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Veröffentlicht am 18.02.2023

Ansprechender Werkzeugkasten zur Weiterentwicklung eigener Führungskompetenzen

Moderne Führung und Selbstorganisation
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Die Arbeitswelt verändert sich gerade massiv. Ich merke das im täglichen Doing daran, dass jahrelang komfortabel, wie selbstverständlich gelebte Prozesse nicht mehr wirklich gut funktionieren. Zum einen ...

Die Arbeitswelt verändert sich gerade massiv. Ich merke das im täglichen Doing daran, dass jahrelang komfortabel, wie selbstverständlich gelebte Prozesse nicht mehr wirklich gut funktionieren. Zum einen sind häufiger, wechselnde Kollegen mit jeweils anderen Impulsen beteiligt, zum anderen sind die Anforderungen des Marktes an unsere Produkte und Services komplexer geworden, bedürfen einer intensiven Zusammenarbeit interdisziplinärer Teams. Um in diesem Kontext (m)eine Führungsrolle anzunehmen, zu stärken und ggf. neu auszurichten, habe ich mich mit dem vorliegenden Sachbuch „Moderne Führung und Selbstorganisation“ sowie den zur Verfügung gestellten digitalen Extras auseinandergesetzt.

Der Ansatz des Buches ist zunächst den Blick auf sich selbst zu richten. Ausgehend von der Reflexion und dem Verständnis der eigenen Persönlichkeit lassen sich Stärken und Potenziale des Selbst erkennen. Gelingt uns im Kontext der Potenziale häufiger das Verlassen der Komfortzone, entwickeln wir uns automatisch weiter. Erfolgt dies bewusst, können Zukunftskompetenzen zielgerichtet gefördert und ausgebaut werden. So lernen wir durch das Setzen eigener Ziele und durch getroffene Entscheidungen unsere Handlungsmöglichkeiten zu erweitern sowie unser Umfeld aktiver zu gestalten. Beim Wirken auf unser Umfeld geht es vordergründig um das Verstehen des Gegenübers und das darauf ausgerichtete sozial und auch emotional intelligente Handeln.

Was hier kurz zusammengefasst ziemlich theoretisch anmutet, kommt im Buch recht locker und gut verständlich daher. Deshalb hat es auch Spaß gemacht, sich mit den vielen Detailthemen auseinanderzusetzen. Gespickt mit Beispielen, Schaubildern und Anregungen zum Aktivwerden bei Übungen und Herausforderungen ist es der Autorin gelungen mich durchgehend motiviert zu halten. Passende Zitate von Persönlichkeiten wie beispielsweise Goethe, Einstein oder Sokrates haben mich öfters anerkennend schmunzeln lassen. Ich habe das Buch gern jeden Abend zur Hand genommen, ein zwei Kapitel gelesen und Themen, die mich besonders angesprochen haben, direkt auf mich und mein Umfeld reflektiert. Als besonderes Highlight empfinde ich hier, dass psychologische Fallen und Stolpersteine an den passenden Stellen aufgezeigt werden.

Am meisten helfen mir persönlich die Erkenntnisse zum Imposter-Syndrom, zum Gruppendenken und zum Pygmalion-Effekt sowie die letzten drei Kapitel. Motivation für mein aktuelles Führungsverständnis ziehe ich aus Musterbrecher und Organisationsrebellen. Direkt weiterarbeiten werde ich an den Zukunftskompetenzen Entscheidungsklugheit, Lösungsorientierung und Kreativität. Im Rahmen der Entwicklung meiner Lösungsorientierung finde ich die Methode des Future-back-Thinking interessant. Das Kapitel Emotional und sozial intelligent handeln wird mich professioneller wirken lassen. Jetzt muss ich nur noch meine Komfortzone verlassen und loslegen.

