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Veröffentlicht am 18.03.2024

Dresden rund um die zerstörte Frauenkirche

Schicksalsjahre. Die Frauen vom Neumarkt
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Das Leben von Lotte Spatz ab 1939 in Dresden steht zunächst im Zentrum des historischen Romans, bis sie sich als Trümmerfrau ab 1947 in der total zerstörten Stadt notdürftig einrichtet. In den Beschreibungen ...

Das Leben von Lotte Spatz ab 1939 in Dresden steht zunächst im Zentrum des historischen Romans, bis sie sich als Trümmerfrau ab 1947 in der total zerstörten Stadt notdürftig einrichtet. In den Beschreibungen ihres mühseligen Alltags eingewoben sind ihre Bemühungen um ihre zwei geliebten Männer Leo und Jakob Sternlieb, beides Juden. Thematisiert werden in der ersten Romanhälfte die Machenschaften zweier Diktaturen, nämlich der Naziterror und das DDR-Regime, beide brutal verknüpft mit antisemitischen Kampagnen. Im weiteren Verlauf kommt mit Hannah, Lotte´s Enkelin, eine weitere Erzählebene hinzu. Ab 1993 hilft sie über mehrere Jahre beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche als Denkmalpflegerin mit. Hier finden sich schließlich nicht nur drei Generationen von Frauen einer Familie vereint wieder, sondern nach mehr als fünfzig Jahren auch Lotte´s große Liebe, Jakob Sternlieb. Die Figur von Hanna´s Mutter Marlene Spatz, die Bürgermeisterkandidatin, erfährt im Gesamtkonzept weniger schriftstellerischen Raum. Die Idee einer erfolgreichen Recherchearbeit anhand nur eines zufällig gefundenen Fotos gefällt, ebenso die Einbindung politischer Ereignisse des Zeitraums bis 2005. Die überzeugenden Liebesbekundungen vieler beteiligter Protagonisten verleihen dieser deprimierenden Vergangenheit Deutschlands im Roman ein wenig Leichtigkeit und neue Hoffnung. Interessante Lektüre.

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Veröffentlicht am 16.03.2024

Der Zauber der Worte und die Magie der Sprache

Die Vermesserin der Worte
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Das Cover wirkt wie ein stilvolles Gemälde auf beruhigendem, grünem Passepartout, wie ein Stillleben mit drei Büchern und einem üppigen Blumenarrangement in Gelb – edel, schlicht, passend. Der Titel des ...

Das Cover wirkt wie ein stilvolles Gemälde auf beruhigendem, grünem Passepartout, wie ein Stillleben mit drei Büchern und einem üppigen Blumenarrangement in Gelb – edel, schlicht, passend. Der Titel des Buches macht neugierig, denn man fragt sich: Kann man Worte vermessen? Diese ungewöhnliche Geschichte zweier sehr verschiedenen Frauen aus zwei Generationen handelt von der Liebe zu Büchern, gefüllt mit Worten, die ein Gewicht haben. Die bildreiche, teils poetische Sprache hier fängt viele Gefühle ein. Neben Themen wie Einsamkeit, Demenz, Schreibblockade, Freundschaft, Heimat, Trauer, Verlust etc. geht es auch um die Kraft der Sprache. Indem Ida Hermann, die junge Autorin mit Schreibblockade, auf der Reise nach Worten ist und der dementen Ottilie Selig, der Madame des papierenen Anwesens mit Lücken zwischen den Gedanken, ihren Lebensweg abschnittweise in Erinnerung bringt, baut sich spannende Dynamik auf. Beide gegensätzlichen Charaktere ergänzen sich in besonderer Weise. Die Beschreibung des Miteinanders ist berührend, teils tiefgründig. Kann man Fantasie und Worte messen? Ist ein Buch ein Vermächtnis gegen das Vergessen, um einen Abdruck auf dieser Welt zu hinterlassen?

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Veröffentlicht am 15.03.2024

Capri und die blauen Eidechsen – interessant.

Der blaue Salamander
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Wie der Buchtitel bereits verrät, geht es um eine seltene Eidechsenunterart, beheimatet auf den Faraglioni bei Capri - deutsch: Leuchtfeuer. In der Antike wurden solche exponierte Felsen häufig durch Feuer ...

