stimmung in den beiden Zeitebenen ebenfalls jeweils gut transportiert.

Ich liebe es, wenn in einem Thriller zwei Handlungsstränge aufeinander zusteuern und sich erst am Ende ein schlüssiges Gesamtbild ergibt. Oft bin ich dann lange auf dem Holzweg, tappe sozusagen im Dunklen. Für den Flüstermann hatte ich schon relativ früh einen Verdacht, der sich dann nach und nach bestätigt hat. Eine plötzliche Wendung kam leider nicht mehr. Dafür gab es kreative Mordmethoden, die akribisch erdacht und vorbereitet waren.

Die Figur der Laura Kern als leitende Ermittlerin hat mich nicht voll umfänglich überzeugt. Ich war nicht so ganz auf einer Wellenlänge mit ihr. Ihre Narben am Körper und auf ihrer Seele haben sie zu einem misstrauischen Menschen gemacht. Obwohl sie als Ermittlerin sich sehr stark gibt, ist sie mir bezüglich ihres eigenen Schicksals zu verschlossen. Ein paar mal fand ich sie während der Ermittlungen etwas zu impulsiv, z. B. als sie zu den Skorpionen rein ist.

Schade fand ich auch, dass Lauras Kollege Max schon so früh aus der Ermittlung ausgeschieden ist. Ich hätte mir etwas mehr Konkurrenzkampf zwischen ihm und seinem Ersatzmann Taylor um Lauras Gunst gewünscht.

Mein Favorit in diesem Thriller ist Simon Fischer. Ihn fand ich richtig cool. Aus meiner Sicht hat er mit einem unvergleichlichen Engagement eine Analyse nach der anderen gefahren. Er wusste immer sofort, welche Datenbanken er für welche Information anzapfen musste. Ein Stichwort genügte und er zog in meiner Wahrnehmung wenige Minuten später das nächste Ass aus dem Ärmel.

Insgesamt hat mir „Der Flüstermann“ noch ganz gut gefallen. Als ich ihn für mich enttarnt hatte, war es nur nicht mehr so spannend. Dennoch war es interessant, die Ermittlungen weiter zu beobachten.