Das einmalige Lesen des Buchs verschafft einen guten Überblick über die Vielfalt an Ansatzpunkten und Methoden auf dem Weg zur Modernen Führung. Ich verstehe das Buch allerdings eher als Arbeitsbuch, in dass man immer wieder hineinschaut, wo man in seinem Entwicklungsprozess einzelne Übungen mit Hilfe der digitalen Extras ausführt. Ich kann das nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 13.02.2023

Gewalt und Homophobie der 90er

Young Mungo
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Es ist die Zeit der großen Sorgen, Margaret Thatcher ist die Regierungschefin, Kohlekumpel und Werftarbeiter haben ihre Jobs verloren, Straßenschlachten zwischen Katholiken und Protestanten sind an der ...

Es ist die Zeit der großen Sorgen, Margaret Thatcher ist die Regierungschefin, Kohlekumpel und Werftarbeiter haben ihre Jobs verloren, Straßenschlachten zwischen Katholiken und Protestanten sind an der Tagesordnung, Alkoholsucht grassiert in vielen Familien. Das Leben bzw. Überleben der sich selbst überlassenen Jugendlichen ist eine dauerhafte Herausforderung. In diesem Leben ist kein Platz für verweichlichte Jungen. Als solcher wird auch Mungo von seinen Mitmenschen betrachtet. Ohne eigene Freunde, in seinem Selbstbewusstsein boykottiert von seinen Ticks, wird er von seinen Geschwistern, Hamish und Jodie, abwechselnd in deren Lebenswirklichkeit hineingezogen. Sich kümmernde Eltern sind nicht vorhanden. Der Vater ist tot. Die Mutter entweder betrunken oder fernab ihrer Kinder engagiert, den nächsten potentiellen Lover von sich zu überzeugen.

In diesem Umfeld begleiten wir Mungo in zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Handlungssträngen. Wir begegnen seinem Hunger am Abend, wenn er warten muss, dass seine Schwester von ihrer Schicht nach Hause kommt und ihn versorgt. Wir sind dabei, wenn ihn sein Bruder zwingt, mit ihm in den Bandenkrieg gegen die Katholiken zu ziehen. Mungo wird Zeuge von maßloser Gewalt, ihm selbst werden schlimmste Verletzungen beigebracht. Schlimme Erfahrungen gepaart mit Gefühlen der Einsamkeit sind sein Leben. Einziger Lichtblick ist James, den Mungobei einem einsamen Streifzug kennen lernt.

Mir hatte das Debüt von Douglas Stuart, Shuggie Bain, sehr gut gefallen, weswegen ich unbedingt diesen neuen Roman lesen wollte. Young Mungo gefällt mir noch besser. Die Sprache ist noch etwas ausgefeilter, die Schilderung der Geschehnisse gnadenlos. Es geht neben den Nöten der Menschen seinerzeit vordergründig um Gewalt und Homophobie. Douglas Stuart legt den Finger tief in die Wunde, schönt nichts. Aus meiner Sicht hat sich der Autor selbst übertroffen. Ich bin gleichermaßen schwer begeistert und erschüttert von der Deutlichkeit der Darstellung.

Mit Young Mungo mutet man sich Einiges zu, zeitweise ist das Lesen schwer auszuhalten. Trotzdem gebe ich eine ganz klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Man muss sich langsam öffnen

Schnell mal vegan
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Ich muss zugeben, dass ich zunächst keinen guten Zugang zu Buch gefunden habe. Die ersten 20 Seiten des Kochbuches enthalten viele Verweise auf weitere Werke der Autorin. Zudem empfinde ich die Einführung ...

Ich muss zugeben, dass ich zunächst keinen guten Zugang zu Buch gefunden habe. Die ersten 20 Seiten des Kochbuches enthalten viele Verweise auf weitere Werke der Autorin. Zudem empfinde ich die Einführung ganz schön belehrend, so dass ich nach der Lektüre dieser ersten Seiten eine leichte Abneigung entwickelt hatte und dann natürlich beim Durchblättern der Rezepte besonders kritisch drauf geschaut habe.

