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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 25.08.2021

Ganz Besonderes

Sein Name war Annabel
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1968, Croydon Harbour, ein verschlafener kleiner Ort an der Küste Labradors. Hier leben Jacinta und Treadway glücklich verheiratet und erwarten ihrer erstes Baby. Doch die Freude verblasst schon bei der ...

1968, Croydon Harbour, ein verschlafener kleiner Ort an der Küste Labradors. Hier leben Jacinta und Treadway glücklich verheiratet und erwarten ihrer erstes Baby. Doch die Freude verblasst schon bei der Geburt, denn dieses Kind ist anders: nicht ganz Junge und nicht ganz Mädchen. Ein Geschlecht bis dahin in der kleinen Ortschaft keiner gesehen hat. Die Mutter sieht in das Baby ihr Mädchen aber der Vater entscheidet es als Junge aufwachsen lassen, nennt ihn Wayne. Treadway gibt alles, um ihn als Junge zu erziehen, bringt ihn jagen, fischen, zimmern bei. Jacinta dagegen ist oft ratlos und immer auf der Versuchung zwischen ihrem Kind und ihren Mann zu finden. Nur die Thomasina, die Freundin der Eltern, kennt das Geheimnis und nennt Wayne heimlich Annabel, nach ihrer verunglückten Tochter. Nur sie behandelt ihm nicht nur als Junge oder Mädchen, sondern als Mensch. Und Wayne findet nur bei ihr Unterstützung auch nach 21 Jahren als Erwachsender...

Mein einstieg in das Buch war sehr langsam und das Kennenlernen mit dem Figuren hat es etwas gedauert, denn Winter lässt sich Zeit und erzählt detailgetreu. Doch sobald ich in die Geschichte war, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen. Obwohl die Autorin viele verschiedene Gefühle oft distanziert auf dem Papier gebracht hat, haben die mich trotzdem mitgerissen. Stellenweise hat sie mich von einer emotionalen Szene zu den nächsten katapultiert. Die Ängste, Liebe und Scham der Eltern, und die Verlorenheit, Mut und die Unsicherheit von Wayne konnte ich mir sehr gut vorstellen.

Kathleen Winter hat ein Wort/Bildgewaltigen Roman über Intersexualität und über den gesellschaftlichen Akzeptanz mit dem Hermaphroditismus geschrieben. Welche der zurückhaltend, ruhig aber mit sicherem Stil erzähl wird.

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Veröffentlicht am 22.08.2021

Märchenhaftes Debüt

Junge mit schwarzem Hahn
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Der 11-jährige Martin ist der einzige überlebende seine Familie, die einem Gewalttat von seinem Vater ermordet wurde. Er besitzt nichts, außer die übergroße Kleidung, die er am Leibe trägt und einen schwarzen ...

Der 11-jährige Martin ist der einzige überlebende seine Familie, die einem Gewalttat von seinem Vater ermordet wurde. Er besitzt nichts, außer die übergroße Kleidung, die er am Leibe trägt und einen schwarzen Hahn, der ihm überall begleitet, beriet, wärmt und liebt. Der Junge ist freundlich, sehr klug, hat einen scharfen Beobachtersinn und einen großen Herz. Er ist sehr hilfsbereit und stets zufrieden, auch wenn er für seine Hilfe, für seine harte Arbeit, eine einzige Zwiebel zum Essen bekommt. Die Dorfbewohner verstehen die Gutmütigkeit vom Martin nicht, die benutzen ihn nur für ihre eigene Interessen, misshandeln und verwahrlosen ihn. Dazu fürchten sie sich vor dem Hahn, dem sie als Inkarnation von Teufel halten. Bis eines Tages ein Maler ins Dorf kommt und Martin seit langem einen Menschen trifft, der nicht selbstsüchtig ist und beschließt mit ihm wegzugehen...

Mit Martin hat mich die Autorin auf in eine dunkle, düstere, triste Welt mitgenommen. Eine Welt, auf die ich nicht gelebt hab, aber trotzdem mir nicht fremd war. Denn wer ein Märchen gelesen/vorgelesen/geschaut/gehört hat, bekommt hier ein Déjà-vu. Schwarzen Rittern, böse Königin, Aberglauben, sprechende Tiere, verschwundene Kinder, Armut sind Grundthemen von diesem Buches. Das Setting ist historisch, dennoch kann ich nicht genau sagen, wann das Ganze gespielt hat. Was ich zwischen den Zeilen gelesen hab, vermute ich, dass es in Mitte des 14. Jahrhunderts in Europa spielt.

