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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.06.2020

spannend, wendungsreich, unterhaltsam

Schwestern im Tod
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Toulouse, 1993. Es ist ein grausiger Anblick, der sich dem jungen Kommissar Martin Servaz bietet: Zwei junge Studentinnen, die Schwestern Ambre und Alice, sind ermordet und an einen Baum gefesselt worden. ...

Toulouse, 1993. Es ist ein grausiger Anblick, der sich dem jungen Kommissar Martin Servaz bietet: Zwei junge Studentinnen, die Schwestern Ambre und Alice, sind ermordet und an einen Baum gefesselt worden. Was am meisten verstört: Beide tragen Kommunionkleider – und entsprechen damit dem Todesszenario in einem Buch des Bestsellerautors Erik Berg. Der verhält sich zwar äußerst verdächtig, doch scheint schnell ein anderer Täter ausgemacht.
25 Jahre später wird Servaz erneut an einen grausigen Tatort gerufen. Eine Frau liegt inmitten höchst giftiger Schlangen. Auch sie trägt ein Kommunionkleid – und ist Erik Bergs Ehefrau. Derselbe Täter kann es nicht sein, er nahm sich damals noch vor seiner Festnahme das Leben. Ein Nachahmungstäter? Oder war der Mann, der den Mord vor seinem Suizid gestand, gar nicht der wahre Mörder? Servaz ist überzeugt: Der damalige Mord wurde nicht richtig aufgeklärt. Und er hängt mit diesem zusammen.

„Schwestern im Tod“ ist der nunmehr fünfte Band der Pyrenäen-Krimi-Reihe um den feinsinnigen Ermittler Martin Servaz. Der Fall wartet mit so mancher überraschender Wendung auf und ist spannend erzählt. Für Fans der Reihe dürfte überdies der Rückblick auf Servaz‘ Vergangenheit und seine Anfänge bei der Polizei interessant sein sowie die Fortführung der Rahmenhandlung seines, nennen wir es: ereignisreichen Privatlebens. „Schwestern im Tod“ lässt sich indes problemlos auch als „Einzelkrimi“, d. h. ohne die anderen Bände der Reihe zu kennen, lesen – allerdings spoilert er eine überraschende Wendung aus dem Vorgängerroman („Nacht“).

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung – sowohl für Fans als auch für Neulinge der Reihe.

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Klug und atmosphärisch

Die Oxford-Morde
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Seinen Aufenthalt in Oxford hat sich der Ich-Erzähler, ein junger argentinischer Doktorand, wahrlich anders vorgestellt. Anstatt sich auf seine Mathematik-Promotion konzentrieren zu können, wird er unversehens ...

Seinen Aufenthalt in Oxford hat sich der Ich-Erzähler, ein junger argentinischer Doktorand, wahrlich anders vorgestellt. Anstatt sich auf seine Mathematik-Promotion konzentrieren zu können, wird er unversehens in eine Mordserie hineingezogen, deren erstes Opfer seine Vermieterin ist. Es folgen weitere Todesfälle, die auffällige Gemeinsamkeiten aufweisen: Stets wird der Tod auf auffallend ‚sanfte‘ Weise herbeigeführt, stets wird ein mathematisches Symbol hinterlassen – und stets scheint der berühmte und charismatische Mathematikprofessor Arthur Seldom, ein Spezialist für mathematische Reihen, im besonderen Fokus des Täters zu stehen. Liegt es nur daran, dass er ein Kapitel in einem seiner bekanntesten mathematischen Werke Serienmördern gewidmet hat? Oder ist er noch tiefer in den rätselhaften Geschehnissen verwickelt? Und was hat es mit dem geheimnisvollen Bund der Pythagoräer auf sich?

„Die Oxford-Morde“ (aus dem argentinischen Spanisch von Angelica Ammar) ist ein atmosphärischer, kluger und spannend erzählter Kriminalroman, dessen Lektüre allerdings eine gewisse Portion Konzentration erfordert – zumindest bei Nicht-MathematikerInnen wie mir. Die wiederholten Verweise auf mathematische Reihen und bis heute ungelöste mathematische Fragen (Fermat) fand ich überaus interessant und lehrreich. Die Figuren und die Handlung sind vielschichtig, der Handlungsort Oxford überaus atmosphärisch dargestellt.

Eine klare Leseempfehlung – nicht nur für MathematikerInnen.

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Veröffentlicht am 15.06.2020

Was ist wirklich 'wirklich'?