Ich habe dann einige Rezepte entdeckt, wo ich mich gefragt habe, was diese Dinge in einem Kochbuch zu suchen haben. Das kann doch jeder, dachte ich. Avocado-Toast oder das Spargelrezept auf Seite 72 seinen hier beispielhaft genannt. Zudem habe ich festgestellt, das viele Rezepte Knoblauch enthalten, den ich persönlich nicht so mag. Doch ich wollte nicht in dieser meckernden Haltung verbleiben, sondern die Challenge mal einige Wochen nur vegan zu essen, tatsächlich auch annehmen.

Ich habe die Rezepte intensiver studiert und letztlich leckere neue Gerichte aufgetan. Dabei habe ich bei den Verwendungsmöglichkeiten von Avocado dazugelernt. Ich stelle im Zusammenhang mit dieser Zutat eine bisher eingeschränkte Kreativität meinerseits fest. Der Guacamole-Salat war toll, der Ananas-Avocado-Salat ein richtiges Highlight. Von den Suppen haben mir die Rote Linsensuppe und die Erbsensuppe mit Minze gefallen. Spannend, weil ich nie auf diese Kombination bzw. Namen kommen würde, fand ich Spinatreis und Bloody-Mary-Salat. Durch die inzwischen guten Erfahrungen bin ich bereit, weitere Rezepte zu probieren, sogar zu Gerichten, wie Waldorf-Salat, die ich in der Vergangenheit eher abgelehnt habe.

Die Beschäftigung mit Katharina Seiser‘s Kochbuch hat mir meine doch noch hohe Hemmschwelle gegenüber veganer Küche offenbart. Die Challenge ist noch nicht ganz geglückt, aber durch ihre Anregungen beschäftige ich mich intensiv mit Ernährung ohne Fleisch und andere tierische Produkte. Ich empfehle, eine vielleicht angestrebte Ernährungsumstellung langsam anzugehen, damit der Ehrgeiz es zu schaffen über den leckeren Geschmack kommt. Ansonsten ist die Gefahr des Aufgebens wie bei Diäten recht groß. Auch wenn ich nicht sofort überzeugt war, finde ich das Buch inzwischen hilfreich.

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Veröffentlicht am 02.02.2023

Diskriminierung bis zur Eskalation

Salomés Zorn
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Salomé Atabong ist ein junges Mädchen, dessen Wurzeln bis nach Kamerun reichen. Sie lebt mit ihren Eltern in einem kleinen Dorf in den Niederlanden. Täglich muss sie unterschwelligen sowie offenen Rassismus ...

Salomé Atabong ist ein junges Mädchen, dessen Wurzeln bis nach Kamerun reichen. Sie lebt mit ihren Eltern in einem kleinen Dorf in den Niederlanden. Täglich muss sie unterschwelligen sowie offenen Rassismus ertragen, angefangen von nicht beseitigten Hundehaufen auf dem Grundstück der Atabongs, über alltägliche Beleidigungen bis hin zu ausgeübter Gewalt. Ihr dahingehend leidgeprüfter Vater gibt ihr einen folgenschweren Rat: „Du musst deiner Faust folgen.“, „So, als ob du ein Loch in deinen Feind schlagen willst.“

Also kämpft Salomé, getrieben von einer jahrelang angewachsenen Wut, gegen ihre Peiniger. Sie will einfach kein Opfer sein. Als es eskaliert, muss sie in den Donut, eine Jugendstrafanstalt, wo sie eine Therapie machen muss. Dabei tauchen wir in Salomés Innenleben ein und lesen von ihrer Gefühlswelt, von Salomés Bekannten und Verwandten, von den Einflüssen auf ihr Leben. Die Protagonistin selbst ist mir zu keinem Zeitpunkt besonders sympathisch gewesen. Aufgrund ihrer schnippischen, anlehnenden Art blieb eine gewisse Distanz, die ich trotz Verständnis für ihren Gemütszustand nicht abbauen konnte.

Der Schreibstil ist modern, etwas gewöhnungsbedürftig, weil sich in ihm sämtliche Irritation der Protagonistin widerspiegelt. Der Text enthält beschreibende Passagen wie den langen Urlaub in Kamerun, Träume, passende Ausschnitte aus griechischen Sagen und eben zahlreiche Gefühlsfetzen. In ihrem allgegenwärtigen Zorn springen die Gefühle, fahren ein Stück weit Achterbahn. Doch gleichzeitig entsteht während der Therapie bei allen Ungerechtigkeiten so etwas wie vernünftige Einsicht, dass Gegengewalt keine Lösung sein wird. Natürlich ist dies gemein, aber leider die Realität.

