Machenschaften aus längst vergangenen Zeiten
Elitewahn„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Seit fünfzig Jahren ist dieser Satz von Bertolt Brecht bekannt. Er steht im Epilog des Theaterstücks "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“.
Daran musste ...
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Seit fünfzig Jahren ist dieser Satz von Bertolt Brecht bekannt. Er steht im Epilog des Theaterstücks "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“.
Daran musste ich denken, als ich den neuen Krimi „Elitewahn“ von Biggi Rist und Liliane Skalecki, erschienen 2018 im Gmeiner Verlag, gelesen hatte.
Es ist der zweite Fall der beiden Freundinnen und Hobbyermittlerinnen Malie Abendroth und Lioba Hanfstängl aus Konstanz. Die beiden sehr unterschiedlichen Frauen haben sich zufällig kennengelernt und schon einmal zusammengearbeitet, als es um das Thema Artenschutz und illegaler Handel mit bedrohten Tieren ging.
Auch im neuen Krimi greift das Autorenduo aktuelle gesellschaftliche Themen auf. War es zuvor der Natur- und Umweltschutz, bereitet ihnen jetzt die aktuelle politische Entwicklung mit zunehmenden rechtspopulistischen Tendenzen Sorge. In der Pressemitteilung des Gmeiner Verlages ist zu lesen, dass sich immer mehr Menschen ein „früheres Deutschland“ vorstellen können.
Geschickt wird in verschiedenen Zeitebenen, Rückblicken und historischen Einfügungen des Krimis von der Eliteschule Schloss Waldesruh und seinen Insassen erzählt. Dabei werden auch die vergessenen Geschichten der NAPOLA wieder gegenwärtig und der Leser kann durchaus Parallelen erkennen.
Die spannende Geschichte, die der Krimi beinhaltet, vermischt gekonnt Realität und Fiktion.
Ein junger Lehrer des Internats wird plötzlich tot aufgefunden. Man geht von einem natürlichen Tod aus. Doch Malie, die als Gärtnerin mit der Neugestaltung des Schlossparks beauftragt wurde, hat Malte kennengelernt und von ihm merkwürdige Dinge über das Internat gehört. Beide haben sich als aus dem Norden Zugezogene sofort gut verstanden. Ihr Misstrauen ist geweckt.
Zur gleichen Zeit erhält ihre Freundin Lioba, die beim städtischen Bauamt tätig ist, eine Rechercheanfrage zum Schloss Waldesruh von einem Historiker. Wenig später findet Lioba ihn tot in seinem Haus. Aber sie sieht auch Indizien, die nicht auf eine natürliche Todesursache schließen lassen.
Malie und Lioba stellen sich Fragen und suchen Antworten. Sie beginnen zu recherchieren und finden in der Nazizeit und der Judenverfolgung den Schlüssel zur Lösung des Falls. Dabei decken sie Unglaubliches auf. Nach und nach entsteht ein sehr differenziertes Bild der Vergangenheit und personelle Verbindungen führen direkt in die heutige Zeit. Die Autorinnen haben den historischen Hintergrund sehr gut recherchiert. Die Erkenntnisse werden geschickt mittels Nebenfiguren und –handlungen in die spannende und komplexe Handlung eingebunden.
Der flüssige Schreibstil, der wie aus einem Guss ist, liest sich ausgezeichnet. Das Personenverzeichnis am Anfang ist sehr hilfreich. Die Charaktere sind sehr gut und anschaulich beschrieben und Ähnlichkeiten mit Zeitgenossen rein zufällig. Beide Autorinnen verfügen über eine Portion Humor, die den handelnden Personen gut steht.
Die Spannung und die Suche nach Täter und Motiv fesseln bis zum dramatischen Finale, als Malie plötzlich selbst in große Gefahr gerät.
Aus meiner Sicht ist „Elitewahn“ eine klare Leseempfehlung für alle, die einen gut durchdachten Krimi mit authentischen Persönlichkeiten, spannenden Ermittlungen und einem kritischen Blick auf die Gegenwart und Vergangenheit Deutschlands mögen.