Gefährliche Geliebte
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„Da Erinnerungen und Sinneseindrücke so ungewiß sind, so vielen Einflüssen unterliegen, beziehen wir uns, um uns die Realität von Ereignissen zu beweisen, stets auf eine parallele Realität – nennen wir ...

„Da Erinnerungen und Sinneseindrücke so ungewiß sind, so vielen Einflüssen unterliegen, beziehen wir uns, um uns die Realität von Ereignissen zu beweisen, stets auf eine parallele Realität – nennen wir sie Meta-Realität. Inwieweit Tatsachen, die wir als solche anerkennen, wirklich so sind, wie sie uns erscheinen, und inwieweit sie nur darum Tatsachen sind, weil wir sie zu solchen erklären, läßt sich unmöglich entscheiden.“ (S. 206)

Was ist wirklich? Was ist Einbildung? Ein Traum? Eine Sinnestäuschung? Das sind die Fragen, die ich mir, wie so oft während und nach der Lektüre eines Romans von Haruki Murakami, auch bei diesem Buch gestellt habe. Und darum geht es:

Hajime ist in der fünften Klasse, als er Shimamoto zum ersten Mal sieht. Sie ist klug und hübsch, und sie ist ebenso Einzelkind wie Hajime, das hebt die zwei eklatant von allen KlassenkameradInnen ab. Die Kinder freunden sich an, verbringen ihre Freizeit miteinander, Hajime ist von diesem außergewöhnlichen Mädchen, das ein Bein nachzieht, fasziniert, und ja, er ist auch ein bisschen verliebt. Als beide auf unterschiedliche weiterführende Schulen wechseln, bricht der Kontakt ab, sie verlieren einander aus den Augen. Doch wirklich vergessen kann Hajime Shimamoto nicht. Daran hat sich auch nach zwanzig Jahren nichts geändert. Hajime hat mittlerweile einer anderen das Herz gebrochen und wieder eine andere geheiratet. Er liebt seine Frau, seine Kinder, seinen Job. Alles könnte perfekt sein. Doch dann taucht eines Abends Shimamoto in Hajimes Jazz-Club auf …

Shimamoto besucht Hajime in unregelmäßigen Abständen; stets regnet es, stets ist sie allein, stets höchst elegant gekleidet: eine beinahe überirdische Erscheinung. Sie gibt so gut wie nichts von sich preis, doch Hajime kann sich ihr immer weniger entziehen, er ist fasziniert, ja, gebannt von seiner einstigen Jugendliebe. Doch je häufiger Shimamoto Hajime besucht, umso mehr fragte ich mich, ob es sich tatsächlich um Besuche – oder nicht vielmehr um eine Heimsuchung handelt. Murakami versteht es meisterhaft, Realitätsebenen zu verschieben. Was scheinbar offensichtlich ist, wird mit fortschreitender Lektüre diffus und obskur, bis man sich am Ende fragt: Was ist wirklich ‚wirklich‘?

Ganz große Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 15.06.2020

Charmant und informativ

Das Herz
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Es ist wohl eines der bekanntesten Symbole der Welt: Das Herz. Es ist der symbolische Inbegriff der Liebe, steht aber auch für alles, was wir mögen oder auch ‚liken‘.

Doch woher kommt dieses Symbol, ...

Es ist wohl eines der bekanntesten Symbole der Welt: Das Herz. Es ist der symbolische Inbegriff der Liebe, steht aber auch für alles, was wir mögen oder auch ‚liken‘.

Doch woher kommt dieses Symbol, das in seiner Form mit dem anatomischen Herzen, wenn man es einmal näher betrachtet, nicht viel gemein hat? Dieser Frage geht die US-amerikanische Gender-Spezialistin und erfolgreiche Sachbuchautorin Marilyn Yalom auf den Grund. Ebenso fachlich fundiert wie sprachlich leicht erläutert sie den Siegeszug eines Symbols, das nicht mehr wegzudenken ist, von der Antike über Mittelalter und Renaissance bis zur Gegenwart. So erfährt man beispielsweise, dass die erste nachgewiesene Herzform in das 5./6. Jahrhundert v. Chr. zurückdatiert. Dort ziert es eine Drachme – allerdings ohne das Herz oder die Liebe zu symbolisieren, sondern vielmehr als Abbild der Samenschale der Silphiumpflanze.