Wie der Buchtitel bereits verrät, geht es um eine seltene Eidechsenunterart, beheimatet auf den Faraglioni bei Capri - deutsch: Leuchtfeuer. In der Antike wurden solche exponierte Felsen häufig durch Feuer beleuchtet, um Seefahrern die Orientierung und Navigation zu erleichtern. Diese blaue Ruineneidechse - Lucertola Azzurra – unterscheidet sich von anderen Unterarten durch ihre intensive blaue Farbe und die Zahl der Schuppen in verschiedenen Körperregionen. Auch das Geheimnis um ihr seltsames Verhalten in raren Nächten auf den bläulich schimmernden Faraglioni-Felsen wird gelüftet. Eine seltene Designerhandtasche, gefertigt aus diesem kostbaren blauen Salamanderleder, wird als gestohlen gemeldet. Vorab jedoch geht es um einen Mord. Im Verlauf der Ermittlungen wird ein Zusammenhang beider Delikte hergestellt, dem man logisch gut folgen kann. Die Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei in Neapel ist dabei weniger effektiv – mit belebendem Aufklärungseffekt für die zwei erfolgreichen Kommissare Enrico Rizzi und Antonia Cirillo aus Capri. Beide sind mit ihrem nicht ganz unproblematischen Privatleben eingebunden in das touristisch angehauchte Geschehen auf dieser beliebten Insel. Der Trend zur Verarbeitung von veganem Leder wird geschickt eingebunden. Die Idee, die Handtaschenproduktion um den blauen Salamander wieder aufleben zu lassen, ist kreativ gestaltet. Das Finale wirkt jedoch etwas zu sehr konstruiert, besonders die Momente rund um den kirchlichen Tatort.

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Veröffentlicht am 14.03.2024

Eine Homage an Louis Braille

Eine Fingerkuppe Freiheit
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Der Buchtitel zielt gekonnt auf den Inhalt an: Fingerkuppen verhelfen beim Lesen der Blindenschrift von Louis Braille zu einem großen Stück Freiheit, neben Bildung und mehr Selbständigkeit. Der Charakter ...

Der Buchtitel zielt gekonnt auf den Inhalt an: Fingerkuppen verhelfen beim Lesen der Blindenschrift von Louis Braille zu einem großen Stück Freiheit, neben Bildung und mehr Selbständigkeit. Der Charakter des sehr jung erblindeten Louis wird bildlich in der Wortwahl und im pompösen Schreibstil des 19. Jahrhunderts dargestellt. Trotz vieler Widrigkeiten setzt sich sein Schriftsystem gegen die Reliefschriften, ganz gleich, ob Prägedruck, Stachelschrift oder Nadelschrift schließlich weltweit durch. Sein historischer, geradliniger Werdegang, von liebevollen bis aggressiven Nebenfiguren begleitet, animiert zum weiteren Suchen im Internet nach den im Buch erwähnten Größen wie z. B. Abbé Haüy im Bereich der Blindenschrift. Trotz aller Missgunst von Sehenden erfindet der Blinde Louis Braille neben der Blindenschrift zusätzlich auch eine Musiknotenschrift aus sechs erhabenen Punkten sowie einen Raphigrafen zusammen mit Foucault. Zwischen Wahrheit und Fiktion ist hier eine lehrreiche Biographie entstanden, sprachlich teilweise zu poetisch verbrämt.

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Veröffentlicht am 13.03.2024

Kein Krimi, sondern ein Roman!

Lichtjahre im Dunkel
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Der Roman, in vier Teilen konzipiert, handelt zunächst von etwas langatmigen Nachforschungen des Detektiven Tabor Süden in Sachen Vermissung des Zeitschriftenhändlers Leo Ahorn, 48, beauftragt durch die ...

Der Roman, in vier Teilen konzipiert, handelt zunächst von etwas langatmigen Nachforschungen des Detektiven Tabor Süden in Sachen Vermissung des Zeitschriftenhändlers Leo Ahorn, 48, beauftragt durch die Ehefrau Viola Ahorn, 42. Die Charakterisierung des Ehepaares mit ihren Vorstellungen von Ehe und gemeinsamem Alltag, vom dem Siechtum geweihten Schreibwarenladen ist gut gelungen. Im zweiten Teil sorgt das Ermittlungsteam der Polizei rund um Oberkommissarin Fariza Nasri für etwas Spannung, durch Namensnennung eines bisher unbekannten Zuhälters, auch durch Violas Verfall in Schuldgefühle und Selbstzerstörung. Der Verdächtige, Georg Kramer, ehemaliger Umzugsunternehmer mit Schuldkomplex, steht im weiteren Teil mit seinem teils simulierten Gedächtnisverlust und Alkoholkonsum im Zentrum des Geschehens. Zu ihm gesellt sich ein geheimnisvoller Besucher aus der Berliner Halbwelt, sein bisher unbekannter Halbbruder Sandro Zille bzw. Fels, der für einige Wendungen im weiteren Verlauf bis zum erfolgreichen Ermittlungsende sorgt. Die Milieuschilderungen, auch die in der Kneipe Blaues Eck, haben Atmosphäre, kommen realistisch rüber. Die Durchschnittlichkeit, Knickrigkeit, all die Enttäuschungen und der Verlust von Lebensträumen nicht nur bei den Kneipenbesuchern, all dies wird wortgewandt beschrieben. Der Buchtitel mag sich auf Georg Kramer beziehen, der erst im Alter von 61 Jahren von der Existenz eines Halbbruders erfährt, wodurch aber nicht nur sein Leben starken Eruptionen unterliegt.
Eine gelungene tiefgründige Zeichnung von enttäuschten, kranken Menschen auf dunklem Hintergrund.

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