Die Sprache von Stefanie vor Schulte ist poetisch, leicht aber nicht einfach. Hinter fast jeden Satz versteckt was Unausgesprochenes. Einerseits fand ich diese Märchensätze grandios, anderseits haben die mich beim Lesen ermüdet.

Es ist eine märchenhafte, düstere, kunstvolle Geschichte mit mitreißende Figuren, welche ich sehr gerne gelesen hab.

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Veröffentlicht am 20.08.2021

Eine emotionale Familiengeschichte

Die Überlebenden
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Ein Holzhäuschen am See inmitten des Ländlichen Schwedens. Hier verbringen Brüder Benjamin, Pierre und Nils jedes Jahr ihrer Sommerferien, gehen angeln, schwimmen und streifen die durch den Wald. Von außen ...

Ein Holzhäuschen am See inmitten des Ländlichen Schwedens. Hier verbringen Brüder Benjamin, Pierre und Nils jedes Jahr ihrer Sommerferien, gehen angeln, schwimmen und streifen die durch den Wald. Von außen eine perfekte Familie, zusammen die Ferien, die Sommer und die Natur genießen. Doch die Idylle täuscht, denn die Eltern sind Alkoholabhängig, lassen ihre Söhne verwahrlosen, sind gefühlskalt und unachtsam. Die Brüder konkurrieren und schikanieren sich oft untereinander um etwas Aufmerksamkeit von den Eltern, besonders von der Mutter, zu bekommen. Bis eines Tages eine Tragödie der Familie tief im inneren verändert.

Nach zwanzig Jahren kommen die Brüder zum ersten Mal ins Sommerhaus zusammen, sitzen im Anzug und Krawatte auf den Treppen vor dem Holzhaus. Zwischen ihnen eine Urne voller Asche ihrer Mutter und viele Gefühle und Sätze die seit Jahren unausgesprochen geblieben sind.

Benjamin, der mittlere Sohn, ist der Ich-Erzähler von Schulmans Familienroman. Er ist ein stiller Beobachter, analysiert bis zum kleinsten Detail die Verhalten von seinen Familienmitglieder und weiß, wann die Stimmung zum Kippen droht. Wie Benjamin in seinen jungen Jahren alles gegeben hat, um seine Familie zusammenzuhalten, hat mich zu tiefst berührt.

Alex Schulman erzählt die Geschichte mit klaren Worten, intensiv und realitätsnah auf zwei Ebenen. Kapitelweise bin ich zwischen Vergangenheit und Gegenwart gereist, dabei wirkte mir der Roman alles andere als Sommerlich leicht. Im Gegenteil! Schon in den ersten Seiten fühlte ich eine bedrohlich aufgeladene Stimmung. Ich habe bei jedem Kapitel gespürt, da irgendwas nicht stimmte, doch Schulman hat die Handlung so grandios entworfen, bis zum Ende war ich ahnungslos. Denn wo die Gegenwartsebene Episodenhaft erzählt wird, wird die Gegenwart rückwärts erzählt, sodass ich spannungsgeladen weiterlesen musste. Und das Ende! Ein Ende der mich unerwartet mit Entsetzen ins kalte See hineingeworfen hat.

Es ist eine emotionale Familiengeschichte über Schuld und Vergebung und meisterhafter Debütroman, der mich nachdenklich zurückgelassenen hat.

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Veröffentlicht am 15.08.2021

Kein einfaches Buch, umso mehr sehr wichtiges

Das Mädchen
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„Was war mit dem Mädchen passiert, das ich einmal gewesen war. Es war fort. Ich hatte keine Liebe mehr in mir. Ich wollte sterben. Ich will sterben, flüsterte ich. Ich wusste nicht, was ich sagte. Ich ...

„Was war mit dem Mädchen passiert, das ich einmal gewesen war. Es war fort. Ich hatte keine Liebe mehr in mir. Ich wollte sterben. Ich will sterben, flüsterte ich. Ich wusste nicht, was ich sagte. Ich wusste nicht, wie nah der Tod sein konnte, dass er über uns schwebte.“

Maryam war erst 14 als sie zusammen mit ihren Schulkameradinnen vom Boko Haram entführt wurde und in ein Lager, mitten ins nirgendwo gebracht wurde. Einen Camp, wo sie mit vielen anderen Mädchen hungert, Sklavenarbeit erledigt, mehrfach missbraucht und vergewaltigt wurde. Zwischen all den grausamen Taten wurde sie gegen ihre willen verheiratet und bekommt ein Baby. Während einen Bombenanschlag auf das Terroristenlager gelingt Maryam mit ihrer Tochter und mit ihrer Freundin Buki zu fliehen. Die nehmen ein langen, gefährlichen und irren Weg durch den Urwald nach Hause, doch als sie in ihren Dorf ankommt, wurde sie alles andere als herzlich empfangen...

