Viktorianischer Einheits-Prosa-Pudding. Leider.
BelgraviaBrüssel, 1815: Die britischen Truppen rüsten sich zur Schlacht gegen Napoleons Heer. Die damit einhergehende Gefahr setzt so machen gesellschaftliche Konvention außer Kraft und weicht bislang unpassierbare ...
Brüssel, 1815: Die britischen Truppen rüsten sich zur Schlacht gegen Napoleons Heer. Die damit einhergehende Gefahr setzt so machen gesellschaftliche Konvention außer Kraft und weicht bislang unpassierbare Standesgrenzen auf. So kommt es, dass Lord Edmund Bellasis seiner heimlichen Liebe Sophia Trenchard – hübsch und wohlerzogen, aber eine Bürgerliche und die Tochter des Proviantmeisters, ergo nicht standesgemäß – eine Einladung zu dem Ball der Duchess of Richmond verschaffen kann. Eine Nacht mit Folgen.
London, 1841: Edmund fiel in der Schlacht bei Waterloo, Sophia starb im Kindbett, der gemeinsame Sohn wurde von Sophias Eltern heimlich einer Pastorenfamilie in Obhut gegeben. Mittlerweile ist das Kind zu einem charmanten und begabten jungen Mann herangewachsen, der sich anschickt, in London als Geschäftsmann zu reüssieren – und der nichts über seine wahre Herkunft weiß. Seine beiden Großmütter wollen ihn, zunächst unerkannt, nach Kräften unterstützen – doch dies birgt unzählige Schwierigkeiten.
Julian Fellowes ist der Autor von ‚Gosford Park‘ und ‚Downton Abbey‘. Da mir sowohl der Film als auch die Serie ausgesprochen gut gefallen haben, freute ich mich sehr darauf, diesen Roman zu lesen. Nun ja …
Der Roman enthält nahezu alle Versatzstücke, die offenbar jede Story, die im viktorianischen England spielt, aufweisen muss: der (Achtung, Spoiler: vermeintlich!) illegitime Spross einer unstandesgemäßen Verbindung, die wahlweise intriganten oder treu ergebenen Dienstboten, der prassende Erbe, die versnobte Adlige(n), die moralisch überlegene Bürgerliche, der ehrgeizige Emporkömmling, der verzweifelt nach gesellschaftlicher Anerkennung giert, der neidische Zweitgeborene und, und, und. Dazu etwas Standesdünkel und eine Prise Standesgrenzen, eine Portion Verrat und eine Messerspitze ungeplanter Schwangerschaft: voilà, fertig ist der viktorianische Einheits-Prosa-Pudding.
Ich wurde mit keiner der Figuren so richtig warm, was zum einen an deren sehr stereotyper Zeichnung lag, zum anderen an Fellowes‘ sehr nüchternem, eher beschreibendem als berührendem Erzählstil. Ich sah zwar die einzelnen Szenen bildlich vor mir – da merkt man den Drehbuchautor –, doch sie übten keine nennenswerte Wirkung, keinen rechten Zauber auf mich aus. (Und nach meinem Geschmack hätte die Hälfte der Szenen, in denen die Hausherrin an der Frisierkommode sitzt, während ihre Zofe an ihr herumzuppelt, durchaus gereicht.)
Fazit: Trotz meiner zahlreichen Kritikpunkte ist das Buch nicht wirklich schlecht – es ist nur so entsetzlich vorhersehbar.