„Das Herz. Eine besondere Geschichte der Liebe“ (Deutsch von Barbara von Bechtolsheim) ist die charmante Kulturgeschichte eines Symbols, das einem heute allerorts begegnet, dessen Ursprünge aber wohl kaum jemanden bewusst bzw. bekannt sind. Unterhaltsam und lehrreich zugleich.

Ach ja: Wem der Nachname der Autorin (vage?) bekannt vorkommt: Der Bestsellerautor Irvin D. Yalom hat die Ehre, der Ehemann dieser klugen Frau sein zu dürfen.

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Veröffentlicht am 08.06.2020

Für mich der bislang beste Roman von Musso

Ein Wort, um dich zu retten
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Île Beaumont – ein weitgehend abgeschiedenes Paradies im Mittelmeer, dessen Bewohner viel Wert auf Diskretion legen. Hierher hat sich der einst gefeierte Bestsellerautor Nathan Fawles vor zwanzig Jahren ...

Île Beaumont – ein weitgehend abgeschiedenes Paradies im Mittelmeer, dessen Bewohner viel Wert auf Diskretion legen. Hierher hat sich der einst gefeierte Bestsellerautor Nathan Fawles vor zwanzig Jahren zurückgezogen, nachdem er von einem Tag auf den anderen beschlossen hatte, nie wieder zu schreiben. Hierher verschlägt es den jungen Nachwuchsautor Raphaël Bataille; vorgeblich, um in der einzigen Buchhandlung der Insel zu arbeiten, tatsächlich, um seinem Idol Nathan nahe zu sein. Tatsächlich gelingt es dem jungen Mann, Kontakt zu dem Schriftsteller aufzunehmen, sich ihm anzunähern. Raphaël möchte nicht nur Nathans Meinung zu seinem eigenen, bislang unveröffentlichten Manuskript einholen, er will auch ergründen, weshalb sein Vorbild so abrupt mit dem Schreiben aufgehört hat. Eine ähnliche Mission scheint die ebenso hübsche wie rätselhafte Journalistin Mathilde zu verfolgen. Auch ihr gelingt es, Nathan zu kontaktieren. Auch sie treibt die Frage um, was vor zwanzig Jahren geschah. Doch ihr Interesse ist nicht rein beruflicher Natur… Als ein brutaler Mord geschieht und die Insel abgeriegelt wird, wird Nathan von seiner Vergangenheit eingeholt. Und das erweist sich als lebensgefährlich – nicht nur für ihn.

Die Handlung beginnt ruhig und bedächtig, korrespondierend zu Landschaft und Klima der Insel geradezu mild. Ein Künstler-, ein Entwicklungsroman scheint es zu sein: Allen Kapiteln ist das Zitat eines berühmten Schriftstellers bzw. einer berühmten Schriftstellerin vorangestellt, Reflexionen über das Schriftstellerdasein durchziehen den gesamten Text. Da ist der junge, noch unerfahrene Künstler, der passenderweise in einer Buchhandlung arbeitet, mit seinem Chef auf dem pittoresken Platz im Zentrum seinen spätsommerlichen Aperitif einnimmt, der seinem verehrten Vorbild nahe sein will und dem es sogar gelingt, dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Da ist der knurrige Autor, der sich langsam aus seiner selbstgewählten Einsiedelei wagt. Und da ist die geheimnisvolle junge Frau, die ebenfalls die Nähe des Autors sucht und dabei durchaus charmant vorgeht. Doch so plötzlich, wie das warme Sommerwetter der herbstlichen Kälte des mistral noir weicht, schwindet auch die fragile Harmonie. An ihre Stelle treten Misstrauen und Gefahr, der charmante Künstlerroman mausert sich zum Krimi: Die verdrängten und verschwiegenen Ereignisse der Vergangenheit drängen an die Oberfläche und enthüllen unfassbare Ereignisse und Verwicklungen.

„Ein Wort, um dich zu retten“ ist der neueste Roman des französischen Erfolgsautors Guillaume Musso, und er ist aus meiner Sicht sein bislang bester. Wenngleich die Figurenzeichnung etwas zu wenig differenziert ausfällt und die Handlung an manchen Stellen etwas zu sehr an Joël Dickers „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ erinnert, machen der verblüffende Tod einer Figur, die überraschende Auflösung und insbesondere der originelle Epilog, in dem sich die Realitätsebenen auf gelungene Weise vermischen, aus meiner Sicht die Blässe und Ähnlichkeiten auf jeden Fall wieder wett.

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