Mit fast 90 Jahren reist die irländische Autorin nach Nigeria, recherchiert für dieses Buch und redet mit den betroffenen Mädchen und Frauen persönlich, um uns diesen wahrhaften basierten fiktiven Roman zu schenken. Ohne Blatt vor dem Mund, ungeschönt, schlicht aber sehr bildhaft nimmt O'Brian einen nach Nigeria mit und trifft mit Wucht mitten im Herz. Diese Geschichte zu lesen war für mich nicht einfach, denn ihre Schilderungen über die Grausamkeiten waren zwar sachlich, jedoch so detailliert niedergeschrieben, sodass glasklare Bilder in meinem Kopf entstanden hatten. Bilder die mir Gänsehaut auf gesamten Körper, tränen im Augen verursacht, die mich aufgewühlt und sprachlos gemacht hatten.

Es ist definitiv kein einfaches Buch aber umso mehr sehr wichtiges und absolut lesenswertes! Denn es ist kein Märchen und keine Geschichte, sondern PURE Realität!!!

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Veröffentlicht am 13.08.2021

Sinnlos, unlogisch, fragwürdig

Sag mir, wer ich bin
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Die 16-jährige Kanadierin Sally wurde bei ihrer Sprachreise in Paris beinahe vergewaltigt und sehr schwer verletzt. Sie fällt ins Koma und als sie aufwachte, erinnert sie sich nur an Nasenblutungen. Sie ...

Die 16-jährige Kanadierin Sally wurde bei ihrer Sprachreise in Paris beinahe vergewaltigt und sehr schwer verletzt. Sie fällt ins Koma und als sie aufwachte, erinnert sie sich nur an Nasenblutungen. Sie kehrt in ihre Heimat Montreal zurück, versucht zu funktionieren und heiratet sogar. Obwohl sie mittlerweile an den Vorfall erinnerte, schweigt sie weiterhin, erzählt, dass sie wegen Nasenblutung ins Koma gefallen hat. Sally macht keinen Therapien, geht nicht ins Restaurant, steigt niemals ins Taxi ein und sieht in allen Männer potenzielle Gewaltiger. Bis sie auf einer Party unter den Gästen einen Mann sieht, von dem sie hundertprozentig sicher ist, dass er der Gewalttäter war...

Es ist der schrecklichster, seltsamster, grauenhaftester Roman, den ich je gelesen habe! Sorry but no sorry!!!

Auf dem Klappentext wurde das Buch als spannendes Katz-und-Maus-Spiel angekündigt, nur ich habe hier weder die Katze noch die Maus gefunden, geschweige den ein spannendes Spiel. Es geht hier eher um einen Strauß, der seinen Kopf in den Sand steckt. Denn egal wie schwer Sallys psychische Probleme sind, sie weigert absolut dagegen zum Psychologen zu gehen. Dafür aber arbeitet sie bei einer Hilfsorganisation für die Frauen, die unter Gewalt leiden, wo sie kräftig mithilft. Muss ich jetzt den Sinn da hinter verstehen? Es ist noch nicht alles! Als sie mit sieben Jahren einen Exhibitionisten getroffen und ihre Eltern davon erzählt hat, prügelt ihr Vater sie grün und blau. Was für ein Vater ist er denn? Obwohl die Ärzte ihren Eltern genau erklärt hatten, warum Sally im Koma gelegen hat, glauben sie tatsächlich, dass an die Nasenblutung liegt. Hää? Ihre 30-Jahre ältere Patenonkel ist nicht nur scharf auf sie, sogar nimmt sie als Frau, wobei ihr Vater Freudentanz führt. In meinen Augen, braucht hier nicht nur Sally dringend psychologische Hilfe, sondern die Männer brauchen es noch dringender. Dazu kommt die Konflikte zwischen England und Frankreich abstammende Kanadiern, welche ohne besonderer Logik in die Handlung gebaut sind. Die Autorin erzählt das Ganze in einer Sprache, die mir wie von Drittklässlern gewirkt hat. Besonders die Dialoge fand ich grauenvoll konstruiert. Jede Menge nichts sagende Gespräche.

Ich habe hier einen Spannungsroman erwartet und erst im total verwirrende Vorwort erfahren, das es eine #MeToo Geschichte ist. Eher sein sollte! Denn ich lese sehr gern und viel über die MeToo-Bewegung daher kann ich mit Sicherheit sagen, dass das nichts mit dem Thema zu tun hat. Es ist überhaupt nicht mein Buch. Schade!

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