Die Auseinandersetzung mit Diskriminierung auf Basis von Salomés Zorn offenbart viele kleine rassistische Statements, die sich überall in unserem Sprachgebrauch wiederfinden, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Ich frage mich, ob es je möglich sein wird, sie ganz verschwinden zu lassen. Reaktionen von Diskriminierung Betroffener erscheinen für mich in einem neuen Licht. Deshalb möchte ich die Lektüre empfehlen, es erscheint mir als gesellschaftliche Notwendigkeit, an dieser Stelle ein besseres Bewusstsein zu entwickeln.

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Veröffentlicht am 21.01.2023

Klimawandel - mit uns nicht aufzuhalten, vielleicht zu managen

Taupunkt
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Vor vier Jahren hatte ich „Die Reinsten“ von Thore D. Hansen gelesen und war begeistert von seiner geschickten Fortschreibung unseres aktuellen Handelns in eine potentielle Zukunft gewesen. Deshalb war ...

Vor vier Jahren hatte ich „Die Reinsten“ von Thore D. Hansen gelesen und war begeistert von seiner geschickten Fortschreibung unseres aktuellen Handelns in eine potentielle Zukunft gewesen. Deshalb war es mir eine Freude seinen neuen Klimaroman „Taupunkt“ zu entdecken. Schon das Cover deutet auf ein Inferno, ein Leben mit erdrückender Hitze hin.

Wir begleiten in einer nicht all zu fernen Zukunft eine zerrissene Familie durch einen nicht enden wollenden Hitzesommer mit Temperaturen zwischen vierzig und fünfzig Grad, der viele Feuer begünstigt und nun auch massiv Opfer fordert. Es geht um zwei Brüder, Robert und Tom Beyer, die sich vor Jahren auseinander entwickelt haben, und ihre Töchter im Studentinnenalter, Mareike und Janne, die dementsprechend eine ganz unterschiedliche Kindheit erfahren haben. Das Setting ist recht weitläufig, befindet sich hauptsächlich im Dreieck zwischen zwei landwirtschaftlichen Höfen in Nordfriesland und Brandenburg, die Robert gehören sowie in Berlin, wo Klimaaktivisten unbeirrt weiter demonstrieren, um endlich ein Umdenken bei Regierung und Gesellschaft zu erzeugen.

Robert, der Landwirt, kämpft schon seit Jahren mit der Hitze, seine wirtschaftliche Existenz ist bedroht, er versucht alles, um noch ein bisschen Ertrag aus seinem Land herauszuholen. Für Tom, den Wissenschaftler, der ein Programm entwickelt hat, dessen Durchsetzung die Lebensgewohnheiten der Menschen tiefgreifend verändern wird, geht Roberts Handeln in die falsche Richtung. Janne geht neben dem Studium demonstrieren und Mareike ist genervt von einem Leben mit berühmten Vater, dessen Wissenschaft immer wieder den Finger in die Wunde der Leute legt.

So konstruiert der Autor im Spannungsfeld des Klimawandels einen Mikrokosmos Familie, wo selbige Mechanismen wie auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext greifen, macht widersprüchliche Verhaltensweisen seiner Charaktere transparent, führt uns damit ganz nah an eigene Unzulänglichkeiten, die wir oft gar nicht wahrnehmen, heran. Das Schreckensszenario aus Hitze, Tod und Verbrechen ist beängstigend real erzählt, lies mich nicht nur einmal ins Grübeln kommen.

Letztlich hilft der Roman zu begreifen, dass sich etwas ändern muss, im Kleinen wie im Großen, ausgehend von uns allen. Ich empfehle die Lektüre gern. Lediglich das Ende kam mir zu schnell. Ich habe es lieber, wenn das Ende ausgeprägter oder ganz offen ist.

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